Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung Flashcards
Was unterscheidet Einverständnis und Einwilligung?
Das Einverständnis wirkt tatbestandsausschließend, die Einwilligung wirkt rechtfertigend
Welche sieben Anforderungen werden an die Wirksamkeit der Einwilligung gestellt?
- Disponibilität des geschützten Rechtsgutes
- Verfügungsberechtigung
- Kundgabe, Zeitpunkt und Widerruflichkeit
- Einwilligungsfähigkeit
- Keine wesentlichen Willensmängel
- Kein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 228 StGB)
- Subjektive Anforderungen,
Was meint “Disponibilität des Rechtsgutes”?
Der Verzicht auf das geschützte Interesse muss überhaupt rechtlich zulässig sein. Disponibel sind alle Individualrechtsgüter mit Ausnahme des menschlichen Lebens (arg. § 216 StGB). Über Rechtsgüter der Allgemeinheit (z.B. das Vertrauen in die Unbestechlichkeit des Beamtenapparates) kann der Einzelne somit nicht wirksam disponieren.
Was meint “Verfügungsberechtigung”?
Der Einwilligende muss auch verfügungsberechtigt, d.h. Träger des geschützten Interesses oder sonst
(z.B. als Vertreter des Rechtsgutsträgers) zur Disposition über das Rechtsgut befugt sein. Denn selbstverständlich kann nicht jeder beliebige Dritte über eine Sache des Eigentümers bestimmen.
Welche Anforderungen stellt die Kategorie “Kundgabe, Zeitpunkt und Widerruflichkeit” an eine Einwilligung?
Die Einwilligung muss vor der Tat ausdrücklich erklärt oder konkludent zum Ausdruck gebracht worden sein, da ein nicht hervortretender Gedanke mangels Feststellbarkeit nicht zur Anknüpfung von Rechtsfolgen geeignet ist.
Bis zur Tatbegehung ist die Einwilligung frei widerruflich. Ausreichend ist auch eine nach Beginn, aber vor Vollendung der Tat erteilte Einwilligung. Eine nachträgliche Genehmigung ist bedeutungslos, da der Geschädigte sonst über einen einmal entstandenen staatlichen Strafanspruch disponieren könnte, was jedoch dem Offizialprinzip widerspricht
Wie wird “Einwilligungsfähigkeit” beurteilt?
Es kommt auf die tatsächliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Rechtsgutsinhabers an: Der Einwilligende muss nach seiner geistlichen und sittlichen Reife imstande sein, Wesen, Bedeutung und Tragweite des fraglichen Eingriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen - umso strengere Anforderungen, je schwerwiegender der Eingriff ist
Wie beurteilt die herrschende Meinung Willensmängel bei der Prüfung einer Einwilligung?
Die h.M. (Wessels/Beulke/Satzger AT Rn. 571) hält einen Willensmangel nur dann für unbeachtlich, wenn der Willensmangel nicht rechtsgutsbezogen und daher nicht einwilligungserheblich ist, sich also lediglich auf Randfragen oder Begleitumstände, nicht hingegen auf Inhalt und Umfang des Eingriffs, bezieht
Unterscheidung rechtsgutsbezogener Willensmangel und nicht rechtsgutbezogener Willensmangel?
Bsp.: Ein rechtsgutsbezogener Willensmangel liegt vor, wenn A in die Verabreichung einer Spritze durch
B einwilligt, B dem A aber die gesundheitsschädigende Wirkung der Injektion verschweigt.
Bsp.: Kein rechtsgutsbezogener Willensmangel liegt darin, dass A in die Blutabnahme durch B deshalb
einwilligt, weil B den A darüber getäuscht hat, eine Blutspendeorganisation werde ihm dafür 50 € zahlen.
Wie muss der Prüfungspunkt “Sittenwidrigkeit” bei der Einwilligung berücksichtigt werden?
Bei Eingriffen in die körperliche Integrität darf die Tat gem. § 228 StGB zusätzlich nicht gegen die guten
Sitten verstoßen. Maßgeblich ist die Sittenwidrigkeit der Tat, nicht die der Einwilligung.
Welche Kriterien können zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit im Rahmen der Prüfung einer Einwilligung herangezogen werden?
früher h. M. stellte vor allem auf Beweggründe und Ziele der Beteiligten sowie die angewandten Mittel und die Art der Verletzung ab - enge Auslegung von § 228 StGB
Nach heute h. M. kommt es für die Sittenwidrigkeit der Tat maßgeblich auf Art und Gewicht des eingetretenen Körperverletzungserfolgs sowie des damit einhergehenden Gefahrengrades für Leib und Leben des Einwilligenden an. Also strikte Abstellung auf das geschützte Rechtsgut und keine Berücksichtigung der sozialen Wirkung
Was versteht man unter subjektiven Anforderungen an eine Einwilligung?
Behandelt man die Einwilligung als tatbestandsausschließend, muss der Täter, den normalen Vorsatzanforderungen entsprechend, in Kenntnis der Einwilligung gehandelt haben.
Misst man der Einwilligung rechtfertigende Wirkung zu, muss der Täter in vergleichbarer Weise in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung gehandelt haben
Was gilt bei einem Irrtum über das reale Vorliegen einer Willenserklärung?
Ist dem Täter das tatsächliche Vorliegen einer Einwilligung des Geschädigten nicht bekannt, so ist er – bei gegebener Versuchsstrafbarkeit – wegen (untauglichen) Versuchs des jeweiligen Delikts strafbar. Denn wegen der Einwilligung konnte er den Tatbestand nicht erfüllen. Das war ihm jedoch nicht bewusst und er ging subjektiv davon aus, tatbestandsmäßig zu handeln.
Was gilt bei einem Irrtum über das reale Nichtvorliegen einer Einwilligung?
Im umgekehrten Fall der tatsächlich nicht (wirksam) erteilten Einwilligung, bei dem der Täter jedoch deren
Vorliegen irrtümlich annimmt, liegt ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum nach § 16 I 1 StGB vor. Soweit gesetzlich vorgesehen, kommt dann gem. § 16 I 2 StGB allenfalls eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht.
In welchen Fällen kommt eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht?
In jenen, in denen eine Einwilligung rechtlich zulässig wäre, tatsächlich aber nicht eingeholt werden kann
Als was ist die mutmaßliche Einwilligung zu behandeln?
Als Rechtfertigungsgrund