Neuroanatomie I Flashcards
Das Verständnis der biologischen Basis kognitiver Funktionen erfordert eine Wertschätzung der Anatomie der neuralen Systeme die diesen Funktionen unterliegen
Nach: Kandel, Schwarz and Jessel (2013), The Principles of Neural Science
• Eric Richard Kandel (*1929 in Wien)
• 2000 Nobelpreis für Physiologie oder Medizin zusammen
mit Arvid Carlsson and Paul Greengard für die Erforschung der physiologischen Grundlagen des Gedächtnisses
Aplysia Californica
• Hat dicke Nervenzellen mit
überschaubarer Komplexität und verhalf Kandel zum Nobelpreis2
Ziele der Anatomie Veranstaltungen
- Bessere Orientierung im Gehirn
- Kennenlernen anatomischer Strukturen und deren Funktionen
- Studienergebnisse interpretieren können
- Ausblicke über das Lehrbuchwissen hinaus
- Die Anatomieveranstaltungen geben einen groben Überblick über die Makroanatomie
- Im Rahmen der Folgeveranstaltungen wird das Wissen nach und nach vertieft und auch auf molekulare und zytoarchitektonische Befunde eingegangen
Zentrales NS und peripheres NS
Wie werden die beiden Nervensysteme unterschieden?
ZNS:
• Gehirn & Rückenmark
• Umgeben von Schädel & Wirbelsäule
PNS:
• Rückenmarksnerven, PNSp:eriphere Ganglien &
Hirnnerven!
Neuronen und Gliazellen
• Das Neuron ist die strukturelle und funktionelle Einheit des Nervensystems
• Es bildet Fortsätze, einen Neuriten (Axon) und meist mehrere Dendriten die
vom Zellleib (Soma, Perikaryon) ausgehen
• Gliazellen übernehmen vielfältige Aufgaben und sind in den Prozess der Neurotransmission eingebunden, z.B. durch die Regulation der extrazellulären Transmitterkonzentration
Funktionen von Neuronen und Gliazellen
Astrozyten
• Häufigste Gliazellenart im Gehirn
• Liegen an der Hirnoberfläche und den Blutgefäßen an, die das Gehirn
durchziehen
• Sie versorgen die Nervenzellen u.a. mit Sauerstoff und Glukose
• Steuern den Blutfluss und das Blutvolumen über die Freisetzung von vasodilatorischen oder vasokonstiktiven Substanzen
• Besitzen Bindungsstellen für Neurotransmitter und regulieren die Nährstoffversorgung der Nervenzellen ja nach deren Aktivität
• Können auch ihrerseits selbst Botenstoffe freisetzen und die Neuronen beeinflussen
• Beteiligung an der Blut-Hirn-Schranke
Mikrogliazellen: Hausmeister im ZNS
- Makrophagen des Gehirns
- Dienen der Immunabwehr
- Mikroglia „scannt“ das Gewebe
• Lokalisiert und reparieret oder verhindert Gewebsschäden
• Bei Schädigungen, viralen oder bakteriellen Infektionen wird die
Mikroglia aktiviert
• Sie erkennt geschädigtes Gewebe oder fremde Zellen und kommuniziert mit anderen Immunzellen
• Bei starken Schädigungen oder Infektionen verändern die Zellen Ihre Form
• Veränderungen der Mikrogliazellen lassen sich z.B. nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder bei der Alkoholabhängigkeit beobachten
Oligodendrozyten
• Die Oligodendrozyten bilden die Myelinschichten der Axone
• Die Myelinschichten bilden eine effektive elektrische Isolierung
• Ermöglichen die schnelle Weiterleitung elektrischer Signale
• Die Signale Laufen nicht stetig sondern saltatorisch
• Die Signale können dadurch sehr schnell große Entfernungen zurücklegen
• Grundlage komplexer Informationsverarbeitung
• Eine dickere Myelinscheide stellt eine bessere Isolierung dar und geht
mit einer besseren Signalübertragung einher
• Oligodendrozyten versorgen die Axone mit Glukose bzw. Milchsäure
• Eine Zerstörung der Myelinscheiden wie in der Multiplen Sklerose verdeutlicht, wie abhängig das ZNS von dieser Isolierung ist
Die Myelinisierung unterscheidet sich in PNS und ZNS
Die Graue und die Weiße Substanz
GS: vorwiegend Nervenzellkörper
WS: myelinisierte Leitungsbahnen des ZNS
Sind die grauen Zellen wirklich grau?
- In mikroskopischer Betrachtung sind die Zellen der GS und WS eher farblos
- In makroskopischer Betrachtung erscheinen die Zellen der GS aufgrund der hohen Dichte grau
- Insbesondere wenn Blutzirkulation längere Zeit unterbrochen wird und nach Fixierung (Formalin)
• Die WS erscheint aufgrund des hohen Fettanteils (~70%) des Myelins weiß
Hin und weg vom ZNS: Afferenzen und Efferenzen
Kreuz und quer durchs ZNS: Afferenzen und Efferenzen
- Die Begriffe: Afferenzen und Efferenzen werden auch innerhalb des ZNS verwendet
- Oft bilden die Axone Faserbündel, die als Bahnen bezeichet werden z.B.
- Tractus: Trackt/Strang
- Fasciculus: kleines Bündel
- Lemniscus: Schleifenbahn
- Fibrae: Faser
- Stria: Vertiefung, Rille
Kreuz und quer durchs ZNS: Afferenzen und Efferenzen 2
• Bahnen dienen der Verschaltung mit anderen Gebieten des ZNS
• Sie werden unterschieden in Projektions-, Assoziations- und
Kommissuren-Fasern/Bahnen
• Im PNS heißen diese Strukturen Nerven (Nervi)!
Kreuz und quer durchs ZNS: Afferenzen und Efferenzen Überblick
Zwei besondere Kommissuren für die Bildgebung
- CA: Commisura anterior und
- CP: Commissura posterior
- Die Strukturen definieren die CA-CP-Linie und legen die horizontale Schnittebene fest
- Durch den hinteren Rand der CA verläuft orthogonal zur CA-CP-Linie die VCA Linie
- Die VCA-Linie definiert die vertikofrontale Linie
- Der Schnittpunkt CA-CP-HLiirnineruvnedn!VCA-Linie im Interhemisphärenspalt definiert den Ursprung im Talairach & Tournoux Atlas (1988) einem Hirn-Koordinatensystem (x, y, z)
Achsenbezeichnungen & Schichtlage im ZNS
Warum zwei Achsen?
- Bei Primaten und Menschen ist die Neurachse nach frontal abgeknickt.
- Können Sie sich vorstellen Warum?
Benennen Sie die Schichtebenen und Achsen (nach Forel)
A: koronar
B: sagittal
C: horizontal/axial
1: superior, dorsal
2: frontal, anterior, oral, rostal
3: inferior, ventral, basal
4: okzipital, posterior, kaudal
Hirnstamm & Hirnnerven
Hirnstamm:
–Medulla oblongata (verlängertes Mark)
Pons (Brücke)
-Mesencephalon (Mittelhirn)
- Hirnnerven treten ein
- Hirnnervenkerne
- zahlreiche weitere Kerngebiete
- z.B. Formatio Reticularis (netzartige Formation)
- Regulation der Vitalfunktionen
Im Inneren des Hirnstamms: Die Formatio Reticularis
- Heterogene Ansammlung unterschiedlicher neuronaler Kerngebiete
- Ursprüngliche Annahme einer netzartig, zusammenhängenden Formation und eines „Allgemeinen Aufsteigenden Aktivierungssystems, ARAS“ (z.B. durch Läsionsstudien. Koma nach Schädigung des Hirnstamms)
- Mit der Weiterentwicklung histologischer Methoden, konnten den Kernen spezifische Projektionen und verschiedene Funktionen zugewiesen werden
- Sie können in zwei Funktionsgruppen unterteilt werden
- Modulatorische Funktionen: Synthetisierung und Speicherung von Neurotransmittern
- Autonome Funktionen: z.B. Atem Rhythmus, kardiovaskuläre Funktionen, Arousal
- Prä-motorische Funktionen, auch Kauen, Hicksen, Schlucken, Gähnen, Modulation von Reflexen
Im inneren des Hirnstamms: Die Formatio Reticularis 2
Neurotransmittersysteme
Dopamin ist unter anderem an folgenden Funktionen beteiligt:
- Steuerung der extrapyramidalen (außerhalb der Pyramidenbahn) Motorik
- Regulation kognitiver Funktionen z.B.: Lernen von Reiz-Belohnungsassoziationen, kognitive Flexibilität
- Antizipation und Empfindung von Belohnung
- Dysregulationen in der dopaminergen Transmission konnten mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Substanzkonsumstörungen Morbus Parkinson und Schizophrenen Störungen in Verbindung gebracht werden
Noradrenalin ist unter anderem an folgenden Funktionen beteiligt:
- Regulation der Wachheit und Erregbarkeit
- Regulation der Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft
- Affektive Prozessierung und Emotionales Gedächtnis
- Zentrale Stressreaktion, Angst-, Angstreaktion
- Im PNS Steigerung des Blutdrucks und der Herzschlagfrequenz
- Dysregulationen in der noradrenergen Transmission konnten u.a. mit Angst- und Angststörungen, Stress, depressiven und bipolaren Störungen in Verbindung gebracht werden
Histamin ist unter anderem an folgenden Funktionen beteiligt:
• Modulation der Aktivität zahlreicher Neurotransmitter im ZNS
• Förderung der Wachheit
• Regelung der Sattheit und des Geschmackswahrnehmung, auch Einfluss auf
Substanzkonsum
• Motivation und Zielgerichtetes Verhalten in Bezug auf Nahrung und Konsummittel
• Akquirieren von Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis
• Dysregulationen in der histaminergen Transmission konnten mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen und Substanzkonsumstörungen oder auch mit den motorischen Defiziten bei z.B. Morbus Parkinsion in Verbindung stehen
Serotonin ist unter anderem an folgenden Funktionen beteiligt:
- Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Auslösung des Brechreizes
- Regulation der Nahrungsaufnahme und Körpertemperatur
- Steuerung der Stimmungslage
- Entscheidungsbewertung und Sozialverhalten
- Zusammenhänge mit der Schmerzentstehung
- Dysregulationen in der serotonergen Transmission konnten mit u.a. mit depressiven Störungen und Störungen des Sozialverhaltens in Verbindung gebracht werden
Ab wann darf man sich „Neurotransmitter“ nennen?
- Das Konzept wechselte in den letzten Jahrzehnten öfter
- Wird aufgrund empirischer Befunde heute folgendermaßen beschrieben
Ein Neurotransmitter:
1) Wird im präsynaptischen Neuron Synthetisiert
2) WirdimpräsynaptischenNeurongespeichert,freigesetztundführtzu einer spezifischen Reaktion am postsynaptischen Neuron oder Effektorgan
3) Löst bei exogener Anwendung im Experiment die gleiche Reaktion am postsynaptischen Neuron aus, die bei der natürlichen, endogenen Freisetzung erfolgt
4) Es existiert ein spezifischer Mechanismus, der die Substanz aus dem synaptischen Spalt entfernt
Hirnnerven
• 1-12 benannt nach ihrem Eintritt in den Hirnstamm und nach ihrer Funktion
• Alle Hirnnerven sind paarig angelegt
• Bis auf zwei Ausnahmen handelt es sich um periphere Nerven
– sie befinden sich außerhalb des Gehirns
– Sie weisen PNS spezifische Zellen auf
• Hirnnerven können afferente und efferente Axone enthalten
Bulbus Olfaktorius
Der Bulbus Olfactorius dient der Geruchswahrnehmung. Er ist ein vorgestülpter Teil des Gehirns, verlässt es aber nicht und enthält nur ZNS-spezifische Zellen
Er ist somit kein „echter“ Hirnnerv!
Nur die Fila Olfactoria ragen durch das Siebbein
Die Neurone der Riechschleimhaut können sich regenerieren!
Bei Verletzungen der Lamina Cibrosa kann es zu Schäden der meningealen Umhüllung und der Fila olfactoria kommen. Riechstörungen und Liquorfluss aus der Nase „Schnupfen“ nach Schädel Hirn 33 Trauma. Gefahr einer Infektion!
SARS-CoV-2 & Riechepithel
- Die wichtigste neurologische Manifestation von COVID-19 ist der Verlust von Geruch oder Geschmack
- Die hohe Inzidenz von Geruchsverlust ohne signifikante Rhinorrhoe oder nasale Verstopfung deutet darauf hin, dass SARS-CoV-2 die chemischen Sinne durch andere Mechanismen angreift als endemische Coronaviren oder andere Erkältungserreger
- Es wird angenommen, dass SARS-CoV-2 Zellen infiltriert, die das Angiotensin konvertierende Enzym 2 (ACE2) exprimieren
- Nicht die Neuronen, sondern hauptsächlich unterstützende Zellendes Richepitels exprimieren ACE2 und TMPRSS2
ACE2-Positive Zellen im nasalen respiratorischen Epithel, olfaktorischen Epithel und im Riechkolben
Es kommt vermutlich zu lokalen Entzündungs- prozessen die sich auf die Neuronen ausweiten
SARS-CoV-2 & Riechepithel 2
Mehrere Hirnnerven leiten die sensorischen Informationen an das Gehirn weiter
Gerüche:
• Riechepithel; Fasern erreichen durch das Siebbein den Bulbus Olfaktorius
Geschmack:
• Geschmacksknospen auf Zunge, innerviert durch sensorische Afferenzen aus dem Nervus facialis (VII) und dem Nervus glossopharyngeus (IX).
• Geschmacksknospen im Rachen werden durch sensorische Afferenzen des Nervus vagus innerviert
Mehrere Hirnnerven leiten die sensorischen Informationen an das Gehirn weiter
• Scharfe, stechende, kühlende Substanzen werden durch orale und nasale Afferenzen des Nervus trigeminus vermittelt
• Das wird als „Chemesthesis“ bezeichnet. Ein Sinn für Irritationen wie die Schärfe von Cillis oder das Brennen von Zwiebeln Essig ect.
• Defizite im Geruchssinn werden allerdings am häufigsten berichtet
• Es gibt aber Hinweise das alle drei chemosensorischen
Modalitäten durch COVID-19 betroffen sind
Nervus Opticus
• Das Auge als auch der Nervus Opticus sind ebenfalls ein vorgestülpter Teil des Gehirns (genauer des Zwischenhirns)
• Die Nervenfasern sind von Oligodendrozyten ummantelt
• Wie der Bulbus Olfactorius ist auch der Nervus Opticus kein Hirnnerv im engeren Sinne!
• Es sind Leitungsbahnen des ZNS die mit Meningen umhüllt sind und Zellen enthalten die nur im ZNS vorkommen (Oligidendrozyten und Mikroglia)
• Es gibt keinen klassischen Hirnnervenkern
Am Augenhintergrund lassen sich auch Erkrankungen des Gehirns erkennen. Z.B. kardiovaskuläre Veränderungen bei Diabetes oder
Bluthochdruck
Projektionen der Sehfasern
• Ca. 10% der Neurone enden nicht im Corpus Geniculatum Laterale (CGL)
Projektionen der Sehfasern
Ein Teil der Neurone die nicht im CGL enden synchronisieren z.B. den Tag- Nacht Rhythmus oder ermöglichen eine nicht bewusste Nutzung räumlicher Informationen
Letztere dient z.B. dem Zusammenführen visuell- und auditiv-räumlicher Information den superioren und inferioren Colliculi oder können Phänomene wie das Blindsehen erklären
Blindsehen: Patienten mit Schädigungen der visuellen Kortizes (Rindenblindheit), berichten nichts zu sehen, ziegen aber eine nicht willkürliche Augenbewegung hin zu einem dargebotenen Stimulus und können Gegenstände räumlich orten und identifizieren.
Die visuelle Information wird nicht bewusst verarbeitet Ähnliche Phänomene gibt es auch im auditiven Bereich
Bei einer Erblindung durch Schädigung der visuellen Kortizes, kann trainiert werden die nicht-bewussten Informationen zu nutzen.
Auch im Alltag werden unbewusste Informationen aufgenommen und genutzt oder fehlinterpretiert.
z.B. Déjà-vu
Verletzungen der Sehbahn und Sehfeldausfälle
Fallbeispiel: Hypophysentumor
Männlich 40 Jahre
Prolaktinom 5x5x4 cm • Sympotome:
– 50kg Gewichtszunahme in 2-3 Jahren
– Akromegalie
– Müdigkeit
– keine Kopfschmerzen
– bitemporale Hemianopsie (Scheuklappenblind heit)
– Dadurch Autounfall
Hirnnerven
- 1-12 benannt nach ihrem Eintritt in den Hirnstamm und nach ihrer Funktion
Doch dann wurde noch einer entdeckt… er liegt über dem ersten Hirnnerv
- Der Nullte Hirnnerv: Nervus Terminalis
- Eintritt an der Lamina terminalis (abgrenzenden Schicht) zwischen Chiasma opticum und der anterioren Kommissur
N. Terminalis & Vomeronasalorgan
- *Der Nervus Terminalis innerviert das Vomeronasalorgan (VNO) Auch eine humorale Signalübertragung des VNO wird vermutet**
- *Es wird mit der Sensorik von Pheromonen in Verbindung gebracht**
Human Tears Contain a Chemosignal
Methode:
Tränen von Frauen nach einem traurigen Film
Kochsalzlösung als Vergleich
Darbietung auf einem Pflaster unter der Nase von
Männern
Erotischer Film zur Lokalisation relevanter Areale
Emotionale Gesichter Aufgabe - fMRT
„Why women ́s and not men ́s tears? In one Word: Feasibility“
• Ergebnis: Aktivitätsabfall in Regionen die mit sexueller Erregung assoziiert wurden (Testosteron ↓, Arousal ↓)
Emotionale Tränen tragen also ein Chemosignal das sexuelle Erregung in Männern reduzieren kann
Die Studie zeigte somit eine emotional relevante Funktion von Tränen