Panikstörung und agoraphobie Flashcards

1
Q

Einleitung

A
  • beide Störungen machen in der klinischen Praxis Großteil der Angstpatienten aus (Anxiolytika sind die meistverordneten Psychopharmaka)
  • beide Störungsbilder zeigen langfristig ungünstigen Verlauf, nur selten Spontanremission
  • ohne Behandlung für Betroffene und Angehörige zumeist massive Beeinträchtigung der Lebensqualität, Folgeprobleme führen oft zu Abwärtsspirale mit komorbiden Depressionen, Substanzabhängigkeit und Suizidalität
  • praktisches Behandlungsproblem besteht darin, dass sich Panikanfälle oft hinter rein körperlichen Präsentationen verstecken -> falsche Diagnostik und Behandlung, erhebliche differenzialdiagnostische Kosten, Dauermedikation und suboptimale Behandlung mit folgender Chronifizierung
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2
Q

Darstellung der Störung

Phänomenologie Panikstörung

A
  • zeitlich umgrenzte Episoden akuter Angst = Panikattacken, Angstanfälle, Panikanfälle
  • plötzliches z. T. als spontan erlebtes Einsetzen der Symptome
  • keine offensichtliche Verbindung zu externalen Stimuli, keine Verbindung mit realer Gefahr
  • vordergründige Beschwerden v. a. körperliche Symptome wie Herzklopfen, Herzrasen, Atemnot, Schindel, Benommenheit, Schwitzen, Brustschmerzen, Druck- und Engegefühl in der Brust
  • üblicherweise kognitive Symptome wie Angst zu sterben, Angst verrückt zu werden, Angst die Kontrolle zu verlieren
  • ausgeprägtes Hilfesuchendes Verhalten wie Notarzt rufen, Angehörige um Hilfe bitten, Beruhigungsmittel einnehmen, bei Anfällen an öffentlichen Orten üblicherweise Fluchtverhalten
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3
Q

Phänomenologie Agoraphobie

A
  • Typisch ist Angst vor der Angst, Angst eines Anfalls unter Bedingungen, denen der/die Betroffene nicht entkommen kann
    • Die meisten P. von Panikanfällen entwickeln daher Vermeidungsverhalten
    • Sie beginnen Ort zu vermeiden, an denen Panikanfälle aufgetreten waren oder an denen Flucht schwierig oder peinlich wäre
    • Vermeidungsverhalten kann eng umgrenzt sein oder sich stark generalisieren, Betroffene können dann ohne Begleitung das Haus nicht mehr verlassen
    • Seltener: kein offenes Vermeidungsverhalten, sondern ertragen der gefürchteten Situation unter starker Angst
    • DSM-V gibt Vielzahl an Situationen an, die P. meiden oder fürchten
    • dazu gehören: öffentliche Orte und Menschenansammlungen, alleine außer Haus sein, in einer Menschenmenge sein, in einer Schlange stehen, auf einer Brücke sein, mit Bus/Zug/Auto fahren
    • Gemeinsamkeit der Situationen: sie wären alle schwer zu verlassen und es stünde keine Hilfe zur Verfügung
    • es werden vor allem Orte als bedrohlich erlebt, die eine Entfernung vom „sicheren“ Orten (wie zu Hause) oder eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeuten
    • meist werden die gefürchteten Orte in Begleitung besser ertragen
    • wichtig sind auch Sicherheitssignale, z. B. Mittragen von Medikamenten, Telefonnummern können zur Angstreduktion benutzt werden
    • Agoraphobie ohne Panikstörung: haben keine Angst vor Panikanfall, sondern davor, ohnmächtig zu werden oder Kontrolle über Darmtätigkeit zu verlieren
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4
Q

• Epidemiologie

A
  • Insgesamt hohe Prävalenzen für die Panikstörung und Agoraphobie
    • Panikstörung Lebenszeitprävalenz zwischen 0.5 % und 4.7 %
    • Agoraphobie Lebenszeitprävalenz zwischen 0.9 % und 7.8 %
    • Einzelne Panikstörungen ohne volle Erfüllung der Diagnosekriterien, Lebenszeitpräv. 13-15 %
    • Bei Frauen sind Angststörungen die häufigste psychische Störung
    • Bei Männern nach Abhängigkeitssyndromen die zweithäufigste Psychische Störung
    • Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer, Frauenanteil ist umso größer je größer phobische Komponente der Störung ist
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5
Q

Komorbidität

A

hohe Komorbidität mit anderen Angststörungen + Depressionen + somatoformen Störungen + Abhängigkeitsstörungen

affektive störung 74%
medikamentenmisbrauch 28%
Alkoholmisbrauch 50%

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6
Q

beginn der Störung

A
  • Beginn der Panikstörung meist im jungen Erwachsenenalter (Mitte 20), Beginn der Agoraphobie in manchen Studien einige Jahre später
    • Panikattacken sind ein sensibler diagnostischer Marker für spätere Angst- und depressive Störungen: 90 % aller Personen mit Panikattacken entwickeln im weiteren Verlauf eine Angst oder depressive Störung, jeder Zweite eine Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie
    • Bei Männern 2. Gipfel des Erstauftretens jenseits des 40. Lebensjahres
    • Generell kann 1. Panikanfall sowohl in früher Kindheit als auch im späten Erwachsenenalter liegen
    • Tw. Beleg von Panikanfällen und Agoraphobien im Kinder- und Jugendalter, ähnliche Verteilung der Geschlechter, der Symptome und der Komorbidität wie im Erw.-Alter
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7
Q

Verlauf, wie viele ereignisse, wie siehts mit der krankenkasse aus?

A
  • ungünstiger Verlauf, nur 14,3 % erleben Spontanremission
    • Häufige Folgeprobleme sind affektive Störungen + Alkohol- und Medikamentenmissbrauch (fehlgeschlagener Selbstbehandlungsversuch)
    • starke psychosoziale Beeinträchtigung und hohes Inanspruchnahmeverhalten im Gesundheitssystem
    • bei 80% der P. erfolgt kurz vor Beginn der Panikstörung gehäuft schwerwiegende Lebensereignisse, Großteil > 1 Lebensereignis
    • häufigste Ereignisse: Tod oder plötzliche, schwere Erkrankung von nahen Angehörigen oder Freunden, Erkrankung oder akute Gefahr des Patienten, Schwangerschaft und Geburt
    • Risikofaktor Familienstand, häufiges Erstauftreten nach Trennung, Scheidung, Tod
    • bei behandelten Personen mit Remission sehr häufig Rückfälle: Follow-up-Zeitraum von 3 Jahren: erneutes Auftreten von Paniksymptomen lag bei 65 % für Frauen und bei 39 % für Männer
    • Panikstörung mit Agoraphobie hat eine deutlich schlechtere Prognose als Panikstörung ohne Agoraphobie
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8
Q

• Diagnostik

A
  1. Zentrale Befürchtungen
    - • Zentrale Befürchtungen während des Anfalls sollten zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung erhoben werden (Panikanfall vs Angstanfall)
  2. Komorbidität
    - Vieleicht zuerst die depression behandeln nicht die Panikstörung
  3. Somatische Differenzierung
    - momentane Medikamenteneinnahme, Organische Differenzialdiagnose
  4. Problemanalyse
    - für individuelle Ausgestaltung der Therapie
    - Welche Bedingunden lösen, verschlimmern, veriingern die ängste aus?
    - Konfrontationstherapie (ist wichtig) sollte unabhängig von Problemanalyse in der Therapieplanung priorisiert werden
  5. Fragebögen
    - speziell für Agoraphobie und Panik 3 Instrumente von Chambless und Mitarbeitern (Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen und Vermeidung, Ehlers et al., 1993)
    - alle 3 Skalen eignen sich für Diagnostik und auch für Therapieplanung und Evaluation
  6. Tagebücher
    • standardisierte Tagebücher, vom Patienten geführt, vom Erstgespräch bis Ende der Therapie
    • Erfassung von Ängsten und Umgebungsbedingungen, Überblick über Aktivitäten (Vermeidung)
    • viele Ängste treten in Zusammenhang mit bestimmten Aktivitäten oder Situationen auf
    • ohne sorgfältige Selbstbeobachtung solcher Zusammenhänge für P. nicht erkennbar
  7. Hyperventilationstest
    • wichtige Rolle beim Auslösen und Verstärken von Angstzuständen
    • P. nehmen oft nicht wahr, dass sie hyperventilieren
    • Test besteht aus 2 Minuten tiefen und schnellem Atmen
    • vorher Abklärung von organischen Komplikationen (Epileptiker patholog. EEG-Werte möglich)
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9
Q

