VL Polizeipsychologie Flashcards
Vernehmung definition und Ziel
- Definition vom Bundesgerichtshof:
„Vernehmung ist ein Aussagebegehren eines erkennbaren Strafverfolgungsorgan
gegenüber Beschuldigen und Zeugen“ - Ziel:
Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren; Gewinnung möglichst vieler
unverfälschter Informationen, z.B. zur Person des Vernommenen, aber auch über andere Personen, zur Sache, zu Handlungsabläufen, zu Orten
• Umfassende Aufklärung der Straftat
• unter Vermeidung von Verfahrensfehlern
• unter Vermeidung einer sekundären Viktimisierung
- ein Zeuge ist ein persönliches Beweismittel in einem nicht gegen nicht selbst
gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahren - Bei Aussagen über von anderen erfahrenen Informationen spricht man vom Zeugen vom Hörensagen
-Es ist nicht nur wichtig, was der Zeuge gesehen oder gehört, sondern auch, was er wahrgenommen hat
= Vernehmung von Zeugen
• Einführung in den Sachverhalt
• Belehrung über Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte
• Ermahnung zur Wahrheit (§57 StPO)
• Vernehmung zur Person
• Vernehmung zur Sache
= Ablauf der Vernehmung eines Zeugens
- Ziel einer Beschuldigtenvernehmung ist es, eine Aussage von einer Person zu
erhalten, die mit einer bestimmten Straftat in Verbindung steht
• Es geht um die Wahrheitsfindung, d.h. nicht nur Tatsachen zu finden, die gegen den
Beschuldigten und für deine Schuld sprechen, sondern auch solche, die dem
Beschuldigten seine Verteidigung ermöglichen
• § 136 Abs. 2 StPO: Die Vernehmung soll dem Beschuldigten die Gelegenheit geben,
die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten
sprechenden Tatsachen geltend zu machen
= > Eine Aussagepflicht zur Sache besteht nicht! Niemand muss ich selbst belasten!
= Vernehmung von Beschuldigten
Ablauf einer Vernehmung:
• Umfassendes Fallwissen aneignen
• Hintergrundinformationen über den Beschuldigten einholen (z.B. Motiv)
• Reflexion der eigenen Hypothesen
• Reflexion der Einstellung zum Beschuldigten
• Räumlichkeiten, Zeitplan, Logistik
= Vorbereitung
Ablauf einer Vernehmung:
• Mitteilung des Tatvorwurfs
• Belehrung
• Ziele: Aufbau und Aufrechterhaltung einer kooperativen Beziehung
- > Personalisieren
- > Gespräch über ein neutrales Thema
• Beobachten von Verhaltensänderungen (neutrale vs. tatrelevante Themen)
• Erkennen potenzieller Motive
= Rapport
Ablauf einer Vernehmung:
• Vernehmung zur Person
• Informationen einholen über…
• …Vorleben/Werdegang
• …Ausbildung/berufliche Tätigkeit
• …familiäre/wirtschaftliche Verhältnisse
• …sonstige Umstände, die für die Beurteilung der Tat bedeutsam sind
- Ziel: Informationen erhalten über Motive bzw. individuelle Nutzungsstrukturen
= Vernehmungsgespräch
Vernehmungsgespräch:
ist eine Befragungsform, die vom Allgemeinen zum Besonderen, d.h. von offenen zu spezifischen,
suggestionsfreien Fragen angelegt ist
= Trichterbefragung
Vernehmungsgespräch:
• Hinweis, alles zu berichten (inkl. Entwicklungen vor/nach dem Ereignis)
• Assoziationen und Pausen zulassen
• Keine Chronologie fordern
• Keine Zwischenfragen stellen
• Emotionale und motivationale Aspekte schildern lassen
= Freier Bericht
Vernehmungsgespräch:
1. Offene Fragen:
“Sie sagten,… Wie leif dies Konkret ab?”
“Was habeen sie vorher gemacht?”
“Wie ging es anschließend weiter?”
“Wie ist es abgelaufen?”
2. Wahlfragen:
“War das Auto rot oder blau?”
3. Geschlossene Fragen:
“Hat er sie mit einer Waffe bedroht?”
4. Zusammenfassung
= Strukturierte Befragung
• Hintergrund: Vermeidung von suggestiven Befragungen
• Kinder sind besonders suggestionsanfällig! („Schulkindeinstellung“)
• Grundlagen:
- > Zeugenbelehrung in einfachster Sprache
- > „Mut zur Lücke“
- > Gemeinsame Sprache und Operationalisierung finden
- > Ohne Eltern befragen (90% aller Kinder sind eher gehemmt, wenn sie in Gegenwart ihrer Eltern zu Sexualdelikten vernommen werden!)
