VL Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen Flashcards

1
Q

Was ist das Problem bei der Wahrheitsfindung ?

A

= Oft ist die Aussage von mutmaßlichen Geschädigten im
Strafverfahren das einzige Beweismittel, vor allem bei fraglichen Sexualdelikten
• Was tun bei Aussage-gegen-Aussage Konstellationen?

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2
Q

In dubio pro reo

A

= „Im Zweifel für den Angeklagten“
• Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer
Schuld als unschuldig.“
• Grundsatz, den das Gericht zu befolgen hat, wenn
- > nach abgeschlossener Beweiswürdigung keine volle Überzeugung gewonnen wurde
- > noch Zweifel an der Schuld bestehen
- > Die Argumentation einer Verurteilung muss „folgerichtig, lückenlos und frei von Widersprüchen“ sein

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3
Q

Glaubhaftigkeit im Strafprozess

A

• Grundsätzlich: Beurteilung der Glaubhaftigkeit ureigenste Kompetenz des Gerichts
• Beauftragung rechtspsychologischer Sachverständiger nur in Ausnahmefällen (bei Zweifeln des Gerichts)
- > aussagepsychologische Glaubhaftigkeitsgutachten am häufigsten bei Aussagen von Kindern über in Frage
stehende sexuelle Missbrauchserlebnisse oder bei Aussagen von Frauen über in Frage stehende Vergewaltigungs- bzw. sexuelle Nötigungserfahrungen eingeholt werde

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4
Q

Glaubwürdigkeitsattribution

A

= Prozess der Eindrucksbildung, bei dem eine
subjektive Zuschreibung von Glaubwürdigkeit der Aussage eines Senders durch einen Empfänger erfolgt, welche nicht auf systematische Verhaltensanalyse beruht
- > Subjektive Einschätzung aufgrund
• Äußerem Erscheinungsbild (Kleidungsstil)
• Nonverbalen Verhalten (Nervosität)
• Kontextinformationen (z.B. Aussagemotivation)
• Vorinformationen (z.B. Reputation)
= > Glaunwürdigkeit ist also eine Personaleeigenschaft

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5
Q

Fazit zur Glaubhaftigkeit im Strafprozess

A

= eine allgemeine Glaubwürdigkeit im Sinne einer stabilen personalen
Persönlichkeitsdisposition gibt es nicht!
- > „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…“
- > Bei der Begutachtung der Glaubhaftigkeit wird eine Aussage vor dem
Hintergrund wissenschaftlicher, psychologischer Erkenntnisse (z.B.
Wahrnehmung, Gedächtnis, Entwicklung, Psychopathologie) auf ihren
Realitätsgehalt untersucht

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6
Q

Annahme der Aussagepsychologie

A

= zeugenschaftlichen Aussagen handelt es sich um Gedächtnisleistungen!

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7
Q

Allgemeines Wissen im Gedächtnis Wo?

A

= Semantisches Gedächtnis
- > Dinge die wir wissen ohne zu erinnern es gelernt zu haben
- > Stabiler (Werden wir immer Wissen)

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8
Q

Eigenen Erinnerungen wo im Gedächnis ?

A

= Episodisches Geächtnis
- > Erlebnisbasierte Erinnerungen
- > Detaillreicher bei markanten Erlebnissen

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9
Q

• Frei erfundene Aussagen haben ihre Basis im semantischen Gedächtnis
• Aussagen werden vor dem Hintergrund „kognitiver Schemata“ konzipiert
• Kognitive Schemata sind abstrakte Wissensstrukturen, die Vorannahmen über
Gegenstände, Menschen und Situationen enthalten.
• Sie repräsentieren Cluster von Wissen und leiten Aufmerksamkeit,
Erwartungen, Interpretationen und Inferenzen
bei der Wahrnehmung, Verarbeitung und Rekonstruktion
von Informationen.
• Schemata enthalten gewissermaßen eine Zusammenfassung
der Eigenschaften, die typischerweise in einem
Exemplar des jeweiligen Gegenstandsbereichs vorkommen

A

= Merkmale frei erfundener Aussagen

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10
Q

• Das autobiografische Gedächtnis – eine Sonderform des episodischen
Gedächtnisses – ist dadurch gekennzeichnet, dass über einen zeitlichen und
räumlichen Bezug hinaus ein Ich-Bezug besteht
• Erfahrene Episoden erlangen persönliche Bedeutung
• Emotional bedeutsame Ereignisse werden detaillierter,
kontextuell eingebundener und lebhafter erinnert
• Individuelle Durchzeichnung
• Beteiligte sind nicht „austauschbar“
• was geschehen ist, wer etwas erlebt hat, wieso es zu
dem Ereignis kam und was das Ereignis für die
Zeug:innen konkret bedeutet

A

= Merkmale des episodischen Gedächtnisses

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11
Q

Aussagen über tatsächlich erlebte Ereignisse
unterscheiden sich von erfundenen Aussagen derselben Person durch eine überlegene
inhaltliche Qualität
• Falschaussage als Leistungsprodukt:
• Eine Falschaussage plausibel konstruieren
• Diese ggf. spontan ergänzen
• Sich die selbst produzierte Information merken
• Keine Informationen erwähnen, die den Zuhörer skeptisch werden lassen
• Die eigene Wirkung sowie die Wirkung der Aussage auf den Rezipienten kontrollieren

A

= Die Undeutsch Hypothese
- > „CognitiveloadTheory

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12
Q

Grundlagen der Glaubhaftigkeitsbegutachtung

A

= Leitfrage: Könnte dieser Zeuge mit den gegebenen individuellen Voraussetzungen unter den gegebenen Befragungsumständen und unter Berücksichtigung der im konkreten Fall möglichen Einflüsse von Dritten diese spezifische Aussage machen, ohne dass sie auf einem realen Erlebnishintergrund basiert? (Volbert, 1995)
• Es ist zu prüfen, ob die in Frage stehende Aussage anders als durch einen tatsächlichen Erlebnishintergrund zustande gekommen sein kann.
• Der Rückgriff des BGH auf das wissenschaftstheoretische und teststatistische
Prinzip der Nullhypothesenprüfung stellt implizit eine Erinnerung an die juristische Selbstverständlichkeit der Unschuldsvermutung dar.
• Rationale Prüfstrategien bei Glaubhaftigkeitsbegutachtungen beinhalten keine
Diskreditierung von Opferzeugen durch Formulierung zu hoher Ansprüche an ihre Aussagen, sie ermöglichen vielmehr in einer Vielzahl von Fällen die Feststellung einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Erlebnishypothese im Vergleich zu den Unwahrhypothesen

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13
Q

• Im professionellen Kontext sollte selbstverständlich immer eine möglichst objektive Betrachtung der Sachlage sowie eine unvoreingenommene Befragung angestrebt werden
• Aber: Häufig wird das bloße Hervorbringen der Idee, die Aussage einer Zeugin oder eines Zeuge im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens neutral zu prüfen, als moralisch verwerflich angesehen, da offenbar das moralische Bedürfnis besteht, Opfern von Sexualdelikten grundsätzlich Glauben zu schenken
• „We have entered the era of the victim, and we must avoid disregarding their point of view just as much as making it the be-all and the end-all of any political, legal, or intellectual consideration.“

A

= Die Bedeutung der Rechtspsychologie

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14
Q

Die drei Säulen der Glaubhaftigkeitsbegutachtung

A
  1. Aussagetüchtigkeit = > dieser Zeuge mit den gegebenen individuellen
    Voraussetzungen (was kann die zeugin Kognitiv leisten?)
    2.Aussagenqualität = > unter den gegebenen Befragungsumständen und unter Berücksichtigung der im konkreten Fall möglichen Einflüsse von Dritten ( Von Wem?, Suggestion)
  2. Aussagenzuverlässigkeit = > diese spezifische Aussage machen,
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15
Q

„Lügenhypothese“

A

= Die Aussage ist das Produkt einer
bewussten Falschaussage
- > Der Zeuge weiß um die
Falschheit der Aussage
- bei Dreiklang -> Aussagequalität kann diese verwerfen

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16
Q

„Suggestionshypothese“

A

= Die Aussage ist das Produkt fremd oder autosuggestiver Einflüsse
- > Der Zeuge hält seine Aussage subjektiv für wahr
- Bei Dreiklang - > Aussagezuverlässigkeit kann verwerfen

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17
Q

• Analyse der Aussagepersönlichkeit („Aussagetüchtigkeit“)
• Analyse der Aussagegenese („Aussagezuverlässigkeit“)
• Analyse der Aussagequalität („Aussagequalität“)

A

= Erhebung- und Analysebereiche

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18
Q

Aussagetüchtigkeit

A

= Weist der Zeuge die kognitiven und psychischen
Voraussetzungen auf, die zur Erstattung einer gerichtverwertbaren Aussage erforderlich sind?
• Kognitiv: Wahrnehmung, Erinnerung, Sprache, Aufmerksamkeit etc.
• Psychisch: Störungen, die die Realitätswahrnehmung betreffen
• Allgemeine und spezielle Aussagetüchtigkeit als conditio sine qua non (= „Bedingung, ohne die nicht“)
• D.h. ohne Aussagetüchtigkeit ist der Begutachtungsprozess beendet

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19
Q

• Adäquate Situationswahrnehmung
• Speicherung über einen längeren Zeitraum
• Sprachliches Ausdrucksvermögen

A

= Grundvoraussetzungen bei der Allgemeine Aussagetüchtigkeit
- > Wahrnehmung, Speicherung und Abrufen
-

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20
Q

• Konzentrationsfähigkeit
• Fähigkeit, eine für Dritte nachvollziehbare Schilderung zu produzieren
• Angemessenes Quellenmonitoring
• Weitgehend selbstständiger Abruf
• Basale Beherrschung relevanter kommunikativer Kompetenzen

A

= Spezifische Voraussetzung für die forensische Befragungssituation
- Aussagetüchtigkeit

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21
Q

• Konzentrationsfähigkeit
• Fähigkeit, eine für Dritte nachvollziehbare Schilderung zu produzieren
• Angemessenes Quellenmonitoring
• Weitgehend selbstständiger Abruf
• Basale Beherrschung relevanter kommunikativer Kompetenzen

A

= Spezifische Voraussetzung für die forensische Befragungssituation
- Allgemeine Aussagetüchtigkeit

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22
Q

Aussagetüchtigkeit ist kein stabiles überdauerndes Konstrukt! Es wird für
jede mutmaßliche Tatsituation einzeln erhoben (ähnlich der Einsichts- und
Steuerungsfähigkeit). Eine Person kann unter Umständen für einen
Sachverhalt als aussagetüchtig gelten, während sie für einen anderen
Sachverhalt keine ausreichende Aussagetüchtigkeit besitzt

A

= Spezielle Aussagetüchtigkeit

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23
Q

• Alkoholisierung
• Substanzmittelkonsum
• Bewusstseinsverlust

A

= Spezielle Aussagetüchtigkeit die geprüft werden

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24
Q

Worauf bezieht sich die Aussagetüchtigkeit?

A

= Aussagetüchtigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person,
• einen spezifischen Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen,
• diesen in der zwischen dem Geschehen und der Befragung liegenden Zeit
im Gedächtnis zu behalten,
• das Ereignis angemessen abzurufen,
• die Geschehnisse in einer Befragungssituation verbal wiederzugeben und
• Erlebtes von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden.

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25
Q

Prüfung der Aussagetüchtigkeit auf zwei ebenen der

A
  1. Entwicklungbedigte Beeinträchtigung
  2. Psychppathologische Beeinträchtigung
26
Q

• Gedächtnisforschung zeigt: „Infantile Amnesie“ = Kinder erinnern auch bedeutsame
Ereignisse nicht, wenn sie zum Zeitpunkt des Geschehens unter zwei Jahre alt sind

A

= Alter 0 bis 2 Jahre (1. und 2. Lebensjahr)

27
Q

• Beginn autobiografischer Gedächtnisleistung
• Die Fähigkeit, über spezifische Ereignisse in der Vergangenheit Angaben zu machen,
bildet sich bei Kindern zwischen 2 und 3 Jahren heraus.
• Meist gemeinsames Erinnern von Eltern und Kindern; ohne spezifische Hinweisreize
machen Kinder in dem Alter kaum Angaben.
• bis zum 4. Lebensjahr bleiben vom Kind initiierte Gespräche über die Vergangenheit
selten.
• Gelegentliche freie Produktionen sind auch bei Hinweisreizen noch sehr fehlerbehaftet

A

= Alter 2 bis 3 Jahre (3. Lebensjahr)

28
Q

• Memorisierbarkeit eines Ereignisses ist abhängig von der Entwicklung narrativer
Fähigkeiten.
• Mit 3 bis 3;5 Jahren sind Kinder meist zum ersten Mal in der Lage, eine
selbstständige, mehr oder weniger kohärente Darstellung über ein Ereignis
abzugeben.
• Aber: Auch in diesem Alter bestehen noch erhebliche Schwierigkeiten, gespeicherte
Informationen abzurufen (viele Hinweisreize nötig, Gefahr von Fremdsuggestion
erheblich).
• Es werden nur wenige Informationen im freien Bericht geliefert.
• Fähigkeit, ohne Hilfestellung durch den Befragenden zu berichten, verbessert sich bis
zum Schulalter fortlaufend.

A

= 4. Lebensjahr

29
Q

• Psychopathologische Auffälligkeiten und psychische Störungen eines Zeugen können
sich in einem oder mehreren Bereichen zeigen
• Mögliche Folgen sind ein “Zuwenig” oder “Zuviel” an Aussage
• d. h., psychische Erkrankungen können unter Umständen dazu führen, dass ein tatsächliches
Erlebnis nicht erinnert oder wiedergegeben werden kann,
• oder dazu, dass ein tatsächlich nicht stattgehabtes Ereignis behauptet wird.

A

= Psychopathologie und Aussagetüchtigleit
- > Braucht eine Starke Einschränkung für eine Aussageuntüchtigkeit
- > Dauerhaft aufgehobene Aussagetüchtigkeit bei keiner Rückbildung der Beeinträchtigung
- > Vorübergehend aufgehobene Aussagetüchtigkeit bei Aussage auf ein Ereignis zu einem Zeitpunkt, bei dem bei dem Probanden keine akute Symptomatik vorlag
- > Erhaltene Aussagetüchtigkeit bei Nichtpsychotische psychische Störungen
(auch die abnormen Varianten seelischen Erlebens) rechtfertigen keinen Zweifel am Erhalt der Aussagefähigkeit

30
Q

Fazit zur Aussagetüchtigkeit

A

= In den meisten Fällen aussagepsychologischer Begutachtungen ist die
Aussagetüchtigkeit gegeben
• Das Vorliegen einer psychiatrischen Störung bei Erwachsenen ist per se kein
Grund für eine aufgehobene Aussagetüchtigkeit
• Aber: Vorsicht bei Angaben zu frühkindlichen Missbrauch („Infantile
Amnesie“)

31
Q

Aussagezuverlässigkeit

A

• Gibt es in der Aussageentstehung Störfaktoren, die die Aussage in der
vorliegenden Qualität beeinflusst oder verzerrt haben könnten?
• Prüfung der Aussageentstehung und –entwicklung
• Untersuchung suggestiver Bedingungen ( wie hat sich die Aussage entwickelt und hat sie sich verändert )

32
Q

Vorgang bzw. das Ausmaß, in dem Aufnahme, Speicherung,
Erinnerung sowie das Berichten von Ereignissen durch soziale und/oder
kognitive Faktoren beeinflusst wird

A

= Suggestion

33
Q

Individuelle oder situative Anfälligkeit für suggestive
Beeinflussungen (Vulnerabilität)

A

= Suggestibilität

34
Q

• Bereits eine insistierende Befragung kann auf Seiten eines Kindes den Wunsch
entstehen lassen, (vermeintliche) Anforderungen und Erwartungen zu erfüllen (evtl.
Folgen: fiktivem Ereignis zustimmen; Erklärungen für Nicht-Erinnern suchen).
• Auch emotionale Bedürfnisse nach Ruhe, Stabilität und Sicherheit können die
Tendenz zu erwartungskonformen Antworten verstärken

A

= Suggestion bei Kindern
- > Die Gefahr suggestiver Einflussnahme ist besonders hoch
• bis zum Alter von 6 oder 7 Jahren
• bei kognitiven Beeinträchtigungen
• bei schüchternen, selbstunsicheren und gestressten Aussagenden

35
Q

• Bereits eine insistierende Befragung kann auf Seiten eines Kindes den Wunsch
entstehen lassen, (vermeintliche) Anforderungen und Erwartungen zu erfüllen (evtl.
Folgen: fiktivem Ereignis zustimmen; Erklärungen für Nicht-Erinnern suchen).
• Auch emotionale Bedürfnisse nach Ruhe, Stabilität und Sicherheit können die
Tendenz zu erwartungskonformen Antworten verstärken

A

= Suggestion bei Kindern

36
Q

Was ist ein Missbrauchsverdacht ?

A

= eine „soziale Hypothese“ (Annahme über
mögliche Zustände oder Beziehungen in der sozialen Umwelt).

37
Q

Fremdsuggestion bei Jugendlichen / Erwachsenen

A

• Fremdsuggestive Prozesse bei Jugendlichen und Erwachsenen verlaufen nicht grundsätzlich anders als bei Kindern.
• Zwei Unterschiede werden jedoch oftmals deutlich:
1. Expliziteres Herantragen und Erörtern von Vermutungen, ein bestimmter Sachverhalt habe sich zugetragen.
2. Häufige Annahme: Erlebtes kann aufgrund von Verdrängung/Dissoziation aktuell nicht erinnert werden.
- > Übernahme induzierter Erinnerungen in einer Therapie (sog. „Pseudoerinnerungen“)

38
Q

• Therapeut:in stellt Autoritätsperson dar
• Therapeut:in bringt Vorannahmen mit (einseitiges Testen einer Hypothese)
• Schlechtes psychisches Befinden
• Aktive Suche nach Erklärung für den eigenen schlechten psychischen Zustand
• Techniken zur Aufdeckung vermuteter traumatischer Erfahrungen werden eingesetzt
• Aufkommende Bilder werden sofort als historische Wahrheit bewertet und Patienten
ermutigt

A

= Begünstigende Bedingungen für Peseudoerinnerungen unnd Fremdsuggestion
- > Keinerlei Erinnerung vor der Therapie!

39
Q

„Verdrängung“

A
  • Keine wissenschaftliche Studie hat methodisch gesicherte Erkenntnisse erbracht, dass traumatische
    Erinnerungen vollständig verdrängt/dissoziert werden!
    • Eher: traumatische Erinnerungen können nicht vergessen werden
    • Aber: Sehr viele wissenschaftliche Studien zur Generierung von Pseudobzw. Scheinerinnerungen
  • > Mitte von Selbstbezogenes, Herausstechende und Emotionales
40
Q

Generierung mentaler Bilder auch durch
• die intensive Beschäftigung mit der relevanten Thematik,
• den Austausch in Internetforen und sozialen Netzwerken,
• das Lesen von Büchern,
• das Anschauen von Filmen,
• Besuche von entsprechenden Selbsthilfegruppen,
• selbst initiierte Versuche, etwaige Vorfälle zu visualisieren.

A

= Autosuggestive Prozesse
= > Autosuggestion

41
Q

Bedeutsamster Faktor für eine suggestive Einflussnahme ist die Annahme
bzw. Erwartungshaltung, ein Sachverhalt habe stattgefunde

A

= Aktive Suggestion

42
Q

Bei Jugendlichen / Erwachsenen bilden den Ausgangspunkt für entsprechende
Vermutungen oftmals erklärungsbedürftige Besonderheiten im Erleben und Verhalten
(häufig eine Angstsymptomatik oder Symptome einer depressive Episode), die
vorschnell als Folge sexueller Missbrauchserfahrungen gedeutet werden

A

= Verdachtsbildung bei Jugendlichen / Erwachsenen

43
Q

klinisch und wissenschaftlich nicht haltbare Interpretation von allgemeinen,
unspezifischen Verhaltensauffälligkeiten und / oder Kinderzeichnungen

A

= Verdachtsbildung bei Kindern

44
Q

Suggestives Fragen: Fragenfromulierung

A

= Verfälschung von Aussageinhalten
• Geschlossene Fragen (z.B. Ja-Nein-Fragen)
• Unvollständige Auswahlfragen
• Erwartungsfragen (Formulierungen legen eine bestimmte Erwartung nahe)
• Subtile Suggestionen (bislang Unklares als Fakt präsentieren)
• Wendungen („wohl“, „ja“, „denn“, „etwa“)

45
Q

Suggestives Fragen: Verhaltensweisen

A

• Induzierung von Stereotypen
• Wiederholung von geschlossenen Fragen
• Falschinformationen
• Konformitätsdruck
• Belohnung / Bestrafung
• Konjunktivfragen

46
Q

Aussagezuverlässigkeit: Unterschied zwischen erlebnisbasierten und suggerierten Aussagen

A

• Kaum signifikante Unterschiede in der Qualität zwischen suggerierten und
erlebnisbasierte Aussagen!
• Aber: Suggerierte Aussagen verändern sich über die Zeit!

47
Q

Aussagenqualität: Qualität-Kompetenz-Vergleich

A

= Die Qualität der Aussage wird auf der Basis der individuellen Kompetenzen,
Vorerfahrungen und dispositionellen Besonderheiten unter Beachtung der
Aussagebereitschaft und unter Berücksichtigung der relevanten situativen
Bedingungen bewertet.
- > Personelle und Situative Aspekte

48
Q

Analyse der gewonnenen Aussage nach sog. „Realkennzeichen“ oder
„Glaubhaftigkeitsmerkmale“
- > In erlebnisbegründeten Schilderungen ist häufig ein hohes Ausmaß an Detaillierung
und individueller Durchzeichnung festzustellen, d.h. Handlungen und Beteiligte sind
nicht austauschbar
- > Lügende Zeugen greifen nicht auf biografisches Wissen, sondern auf Vor- und
Allgemeinwissen zurück (sog. „Schemawissen“)

A

= Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse

49
Q

Unterscheidung der Glaubwürdigkeitsmerkmale

A

kognitive vs. strategische Aspekte

50
Q

• Zugeben von Unsicherheiten
• Selbstbelastungen
• Erinnerungslücken

A

= Glaubhaftigkeitsmerkmale Strategische Aspekte

51
Q

• Gespräche
• Interaktionen
• Unverstandene Handlungselemente

A

= Kognitive Aspekte Glaubhaftigkeitsmerkmale:

52
Q

• Die Voraussetzungen für eine absichtliche Falschbezichtigung bestehen auch
aus einer Motivation für eine falsche Behauptung.
• Hierbei geht es um den Beweggrund für ein spezifisches Verhalten, z. B.
• Schädigung des Beschuldigten,
• Bemühen um die Veränderung eines konfliktbeladenen Zustands,
• Ablenken oder Verdecken von eigenem Fehlverhalten,
• Erzielen von Aufmerksamkeit oder Zuwendung oder zu schädigen durch Dritte

A

= Motivanalyse

53
Q

• die Analyse der Beziehung zwischen Zeugen und Beschuldigten,
• die Analyse der Konsequenzen der Anschuldigung für den Zeugen bzw. für den
Beschuldigten oder beteiligte Drittpersonen sein.

A

= Anhaltspunkte für potenzielle Belastungsmotivationen
- > Aber: Auch für die Produktion einer wahren Darstellung kann eine Aussagemotivation vorliegen
(z. B. Rachewünsche).

54
Q

Fazit der Aussagequalität

A

• Die Qualität einer Aussage ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig
• Die niedrige Qualität einer Aussage bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Zeuge lügt
• Manchmal kann der Erlebnisbezug einer Aussage nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit wissenschaftlicher Methode festgestellt werden
• Psychologische Vereinbarkeit der erhobenen Daten mit den jeweiligen Hypothesen

55
Q

Methodisches Vorgehen bei Untersuchungen der merkmalsorientierten
Inhaltsanalyse

A
  1. Feldstudien (z.B. Auswertung aussagepsychologischer Gutachten)
  2. Laborstudien (z.B. Analyse von Aussagen lügender Probanden)
56
Q

• Vorteil: einfach und ökonomisch durchzuführen
• Nachteil: Erlebnisbezug nicht gesichert

A

= Feldstudien

57
Q

• Vorteil: Erlebnisbezug gesichert
• Nachteil: Geringe Übertragbarkeit auf eine tatsächliche sexuelle Viktimisieru

A

= Laborstudien

58
Q

Problematik der merkmalsorientierten
Inhaltsanalyse

A

= Verwendung bei erwachsenen Zeuginnen in Aussage-gegenAussage
Konstellationen („Realkennzeichen stoßen an ihre Grenzen, wenn
der Unterschied zwischen der Opfer- und Täteraussage lediglich in der
Behauptung eines entgegenstehenden Willens besteht.“ Biedermann &
Volbert, 2020)
• Und: keine empirische Evidenz hinsichtlich eines „Cut-Off-Wert“

59
Q

Was ist das Problem der Kommission mit der Aussagenpsychologie ?

A

= Betroffene fühlen sich durch diese Art der
Prüfung von vorneherein verdächtigt, nicht die Wahrheit zu
sagen und als unglaubwürdig angesehen.“
- Therapie kann Suggestive Einflüsse haben und so die Zuverlässigkeit beeinflussen, wenn diese vor einer Verhandlung stattfindet
- > Kritisert Aussagepsychologische begutachtungen und Glaubhaftigkeitsprüfung bei Aussage gegen Aussage

60
Q

Anregungen der Psychotraumatologie

A

• Traumatisierte Zeug:innen hätten beim Erleben des Traumas „dissoziiert“, d.h. nichts richtig wahrgenommen und das, was sie wahrgenommen haben, in schwer
zugängliche Hirnregionen abgespeichert
• Resultat: fragmentierte, widersprüchliche und/oder absurde Aussagen
• Aussagepsychologische Begutachtungen würden Zeug:innen „retraumatisieren“
- > Aber: Im Rahmen einer Begutachtung im Erkenntnisverfahren ist noch nicht
richterlich festgestellt worden, ob es überhaupt ein Trauma gegeben hat!
- > Und: Nicht jedes mutmaßliche Geschädigte ist traumatisiert

61
Q

Fazit zur Aussagepsychologie

A

• Die Aussagepsychologie ist in Deutschland in Strafverfahren sehr weit verbreitet
• Derzeit sind 142 Rechtspsycholog:innen mit dem Schwerpunkt „Glaubhaftigkeitsbegutachtung“ in Deutschland registriert
• Aber: Die Methodik muss noch weiter validiert werden
• Politisch steht die derzeitige Praxis in der Kritik
• Rechtspsycholog:innen und Traumatherapeut:innen stehen sich derzeit unversöhnlich gegenübe