• Ätiologische Modelle

Psychophysiologisches Modell der Panikstörung (Teufelskreis der Aufschaukelung)

A
  • entwickelt als Reaktion auf ursprünglich rein „biologische“ Modelle der Panikstörung
    • zentrale Annahme kognitiver Modelle: Panikanfälle entstehen durch positive Rückkopplung zwischen körperlichen Symptomen, deren Assoziation mit Gefahr und der daraus resultierenden Angstreaktion
    • Panikreaktion ist eine besonders intensive Form der Angst, kein qualit. Unterschied zu anderen Angstreaktionen
    • Panikanfall beginnt mit einer physiologischen (Herzklopfen, Schwitzen) oder einer psychischen (Gedankenrasen, Konzentrationsprobleme) Veränderung
    • Ursachen zuerst unspezifisch (Koffeinkonsum, körperliche Anstrengung)
    • betroffene Person nimmt Veränderung wahr und assoziiert sie mit Gefahr
    • Auf wahrgenommene Bedrohung wird mit Angst oder Panik reagiert
    • es kommt zu weiteren physiologischen Veränderungen, körperlichen oder kognitiven Symptomen
    • diese Symptome werden wiederum wahrgenommen und mit Gefahr assoziiert
    • Steigerung der Angst, schnell ablaufender Rückkopplungsprozess mit mehreren Wiederholungen
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10
Q

Reduktion der Angst

A
  • Panikanfall kann auf 2 Arten beendet werden a) wahrgenommene Verfügbarkeit von Bewältigungsressourcen (z.B. Hilfesuchen und Vermeidungsverhalten, flaches Atmen, Ablenkung auf externe Reize, Reattribution von Körperempfindungen); b) automatisch einsetzende negative Rückkopplungsprozesse (z.B. Habituation, Ermüdung, respiratorischer Reflex bei Hyperventilation)
    • beide Arten wirken auf alle Komponenten des Modells
    • Versagen von Bewältigungsversuchen führt zu erneutem Angstanstieg
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11
Q

Psychophysiologisches Modell der Panikstörung (Teufelskreis der Aufschaukelung)

Einflussgrößen auf den Aufschaukelungsprozess

A
  • Einfluss von angstmodulierenden Faktoren auf die Rückkoppelungsprozesse im Modell
    • kurzfristige Wirkung: momentane psychische und physiologische Zustände (generelles Angstniveau, intensive positive und negative affektive Zustände, körperliche Erschöpfung, hormonelle Schwankungen) + momentane situative Faktoren (Hitze, körperliche Aktivität, Veränderung der Körperposition, Drogen, Abwesenheit von Sicherheitssignalen)
    • längerfristige Wirkung: langanhaltende schwierige Lebenssituationen, belastende Lebensereignisse, Reaktionen andere auf Symptome und Einstufung als gefährlich)
    • längerfristig wirken auch Persönlichkeitsdispositionen, die sich im Verlauf der Störung stärker ausprägen können: Aufmerksamkeitszuwendung auf Gefahrenreize, bessere Interozeptionsfähigkeit, Sorge vor weiteren Panikanfällen, kognitive Stile mit Einfluss auf die Assoziation von körperlichen oder psychischen Veränderungen mit Gefahr
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12
Q

Psychophysiologisches Modell der Panikstörung (Teufelskreis der Aufschaukelung

Empirische Befunde

A
  • Modell ist bisher gut belegt, so zeigen Studien zu automatischen kognitiven Verarbeitungsprozessen, dass Panikpatienten wiederholt die selektive Aufmerksamkeit auf Reize zuwenden, die mit körperlichen Gefahren assoziiert sind
    • Beleg der positiven Rückkopplung: bei Vorspiegelung eines abrupten Anstiegs der Herzfrequenz reagieren nur Panikpatienten mit einem Anstieg subjektiver Angst und Aufregung
    • weniger gut geklärt ist Genese des ersten Panikanfalls, Familien- und Zwillingsstudien zeigen familiäre Häufungen, jedoch keine spezifische genetische Transmission, eher unspezifische genetische Vulnerabilität für emotionale Störungen allgemein, später Ausformung durch Umweltfaktoren; Kinder von Panikpatienten haben gemeinsame kognitive Merkmale mit den Eltern (z. B. panikrelevante Symptome als bedrohlicher wahrgenommen
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13
Q

Hyperventilationstheorie

A
  • vermutet Hyperventilation als Ursache für Panikanfälle, Annahme einer erhöhten Vulnerabilität von chronisch hyperventilierenden Personen
    • konnte nicht belegt werden, aber wichtige Rolle von kognitiven Faktoren
    • Hyperventilation erzeugt subjektive und physiologische Angstreaktionen, können durch spezifische Instruktionen erzeugt bzw. beseitigt werden therap. Ansatz
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14
Q

Therapie

A
  • Leitfrage: Stehen die Panikanfälle oder das agoraphobische Vermeidungsverhalten im Vordergrund?
    • Angstpatienten mit plötzlich auftretenden Panikanfällen, bei denen Vermeidung sekundär: kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm
    • Angstpatienten mit agoraphobischem Vermeidungsverhalten, haben aufgrund von Vermeidung meist keine Panikanfälle mehr: Konfrontationsbehandlung
    • Kombination von Panikanfällen mit Vermeidungsverhalten: Kombi der beiden Ansätze, Beginn mit dem Beschwerdekomplex der stärker ausgeprägt ist und bei dem schneller Erfolgserlebnis zu erwarten ist
    • Komorbidität mit Depression: zeitliche Abfolge der Beschwerdekomplexe wichtig; wenn Depression eine Folgeerscheinung der Angst ist, dann sollte Angst zuerst behandelt werden; wenn Angst immer nur in depressiven Phasen auftritt, dann ist Depressionsbehandlung vorzuziehen
    • Komorbidität mit 2 gleich schweren Erkrankungen: Beginn mit dem Beschwerdekomplex, der für P. am meisten beeinträchtigend ist, ggf. mit Angstbehandlung zuerst beginnen, da hohe Erfolgsaussichten in vergleichsweise kurzer Zeit 😊
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15
Q

Behandlung von Panikanfällen

A
  • direkte Behandlung erst seit neuestem im Zentrum des Interesses (zuvor Fokus auf Zwänge und Phobien)
    • selbst bei Agoraphobikern wurden die Panikanfälle wenig beachtet
    • seit 10 Jahre jedoch gute Erfolge mit der gezielten Behandlung
  • Kombination von konfrontativen mit kognitiven Ansätzen
    • a) Konfrontation mit internen Reizen (besonders körperlichen Symptomen) + Vermittlung von Strategien zur Bewältigung von Angst
    • b) in Kombi mit kognitiven Methoden, die auf veränderte Interpretation der Angstsymptome abzielen
    • Verfahren sind geeignet für Patienten mit Panikstörung ohne phobisches Vermeidungsverhalten, auch sinnvoll für Th. mit agoraphobischen P. mit spontanen Panikanfällen (Rückfällen bei Agoraphobikern sind meistens mit ein oder mehreren Panikanfällen begleitet)
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16
Q

Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Panikanfälle (Margraf und
Schneider 1990)

A
  • ca. 15 Sitzungen, die ersten 10 Sitzungen sind 2 x wöchentlich, die letzten 5 Sitzungen sind 1 x wöchentlich
    • alle Sitzungen werden auf Tonband aufgenommen, P. erhalten Hausaufgabe, die Sitzungen zu Hause anzuhören, auftretende Fragen und Zweifel werden in Folgesitzung geklärt Auflösung von Missverständnissen, effektivere Gestaltung der Therapie
    • Hauptbestandteile: Informationsvermittlung, kognitive Therapie, Konfrontation mit angstauslösenden Reizen
    • Grundprinzip: nicht nur Angst reduzieren, sondern auch Vermittlung von Fertigkeiten und Strategien für selbständigen Einsatz
17
Q

Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Panikanfälle (Margraf und
Schneider 1990)

Vermittlung eines Erklärungsmodells

A
  • glaubwürdiges Erklärungsmodell trägt bei zur Wirksamkeit und Akzeptanz der Maßnahmen + Generalisierung des Therapieerfolges + Profilaxe von Rückfällen
    • Erklärungsmodell wirkt entlastend, bisher haben P. immer die Rückmeldung erhalten, dass es keinen Grund für ihre Beschwerden gibt
    • Beispiel für ein Erklärungsmodell „Teufelskreis“ bei Angstanfällen:
    • Bei Vermittlung des Erklärungsmodells müssen die individuellen Erklärungsschemata der P. berücksichtigt werden
    • Aussagen der Th. auf individuelle Symptome, Verhaltensweisen u. Befürchtungen zuschneiden
    • Erklärungsmodell sollte Heilungsperspektive eröffnen
18
Q

Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Panikanfälle (Margraf und
Schneider 1990)

Vorgehen des geleiteten Entdeckens

A
  • mithilfe gezielter Fragen den P. das Modell selbst entdecken zu lassen (sokratische Gesprächsführung)
    • dem P. nicht widersprechen, sondern Alternativmodelle anbieten (Konjunktive!)
    • Übertragung des Modells auf verschiedene Situation; Vermittlung des gemeinsamen Nenners „Angst vor der Angst“
    • Deutung der körperlichen Symptome als Gefahr ist verständlich, bewirkt aber Verschlimmerung der Symptome und damit der Angst
    • Verständnisprüfung durch Rückfragen und Rollenspiele
    • schriftliche Ausarbeitungen der Infos als Handreichungen für zu Hause
    • Zweifel des P. sollten auf jeden Fall ohne vorgefasst Meinung besprochen werden
    • hilfreiche Hausaufgabe: bei den nächsten Anfällen noch einmal gezielt auf die besprochenen Zusammenhänge zu achten und Beobachtungen in der Th. durchsprechen
    • wichtig auch: Entdecken möglicher Zusammenhänge von deren Veränderung trennen, andernfalls oft Überforderung und Erzeugung von inhärentem Widerstand
19
Q

Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Panikanfälle (Margraf und
Schneider 1990)

Korrektur der Fehlinterpretation körperlicher Symptome

A

Korrektur der Fehlinterpretation körperlicher Symptome

* aus Störungsmodell Ableitung von Behandlungsschritten; P. muss verstehen, dass seine Probleme vor allem durch eine Fehlinterpretation körperlicher Empfindungen oder anderer Angstsymptome aufrechterhalten werden
* Korrektur der Fehlinterpretationen durch Korrekturschema
* Identifikation der Fehlinterpretation
* Einschätzung des Ausmaßes der Überzeugung von Fehlinterpretation, Überzeugungsrating, getrennt zwischen während oder außerhalb Panikanfall
* Sammeln aller Daten, die für Fehlinterpretation sprechen
* Sammeln aller Daten, die gegen Fehlinterpretation sprechen (erst nach vollst. 3)
* Erstellen einer alternativen Erklärung, Abkehr vom geleiteten Entdecken
* Sammeln aller Daten für die alternative Erklärung (ggf. mithilfe Schritt 3 und 4)
* Überzeugungsrating für die Fehlinterpretation
* Überzeugungsrating für die alternative Erklärung
* dieser Teil ist für Therapieerfolg sehr wichtig, aber auch sehr schwierig
* sehr wichtig ist Argumentationsstrategie des Th., rhetorisches Geschick und Empathie, kein Überreden, sondern Überzeugen; wichtig:
* immer wieder Sichtweise des P. aufgreifen anstatt eigene Persp. zu verkaufen
* jegliche Fragen und Zweifel aktiv ermutigen und ausgiebig besprechen
* Entscheidungskonflikte aufbauen (Extrempositionen)
* Geduld (P. nicht bedrängen)
* Minderung von Widerstand, weil P. erst ausführlich seine Befürchtung besprechen kann, bevor Gegenargumente erörtert werden
* Jede Fehlinterpretation sollte einzeln besprochen werden, normalerweise sind es nicht mehr als 3
* für Bearbeitung von Krankheitsbefürchtungen ist auch medizinisches Wissen wichtig
* Beispiel Angst vor Ohnmacht im Rahmen von Panikanfällen:
* in detaillierter Exploration klären, ob P. schon einmal ohnmächtig geworden ist
* falls ja: Umstände der Ohnmacht besprechen
* Info an P.: Ohnmacht nur bei e. Abfall des Blutdrucks und der Herzfrequenz 
* diese Parameter steigen bei Panikanfall  Ohnmacht unwahrscheinlich
20
Q

Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm für Panikanfälle (Margraf und
Schneider 1990)

