VL Viktimologie Flashcards

1
Q

„Viktimologie

A

= innerhalb der Kriminologie untersucht Beziehungen zwischen Tätern und Verbrechensopfern“
- Viktimologie befasst sich mit dem Prozess der Opferwerdung, dem Anzeigeverhalten, der Täter-Opfer-Beziehungen, der Stellung des Opfers im
Strafverfahren sowie mit kriminalitätsbezogenen Unsicherheitsgefühlen.
- > Wer wird wann Opfer welcher Tat und welchen Täters?

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2
Q

„Viktimisierung“

A

= Opfererfahrung
- Primäre Viktimisierung: Unmittelbare Opfererfahrung, Schädigung durch die Straftat selbst
- Sekundäre Viktimisierung: Negative Folgen durch die Reaktion der Umwelt;
- > Verschärfung des primären Opferwerdens durch Fehlreaktionen des sozialen Nahraums des Opfers und der Instanzen der formellen Sozialkontrolle
- Reviktimisierung: Tendenz von Opfern körperlicher und sexueller Traumatisierung in Kindheit und Jugend, im späteren Leben erneut traumatischen Erfahrungen
ausgesetzt zu sein

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3
Q

Wer ist ein Opfer?

A

= in der Regel personale Opfer von Kriminalität
- Einengung (z.B. Steuerbetrug)
• Opfer erleben sich nicht immer als Opfer!
• Opfererfahrung kann geleugnet, verdrängt etc. werden
• Opfererleben wird von außen nicht immer als solche erkannt!
• Opferstatus ist erst einmal abhängig von geltenden Normen (Gesetzen)

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4
Q

Wozu macht man Opferbefragungen ?

A

= Opferbefragungen dienen der
Aufhellung des relativen Dunkelfelds

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5
Q

Welche Methoden ?

A

= Repräsentative vs.
Stichprobenbefragungen

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6
Q

Methodische Schwierigkeiten bei Opferbefragungen

A
  • Abhängig von Erinnerungsleistung
  • Abhängig von subjektiver Interpretation
  • > Retrospektive Erhebung!
  • Bildet nur einen Ausschnitt der Kriminalität ab, die konkrete Personen betrifft (ausgenommen z.B.: Cyberkriminalität, Wirtschaftskriminalität, Umweltkriminalität)
  • meist Ausschluss von „hidden populations“
  • „Kriminalität“ oder „Verbrechen“ sind normative Konzepte! (wird nicht unbedingt als gewalt angesehen)
  • „Gewalt“ ist Folge von Wahrnehmung
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7
Q

• Männer werden tendenziell häufiger Opfer von Straftaten. Frauen werden häufiger
Opfer von Partnerschaftsgewalt und Sexualdelikten
• 50% der Befragten, die Opfer von Körperverletzung geworden sind, vermuten, wegen
gruppenbezogener Vorurteile angegriffen worden zu sein. Als häufigste Gründe werden
die Herkunft und der soziale Status des Opfers genannt.
• Im Bereich der Sexualdelikte ist das Dunkelfeld am größten. Die Anzeigebereitschaft
wird laut Umfrage durch fehlende Beweise und den Wunsch, alles zu vergessen,
reduziert

A

= Ergebnisse einer repräsentativen Erhebung

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8
Q

Fazit zur Opferbefragung

A

= Opferbefragungen zeichnen nur ein anderes, ergänzendes
Kriminalitätsbild
- Aber: Opfer haben Rechte! Es muss anerkannt werden dass ihnen Unrecht
widerfahren ist, nicht nur Unglück!
- > Wird Prävention dringender oder weniger dringend, wenn der prozentuale Anteil oder die absolute Prävalenz oder Inzident über die Jahre mehr oder weniger schwankt?

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9
Q

Teilaspekt der Viktimologie: Personen, die sich vor Viktimisierung fürchten
• Kriminalitätsfurcht setzt sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen.
Hierbei spielt ein Wissen um das tatsächliche Kriminalitätsaufkommen
ebenso eine Rolle wie eine – begründete oder auch unbegründete – Furcht,
Opfer eines Verbrechens zu werden.
• Die soziale Kriminalitätsfurcht bezieht sich auf die Wahrnehmung von Kriminalität als
ein gesellschaftliches Problem
• Die personale Kriminalitätsfurcht bezieht sich auf die Einschätzung, persönlich Opfer
einer Straftat zu werden.

