Verfassungsrechtliche Grundentscheidungen Flashcards
Republik
Das Grundgesetz sieht vor, dass Deutschland in Form einer Republik regiert wird, vgl. Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG. Die Grundsatzentscheidung zugunsten der Republik schließt die Einführung einer Monarchie aus und stellt eine Entscheidung für ein revozierbares, also abwählbares, Staatsoberhaupt dar.
Sozialstaat
Das Sozialstaatsprinzip findet seine Ausprägung vor allem in Art. 1, 20 und 28 Abs. 1 GG (vgl. aber auch Art. 6, 9 Abs. 3, 14 Abs. 2 und 15 GG). Der Staat ist demnach verpflichtet, soziale Gerechtigkeit und soziale Gleichheit herzustellen und zu erhalten. Der Kern der Rechtsbereiche, die für den sozialen Rechtsstaat als unabdingbar gelten, kann ohne Verfassungsverstoß nicht mehr abgeschafft werden (z. B. Arbeitsschutzrecht, Arbeitszeitrecht, Sozialhilferecht etc.). Zudem kann in besonderen Ausnahmefällen sogar ein positiver Leistungsanspruch direkt aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet werden, damit das Existenzminimum des Betroffenen gewahrt wird.
Bundesstaat
Der Bundesstaat ist ein Staatsgebilde zwischen Einheitsstaat und Staatenbund, in dem sowohl der Zentralstaat als auch die Gliedstaaten echte originäre Staatsgewalt besitzen. Diese Aufteilung der Staatsgewalt in eine Bundes- und sechzehn Landesgewalten wird auch als „vertikale Gewaltenteilung“ bezeichnet. Die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verpflichtet die Länder nicht zum einheitlichen Gleichlauf mit dem Grundgesetz, sondern nur zur Beachtung der wesentlichen Grundsätze von Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat und Republik. Das Bundesstaatsprinzip führt so zu einem Pluralismus politischer Leitungsgewalt. Die Vorschriften des GG im Hinblick auf Bildung und Arbeitsweise des Bundesrats spiegeln ebenso die Bundesstaatlichkeit wider, da dies eine mustergültige Verquickung von Ländervertretungen mit der Bundesgesetzgebung darstellt.
Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens
Nach dem sog. Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens ist einerseits ein bundesfreundliches Verhalten der Länder erforderlich, andererseits aber gleichermaßen ein länderfreundliches Verhalten des Bundes. Das Gebot erfordert bei der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern eine gewisse Abstimmung, Koordination, gegenseitige Information und Rücksichtnahme. Außerdem gebietet es dem Bund, einzelne Länder nicht grundlos besser oder schlechter zu behandeln als andere.
Demokratieprinzip
Das Demokratieprinzip, das dem GG innewohnt, umfasst die Volkssouveränität als Ausübung der Staatsgewalt im Namen des Volkes und die Wahl der höchsten Träger der Staatsgewalt durch das Volk. Das GG folgt dem Prinzip einer mittelbaren repräsentativen Demokratie. Eine unmittelbare Entscheidungsbefugnis des Volkes (etwa in Form von Volksentscheiden) gibt es nur, wenn diese vom GG ausdrücklich normiert wird. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Systematik von Art. 20 Abs. 2 GG, 29 und 70 ff. GG. Volksentscheide sind nur vorgesehen für die Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 GG. Ob auch das Außerkraftsetzen des GG nach Art. 146 durch Volksentscheid erfolgen soll, ist umstritten.
Da die Formulierung des Art. 20 Abs. 2 GG aber grundsätzlich für plebiszitäre Elemente offen ist, kann auf Länderebene von der Ausrichtung des GG abgewichen werden. Aus diesem Grund sind Volksentscheide und Volksbegehren Bestandteil aller Landesverfassungen (vgl. etwa Art. 2, 68 und 69 LVerf NRW, Art. 59, 62, 63 und 100 LVerf Berlin, Art. 71, 72 und 74 LVerf Bayern).
Europäische Integration
Art. 23 Abs. 1 GG normiert die Rechtsgrundlage für die Teilnahme des Bundes bei der supranationalen Organisation der Europäischen Union. Durch Art. 23 GG wird der Bund ermächtigt, die nationale Rechtsordnung dem europarechtlichen Primär- und Sekundärrecht zu öffnen. Zudem ergeben sich aus dieser Vorschrift in Verbindung mit der Präambel des GG die Staatszielbestimmung zur Einigung Europas und der Grundsatz der Europafreundlichkeit.
