Die Notwehr Flashcards
Als was wird Notwehr charakterisiert?
als Rechtfertigungsgrund
Wie begründet die herrschende Meinung die Notwehr?
dualistisch
Welche zwei Prinzipien liegen der Notwehr nach herrschender Meinung zugrunde?
Selbstverteidigungsprinzip, Rechtsbewährungsprinzip
Was besagt das Selbstverteidigungsprinzip?
In der Notsituation ist es jedem erlaubt, seine Rechtsgüter selbst zu verteidigen.
Was besagt das Rechtsbewährungsprinzip?
In der Notlage ist der Angegriffene immer auch Repräsentant des Rechts und dessen aktueller Verteidiger gegen das Unrecht.
Welche Voraussetzungen braucht es für Notwehr?
Notwehrlage, Notwehrhandlung, subjektives Rechtfertigungselement
Was ist eine Notwehrlage?
Das Vorliegen eines gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs
Was ist ein Angriff?
Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung eines notwehrfähigen Rechtsguts (Wessels/Beulke/Satzger AT Rn. 494; Rengier AT § 18 Rn. 6 ff.; Hinweis: Es muss dabei kein Straftatbestand verwirklicht werden).
Warum gelten Tierangriffe im juristischen Sinne nicht als Angriffe?
Tiere unterscheiden sich insofern vom Menschen, als nur Menschen taugliche Adressaten von Rechtsnormen sind und auch nur Menschen gegenüber das Recht bewährt werden muss (vgl. KK 263), wenn sich diese durch rechtswidriges Verhalten ins Unrecht setzen (Kühl AT § 7 Rn. 26). Das Verhalten von Tieren kann daher nicht Gegenstand eines Rechtswidrigkeitsurteils sein
(LK/Rönnau/Hohn § 32 Rn. 99)
Kann Unterlassen als Angriff gewertet werden?
Nach h.M. stellt ein Unterlassen einen Angriff dar, wenn im Unterlassen ein Verstoß gegen eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 StGB liegt.
Welche Rechtsgüter sind notwehrfähig?
Zu den notwehrfähigen Rechtsgütern zählen alle Individualrechtsgüter und sonstigen rechtlich geschützten Interessen (wie der Gemeingebrauch beim Kampf um die Parklücke; vgl. sogleich KK 277).
Rechtsgüter der Allgemeinheit (z.B. Vertrauen in die Unbestechlichkeit des Beamtenapparates) sind
dagegen grds. nicht notwehrfähig, denn der Staat kann sich regelmäßig selbst helfen und Staatsnothilfe
ist die absolute Ausnahme des Art. 20 IV GG.
Muss der Verteidiger immer der Angegriffene sein?
Angegriffener und Verteidiger müssen nicht identisch sein (Fälle der Nothilfe). Die Nothilfe richtet sich grundsätzlich nach den gleichen Kriterien wie die Notwehr. Darüber hinaus ist aber erforderlich, dass der Angegriffene mit der Verteidigung zumindest mutmaßlich einverstanden ist.
Wann ist ein Angriff rechtswidrig?
Der Angriff ist rechtswidrig, wenn er nicht von einer Erlaubnisnorm gedeckt ist (Kindhäuser/Zimmermann AT § 16 Rn. 21; lesenswert BGH NStZ 2012, 144).
Kann ein rechtswidriger Angriff auch dann vorliegen, wenn er aus objektiv pflichtgemäßen Verhalten folgt? (Bsp.: Verkehrsunfall bei Beachtung aller Verkehrsregeln)
Nach h.M. (Roxin/Greco AT I § 15 Rn. 14; Stratenwerth/Kuhlen § 9 Rn. 73; Sch/Sch/Perron/Eisele § 32 Rn. 21) liegt in einem obj. pflichtgemäßen Verhalten kein rechtswidriger Angriff.
Nach einer Mindermeinung (Jescheck/Weigend S. 341) ergibt sich die Rechtswidrigkeit dagegen schon
daraus, dass der Angriff ein rechtlich geschütztes Gut bedroht. (ABER: kein Handlungsunwert, darum keine Rechtswidrigkeit (nur Verwirklichung eines erlaubten Risikos) und der Angegriffene ist nicht schutzlos, da Gegenwehr über § 34 StGB möglich)
Wie ist die Frage zu beantworten, ob ein Angreifer schuldhaft handeln muss?
+ Rechtsbewährungsprinzip tritt bei Schuldlosigkeit in den Hintergrund, da Rechtsordnung nicht bewusst in Frage gestellt wird
+ Nur dem schuldhaft Handelnden können die vollen Kosten des Konflikts – Folgen der Verteidigungshandlung – aufgebürdet werden
- Der Wortlaut des § 32 II StGB verlangt nur einen rechtswidrigen, keinen schuldhaften Angriff.
- Rechtsnormen gelten auch gegenüber schuldlos Handelnden, so dass das Rechtsbewährungsprinzip durchaus eingreift.
- Eine sachgerechte Einschränkung der Notwehr gegen schuldlos handelnde Personen ist auf der Ebene der Gebotenheit möglich.
–> herrschende Meinung geht davon aus, dass Schuldhaftigkeit keine Voraussetzung der Notwehr ist
Wann ist ein Angriff “gegenwärtig”?
Gegenwärtig ist ein Angriff, der im Sinne einer akut bedrohlichen Lage unmittelbar bevorsteht, gerade
stattfindet oder noch fortdauert
Was meint “antizipierte” Notwehr?
Fälle der selbstständig wirkenden Abwehrvorrichtungen diskutiert. Hierunter fällt etwa das Aufstellen von elektrischen Zäunen oder gar die Installation von Selbstschussanlagen, um das eigene Grundstück vor Einbrechern zu schützen.
Welche Aspekte müssen hinsichtlich der Notwehrhandlung geprüft werden?
Geeignetheit, Erforderlichkeit, Gebotenheit
Was bedeutet “Geeignetheit”?
Die Maßnahme ist grundsätzlich dazu in der Lage, den Angriff entweder ganz zu beenden oder ihm wenigstens ein Hindernis in den Weg zu legen. Auch Verteidigungshandlungen, die den Angriff lediglich abmildern, sind dabei als geeignet anzusehen.
Was bedeutet “Erforderlichkeit”?
Erforderlich ist diejenige Verteidigungshandlung, die (zur Angriffsabwehr geeignet ist und dabei, vgl. oben) das relativ mildeste der in Betracht kommenden Verteidigungsmittel ist
Von welchem Standpunkt werden die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Notwehrhandlung beurteilt?
Auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung, sog. „objektive ex-ante-Betrachtung“. Es kommt also darauf an, welche Maßnahmen ein verständiger Beobachter im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung unter den Gegebenheiten der Notwehrlage zur sicheren Abwehr des Angriffs für notwendig erachten würde. Wegen der geringen Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen nach Auffassung des BGH an die in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine weniger gefährliche Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden