Allgemeine Psychologie Sem1.6 - Wahrnehmung 4 (Tiefen & Größenwahrnehmung) Flashcards
Phasen der Objekterkennung
- Wahrnehmung beginnt mit dem Erkennen kleiner Strichelemente mit unterschiedlicher Orientierung
→ Wie sich lassen sich diese Elemente zu Formen und Konturen organisieren, die sich vom Hintergrund abheben?
→ Wie wird aus dem Linienmuster eine Anhäufung von Objekten erkannt?
Gestaltpsychologie
- Wahrnehmungseindruck eines Objektes ist mehr als die Summe seiner Teile (also mehr als die Zusammensetzung kleinster elementarer Empfindungen)
- Anordnungen von Elementen können Eigenschaften haben, die ihre einzelnen Elemente nicht haben: emergente Eigenschaften
- Wahrnehmen von Gestalten
- Basiert auf Trennung von Figur-Grund
Figur-Grund-Trennung
- Voraussetzung für Objekterkennung: Trennung von Figur und Hintergrund
- Durch bestimmte Merkmale von Figuren erleichtert:
- Geschlossenheit: Geschlossene Elemente werden als Figur gesehen, z.B. Kreise
- Größe: Bei mehreren Flächenelementen im Bild wird kleineres als Figur gesehen
- Symmetrie: Symmetrische Elemente eher Figuren, unsymmetrische Elemente eher Hintergrund
- Parallelität: Parallele Konturen gehören zur gleichen Figur
- Als Figur wahrgenommene Bereiche werden intensiver verarbeitet & gemerkt
- Figur wird als vor dem Hintergrund stehend gesehen
- Hintergrund als ungeformtes Material, das sich weiter erstreckt, gesehen
- Kontur gehört zur Figur
Gestaltprinzipien
- Heuristiken, die beschreiben, wie wir kleine Teile zu einem Ganzen organisieren
-
Prinzip der Prägnanz (bzw. Prinzip der Guten Gestalt): Reizmuster so gesehen, dass resultierende Strukturen so einfach wie möglich sind
- Gute Gestalt = einfach, regelmäßig, symmetrisch
-
Ähnlichkeit: Ähnliche Dinge erscheinen als zusammengehörende Gruppe
- Kriterien für Ähnlichkeit: Helligkeit, Farbton, Orientierung & Größe
-
Guter Verlauf/ Fortsetzung: Punkte, die als gerade/ geschwungene Linie gesehen
werden, wenn man sie verbindet, als zusammengehörig wahrgenommen - Nähe: Dinge, die nah beieinander sind, erscheinen zusammengehörig
- Geschlossenheit: Tendenz zur Vervollständigung einer Figur
-
Gemeinsames Schicksal: Dinge, die sich in gleiche Richtung bewegen, erscheinen
zusammengehörig -
Prinzip der Verbundenheit: Miteinander verbundene Elemente als Einheit wahrgenommen
- Dominierendes Prinzip → kann andere Gestaltprinzipien außer Kraft setzen
- dominiert vor allem bei komplexen Stimuli mit multiplen Objekten
-
Schwächen der Gestaltprinzipien:
- Beschreiben nur, erklären nicht
- Getrennt voneinander gute Vorhersagen, in Kombination nicht
- Sie haben den Anschein von posthoc-Erklärungen.
- Vorhersagen nur gut für zweidimensionale Muster
- Vernachlässigung von „top-down“-Prozessen
- Keine Annahmen über Einfluss von Erwartungen, Wissen & Lernprozessen
- Keine Annahmen zur Interaktion von basalen Prozessen & vorhandenem Wissen
Heuristiken:
- Sie führen nicht zwangsläufig zu einer richtigen Lösung
- Sie beschreiben, erklären aber nicht.
Phasen der Objekterkennung
1. Merkmalsanalyse: Erkennung der Form von Objekten auf Grundlage elementarer (physikalischer) Merkmale → Entdecken eines Objektes
- Mustererkennung: Objekte werden auf Basis weniger charakterisierender Merkmale erkannt, die eine globale Form ergeben (z.B. Buchstaben können auch in sehr unterschiedl. Schriftarten erkannt werden)
2. Integration zur Objektrepräsentation (in Form interner Abbilder) → Einzelne Elemente einheitlich zusammengeführt
3. Vergleich mit gespeicherter Repräsentation:
- Objektkategorisierung: auf Basislevel, d.h. Erkennen von Objektklassen / Kategorisierung von Objekten (Auto oder Stuhl?)
- Objektidentifikation: genaue Identifikation des Objekts (innerhalb einer Kategorie)
Mustererkennung
-
Ansätze der Merkmalsanalyse:
- Objekte werden auf der Basis einer kleinen Anzahl sie
charakterisierender Merkmale erkannt, die eine globale Form ergeben -
Bsp.: A ist Kombination aus zwei um jeweils ca. 30 Grad geneigte Striche und
einem waagerechten Strich - Merkmale sind dem Output der
Kanten- und Balkendetektoren im primären visuellen Kortex v1 sehr ähnlich. - Vorteil: flexiblere Anwendung, weniger Speicher erforderlich
- Problem: definierenden Merkmale gerade bei natürlichen Kategorien unklar, unklar wie „ungewöhnliche“ Kategorienmitglieder erkannt werden (Ist der Strauß ein Vogel?)