Der jetzige Art. 23 GG wurde 1992 anlässlich der Gründung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht in das GG eingefügt. Bis dahin musste die Regelung des Art. 24 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Mitgliedschaft in der EU herangezogen werden. Art. 23 GG ist damit als lex specialis zu Art. 24 Abs. 1 GG sowie zu Art. 32 GG einzuordnen.
Rechtsstaatlichkeit
Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sind vielfach im GG verankert (u. a. in Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 28 Abs. 1, 101 bis 104 GG). Unter diesen Grundsatz fallen insbesondere die Monopolisierung der Rechtsetzung bei der Gesetzgebung, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, außerdem die Unterscheidung und Trennung der Staatsgewalten, die Gewährleistung von Grundrechten, die rechtsstaatliche Normenhierarchie, das Staatshaftungsrecht und die Justizgrundrechte.
Gewaltenteilung
Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG normiert das Prinzip der Gewaltenteilung. Dieses Prinzip meint die Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Staatsorgane zum Zwecke der gegenseitigen Machtbegrenzung (engl.: system of checks and balances). Es wird dabei zwischen den Gewalten der Gesetzgebung (Legislative), der Vollziehung (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) unterschieden (sog. „horizontale Gewaltenteilung“), vgl. auch Art. 1 Abs. 3 GG.
Art. 80 Abs. 1 GG bildet eine positivrechtliche Ausnahme von diesem Prinzip. Hiernach kann die Exekutive ausnahmsweise als Normgeber auftreten. Die Vorschrift gilt allerdings nur für (Bundes-) Rechtsverordnungen und nicht für Satzungen. Bei landesgesetzlichen Ermächtigungen sind die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften, die den Erlass von Rechtsverordnungen regeln, einschlägig.
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Eine weitere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Dieser Grundsatz, der auch als „Vorrang des Gesetzes“ bezeichnet wird, besagt, dass, soweit Gesetze bestehen, diese verbindlich und damit von der öffentlichen Gewalt zu beachten sind. Es gilt für die öffentliche Hand somit, dass sie nicht gegen das Gesetz verstoßen darf.
Gesetzesvorbehalt
Das Rechtsstaatsprinzip umfasst des Weiteren das Prinzip des sog. „Vorbehalts des Gesetzes“. Diese Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit gibt vor, dass die Verwaltung grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, um handeln zu dürfen. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt, wenn in Rechte der Bürger eingegriffen werden soll.
Bei der Leistungsverwaltung ist nach h. M. hingegen im Regelfall keine gesetzliche Regelung erforderlich.
Wesentlichkeitstheorie
Hiernach muss der parlamentarische Gesetzgeber die für die Gesellschaft wesentlichen Fragen selbst regeln und darf diese nicht der Exekutive überlassen. Es ist daher in diesen Fällen ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich. Der Gesetzesvorbehalt erstarkt dann zu einem Parlamentsvorbehalt.
Rückwirkungsverbot
Das allgemeine Rückwirkungsverbot leitet sich als Teil des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG ab. Zu unterscheiden sind die echte und die unechte Rückwirkung. Bei der echten Rückwirkung regelt eine Rechtsnorm nachträglich solche Tatbestände, die bereits in der Vergangenheit abgeschlossen wurden. Belastende Gesetze mit echter Rückwirkung sind wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit grundsätzlich nichtig. Von diesem Verbot gibt es allerdings Ausnahmen (dies insbesondere bei ungeordneten rechtlichen Schwebezuständen, Bagatellfällen, im Falle eines nicht schutzwürdigen Vertrauens oder ganz allgemein, wenn zwingende Gründe des Allgemeinwohls vorliegen).
Bei der unechten Rückwirkung bezieht sich eine Norm auf Sachverhalte, die zwar aus der Vergangenheit stammen, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Eine solche Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Es hat allerdings eine Abwägung im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Nur ausnahmsweise, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand vorliegt, ist eine unechte Rückwirkung unzulässig.
Bestimmtheitsgebot
Nach dem Bestimmtheitsgebot als Ausprägung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG muss eine Norm in ihren Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolge so formuliert sein, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten darauf einrichten können. Für den Bereich des Strafrechts ergibt sich diese Vorgabe aus Art. 103 Abs. 2 GG.
Das Gebot hat allerdings seine Grenzen. Der Gesetzgeber kann wegen der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse und Sachverhalte durchaus unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Als Auslegungshilfe bei der Frage nach dem Grad der Unbestimmtheit einer Norm kann eine entsprechende Anwendung der Kriterien des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG helfen, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend klar nachvollziehbar sein müssen.