VL 19 Umweltbedingte Determinanten der Intelligenz und die Bedeutung epigenetischer Prozesse für die differentielle Psychologie Flashcards
Spielt Ernährung eine Rolle in der Intelligenzentwicklung ?
Ernährung
• Stillen: ca. 3-4 IQ Punkte (Meta-Analysen: Horta et al., 2015, Victoria et al., 2016)
• Schlechte Ernährung, wie z.B. stark fett- und zuckerhaltige Nahrung ist mit
geringerem IQ assoziiert (z.B. Benton & Roberts, 1998, Northstone et al., 2011)
Aber: Effekt könnte auch durch sozioökonomischen Status erklärt werden
Hat der SES einen Einfluss auf die Intelligenz?
Positive Korrelation zwischen SES und Intelligenz bei ca. r= 0.3-0.4 (z.B. Rushton & Ankney, 1996)
• Adoptionsstudien zeigen: Verbesserung des SES zieht Steigerung der Intelligenz nach sich (z.B. Duyme et al., 1999)
• Mögliche Erklärung: Hoher SES = bessere Bildung und Ernährung
Was sind Pränatale Risikofaktoren für einen geringeren IQ ?(z.B. Twillhaar et al., 2018)
Niedriges Geburtsgewicht
• Fötales Alkoholsyndrom
• Rauchen
• Blei
• Pränataler Stress und erhöhte mütterliche Stresshormonkonzentrationen (Slykerman et al., 2005), allerdings auch gegenteilige Befunde (Hidalgo et al., 2020)
Pränatale Programmierung- alles nur Genetik?
Assoziationen zwischen pränatalem Stress und kindlicher Ängstlichkeit & antisozialem Verhalten finden sich auch bei Müttern, die nicht (genetisch) mit ihren Kindern verwandt sind!
Stresshormone:
Glukokortikoidtherapie während der Schwangerschaft. Hat die Therapie einen Effekt auf die Kinder
• Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft mit Glukokortikoiden behandelt wurden, zeigen im Alter von 6-11 Jahren eine erhöhte Cortisolstressreaktivität (F3,345=5.8, P=0.001)
Effekt stabil bis ins Alter von 14-18 Jahren
Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft systemisch Glucocorticoide erhielten (oral oder injiziert, N = 9.307), entwickelten später häufiger Angststörungen (links) und Depressionen (rechts)
Welche Umweltaspekte sind für die Intelligenzentwicklung relevant? Wie wirken sie sich
aus?
Ernährung
- Sozioökonomischer Status (SES)
- Stellung in der Geschwisterreihe
- Die pränatale Umwelt
Welche Mechanismen können möglicherweise den Zusammenhang zwischen pränatalem
Stress und kognitiven Funktionen erklären?
Erfassung der subjektiven Stressbelastung der Mutter während der Schwangerschaft:
- Assoziationen mit kindlichen Auffälligkeiten könnten auch durch genetische Ähnlichkeit
bedingt sein
- Bsp.: Genetische Prädisposition beeinflusst sowohl mütterliches Stressempfinden in der Schwangerschaft als auch das kindliche
-> Untersuchung von Familien mit Eizellen- oder Embryo-Spende
Assoziationen zwischen pränatalem Stress und kindlicher Ängstlichkeit & antisozialem Verhalten finden sich auch bei Müttern, die nicht (genetisch) mit ihren Kindern verwandt sind
Erklärungsmodelle der pränatalen Programmierung:
Fetale Mangelernährung, Erhöhte pränatale Glukokortikoidexposition
Welche weiteren Auswirkungen kann pränataler Stress haben?
Erste Hinweise, dass pränataler Stress zu Veränderungen des vaginalen Mikrobioms führt
-> Das Mikrobiom im Geburtskanal beeinflusst dabei nachhaltig die Entwicklung des Kindes
In seinen Studien an Ratten konnte Michael Meaney erstmals nachweisen, dass
frühkindlicher Erfahrungen zu epigenetischen Veränderungen in stressrelevanten Genen
führen. Beschreiben Sie die zentralen Befunde seiner Studien!
Erhöhte Methylierung spezifischer Regionen des Glukokortikoid Rezeptor (GR) Gens im
Hippocampus bei Ratten mit geringer mütterlicher Fürsorge
> epigenetische Veränderungen (und damit verbundene Verhaltensauffälligkeiten) konnten
durch pharmakologische Interventionen im Erwachsenenalter aufgehoben werden
Inwiefern lassen Sie die Ergebnisse von Micheal Meaneys Studien auf den Menschen
übertragen? Kennen Sie Beispiele?
- Suizidopfer mit traumatischen Kindheitserlebnissen weisen eine erhöhte Methylierung des
GR Gens (Exon 1F) im Hippocampus auf im Vergleich zu allen anderen Gruppen - Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft einer starken Stressbelastung
ausgesetzt waren, zeigen erhöhte Methylierung des GR Gens, gemessen in Blutzellen - Stressexposition, insbesondere in frühen Entwicklungsphasen (Pränatalzeit, frühe Kindheit),
ist mit einer Veränderung des Methyloms assoziiert
Erste Tierstudien legen nahe, dass erworbene epigenetische Veränderungen an kommende
Generationen weitervererbt werden können. Fassen Sie die Befunde aus entsprechenden
Studien kurz zusammen
Eine Studie zeigt, dass wenn Mäuse beigebracht wird, vor einem best. Geruch Angst zu
verspüren, dann werden die beiden folgenden Generationen ebenfalls mit Angst vor dem
Geruch geboren. Das Gen für einen olfaktorischen Rezeptor, der durch den Geruch aktiviert
wird, ist speziell demethyliert in der Keimbahn & die olfaktorischen Kreisläufe, die den
Geruch erkennen, sind verstärkt.
→ mehr Rezeptoren für diesen Geruch
Erste Hinweise aus dem Tiermodell auf eine Weitergabe durch die Keimbahn von „erlernten”
epigenetischen Veränderungen an die Nachkommen
was macht die Plazenta barriere ?
Das Enzym 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 2 katalysiert die Umwandlung von Cortisol zu
inaktiven Metaboliten (Cortison)
- Schutz vor hohen mütterlichen Glukokortikoidkonzentrationen (aber: ca. 10-20 % des mütterlichen
Cortisols durchquert die Plazenta)
was ist Epigenetik?
funktionale Modifikation der DNA, die keine Veränderungen der DNA
Sequenz selbst beinhaltet (z.B. Histonmodifikation, DNA
Methylierung)
- Umwelteinflüsse können z.B. durch chemische Veränderungen Einfluss
darauf nehmen, ob ein Gen dauerhaft aktiv oder stummgeschaltet
wird - Die Veränderungen können dabei auch weiterwirken, wenn das
ursprüngliche Signal aus der Umwelt schon lange verschwunden ist
(Epigenetisches Gedächtnis)
Klinische Relevanz epigenetischer Marker
- Immer mehr Studien zeigen Zusammenhänge zwischen Veränderungen der DNA Methylierung und psychischen
Erkrankungen, wie z.B. Depression (Reviews: Perk et al., 2019, Nöthling et al., 2019, Barker et al., 2017) - Diese Veränderungen überschneiden sich mit denen, die in Folge von traumatischen Kindheitserlebnisse und
pränatalem Stress gezeigt werden konnten - Möglicher biologischer Wirkpfad, auf dem Erfahrungen das Risiko für psychische Erkrankungen beeinflussen?
Therapeutische Implikationen der Epigenetik
Pharmakologische oder therapeutische Interventionen könnten potentiell
maladaptive Methylierungsmuster beeinflussen
(Review: Szyf, 2015, Eur Neuropsychopharmacol)
- Entwicklung neuer „epigenetischer“ Psychopharmaka? (Problem: Wie lassen
sich spezifische Methylgruppen beeinflussen und andere nicht?) - Epigenetische Marker als Indikatoren für Therapieerfolg?