Rücktritt, § 24 StGB Flashcards
Straflosigkeitsgrund des Rücktritts
Täter soll goldene Brücke in die Legalität ermöglicht werden
→ Anreizfunktion, Opferschutzgesichtspunkte, Täter beseitigt Unrecht selbst, daher kein Strafbedürfnis mehr
→ kein Anlass für General- und Individualprävention, Repression
fehlgeschlagener Versuch
Täter kann nach seiner Vorstellung die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden
Fehlschlag bei Sinnlosigkeit der weiteren Tatausführung
Täter kann Tat nach seiner Vorstellung noch vollenden, dies ist aber für ihn sinnlos geworden
- Identitätsirrtum
- Wertlosigkeit des Tatobjekts
➝ führt nach Rspr. nicht zu Fehlschlag, aber zu Unfreiwilligkeit des Rücktritts
unbeendeter Versuch
wenn Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was er nach seiner Vorstellung zur Vollendung der Tat tun muss (maßgeblich ist Rücktrittshorizont)
beendeter Versuch
- wenn Täter alles getan zu haben glaubt, was er nach seiner Vorstellung zur Vollendung der Tat tun muss
- ausreichend, dass er den Erfolgseintritt nach seinem Tun für möglich hält - sog. Gefahrbewusstsein, auch wenn sich Täter überhaupt keine Vorstellungen über Folgen seines Tuns macht → der Gleichgültige soll nicht privilegiert werden, gilt allerdings nicht, wenn Erfolgseintritt vom Verhalten des Opfers abhängt
außertatbestandliche Zielerreichung
sog. “Denkzettel”-Fall
Täter handelte zunächst mit bedingtem Vorsatz, nach unmittelbarem Ansetzen handelt er aber nicht weiter, weil er sein mit der Straftat eigentlich verfolgtes Handlungsziel schon durch den bloßen Versuch erreicht hat
➝ unbeendeter Versuch
P: Rücktritt nicht mehr möglich? Schließt außertatbestandliche Zielerreichung das freiwillige Aufgeben der weiteren Tatausführung aus?
(+) ratio, Täter hat Ziel erreicht
(-) Opferschutz
(-) Wortlaut § 24 StGB
(-) sonst Privilegierung Absichtstäter ggü. Täter mit Eventualvorsatz
ernsthaftes Sich-Bemühen
Täter unternimmt alles, was nach seiner Vorstellung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist
Freiwilligkeit
Rücktritt erfolgt aus autonomen Gründen, d. h. selbstbestimmt → nicht durch zwingende Hinderungsgründe (heteronome Motive, d. h. vom Willen des Täters unabhängig) veranlasst
Anstoß darf von außen kommen, solange Täter noch Herr seiner Entscheidung bleibt
nicht autonom, wenn aus Sicht des Täters keine hinreichenden Erfolgsaussichten mehr bestehen
Unfreiwilligkeit
Täter wird durch heteronome Gründe geleitet, fremdbestimmt
sowohl äußerer als auch innerer Natur
Frank’sche Formel
“Ich will nicht, selbst wenn ich könnte” = autonom
“Ich kann nicht, selbst wenn ich wollte” = heteronom
(-) sagt nichts über “Freiheit” des Willens aus, Umschreibung des untauglichen Versuchs
Lehre von der Verbrechervernunft
Täter muss entgegen der Verbrechervernunft handeln, d. h. nicht wie ein “verständiger” Verbrechen
→ z. B. Opfer helfen statt Flucht
(+) Täter kehrt in Legalität zurück
(-) kaum abzugrenzen, rein normative Bestimmung zu ungenau
Sind die Vorschriften über die tätige Reue analogiefähig?
e. A.: (+), Strafmilderung durch Gesamtanalogie zu Regelungen der tätigen Reue im Einzelfall möglich
(+) gesetzlich geregelte Fälle vom Zufall abhängig
h. M.: (-)
(+) keine planwidrige Regelungslücke: Gesetzgeber hat bewusst nur wenige Ausnahmevorschriften geschaffen und Berücksichtigung über § 46 II 2 StGB möglich
Gibt es einen Teilrücktritt von der Qualifikation?
Bsp.: A begeht einen Raubversuch mit Waffen, wirft aber nach Versuchsbeginn die Waffe weg und vollendet den Raub unbewaffnet.