A

= Kriminalitätsfrucht

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10
Q

Wer hat am Kriminalitätsfurcht

A

• Frauen fühlen sich nachts in der Öffentlichkeit deutlich unsicherer als Männer.
• Personen mit einem Migrationshintergrund aus der Türkei oder Polen sind stärker besorgt, Opfer von Kriminalität zu werden, als Personen ohne Migrationshintergrund.
• Personen mit einem Migrationshintergrund – insbesondere aus der Türkei – haben eine erheblich stärkere Furcht, Opfer von Vorurteilskriminalität zu werden, als Personen ohne Migrationshintergrund.
• Weniger als die Hälfte der Bevölkerung (46 %) fühlt sich nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher. Unter Frauen ist dieser Anteil (33 %) deutlich geringer als unter
Männern (60 %).

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11
Q

• Die meist kriminologischen Untersuchungen greifen zu wenig auf psychologische Konstrukte wie Angst, Furcht sowie intra- oder interindividuelle variierende Dispositionen zurück
• Standardindikator ist methodisch schwierig („Wie sicher fühlen Sie sich in Ihrer Wohngegend, wenn Sie abends bei Dunkelheit allein auf die Straße gehen oder
gehen würden?“) (Noak, 2015)
• Kriminalitätsfurcht in Deutschland wird eher überschätzt

A

= Rechtspsychologische Kritik

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12
Q

Personen leben in Einrichtungen, weil

A

• von ihnen eine Gefahr für andere oder für sich selbst ausgeht (Maßregelvollzug)
• sie eines besonderen Schutzes bedürfen
• ihnen die Fähigkeit oder die Möglichkeit zu selbstständiger Lebensführung und
Alltagsbewältigung fehlt
- > Das Problem: In zweckbestimmten Einrichtungen treten diese „kritischen Merkmale“
konzentriert auf!

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13
Q

• Reduzierte Privatheit und Individualität
• Einschränkungen der Bewegungsfreiheit
• Einschränkungen in der Handlungs- und Entscheidungsautonomie
• Beaufsichtigung und Unterwerfung unter hierarchischen Bedingungen
• Herausbildung von Subkulturen

A

= Viktimisierungsfördernde Bedingungen

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14
Q

„hidden population“/“hard-to-reach-population

A

= Gruppen mit eingeschränkter Erreichbarkeit und
Befragbarkeit (z.B. auch obdachlose Personen)

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15
Q

„gatekeeper“

A

= Forschungszugang zu Personen in Einrichtungen
erschwert durch sog. „gatekeeper“ (z.B. Leiter:in der
Einrichtung)

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16
Q

• Pflegerische Vernachlässigung
• Unangemessene Formen des Freiheitsentzugs
• Verbale Aggression
• Sexualisierte Gewalt
• Körperliche Gewalt
• Tötungsdelikte

A

= Viktimisierung bei Bewohner:innen von Altenpflegeeinrichtungen

17
Q

• Pflegekräfte
• Mitbewohner
• Externe

A

= Bewohner:innen von Altenpflegeeinrichtungen
• Potenzielle Täter

18
Q

• Jugendstrafvollzug stärker betroffen als Erwachsenenvollzug (43% alle gemeldeten Gewaltdelikte)
• Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Erpressung
• Aber: Großes Dunkelfeld?

A

= Viktimisierung in Gefängnissen

19
Q

Täter-Opfer-Ausgleich

A

• Außergerichtliche Konfliktbewältigung
• Wiederherstellung des Rechtsfriedens zwischen Täter und Opfer
• Voraussetzung: Freiwilligkeit!
• Durchführung durch eine neutrale, unabhängige Person (Gerichtshilfe, freie Träger)
• Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts
- Vorteile für das Opfer
• Aktiv und selbstbestimmt seine Interessen und
seine Sicht der Tat einzubringen
• Materielle und immaterielle Folgen verdeutlichen
• Verringerung/Vermeidung negativer Affekte durch
„Kennenlernen“ des Täters

20
Q

Teilnahmemotivation der Opfer

A
  • Tatmotive kennezulernen
  • Schadensregulierung
  • Bedürfnis Täter “Soziale zu erziehen”
21
Q

Ergebnisse des TOA für die Opfer

A

• Bessere Verarbeitung des Tatgeschehen: 40,9%
• Gefühl der Anerkennung des erlittenen Leids: 57,8%
• Aktive Teilnahme an der Konfliktklärung: 63,4%

22
Q

Weißer Ring e.V.