Verhaltensexperimente

A
  • Fehlinterpretationen des P. und Erklärungsalternativen in Hinblick auf Wahrheitsgehalt überprüfen
    • z. B. Befürchtung in einem Kaufhaus in Ohnmacht zu fallen Besuch im Kaufhaus
    • Verhaltensexperimente (VE) erleichtern oft die Korrektur der Fehlinterpretationen, P. erleben durch gezieltes Handeln, dass Befürchtungen unbegründet sind
    • möglich ist auch Verbindung von VE mit Konfrontationsübungen
    • P. setzt sich den angstauslösenden Reizen auseinander, keine externalen Reize, sondern internale Reize, wie Herzklopfen, Schwindel oder Atemnot
    • falls z. B. Hinweise auf Hyperventilation vorliegen, führen P. wiederholt Hyperventilationsübungen durch, achten auf körperliche Symptome, Kognitionen, Angstniveau
    • häufiger Angstreiz ist Herzklopfen, lässt sich durch körperliche Belastung (Treppensteigen) leicht erzeugen, auch möglich ist Konfrontation mit eigenen EKG
21
Q

Rückfallprophylaxe

A
  • wichtig da oft stark fluktuierender Verlauf der Panikstörung
    • Therapie betont deshalb das Erlernen von Fertigkeiten, selbständiger Einsatz der erworbenen Strategien außerhalb der Therapiesituation
    • P. erhalten die Prognose, dass es zu Rückfällen und Fluktuationen kommen kann; sollte nicht als Katastrophe empfunden werden
    • Rückschlag sollte nicht als alles oder nichts empfunden werden
    • Erläuterung des Unterschieds zwischen Rückschlägen und vollständigen Rückfällen
    • dabei Nutzung des Distress-Stress-Modells, dient auch der Motivation zur Reduktion von Stressoren und Konflikten im Alltag
    • Generalisierung des Gelernten durch Hausaufgaben; in möglichst vielen verschiedenen, realistischen und für P. praktisch relevanten Situationen
    • insbesondere zum Ende der Therapie, eigene Entscheidungen bzw. Eigenverantwortung in der Therapieplanung
    • Selbstverstärkung der P. wird betont und bei Therapieaufgaben geübt
    • zum Ende der Therapie nochmal Besprechung von Zweifeln an Alternativerklärungen
22
Q

Behandlung von Agoraphobien

A
  • unterschiedliche Prinzipien von Konfrontationsbehandlungen
    • graduelles Vorgehen, viele Programme stufen die zu bewältigenden Situationen je nach Schwierigkeit ab, schrittweises Erweitern d. Aktionsradius
    • Reizüberflutung ist jedoch lt. Studien zumindest für schwere Phobien langfristig wirksamer
    • bei Reizüberflutung beginnt die Th. mit Situationen, die mit hoher Whsch. starke Angst auslösen werden; Therapie beginnt mit Situationen, die mit höchster Wahrscheinlichkeit starke Angst auslösen werden
    • massierte Übung, mehrere Stunden täglich an aufeinanderfolgenden Tagen, hat die schnellsten und stabilsten Erfolge
    • Unterschiede bei der Häufigkeit des Th.-Kontakts, Durchführung eines Großteils der Übungen allein oder mit Partner od. ggf. nur durch manualisierte Anleitung zeigen Erfolge
    • im Folgenden wird Vorgehen bei massierter Reizkonfrontation beschrieben (optimale Therapiemöglichkeit)
23
Q

Behandlung von Agoraphobie

Beginn mit kognitiver Vorbereitung

A
  • Vermittlung eines Erklärungsmodells für die Angstproblematik
    • daraus Ableitung therapeutisches Vorgehen
    • Theorien (2-F-Modell, Prepardness, Angaben zu Sicherheitssignalen) werden auf individuelle Symptome, Verhaltensweisen, Befürchtungen und naiven Erklärungsschemata des P. zugeschneiden
    • P. muss erkennen, dass Vermeidungsverhalten, zentral für Aufrechterhaltung der Ängste ist
    • auch hier unbedingt eigene Erfahrung den P. in Modell integrieren
    • hilfreich sind dabei Verlaufskurven für Angst in phobischen Situationen
    • Vermittlung von Infos zur konkreten Durchführung der massierten Reizkonfrontation
    • während d. Konfrontation sollte Th. Fluchttendenzen des P. verhindern
    • dem P. wird erklärt, dass Unterstützung der Fluchttendenz ein Kunstfehler wäre
    • Bedenkzeit über mehrere Tage, in denen sich der P. für oder gegen die Behandlung entscheidet (Entscheidung nur möglich, wenn P. das Modell verständlich und überzeugend vermittelt wurde)
    • dadurch Maximierung der Therapiemotivation
24
Q

Behandlung Agoraphobie

Massierte Reizkonfrontation

A
  • diese Phase am besten an 5-10 aufeinanderfolgenden Tagen durchführen
    • täglich über die Dauer von 6-8 Std. angstbesetzte Situationen aufsuchen
    • Situationen für die Konfrontation in vivo zuvor sehr konkret und detailliert mit dem P. zusammen planen, dabei jeweils genug Zeit für die einzelnen Situationen
25
Q

Therapie

Panikstörung mit Agoraphobie

A
  • für alle Behandlungsarten mittlere bis große Effekte; am effektivsten ist Konfrontation in vivo, gefolgt von kognitiv-behavioraler Therapie
    • Ergebnisse weisen auf spezifische Wirkung der konfrontativen Therapie bei Panikstörung (nicht überlegen bei anderen Ängsten und bei Depressivität)
    • Überlegenheit der konfrontativen Therapie auch bei 6-Monats-Followup in Bezug auf Hauptsymptomatik
    • In Bezug auf Anzahl der Panikanfälle zeigte kognitiv-behaviorale Therapie nach 6 Monaten größere Effekte
    • Fava et al. (2001); höhere Wahrscheinlichkeit für stabile Therapieerfolge: jüngeres Alter der Patienten, keine Persönlichkeitsstörungen oder depressive Beschwerden, wenig agoraphobisches Vermeidungsverhalten, keine Einnahme v. Benzos od. Antidepressiva
    • Therapeuten sollen auf vollständigen Abbau des agoraphobischen Vermeidungsverhaltens, nicht nur auf Therapie der Panikanfälle, achten
    • Therapeutengeleitete Konfrontation ist effektiver, können unmittelbar beobachten und eingreifen (Gloster et al. 2013)
    • Fazit: Konfrontationstherapie v. a. wenn agoraphobisches Vermeidungsverhalten im Mittelpunkt steht; kognitive Elemente eher bei geringem Vermeidungsverhalten und bei Panikstörung
    • obwohl die massierte Konfrontation effektiver ist, könnte ihr Problem die Akzeptanz sein, 10 % der deutschen P. und 20-25 % USA lehnten sie ab; Ablehnung bei gradueller Methode geringer
    • offene Frage nach den wirksamen Komponenten der Therapien und Frage nach Prädiktoren des Therapieerfolges, uneinheitliche Ergebnisse
    • eindeutige Prädiktoren ist das Ausmaß der Veränderung typischer agoraphobischer Kognitionen bzw. der Angst vor körperlichen Symptomen
    • auch lt. neuester Metaanalysen scheinen CBT-Verfahren mit Abstand am besten belegt und wenig Hinweise auf Publikationsbias Pompoli et al. 2016
    • Fazit: massierte Reizkonfrontation ist außerordentlich wirksames Verfahren zur Reduktion von Ängsten und Zwängen (Grawe et al. 1994; durch neuere Metaanalysen bestätigt).
    • Agoraphobien und Zwänge waren vor 30 Jahren noch schwer behandelbare Störungen; dramatischer Wandel dieses Bildes; heute eher günstige Prognose; fast gänzlich den Reizkonfrontationstherapien zu verdanken; immer mehr Behandlungsmethode der Wahl
26
Q

Therapie

Panikstörung ohne Agoraphobie

A
  • Therapiestudien für Panikanfälle liegen erst seit einigen Jahre vor
    • Barlow et al. (1989), CBT war klar überlegen gegenüber PMR und Kombi CBT+PMR
    • fast 80 % der Interventionsgruppe völlig frei von Panikanfällen, 24-Monats-Follow-up: 81,3 % der CBT-Patienten waren panikanfallsfrei
    • bezogen auf Hauptsymptomatik und die Anzahl der Panikanfälle, weisen CBT und angewandte Entspannung vergleichbar hohe Effektstärken (kurz- und langfristig), ebenso in den Kategorien andere Ängste und Depressivität
    • psychologische Therapien, v. a. CBT, weisen oft weniger Therapieabbrecher und geringere Rückfallquoten auf als Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und Kombi
    • Metaanalyse Gould et al. (1995) keine Addition oder Potenzierung von Psychopharmakotherapie und zeitlich paralleler Verhaltenstherapie (weder kurz-, mittel- oder langfristig)
    • nach 2 Jahren war bei gleicher Effektiv die Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie kostengünstiger als die mit Pharmaka (Antidepressiva, hochpotente Benzodiazepine)