Rspr.: (-)
(+) qualifizierendes Merkmal muss nur zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung vorliegen
h. L.: (+)
(+) Gründe der Rücktrittsregelung passen auch hier, Täter weniger gefährlich
P: dogmatische Einordnung des fehlgeschlagenen Versuchs bei sog. rechtlicher Unmöglichkeit
→ eigenständige Bedeutung bei
Roxin AT II, § 30 Rn. 89 ff.
Schroeder, NStZ 2009, 9; Roxin NStZ 2009, 319
h. M.: eigenständige Rechtsfigur außerhalb des § 24 StGB
→ Aufgeben setzt voraus, dass die Tat weiter verfolgt werden kann
a. A.: Unterfall des beendeten Versuchs
ältere Rspr.: Tatplantheorie
- Grundlage = ursprünglicher Tatplan → Abstellen auf Zeitpunkt vor Beginn der Ausführungshandlung
Fehlschlag, wenn Tatplan vollständig ausgeführt wird und der angestrebte Erfolg nicht eintritt - nur wenn Tatplan nicht fest umrissen war, ist auf Rücktrittshorizont abzustellen
→ nur wenn kein genauer Tatplan existiert, gelangt man zur Frage beendeter / unbeendeter Versuch
(-) privilegiert besonders gefährliche Täter, die sich von Anfang an mehrere Begehungsalternativen vorstellen
e. A.: Einzelaktstheorie
- Gesamtgeschehen ist in Einzelakte aufzuteilen, d. h. es kommt auf die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung an
→ gelangt überhaupt nicht zum beendeten Versuch
(-) spaltet einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich auf
(-) begrenzt Rücktrittsmöglichkeit zu stark, Opferschutz
(-) bei Täter, der nach 9 fehlgeschlagenen Schüssen Opfer mit 10. Schuss tötet, müsste man konsequenterweise zu neunfachem versuchtem Mord gelangen
h. M.: Lehre von der Gesamtbetrachtung und dem Rücktrittshorizont
Das auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Verhalten des Täters ist in seiner Gesamtheit zu betrachten. Entscheidend ist dabei die Vorstellung des Täters nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont).
→ Handlungen / Handlungsmöglichkeiten müssen als eine natürliche Handlungseinheit zu betrachten sein: einzelne Akte müssen in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und auf einer einheitlichen Motivationslage beruhen
→ Kann aus Sicht des Täters der Erfolg mit den verfügbaren Mitteln ohne wesentliche zeitliche Zäsur herbeigeführt werden?
(+) Opferschutz
korrigierter Rücktrittshorizont
Täter glaubt zunächst, Tat nicht mehr vollenden zu können, ändert aber dann unmittelbar darauf bei fortbestehender Tatsituation seine Auffassung (oder andersherum)
→ enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang erforderlich
→ auch mehrfach möglich
A überfährt B mit Tötungsvorsatz. Beim Aussteigen stellt er fest, dass B nicht lebensgefährlich verletzt ist. Lediglich mit Körperverletzungsvorsatz sticht er auf ihn ein. Als er von ihm ablässt, stellt A fest, dass B kaum noch atmet und geht jetzt davon aus, B werde an seinen Verletzungen sterben.
Versuch beendet oder unbeendet?
→ unbeendeter Versuch
maßgeblicher Zeitpunkt = Abschluss der letzten mit Tötungsvorsatz getragenen Handlung (= Anfahren), sodass eine Änderung der Vorstellungen nach Abschluss der nur mit KV-Vorsatz begangenen Handlungen (= Stiche) keine Korrektur bewirkt.
Tat i. S. v. § 24 StGB
konkreter Tatbestand
§ 24 II 2 StGB: Reicht Beteiligung eines Teilnehmers?
e. A.: (+)
(+) Wortlaut § 28 II StGB
h. M.: bei Haupttäter, an dessen Tat sich ein Anstifter oder Gehilfe beteiligt, greift aufgrund seiner alleinigen Tatherrschaft § 24 I StGB, ebenso bei mittelbarem Täter
P: Muss der Täter für § 24 I 1 Alt. 1 StGB die Tat endgültig aufgeben?
→ Täter behält sich vor, Tat ggf. bei anderer Gelegenheit zu verwirklichen
e. A.: abstrakte Betrachtungsweise
Täter muss von seinem gesamten Tatplan endgültig Abstand nehmen
(+) Aufgeben ≠ Aufschieben
(-) für § 24 StGB nur Rücktritt von der konkreten Tat entscheidend
(-) nur Tatgeneigtheit → nicht strafbar
P: Muss der Täter für § 24 I 1 Alt. 1 StGB die Tat endgültig aufgeben?
→ Täter behält sich vor, Tat ggf. bei anderer Gelegenheit zu verwirklichen
h. M.: eingeschränkt abstrakte Betrachtungsweise
Täter muss von konkreter Ausführungshandlung und von solchen Fortsetzungshandlungen, die mit dem bereits begangenen Versuch
a) qualitativ gleichwertig sind und
b) materiell - rechtlich eine Tat bilden würden
(+) wenn Vorbehaltene bzgl. Angriffsobjekt und Ausführungsweise dem Versuch weitgehend entspricht, hat der Täter vom Tatziel nicht hinreichend Abstand gewonnen
P: Muss der Täter für § 24 I 1 Alt. 1 StGB die Tat endgültig aufgeben?
→ Täter behält sich vor, Tat ggf. bei anderer Gelegenheit zu verwirklichen
a. A.: konkrete Betrachtungsweise
genügt, wenn Täter von der konkreten Ausführungshandlung Abstand nimmt
ausgeschlossen wird Rücktritt nur bei Vorbehalt weiterer Akte, die mit dem aufgegebenen eine “natürliche Handlung” bilden
(-) wenn Täter ursprüngliche Begehungsweise unmittelbar durch eine gleichwertige ersetzt, kann von Rückkehr in Legalität keine Rede sein
P: Rücktritt nach außertatbestandlicher Zielerreichung?
Rspr.: Rücktritt bleibt möglich
→ Täter gibt konkrete Tat i. S. d. § 11 Nr. 5 StGB auf
(+) § 24 StGB stellt auf Tat ab, nicht auf außertatbestandliche Absichten und Ziele
(+) Opferschutz
(+) Täter mit dolus eventualis bzgl. Erfolgs wäre sonst schlechter gestellt als Absichtstäter, der in gleicher Situation noch zurücktreten kann
a. A.: Rücktritt scheidet aus
→ wer eigentliches Handlungsziel erreicht hat, kann nichts mehr aufgeben
(+) keine Umbesinnung, daher kriminalpolitisch sinnlos
(+) Unrecht nicht wieder gut gemacht
obj. und subj. Elemente der Verhinderunghandlung beim beendeten Versuch, § 24 I 1 Alt. 2 StGB
objektiv: Täter muss neue Kausalkette in Gang setzen, die für das Ausbleiben der Vollendung wenigstens mitursächlich wird und diese als “sein Werk” erscheinen lässt
subjektiv: Verhinderungswille erforderlich, wobei Täter dann davon ausgehen muss, dass das an den Tag gelegte Verhinderungsverhalten geeignet ist, auch wenn er daneben andere Ziele mitverfolgt
P: Anforderungen an Vollendungsverhinderung gem. § 24 I 2 StGB
→ Schließt verbleibender Eventualvorsatz Rücktritt aus, wenn dem Täter ein verlässlicheres Mittel zur Erfolgsabwendung zur Verfügung steht?
h. M.: Täter muss die aus seiner Sicht notwendigen und verlässlichen Mittel ergreifen
→ er muss nicht das aus seiner Sicht beste und sicherste Mittel wählen, darf die Rettung aber auch nicht dem Zufall überlassen
(+) Wortlaut “verhindert”, vgl. ernsthaftes Bemühen
(+) Opferschutz
a. A.: optimales Verhinderungsverhalten erforderlich
(+) nur halbherziges Handeln ist keine Umkehrhandlung
(+) vgl. ernsthaftes Bemühen
(-) Opferschutz
a. A.: differenzierend:
→ bei eigenhändiger Verhinderung verbleibender d. e. unschädlich → Rettungswille ausreichend manifestiert
→ bei Rückgriff auf Hilfe Dritter muss Täter beste ihm erkennbare Rettungsmöglichkeit ergreifen → nicht Täter allein, der Erfolg verhindert
Sinn und Zweck tätige Reue
= Strafaufhebungs- bzw. Strafmilderungsgrund
→ findet vor allem bei abstrakten Gefährdungsdelikten Anwendung: Ausgleich dafür, dass bei diesen Delikten weit im Vorfeld eines Schadenseintritts bereits Vollendungsstrafbarkeit eintritt
→ wer nach Vollendung einen Schaden abwendet, soll hiervon nicht durch die Angst vor Bestrafung abgehalten werden
Bsp.: §§ 142, 158, 306e, 320 StGB