Praxisfragen aus Sicht einer Staatsanwältin Flashcards
Wie viele Staatsanwaltschaften gibt es in Deutschland?
Bei jedem deutschen Gericht „soll“ eine Staatsanwaltschaft bestehen (§ 141 GVG). Im Regelfall wurden Staatsanwaltschaften allerdings nur für die jeweiligen Landgerichtsbezirke eingerichtet. Bei den Oberlandesgerichten wurden Generalstaatsanwaltschaften eingerichtet. Beim BGH wurde die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes eingerichtet.
Beschreiben Sie kurz die Tätigkeitsfelder der Staatsanwaltschaft!
Die Staatsanwaltschaft ist zuvorderst eine Ermittlungsbehörde, d. h. sie führt (unter anderem mit Hilfe der Polizei) die Ermittlungen in Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren, wobei sie den Sachverhalt objektiv und unvoreingenommen ermitteln soll, vgl. § 169 StPO.
Die Staatsanwaltschaft ist weiterhin eine Einstellungsbehörde, d. h. sie hat darüber zu entscheiden, bis zu welchem Grad die Sachverhaltsermittlung in einem Verfahren betrieben werden soll, vgl. §§ 153 ff. StPO. Die Polizei verfügt hingegen bewusst über keine Einstellungskompetenzen.
Die Staatsanwaltschaft ist zudem eine Anklage- und Vollstreckungsbehörde, vgl. §§ 152 und 451 StPO. Es ist die Staatsanwaltschaft, die gegen einen Beschuldigten Anklage bei einem Gericht erhebt und dieses Verfahren, stellvertretend für die Bundesrepublik Deutschland, führt. Im Falle einer Verurteilung ist es auch die Staatsanwaltschaft, die die Vollstreckung der Sanktionen vornimmt. Anders ist dies bei Jugendstrafsachen, da insofern der Jugendrichter für die Vollstreckung zuständig ist, vgl. §§ 82 ff. JGG.
Wie sind die Staatsanwaltschaften organisiert?
Jede Staatsanwaltschaft besteht aus verschiedenen Abteilungen, die von einem Oberstaatsanwalt geleitet werden. Die Abteilungen sind oftmals in Deliktsgruppen eingeteilt (z. B. Jungendsachen, Wirtschaftskriminalität, BtMG-Delikte oder allgemeine Strafsachen wie einfacher Diebstahl, Betrug etc.). Für jede Abteilung wird vom Abteilungsleiter ein Geschäftsverteilungsplan aufgestellt, wonach die Verfahren den einzelnen Staatsanwälten zugewiesen werden.
Die Staatsanwaltschaften werden von einem leitenden Oberstaatsanwalt (LOStA) geleitet. Der LOStA ist der Dienstvorgesetzte der den Abteilungen zugewiesenen (Ober-)Staatsanwälte.
Sind Staatsanwälte weisungsgebunden?
Die Staatsanwaltschaft ist unabhängig und insbesondere in keiner Weise den Gerichten unterstellt. Anders als ein Gericht ist die Staatsanwaltschaft aber nicht mit unabhängigen Richtern, sondern mit Beamten besetzt und insofern auch hierarchisch aufgebaut, so dass Weisungsgebundenheit besteht. Die jeweiligen Staatsanwälte unterliegen den Weisungen des Oberstaatsanwalts, der wiederum dem leitenden Oberstaatsanwalt unterstellt ist. Die leitenden Oberstaatsanwälte der einzelnen Staatsanwaltschaften sind wiederum einem Generalstaatsanwalt an den Oberlandesgerichten unterstellt. Darüber steht wiederum das jeweilige Landesjustizministerium.
Auf Bundesebene sind die Bundesanwälte, also die Staatsanwälte des Bundes bei der Bundesanwaltschaft, dem Generalbundesanwalt unterstellt, der wiederum vom Bundesjustizminister beaufsichtigt wird.
Die oben beschriebenen Weisungsketten bestehen entweder auf Bundes- oder auf Landesebene. Ein leitender Oberstaatsanwalt kann so z. B. keine Weisung vom Bundesjustizminister oder vom Generalbundesanwalt erhalten.
Wonach richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften?
Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bestimmt sich gem. § 143 Abs. 1 S. 1 GVG grundsätzlich nach der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht. So deckt sich bspw. der Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Köln mit dem Gerichtsbezirk des Landgerichts Köln (dieser umfasst: Stadtgebiete Köln und Leverkusen, Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis, Teile des Oberbergischen Kreises). Die Grundregel des § 143 Abs. 1 S. 1 GVG greift auch bei einer Zuständigkeitskonzentration (vgl. §§ 58, 74a, 74c Abs. 3, Abs. 4 GVG sowie § 74d GVG).
Sind mehrere Staatsanwaltschaften örtlich zuständig, kann die Staatsanwaltschaft, bei der eine Sache anhängig ist, diese aus Zweckmäßigkeitsgründen an eine andere Staatsanwaltschaft formlos abgeben. Ebenso kann eine örtlich unzuständige Staatsanwaltschaft ein Verfahren an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft weiterleiten.
Fehlt es an einem zuständigen Gericht oder ist dieses nicht ermittelt, ist die zuerst mit der Sache befasste Staatsanwaltschaft zuständig (§ 143 Abs. 1 S. 2 GVG). Bei Gefahr im Verzug kann gem. § 143 Abs. 2 GVG auch eine unzuständige Staatsanwaltschaft Eilmaßnahmen ergreifen (sog. Notzuständigkeit).
Nach § 143 Abs. 4 GVG besteht die Möglichkeit, sog. Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten. So wurden bspw. zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und der Korruption bei der Staatsanwaltschaft Köln Schwerpunktabteilungen eingerichtet. Die Zuständigkeit richtet sich insofern nicht nach den Landgerichtsbezirken, sondern es erfolgt eine Einzelzuweisung von Verfahren durch den jeweiligen Generalstaatsanwalt.
Was ist ein Amtsanwalt?
Amtsanwälte sind Beamte im Justizdienst (und keine Volljuristen), die teilweise Aufgaben der Staatsanwälte übernehmen (vgl. § 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG). Amtsanwälte verfolgen insofern (einfachere) Straftaten wie Körperverletzung oder Diebstahl und vor allem auch Verkehrsdelikte. Sie haben ähnliche Befugnisse wie Staatsanwälte, insbesondere leiten sie Ermittlungsverfahren, erheben Anklage beim Amtsgericht und vertreten die Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung.