Angst und Angststörungen Flashcards
Furcht und Angst
- Furcht ist eine komplexe physiologische, behaviorale, kognitive und subjektive Reaktion auf einen bedrohlichen Stimulus
- Furcht entsteht als eine adaptive Reaktion auf reale Bedrohungen und ist für gewöhnlich transient
- Angst ist eine länger andauernde Reaktion auf Gefahrensignale, sie entsteht entweder aus:
- unmittelbaren Umständen die eine eindeutige Gefahr signalisieren oder
- aus einer vagen Indikation unklarer Ereignisse bei denen nachteilige Konsequenzen zu erwarten sind
- Furcht stellt die spezifische motorische, physiologische und subjektive Reaktion bei der Identifikation der Gefahr und bei der Auslösung der entsprechenden Bewältigungsreaktionen dar.
- Angst wird meist als ungerichtete (diffuse), peripher-physiologische, zentralnervöse und subjektive Überaktivierung bei der Wahrnehmung von Gefahren definiert.
- Angst kann hoch adaptiv sein, gesteigertes Arousal, Vigilanz und Reaktionsbereitschaft erhöhen die Wahrscheinlichkeit in gefährlichen Situationen ein adäquates Verhalten zu ermöglichen
- Was passiert bei Angst und Furcht im Gehirn?
Die Amygdala
Eine wichtige Funktion bei der Detektion einer Bedrohung nimmt die Amygdala ein
• Sie empfängt grobe, schemenhafte visuelle Informationen (schnell ca. 15 ms.) direkt von visuellen Thalamuskernen (unbewusst)
• Eine reale oder vermeintliche Bedrohung führt zu einer Schreckreaktion
• Der Informationsfluss über den visuellen Kortex ist deutlich länger, aber
genauer und bewusst
Auch vom visuellen Kortex gelangen Informationen in die Amygdala werden dort verschaltet und zur weiteren Bewertung in kortikale Assoziationsareale weitergeleitet
Die beteiligten Hirnregionen werden als Furchtnetzwerk bezeichnet
Das Furchtnetzwerk
Simplifizierte Darstellung des „Furchtnetzwerks“
Thalamus, Amygdala, Hippocampus. Locus coeruleus, sensorische Areale, präfrontale Regionen
Alle paarig angelegt
Die Regionen weisen eine starke Konnektivität auf
Sie fungieren parallel um emotionale Zustände zu regulieren
Neurale Korrelate der Furcht
- dorsal anterior/ rostral mid cingulate: Empfindung von Angst, reguliert das psychopsysiologische arousal und den Affekt, -> salienz Netzwerk + zentralen exekutiven Netzwerk
- posterior cingulate: Furcht, Atemnot, Vermeidungsverhalten, episodisches Gedächtnis, -> default network
- parietal cotices: neglect, agnosie, visuelle räumliche Aufmerksamkeit, Selbstreptäsentationen, ->salienz Netzwerk, default Netzwerk, exekutiven Netzwerk
- insular cotex: Angst, Gefühlsblindheit, Körpersignale Angst, autonomes arousal, -> salienz
- Amygdala: Bedrohungsdetektor, -> salienz
- Orbitomedial: Bereuen, permanentes Nachdenken, Bewertungen, Lernprozesse, -> default
- Hippocampus: Angst, Stress, Posttraumatische Belastungsstörung, emotionale Prozesse, konditionierungs Prozesse
Neurale Korrelate der Furcht
- dorsal anterior/ rostral mid cingulate: Empfindung von Angst, reguliert das psychopsysiologische arousal und den Affekt, -> salienz Netzwerk + zentralen exekutiven Netzwerk
- posterior cingulate: Furcht, Atemnot, Vermeidungsverhalten, episodisches Gedächtnis, -> default network
- parietal cotices: neglect, agnosie, visuelle räumliche Aufmerksamkeit, Selbstreptäsentationen, ->salienz Netzwerk, default Netzwerk, exekutiven Netzwerk
- insular cotex: Angst, Gefühlsblindheit, Körpersignale Angst, autonomes arousal, -> salienz
- Amygdala: Bedrohungsdetektor, -> salienz
- Orbitomedial: Bereuen, permanentes Nachdenken, Bewertungen, Lernprozesse, -> default
- Hippocampus: Angst, Stress, Posttraumatische Belastungsstörung, emotionale Prozesse, konditionierungs Prozesse
Gibt es ein einziges Furchtnetzwerk?
Die Detektion und Reaktion auf bedrohliche Reize wurde in den vergangenen Dekaden ausführlich untersucht
Bisher konnten daraus allerdings wenig neue Behandlungsansätze für Angststörungen abgeleitet werden (die bestehenden Therapien wurden ebenfalls vor langer Zeit entwickelt oder die Medikamente erzielen nicht den gewünschten Erfolg)
Lange wurde angenommen, dass ein angeborenes „Furcht-System“ existiert und das dieses System in Konfrontation mit einer Bedrohung sowohl das bewusste Gefühlt von Furcht erzeugt, als auch die behavioralen und physiologischen Furchtreaktionen auslöst
Nach LeDoux und Pine ist dies nicht plausibel, sie nehmen stattdessen zwei Systeme an „Two-System Framework“
• Eins zur Kontrolle der behavioralen und physiologischen Reaktionen auf Bedrohung (subkortikal, z.B. Amygdalae). Es operiert hauptsächlich unbewusst.