A

= Opferberatungsstellen

23
Q

Was ist problematisch an Opferschutzorganisationen ?

A

= Opferschutzorganisationen geben teilweise ein „Briefing“ zum Verhalten im Ermittlungsverfahren
• „Briefing“ kann ggf. eine spätere aussagepsychologische Begutachtung erschweren
• Sog. „Zeugencoaching“

24
Q

Zeugenaussagen

A

• Zeugenaussagen zu Personenbeschreibungen und –identifizierungen sind manchmal die einzigen Beweismittel für die Polizei
• Aber: Personenbeschreibungen sind oft unzuverlässig
• Bei Gegenüberstellungen werden Beschuldigte nur etwa 50% richtig identifiziert

25
Q

Zeugenaussagen

A

• Zeugenaussagen zu Personenbeschreibungen und –identifizierungen sind manchmal die einzigen Beweismittel für die Polizei
• Aber: Personenbeschreibungen sind oft unzuverlässig
• Bei Gegenüberstellungen werden Beschuldigte nur etwa 50% richtig identifiziert

26
Q

Ab wann kann man Eine Zeugenaussgae machen ?

A

= Ab 6. Jahren
- > Ältere Zeug:innen sind etwas unzuverlässiger

27
Q

Irrtümer in Zeugenaussagen unterliegen verschiedenen Einflussfaktoren

A

• Faktoren in Zeug:innen und dem Stimulus (Situation +
Aufnahme/Speicherung/Abrufprozesse)
• Faktoren des Rechtssystems (Befragungen, Gegenüberstellungen etc.)

28
Q

• Substanzmittelkonsum
• Schizophrenie
• Erhebliche Symptome der Realitätsverzerrung bei manifesten
Persönlichkeitsstörungen

A

=Irrtümer bei zeugen aussagen in der Psychopathologie

29
Q

• Beschuldigte derselben Altersgruppe („own-age effect“), desselben
Geschlechts („own-sex bias“) und derselben Ethnie („own-race bias“) werden
besser erkannt
• Beschuldigte mit herstechenden Merkmalen werden besser erkannt
• Personen mit Maskierung werden schlechter erkannt (Perücke, Bart, Brille
etc.)

A

= Faktoren des Stimulus bei Zeugenaussagen

30
Q

Situative Faktoren bei Zeugenaussagen

A

= Fehlerquellen in Aufnahme, Speicherung und Abruf in der
Tatsituation

31
Q

Situative Faktoren bei Zeugenaussagen

A

= Fehlerquellen in Aufnahme, Speicherung und Abruf in der
Tatsituation
• Aufnahme: Aspekte wie Lichtverhältnisse, Entfernung, Beobachtungsdauer, Stress, Erregung
• „Change Blindness“ Effekt: Unfähigkeit, Veränderungen in der Umwelt wahrzunehmen
• Waffenfokuseffekt: Wahrnehmungsfilter wird durch das Vorhalten einer Waffe verstärkt
• Erwartungseffekt (wenn kommuniziert wird, das ein Beschuldigter in einer Aufstellung ist, werden auch Fremde identifiziert
• Speicherung: Verzerrungsprozesse „misleadinginformation“ Effekt
• Abruf: „Selbstfestlegungseffekt“ (bei wiederholter Befragung häufig kein Erinnerungsabruf an das Geschehen, sondern an vorherige Befragungen
• „Bedürfnis nach Konsistenz“: Erinnerungen, Annahmen und Wünsche sollen möglichst übereinstimmen, andernfalls entsteht ein Gefühl von Dissonanz

32
Q

Faktoren des Rechtssystems bei Zeugenaussagen
(Befragungen, Gegenüberstellungen etc.)

A

• „lineups“ zuverlässiger als „showups“
• Bilder und Videos müssen in derselben
Form und Qualität dargeboten werden
• Suggestive Befragungstechniken

33
Q

Fazit

A

• Viktimologie ist ein wissenschaftlich wenig erforschtes Gebiet in der Rechtspsychologie
• Derzeitige Praxis: Analyse von Opfercharakteristika, -verhalten, -risiko eher zum Zweck der Täteranalyse
• Aber: Wissen über viktiminologische Erkenntnisse helfen in der kriminalprognostischen Risikoeinschätzung von Straftätern
• Und: Wissenschaftliche Erkenntnisse über Wahrnehmungsprozesse im Zusammenhang mit Zeugenschaft helfen in der Begutachtung der
Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen