Allgemeine Psychologie Sem1.12 - Bewusstsein 1 (Grundverständnis) Flashcards
1
Q
BEWUSSTSEIN: Historisches
A
- Begriff „Bewusstsein“ geht auf Ausdifferenzierung des alten Seelenbegriffes zurück → Unterscheidung zw. Körper & Seele
- Moderner Bewusstseinsbegriff im Sinne der „Kenntnis der eigenen mentalen Zustände“ → Reflexion, Bewusstheit über sich selbst & Umwelt
- Bei Substantiv „Bewusstsein“ auch v.a. Aspekt der Selbstreflexion zentral
2
Q
Definition von Bewusstsein
A
- Bewusstsein hat sehr heterogene Definitionen (keine einheitliche!)
- Wissenschaftliche Bedeutung und Alltagsverständnis sind nicht immer deckungsgleich
- Unterscheidung zw. Bewusstseinszuständen (level) & Inhalt des Bewusstseins (content) wichtig
- Bewusste Zustände sind uns zugänglich & berichtbar (im Unterschied zu unbewussten)
- Bewusste Inhalte sind mit subjektivem Erleben verbunden & berichtbar
- Dualistische Ansätze: Bewusstsein als nicht physikalische Eigenschaft (Seele), die aber in physikalischen komplexen Systemen wie dem Gehirn entsteht
- Reduktionistische Ansätze: Bewusstsein nicht mehr als Zustand/ Funktion des Gehirns
-
Alltagssprache: Bewusstsein als eigenes Erleben der Außen- & Innenwelt → Identität
- Bewusstsein als besonderer Aspekt der menschlichen Gattung
3
Q
Arten von Bewusstsein (-definitionen):
A
-
Phänomenales Bewusstsein: Individuelles, subjektives Erleben von Sinneswahrnehmungen oder Gedanken (mentale Repräsentationen)
- Nur über Introspektion & nicht objektiv messbar!
-
Bewusstsein als Erregungszustand: Bewusstsein im Gegensatz zu Bewusstlosigkeit→
Differenzierung von Koma, Tiefschlaf, Traum, Wachheit… -
Zugriffsbewusstsein (access to Information): Zugriffsbewusste Inhalte bilden Grundlage
für Entscheidungen & Handlungen- Aus Außenperspektive erfassbar
- Ähnelt Konzepten von kontrollierten/ exekutiven Prozesse
- Wichtig: Nur Inhalte sind zugänglich, nicht unbedingt deren Ableitung / Entwicklung
-
Selbstbewusstsein: Reflexiver Charakter des Bewusstseins, Repräsentation eines situationsunabhängigen stabilen mentalen „Ich“ (Selbstkonzept)
- Wissen über eigene Gedanken & Wahrnehmungen
4
Q
Probleme des Bewusstseinsbegriffes
A
- Dritte-Person-Perspektive (soft problem): Mensch als System zur optimalen Verarbeitung der Umwelt → Mentale Vorgänge ohne Subjekt mit Außensicht (= Paradigma des Informationsverarbeitungsansatzes)
- Erste-Person-Perspektive (hard problem): phänomenolog. Bewusstsein als individuelles Erleben → erschwert objektives Erforschen
5
Q
Eigenschaften von (phänomenalem) Bewusstsein
A
- Berichtbarkeit von (situativ und zeitlich stabilen sowie konsistenten) Inhalten
- Hängt mit Informationsgehalt zusammen (Abnahme davon auch Abnahme von B.)