• Ein anderes zur Erzeugung der bewussten Gefühle (kortikal)
Zwei wichtige Implikationen
Zum einen kann amygdaloidale Aktivität festgestellt werden wenn bedrohliche Reize bewusst wahrgenommen werden, aber auch wenn sie unbewusst verarbeitet werden (z.B. bei subliminaler Darbietung) und keine Furcht verspürt wird
Andererseits sind die frontalen und parietalen Assoziationskortizes vermehrt aktiv, wenn eine visuelle Bedrohung bewusst wahrgenommen wird und weniger aktiv, wenn die Bedrohung nicht bewusst wird
Daraus ergeben sich zwei wichtige Implikationen:
1) Die amygdaloidalen Prozesse sind von der bewussten Wahrnehmung einer Bedrohung abgrenzbar
2) Die bewusste Wahrnehmung von Bedrohung entsteht auf die gleiche Weise wie die bewusste Wahrnehmung nicht-emotionaler Stimuli (vermutlich in sich überdeckenden
kortikalen Regionen)
Two systems Framework
Sie nehmen stattdessen zwei Systeme an „Two-System Framework“
• Eins zur Kontrolle der behavioralen und physiologischen Reaktionen auf Bedrohung (subkortikal, z.B. Amygdala) operiert hauptsächlich unbewusst.
• Eins anderes zur Erzeugung der bewussten Gefühle (kortikal)
• Das erste System (defensives System) detektiert und reagiert auf Bedrohungen
• Es unterstützt defensive Verhaltensweisen und führt zu einer physiologischen Anpassung an die Situation
• Das zweite System generiert die bewussten Gefühle (Angst, Furcht) als Produkt kognitiver Netzwerke (ebenso wie z.B. Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisleistungen) auch unter Berücksichtigung bewusster interozeptiver Informationen aus den Insulae
Implikationen für die Therapie
- Die wirklichen neuralen Netzwerke sind deutlich komplizierter
- Es handelt sich hier um eine brauchbare Heuristik um normale und pathologische Angst- und Furchtgefühle zu erklären
- Der „Two-System“ Ansatz öffnet den Pfad zur Entwicklung neuer Medikamente
- Zum Verständnis: machen Sie Sich klar wie neue Medikamente auf ihre anxiolytische Wirkung getestet werden - zunächst an Nagetieren
- Mäuse vermeiden natürlicher Weise freie helle Flächen auf denen sie gut gesehen, erbeutet und gefressen werden können
- Substanzen die dazu führen, dass sie mehr Zeit auf freien Flächen oder in anderen gefährlichen Situationen verbringen, gelten als Kandidaten zur Behandlung von pathologischer Angst im Menschen
- Diese Substanzen verändern aber z.T. nur das Verhalten (z.B. Reduktion des Vermeidungsverhaltens) und reduzieren nicht die Angst, die den Patienten erwogen hat Hilfe aufzusuchen
Die Enttäuschung über die geringe Wirksamkeit anxiolytischer Medikamente resultiert dabei aus zwei falschen Annahmen:
1) Das defensive Reaktionen und Gefühle von Angst und Furcht bei Bedrohung einem allgemeinen Netzwerk unterliegen
2) Das die Netzwerke, die zu defensiven Reaktionen in Nagetieren beitragen die Entstehung von Angst und Furcht im Menschen erklären können
Welche Rolle kommt der Amygdala zu?
- Die Amygdala ist nicht selbst für das Erleben von Angst zuständig
- Eher ist sie für die Detektion und Reaktion auf präsente oder unmittelbare Bedrohungen zuständig
- Sie ist kein angeborenes „Furcht-Zentrum“ aus der das Furchtgefühl austritt
Der Kern der Unsicherheit
• Wenn die Bedrohung unsicher ist und nur eine potenzielle Möglichkeit in der Zukunft darstellt, sind Verbindungen zwischen der Amygdala und dem (Bett) Nucleus der stria terminalis (BNST) in die Reaktionskontrolle eingebunden
• z.B. Risikobewertung und Initiierung von Vermeidungsverhalten
• Der BNST ist für die Angst das, was die Amygdala für die Furcht ist
→ ein Netzwerkknoten der zur Angstentstehung beiträgt (Signal diffuser Bedrohung)
Wo liegt der Kern der Unsicherheit?
← BNST: Kerngebiet an der Seitenwand des Ventrikelvorderhorns
Wird auch als erweiterte Amygdala bezeichnet
Die Stria terminalis verbindet die Amygdala mit dem Hypothalamus
Verläuft auch über die Habenulakerne. Vermutlich Beteiligung am angstbedingten Vermeidungsverhalten
Netzwerke höherer Ordnung: Das Salienznetzwerk
Die Amygdala ist ein Subknoten des Salienznetzwerks (siehe letzte Veranstaltung)
• Sie weist anatomische Verbindungen in insuläre Berieche, auf die für
interozeptive Prozesse und die Verhaltenssteuerung wichtig sind
• Interozeptive Signale gelangen über den Nervus vagus von der Peripherie in das Gehirn, sie spielen eine wichtige Rolle in der Interpretation einer Situation
• Die Verarbeitung von interozeptiven Informationen wird unter anderem der posterioren Insula zugerechnet
• Eine wichtige Rolle der Verhaltenssteuerung kommt anterioren insulären Bereichen zu
Beispielstudie
Ein Großteil der Probanden die an fMRT-Untersuchungen teilnehmen, berichtet von erhöhter Angst vor der Untersuchung
Auch eine erhöhte physiologische Erregung wurde zu Beginn der Untersuchung gemessen
Die folgende Studie hat die Zustandsangst vor der Untersuchung als auch die dispositionelle Ängstlichkeit erfasst und mit der strukturellen und funktionellen (resting state) - Konnektivität zwischen amygdaloidalen und insulären Bereichen in Verbindung gesetzt
Hypothetische Interaktion zwischen Salienzprozessierung, Exekutiven Netzwerken und Interozeptiven Netzwerken