Der verantwortungsausschließende Notstand und verwandte Fälle Flashcards
Was unterscheidet Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe?
Bei ersteren fehlt es an einer Schuldvoraussetzung bzw. an einem schuldbegründenden Merkmal. Entschuldigungsgründe hingegen führen zu einer Minderung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat. Der verminderte Schuldgrad erscheint dann nicht mehr strafwürdig.
Zwischen welchen Entschuldigungsgründen wird insbesondere unterschieden?
entschuldigender Notstand (§ 35 StGB), Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB), übergesetzlicher Notstand/entschuldigende Pflichtenkollision, Gewissensnot, Handeln auf dienstliche Weisung
Auf welchen Grundgedanken bauen die Entschuldigungsgründe auf?
Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens, Gedanke der Unrechts- und Schuldminderung, Gedanke der präventiven Bestrafungsnotwendigkeit
Was bringt der den Entschuldigungsgründen zugrundeliegende Grundgedanke der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens zum Ausdruck?
In einer Notstandslage, in der der Täter die in § 35 StGB bezeichneten Rechtsgüter bedroht sieht, kann diesem aufgrund des besonderen Motivationsdrucks
(außergewöhnliche psychische Zwangslage) kein normgemäßes Verhalten zugemutet werden.
Was bringt der den Entschuldigungsgründen zugrundeliegende Gedanke der Unrechts- und Schuldminderung zum Ausdruck?
Unrechtsminderung: Der Erfolgsunwert der Tat wird durch den Wert des Guts, das der Täter durch
seine Tat zu schützen sucht, gemindert; der Handlungsunwert wird durch den Rettungszweck (oder Verteidigungszweck im Rahmen von § 33 StGB) herabgesetzt.
Schuldminderung: Der Schuldgehalt wird durch den außergewöhnlichen Motivationsdruck herabgesetzt. Der Motivationsdruck macht es dem Täter unmöglich, den Verbotsnormen des Strafgesetzes zu entsprechen. Schuldmindernd wirkt also der Umstand, dass sich der Täter nicht aus rechtsfeindlicher
Gesinnung gegen das Recht stellt. Ganz deutlich herabgesetzt ist die Schuld auch durch die asthenischen Affekte im Rahmen von § 33 StGB.
Was ist ein asthenischer Affekt?
Eine Gemütsbewegung (z.B. hochgradige Erregung, Furcht oder Schrecken), die zur Begehung einer Straftat geführt hat.
Was bringt der den Entschuldigungsgründen zugrundeliegende Gedanke der präventiven Bestrafungsnotwendigkeit zum Ausdruck?
Erklärt man das Bestehen von Entschuldigungsgründen mit dem Gedanken der präventiven Bestrafungsnotwendigkeit, so erklärt sich die Struktur des § 35 StGB in dem Sinne, dass die Gefahr zur Not auch hätte ertragen werden können und der Täter somit auch eine rechtmäßige Verhaltensalternative gehabt hätte.
Wann kann in einer Fallprüfung geprüft werden, ob die Tat eines Täters zu entschuldigen ist?
Wenn keine Rechtfertigung nach §§ 32, 34 StGB vorliegt
Welcher Wertungsunterschied geht aus der Trennung zwischen Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen hervor?
Der gerechtfertigt agierende Täter handelt im
Einklang mit der Rechtsordnung, er hat zwar typisiertes Unrecht begangen (= tatbestandsmäßige Handlung), diese Indizwirkung der Unrechtsbegehung aber mittels der Rechtfertigung widerlegt. Für den von der Tat Betroffenen bedeutet dies, dass er sich nicht mittels Notwehr widersetzen darf, da ja kein rechtswidriger Angriff vorliegt. Dem „nur“ entschuldigt handelnden Täter gegenüber ist aber eine Notwehrhandlung erlaubt, da dieser ja rechtswidrig agiert
Warum ist der entschuldigende Notstand gegenüber dem rechtfertigenden Notstand hinsichtlich der notstandsfähigen Rechtsgüter enger?
Dies folgt aus dem Grundgedanken dieses Entschuldigungsgrundes, der eine außergewöhnliche Motivationslage voraussetzt. Eine solche kann regelmäßig nur bei den von § 35 StGB bezeichneten Rechtsgütern angenommen werden.
Welche gesetzlichen Voraussetzungen verlangt der entschuldigende Notstand?
Notstandslage, Rettungshandlung, Gefahrabwendungswille, Ausnahmeregelung nach § 35 I 2
Was muss beim entschuldigenden Notstand neben den gesetzlichen Voraussetzungen noch geprüft werden?
Zumutbarkeit der Gefahrhinnahme (§ 35 I 2)
Welche Rechtsgüter sind i.S.v. § 35 I StGB notstandsfähig?
Nur die im Paragraphen aufgezählten
Wie wird das Rechtsgut der “Freiheit” in § 35 I StGB verstanden?
Aufgrund der systematischen Auslegung: Körperbezogen so wie die anderen genannten Rechtsgüter
Welche Voraussetzungen gelten für die Notstandslage beim entschuldigenden Notstand?
Notstandsfähiges Rechtsgut, rettungsfähige Person, gegenwärtige Gefahr