- Hat beschränkte Kapazität
- Bewusste Erfahrung abhängig von wahrnehmendem Selbst
- Beeinflusst Lernen
- Grundlage für willentliche Entscheidungen
6
Q
Funktionen von (phänomenalem) Bewusstsein (Baars)
→ durch Unterschiede zw. (un-)bewusster Wahrnehmung
A
- Flexible Reaktion auf neue Infos/ Bedingungen
- Erkennen von Inhalten → Verbindung von Kontext & Inhalt
- Unterstützt Problemlösen & Lernen (vor allem in neuen Situationen)
- Erhöht Wahrscheinlichkeit für späteren Zugriff darauf (Anpassung)
- Abruf von entscheidungsrelevantem Wissen → aktivieren Teilziele
- Mentale Vorstellung → Reflektion, Kontrolle von (un)bewussten Prozessen
7
Q
Andere Sichtweisen
A
-
Empirische Untersuchungen zeigen, dass viele kogn. Prozesse unbewusst sind:
- Wahrnehmungsprozesse (z.B. Erkennen von Geonen)
- Lernprozesse (implizite Lernprozesse)
- Entscheidungsprozesse
- Automatische Prozesse (Gegensatz zu kontrollierten Prozessen)
- „Yes it can“-Prinzip (Hassin): Alle bewussten Prozesse könnten auch unbewusst ablaufen
→ stellt Notwendigkeit von (phänomenalem) Bewusstsein in Frage
8
Q
Empirische Untersuchungen zu Bewusstsein
A
-
Neurophysiologische Ansätze:
- EEG: verschiedene Wachheitsstadien
- Wachheit durch Hirnstamm, bewusste Inhalte durch Cortexaktivität
- Bewusstes Erleben durch Wahrnehmung → überall Gehirnaktivität
-
Methoden in Bewusstseinsforschung:
- Behavioral oder introspektiv (bei wahrnehmender Person)
- Test zum Einfluss von B.: Methoden zur Verhinderung von Bewusstheit von Reizen → Darbietung von Reizen unterhalb der Bewusstseinsschwelle (= subliminale Darbietung)
- Ziel: Zugriffsbewusstsein OHNE phänomenales Bewusstsein
- Messung von phänomen. B.: Verbale Berichte (accurat report → ja / nein zu Wahrnehmung eines Inhalts, behavioraler Report → Kategorisierung)
- Keine bewusste Wahrnehmung kann bedeuten: Sie war nicht da / wieder vergessen / war da aber ohne Aufmerksamkeit und deshalb wieder vergessen
- Verbale Berichte sind verzerrt durch intervenierende kogn. Prozesse
- Signalentdeckungstheorie: Antwort abhängig von sensorischer Diskriminierung und subjektiven Sicherheitskriterien (z.B. unterschiedl. Antworten bei Frage „Haben Sie blau oder rot gesehen?“ und „Haben Sie was gesehen?“)
- Erfassung von Zugriffsbewusstsein: Behaviorale Maße (beeinflusst Reizinhalt andere Prozesse?)
9
Q
Maskierung in Bewusstseinsforschung
A
- Um Einfluss von phänomenalem B. auf Infoverarbeitung zu untersuchen
-
Kieferstudie:
- Aufgabe: Wortpaare (Prime – Target) → Entscheidung ob dazugehören
- UVs: semantisch (nicht) verwandt, Prime (nicht) maskiert
- AVs: RTs, Fehler, EKPs bei Reaktion auf Target (Hirnaktivität bei Verarbeitung)
-
Ergebnis: Primingeffekt (kürzere RTs bei semantischer Relation), Interaktion
mit Maskierung (Unterschied in RTs bei unmaskiert größer)
- (Un)maskierte Primes werden unterschiedlich verarbeitet (untersch. Zeitverläufe bei
Hirnaktivierung) - Semantisch verwandte Primes sind, wenn maskiert nur bei kurzen SOAs = 67ms (Zeitabschnitt nach Prime bis Zielreiz kommt) leichter zu erkennen, nicht bei 200ms (Repräsentationen zerfallen → unter Bewusstseinsschwelle)
10
Q
Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale von Bewusstsein
- Was verstärkt bewusstsein?
- Was macht es mit der Informationsverarbeitung
- und was mit der Kognititven Kontrolle?
A
Bewusstheit verstärkt Selektion kontextadäquater Information
Bewusste Informationen werden länger gemerkt
Kognitive Kontrolle ist bei bewusster Verarbeitung flexibler