Grundfragen der Verantwortlichkeit und Schuldfähigkeit Flashcards
Was unterscheidet Unrechts- und Schuldbereich?
Im Unrechtsbereich wird die mit Strafe bedrohte Handlung auf ihre Übereinstimmung mit den Sollensnormen der Rechtsordnung, d.h. auf ihre Rechtswidrigkeit hin, überprüft.
Im Schuldbereich geht es dagegen um die Frage, ob dem Täter die rechtswidrige Tat persönlich vorzuwerfen ist.
Was ist Schuld im weiteren Sinne?
Verantwortlichkeit
Welche zwei Aspekte werden von der Verantwortlichkeit umfasst?
Schuld im engeren Sinne, präventive Bestrafungsnotwendigkeit
Wann handelt ein Straftäter schuldhaft?
Der Täter handelt schuldhaft, „wenn er strafrechtliches Unrecht verwirklicht, obwohl er in der konkreten
Situation von der Appellwirkung der Norm (noch) erreicht werden konnte und eine hinreichende Fähigkeit zur Selbststeuerung besaß, so dass eine rechtmäßige Verhaltensalternative ihm psychisch zugänglich war“ (Roxin/Greco AT I § 19 Rn. 3)
Welche Schuldbegriffe gibt es?
psychologisch und normativ
Was besagt der psychologische Schuldbegriff?
Nach der „psychologischen Schuldauffassung“ (vgl. Radbruch ZStW 1904, 333) bestand das Wesen der
Schuld in der subjektiv-seelischen Beziehung des Täters zur Tat. Sie identifizierte den Schuldbegriff mit dem psychischen Sachverhalt (Wissen/Nichtwissen bzw. Wollen/Nichtwollen) und sah Vorsatz und Fahrlässigkeit demnach als „Schuldarten“ an.
Probleme:
- Diese Lehre lässt wesentliche Elemente der Schuld unberücksichtigt.
- Die Lehre kann nicht erklären, warum die Schuld eines vorsätzlich Handelnden unter den Voraussetzungen des § 35 StGB entfällt.
Was besagt die normative Schuldlehre?
Das Wesen der Schuld liegt in der Vorwerfbarkeit der Willensbildung und Willensbetätigung, also in der
normativen Bewertung eines psychischen Sachverhalts.
Wie steht die Lehre zum normativen Schuldbegriff?
Der normative Schuldbegriff wird heute durchweg anerkannt (BGHSt 2, 194, 200; NK/Paeffgen/Zabel Vor
§§ 32 ff. Rn. 208 f.). Doch gehen die Ansichten darüber auseinander, aus welchen Elementen er sich zusammensetzt
Aus welchen Elementen setzt sich der normative Schuldbegriff nach herrschender Lehre zusammen?
- die Schuldfähigkeit
- die in bestimmten Fällen vorgesehenen speziellen Schuldmerkmale
- die Schuldform (Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsschuld)
- das Unrechtsbewusstsein (Möglichkeit der Unrechtseinsicht)
- (negativ) das Fehlen von Entschuldigungsgründen
Wie regelt das StGB die Frage der Schuldfähigkeit?
negativ, indem es nur bestimmt, wann ein Täter nicht oder nur vermindert schuldfähig ist
Wer ist schuldunfähig?
- Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr (vgl. § 19 StGB; näher dazu Mitsch Jura 2017, 792, 793 f.)
- Personen, die wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung,
Schwachsinns oder einer anderen schweren seelischen Abartigkeit unfähig sind, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. § 20 StGB).
Welche zwei Schritten müssen bei der Prüfung der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB unternommen werden?
- Prüfen, ob als biologisches Merkmal eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine andere schwere seelische Abartigkeit vorliegt. (biologisch-psychologisches Stockwerk)
- Feststellen, dass der Täter wegen des festgestellten biologischen Merkmals unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen bzw. nach dieser Einsicht zu handeln. (psychologisch-normatives Stockwerk)
Was sind krankhafte seelische Störungen?
Geisteskrankheiten, deren somatische Ursachen nachgewiesen sind bzw. postuliert werden
Zu welcher Gruppe der biologische Merkmale für Schuldunfähigkeit gehört der alkohol- oder drogenbedingte Vollrausch?
krankhafte seelische Störung
Welche Faustregel gilt bei Alkoholkonsum hinsichtlich der Schuldfähigkeit?
Eine Schuldunfähigkeit kommt ab ca. 3,0 ‰ in Betracht.
Bei Tötungs- und schweren Gewaltdelikten kommt Schuldunfähigkeit aufgrund der höheren Hemmschwelle erst ab etwa 3,3 ‰ in Betracht (heute eher zweifelhaft, da der BGH dieser Hemmschwellentheorie mit dem Urteil vom 22.3.2012- 4 StR 558/11 [zu Recht] ihre Bedeutung weitgehend genommen hat)
Für die Klausur bedeutet dies: Promilleangaben ohne Hinweise darauf, was aus diesen zu schließen ist,
dürfen nicht für Fragen von §§ 20, 21 StGB interpretiert werden.
Was gilt bei der Ermittlung des Blutalkoholgehalts zur Tatzeit?
er muss so zurückgerechnet werden, dass er möglichst hoch ausfällt (in dubio pro reo)