- Objekte werden auf der Basis einer kleinen Anzahl sie
Objekterkennungstheorie: Konstruktivistische Ansätze (Maar)
- Aus zweidimensionalen Netzhautbild muss vom Blickwinkel unabhängige Objektrepräsentation abgeleitet werden
- Objektwahrnehmung verläuft in verschiedenen Stufen:
- Merkmalsextraktion (Kanten, Winkel…)
- Integration weiterer Merkmale (Tiefe, Größe, Struktur, Farbe…)
- Gruppierung & Generierung einer Objektbeschreibung
- Blickwinkelunabhängige Objektrepräsentation erlaubt Abgleich mit Gedächtnisrepräsentationen
Recognition-by-component-theory (Biederman)
- Wahrnehmung besteht in Reduzierung eines Objektes auf seine Geone
- Objekte bestehen aus einfachen Formen & Komponenten, sg. „geons“ bzw. Geone (z.B. Quader, Kegel, Zylinder…)
- Es gibt 36 Geone: durch Kombination der Geone können alle Objekte geformt werden
- Geone haben blickwinkelunabhängige & nicht-zufällige Eigenschaften
- Stufen der Objektwahrnehmung:
- Kanten-Extraktion
- Erkennung von nicht-zufälligen Eigenschaften, z.B. gewölbt/glatt, konkav/konvex…
- Bestimmung der Geon-Komponenten
- Vergleich der Komponenten mit Objektrepräsentationen
- Objekterkennung
-
Empirische Evidenzen:
- Kantenbild für Objekterkennung meist ausreichend (Farb- & Strukturinformationen relativ unwichtig)
- Beseitigung von Konkavitäten macht Objekterkennung schwierig
- Fehlende/verdeckte Geone erschweren Objekterkennung
-
Stärken der Theorie:
- Erklärt Blickwinkelunabhängigkeit bei Objekterkennung
- Kann mit Problem der Verdeckung umgehen
- Einfache Theorie mit wenigen Voraussetzungen
- Durch behaviorale & Bildgebungsstudien bestätigt
-
Schwächen der Theorie:
- Erklärt nur Objektkategorisierung, nicht Objektidentifikation
- Objektmerkmale wie Texturen spielen in der Theorie keine Rolle, obwohl sie für Identifikation wichtig sind
- Geht nicht auf mögliche top-down-Einflüsse ein
- Kann empirische Evidenzen für blickwinkelabhängige Objekterkennung nicht erklären
Was für Eigenschaften haben Geone?
Geone haben blickwinkelinvariante Eigenschaften:
- Parallele Kanten, runde Kanten - Schnittpunkte in Pfeilform
- Schnittpunkte in Y-Form
Blickwinkelabhängigkeit
- Ob Objekterkennung vom Blickwinkel abhängt, scheint von Aufgabe & Übung abzuhängen
- Objektidentifikation dauert länger bei ungewöhnlichen Blickwinkeln (allerdings kein Einfluss auf Objektkategorisierung)
- Frühe Verarbeitungsstufen hängen stärker vom Blickwinkel ab als spätere (im temporalen Bereich)
- In unserem Gedächtnis sowohl blickwinkelabhängige Informationen (z.B. kanonische Ansichten) als auch blickwinkelunabhängige Informationen (z.B. Geone) gespeichert, die je nach Aufgabe genutzt werden können
- Leichte Aufgaben: blickwinkelunabhängig
- Komplexere Aufgaben: blickwinkelabhängig
Gesichtererkennung
- Spezieller Fall der Objektwahrnehmung: Identifizierung vordergründig, nicht Kategorisierung!
- Unterscheidung von Identifizierung & Analyse des Gesichtsausdruckes
- Zwei Informationsquellen bei Gesichtererkennung:
- Invariante Merkmale: zentral für Identifizierung
- Variable Merkmale: kontextabhängig, zentral für Analyse der Gesichtsausdrücke
- Wichtigste Merkmale bei Gesichtererkennung sind Augen, Nase & Mund → sind immer in einer spezifischen Anordnung
- Gesichter eher holistisch verarbeitet → Verhältnis der Merkmale vordergründig
-
Evidenzen für Unterschiede zw. Objekt- & Gesichtererkennung:
- Part-Whole Effekt: Gesichter & zugehörige Namen sollen gemerkt werden → Es ist einfacher einen Teil des Gesichts wiederzuerkennen, wenn er im ganzen Gesicht als in Isolation präsentiert wird
- „Thatcher“-Illusion: Verzerrungen in Gesichtern, die auf dem Kopf stehen, nur schwer erkennbar → Invertierte Gesichter nicht mehr ganzheitlich wahrgenommen, Mund & Augen dominieren Wahrnehmungseindruck
-
Erklärungen für Unterschiede zw. Objekt- & Gesichtererkennung:
- Domainspezifischer Ansatz: Gesichter- & Objekterkennung haben jeweils spezifische Prozesse/ Module
- Gyrus fusiformis (FFA) in ventraler Bahn auf Analyse von Gesichtern
spezialisiert - Doppelte Dissoziation: Patienten mit selektiver Beeinträchtigung der
Gesichtererkennung (Prosopagnosie)/ der Objekterkennung (Agnosie)
- Gyrus fusiformis (FFA) in ventraler Bahn auf Analyse von Gesichtern
- Domainspezifischer Ansatz: Gesichter- & Objekterkennung haben jeweils spezifische Prozesse/ Module
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Expertise-Hypothese: Unterschied durch verschiedenen Grad der Expertise
- Gesichtererkennung stärker geübt & erfolgt auf Ebene untergeordneter Kategorien (Identifizierung) → Holistische Verarbeitung allerdings auch bei Objektklassen, für die viel Übung vorliegt!
- Gyrus fusiformis ist „Expertise“-Areal
- Befunde nicht eindeutig