Medikamentenabhängigkeit Flashcards
Prävalenzen
in DEU geschätzt: 1,4-1,5 Mio. Menschen medikamentenabhängig
▪ darunter 1,1-1,2 abhängig von Benzodiazepinderivaten, 300.000-400.000 von anderen Arzneimitteln
▪ (2/3 der Betroffenen weiblich)
▪ zunehmendes Risiko im höheren Alter
▪ Betroffene meist sonst unauffällig u. sozial integriert
▪ Großteil Niedrigdosisabhängigkeit (=nur geringe Dosissteigerung; bleiben innerhalb therap. Dosisgrenzen)
o aber nur 2.000 pro Jahr in Suchtbehandlung (ambulant o. stationär)
▪ darunter die meisten mit Hochdosisabhängigkeit (=massive Dosissteigerung) bzw. gemischtem Konsum (= + andere Drogen, Alkohol); P. mit Niedrigdosisabhängigkeit gehen selten in Suchttherapie
• abhängig machende Medikamente:
o (opioidhaltige) Schmerzmittel
o Schlaf- & Beruhigungsmittel (Benzodiazepine!!!)
o Anregungsmittel, Appetitzügler
ICD10
ICD-10: F1 Störungen durch psychotrope Substanzen F11 Opioide F13: sedative f15 Stimulanzien F16 Halluzinugene
Benzodiazepine (Sedative/ Hypnotika)
o euphorisierende Wirkung (Abhängigkeitspotential!)
o sog. Non-Benzodiazepine (= „Z-Substanzen“, z.B. Zopiclon) gleiche Wirkung u. Folgen o Merkmale/ Prädiktoren Benzodiazepinabhängigkeit:
▪ Frau; mittleres bis hohes Erwachsenenalter; psychische/ physische Beschwerden
▪ erst Verbesserung der Beschwerden durch Benzos, dann wieder Verschlechterung der Beschwerden
▪ Dauer des Medikamentenkonsums
▪ gehäuft: Probleme in Partnerschaft u. Beruf –> Benzos als Strategie zur Lebensbewältigung
▪ durch Benzo-konsum erhöhtes Risiko andere psychische/ psychosomatische Störung (Panikstörung,
Agoraphobie / gastroenterologische, neurologische Beschwerden)
• Opioide
o als Antitussiva, zentralnervös wirksame Analgetika (Schmerzmittel) verschrieben o euphorisierende Wirkung (Abhängigkeitspotential!)
o „kleine Opioide“ (z.B. Paracetamol):
▪ als Monopräparat kein Abhängigkeitspotential
▪ als Kombinationspräparat mit psychotropen Substanzen (z.B. Koffein) schon Abhängigkeitspotential
welche syndrome sind bekannt?
in psychotherapeutischer Praxis v.a. mit F1x.2 Abhängigkeitssyndrom, F1x.3 Entzugssyndrom zu tun
• Unterscheidung 2 Verlaufsformen:
1) Konsum zu Rauschzwecken
▪ missbräuchlicher Konsum →Rausch (Kombination mit anderen Drogen)
▪ Kreuzabhängigkeit /-toleranz
• = Toleranz ggü. einer Substanz geht mit Toleranz ggü. Kreuzsubstanz einher→Einsatz zur Effektpotenzierung bzw. Substitution der anderen Substanz möglich
• z.B. Alkohol u. Benzos (Alkohol ersetzt/ steigert Wirkung von Benzos und umgekehrt)
• v.a. bei jüngeren Patienten beobachtet ( : gleich häufig)
2) Iatrogener Anstoß
▪ ursprgl. Behandlung psychischer/ physischer Beeinträchtigung z.B. Schlafstörung, Schmerzen, Ängsten
▪ rasche Toleranzentwicklung je nach Substanz u. Person:
• Benzos: Toleranz sedierender Effekt nach paar Tagen, anxiolytischer Effekt nach 6 Wochen
–> typisch bei Benzos: Niedrigdosisabhängigkeit
o die meisten P. erhöhen Dosis nicht über empfohlenen Dosisbereich, beklagen aber verminderte Substanzeffekte (Toleranz) = Niedrigdosisabhängigkeit
o meistens ihrer Abhängigkeit nicht bewusst
o typische Fehlinterpretationen:
▪ nachlassende Wirkung (Toleranz) = „Versagen des Medikaments“
▪ Entzugssymptome = „Rückkehr der ursprgl. behandelten Symptome“ ▪ →Verordnungswunsch bleibt bestehen
–> seltener Hochdosisabhängigkeit & markante Hinweise auf Sucht (z.B. Verschleierung hohen Konsum, Schwarzmarkt, soz. Rückzug…)
• Auffälligsten Abhängigkeitssymptome d. Medikamentenabhängigkeit:
• Auffälligsten Abhängigkeitssymptome d. Medikamentenabhängigkeit:
1) Substanzgebrauch länger o. größeren Mengen als beabsichtigt (z.B. „nur noch diese Packung, dann hör ich auf“)
2) Fortgesetzter Gebrauch trotz schädlicher Folgen (z.B. trotz Hinweis Abhängigkeitspotential auf Beipackzettel)
3) Verminderte Kontrolle über Substanzgebrauch (z.B. erfolglose Entzugsversuche)
4) Körperliche Anzeichen (Toleranz, Entzugssymptome)
5) Hoher Zeitaufwand für Beschaffung, Gebrauch u. Erholung v. Substanzgebrauch
Epidemiologie
• Konsum psychotroper/ psychoaktiver Substanzen (inkl. Antidepressiva, Neuroleptika, Anabolika) Jahr 2012:
o Konsum mind. 1 mal / Woche
Altersgruppe 18-64:
▪ M: 20,3%
▪ F: 26.4%
o Täglicher Konsum über 30 Tage (Problematischer Konsum!):
▪ 9,2% -> dabei am häufigsten: Schmerz- & Beruhigungsmittel
▪ Anstieg um 1% im Vergleich zu Vorjahren→ggf. Einfluss des Internets auf Beschaffung & Versorgung
o Einstellung zur Medikamenteneinnahme:
▪ die meisten versuchen grundsätzlich ohne Medikamente auszukommen
▪ 20% Konsum als Strategie zur Lebensbewältigung (vor allem Frauen!!!)
• fühlen sich außer Stande, den Tag ohne Medikamente durchzustehen, fühlten sich häufiger ohne Medikamente nicht als vollwertiger Mensch
• nachgewiesener Zusammenhang zw. Einstellung (Medis als Bewältigungsstrategie) und Medikamentenmissbrauch
• Medikamentenmissbrauch & -abhängigkeit (prävalenz)
o 12-Monats-Prävalenz in DEU: 3,4% (Alter 18-64)
o Aber die realen Zahlen liegen wahrscheinlich viel höher: > 64-Jährige nicht in Stichprobe enthalten→Risiko-
Altersgruppe 50-59: M: 23,2%
W: 31,6%
gruppe: erhalten die meisten Langzeitverordnungen von Psychopharmaka
1.4 Komorbidität
• hohe Komorbiditätsrate
• als iatrogene Störung gehen ihr häufig psychische/ physische Störungen voraus (z.B. Schmerz, Angststörung)
• nach langfristiger Medikation wiederum hohes Risiko für weitere Störungen/ Komplikationen (Bruchverletzungen nach
Stürzen durch Sedierungseffekte, depressive Symptome, kogn. Beeinträchtigung…)
• häufigsten Komorbiditäten bei Sedativa & Hypnotikaabhängigkeit:
o Angststörungen (31–43 %) & Schlafstörungen (ca. 35 %)
▪ Benzos hauptsächlich zur Anxiolyse & Sedierung verschrieben
o Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit (16–53 %)
▪ s. oben Kreuztoleranz (Alkohol + Benzos)→↑Risiko der Abhängigkeit
o Depression (20–33 %)
▪ cave: Benzos kontraindiziert bei Depression→↑Depressivität, ↑Suizidalität ▪ aber Benzos trotzdem häufig bei Depression verschrieben
▪ GroßteilsekundäreDepressionen,alsoalsFolgedesSubstanzkonsums
o komorbide Persönlichkeitsstörungen (53 %)
—>• häufigsten Komorbiditäten bei Opioidabhängigkeit:
o Schmerzstörung (!!)
o Abhängigkeit von anderen psychtropen Substanzen: v.a. Benzos bei Depression & Angststörungen
Diagnostik
–> extrem geringer Anteil der Medikamentenabhängigen konsultiert aufgrund dieser Problematik Arzt o. Psychotherapeut
- Screening
- Diagnostische Interviews (SKIT, CIDI
- Verlaufsdiagnostik ( TIM + Erfassung von Angst und Depression )
- Medizinisches Konsil (Abllärung notwendigkeit, Organische Schaden, Abklärung Komplikationen durch Entzug und organische Belastbarkei)
Modelle der Medikamentenabhängigkeit
(1) Soziokulturelle Faktoren
• Verordnungsgewohnheiten (z.B. in Deutschland, Belgien, England Tranquilizer häufiger verschrieben als in anderen europäischen Ländern) →Einfluss auf Verfügbarkeit und damit auf Häufigkeit von Medikamentenabhängigkeit
• Akzeptanz von Medikamenteneinnahme (geringer SÖS, Frauen, höheres Alter → höhere Akzeptanz)
(2) Persönlichkeitsmodelle
• individuelle Vulnerabilität für Abhängigkeit (→„Suchtpersönlichkeit“: erhöhte Ängstlichkeit, Depression, Impulsivität, antisoziale Tendenzen, „sensation seeking“)
• aber sehr umstritten: Henne oder Ei? und diese Eigenschaften prädisponieren für Bandbreite psych. Störungen
(3) Lernerfahrungen
A. Verstärkung durch Linderung aversiver Zustände (Verstärkermodell)
o Einnahme Substanz→Linderung Schmerz, Anspannung; angenehmer Zustand→positive Verstärkung→Medika-
menteneinnahme beibehalten
o Verstärkermodell setzt voraus, dass aversive Zustände Entwicklung der Abhängigkeit begünstigen
▪ Personen mit Depressionen, PTBS tatsächlich höheres Risiko Substanzabhängigkeit!! (v.a. beruhigende o. euphorisierende Drogen, z.B. Alkohol, Kokain, Tranquilizer)
o Betroffene lernen durch Selbstmedikation aversive Zustände (z.B. andere psychStörung) zu vermeiden
- Therapie: Behandlung Abhängigkeit + andere psych. Störung
B. Modell des Belohnungsschaltkreises
o Belohnungszentren:
▪ dopaminerg innerviert („Dopaminsystem“)
▪ Anregung durch z.B.: angenehme Tätigkeit (Tier streicheln, Musik, Tanz, Kuscheln) oder Amphetamin
–> Therapie: Ersatz der belohnenden Droge durch substitutiv-belohnende Tätigkeiten→letztere mithilfe Liste
zur Erfassung von Verstärkern (LEV) ermitteln
C. Assoziatives Lernen
o Klassische Konditionierung:
- → Einfluss situativer Faktoren auf Substanzeinnahme/ Craving:
▪ Umgebung, wo schon mal Substanz genommen hat, hat höheren Aufforderungscharakter (=will eher
wieder Substanz nehmen) als Umgebung, die nicht mit Einnahme assoziiert
▪ Auslösung Suchtreaktion auch durch einzelne Reize möglich, z.B. bestimmtes Getränk (bei Alkoholi-
kern) o. Spritze (bei Heroinsüchtigen) - →Einfluss auf Substanzverarbeitung/Toleranz:
▪ Tod durch Überdosis seltener in gewohnter Umgebung, sondern häufig in ungewohnter Umgebung ▪ mit Substanzeinnahme assoziierte Umgebung führt zu höherer Toleranz!
o Befunde zu situativen Faktoren v.a. bei Drogen gefunden, gilt das auch für Medikamentenabhängigkeit?
–> Therapie: prolongierte Konfrontation mit Hinweisreizen→Habituation der Cravingreaktion
(4) GenetischeFaktoren
• Familien- & Zwillingsuntersuchungen
• genetische Disposition bei Alkoholismus belegt!!
• inkonsistente Befunde zur genetischen Disposition bei anderen Substanzen
Grundlegende therapeutische Techniken
Psychoedukation
- INHALTE: Informationen zu Wirkungen und Nebenwirkungen der eingenomme- nen Medikamente, Gründe für Entzug, Verlauf des Entzugs
- ZIEL: ↑Entzugsmotivation, aktive Rolle in Therapie (Mitbestimmung), Abbau Erwartungsängste vor Entzug
• METHODEN: Infovermittlung, geleitetes Entdecken, Merkblätter, schriftliche Zusammenfassungen, Schaubilder
• Beispiel: Infovermittlung + Schaubild zu Verlauf des Entzugs von Benzos:
▪ Entzugssymptome sind nicht gefährlich und ähneln oft bekannten Beschwerden→dies begründet aber nicht die Notwendigkeit weiterer Medikation; Intensität zuerst schwankend, nimmt aber allmählich ab
▪ Schaubild: entgegen Befürchtung vieler P. ab 5. Woche (absoluter Entzug) Rückgang der Entzugssymptome + die meisten P. beschreiben Entzugssymptome auch in schwierigen Phasen nur als mäßig intensiv