- > Kurze Vernehmungsdauer (<30 Minuten)
= Vernehmung von Kindern und Jugendlichen
- Suggestion = Beeinflussung
• § 255a StPO Vorführung einer aufgezeichneten Zeugenvernehmung
• In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder […] des
Strafgesetzbuches kann die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die
Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung
ersetzt werden
• Vorteil: Früher Einbezug aussagepsychologischer Sachverständiger
• Zeuge muss im Hauptverfahren nicht aussagen
• Vermeidung suggestionsfördernder Einflüsse zwischen polizeilicher
Vernehmung und Hauptverhandlung
= Richterliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren
Kognitives Interview
• Ziel: Verbesserung der Gedächtnisleistung (Qualität und Quantität)
• Hintergrund: Umfang und Zuverlässigkeit eines Zeugenberichts wird von der
Effizienz des Gedächtnisabrufes beeinflusst
„Kognitives Interview“ definiert von Geiselman & Fisher (1984) durch Verwendung von Erinnerungshilfen
- Mentales Zurückversetzen in den Wahrnehmungskontext
- Aufforderung an die Befragten, alles zu berichten, was ihnen einfällt
- Schilderung in unterschiedlichen Reihenfolgen
- Schilderung der Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven
• Entspannte Sitzhaltung, Vermeidung von Anzeichen von Anspannung
• Blickkontakt
• Langsam sprechen, kurze Sätze
• Aktives Zuhören
• Nicht unterbrechen
• Pausen zulassen und aushalten
• Gesprächseinstieg mit neutralen Themen
• Erwartung kommunizieren (detaillierte Angaben, Konzentrationsbemühen,
Anstrengung)
= Dynamische Kommunikationsprozesse
• Keine Bewertung von Handlungen („Das muss ja schlimm gewesen sein.“
• Keine Bewertung von Personen („Das ist ja ein unmögliches Verhalten.“)
• Keine Vorwürfe an befragte Person („Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?“)
• Für Bemühungen loben, aber keine Inhalte verstärken
= Gesprächsführung
• Keine Bewertung von Handlungen („Das muss ja schlimm gewesen sein.“
• Keine Bewertung von Personen („Das ist ja ein unmögliches Verhalten.“)
• Keine Vorwürfe an befragte Person („Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?“)
• Für Bemühungen loben, aber keine Inhalte verstärken
= Gesprächsführung
- Umfassende und realitätsnahe Sammlung aller für das Strafverfahren
relevanter Informationen - die Rechtswidrigkeit
der Tat bzw. mögliche Rechtfertigungsgründe und die Schuld bzw.
schuldmindernde Gründe sowie die Strafzumessung
= Zweck der Beschuldigtenvernehmung
Vernehmungsmethoden
- Informationssammelnder Ansatz
- Konfrontirender Ansatz
• Der Fokus beim … Ansatz liegt
darin, umfassende Angaben vom
Beschuldigten zu erhalten
• Dafür wird der Beschuldigte gebeten,
eine möglichst detaillierte Aussage zu
tätigen
• Die vernehmende Person soll offene
Fragen stellen
• Der Beschuldigte hat die Chance,
entlastende Angaben zu machen
= Informationssammelnder Ansatz
- Förderung der Aussagebereitschaft und genaugkeit
- Aussagebeurteilung hinsichtlich des realitätsgehalts
- Hypothesenbildung und Prüfung
= Aufgaben des Vernehmungsbeamten
• Aufrechterhaltung und Förderung der Bereitschaft zur umfassenden und
wahrheitsgemäßen Aussage
• Erhebung von Tatentschluss, Tatvorbereitung, Tatversuch und
Vollendung
• Erhebung intrapsychischer Vorgänge
• Ein Beschuldigter ist ein Zeuge seiner Tat (KI)
• Umgang mit Aussagewiderständen: Fehlende Forschung!
= Förderung der Aussagebereitschaft und genauigkeit
-> Aufgabe des Vernehmungsbeamten
• Einschätzung von Zuverlässigkeit vor dem Hintergrund anderer
vorliegender Ermittlungsergebnisse
• Berücksichtigung von Tatrekonstruktion und Motivbewertung
• Einbezug von forensischen Hintergrundwissen (z.B. Sexualdelinquenz,
Gewaltdelinquenz, kognitive Verzerrungen etc.)
= Aussagebeurteilung hinsichtlich des Realitätsgehalts
- > Aufgabe des Vernehmungsbeamten
• Hypothesen zum Tatgeschehen
• Hypothesen zum Aussageverhalten
= Hypothesenbildung und -prüfung
- > Aufgabe des Vernehmungsbeamten