Häufige Fragen im Strafrecht Flashcards
Was ist unter der finalen Handlungslehre zu verstehen?
Nach der finalen Handlungslehre ist Handeln eine zweckgerichtete Tätigkeit, also nicht bloß kausales Handeln. Für die finale Handlungslehre wird der Vorsatz so zum Träger des Handlungsunrechts. Begründer dieser Lehre war Welzel.
Was versteht man unter dem Schuldprinzip?
Nach dem Schuldprinzip darf jede Art von Strafe nur dann auferlegt werden, wenn den Bestraften auch eine Schuld trifft. Dies bedeutet, dass Strafen immer an einen begangenen Rechtsverstoß durch eine Person anknüpfen müssen. Umstände, die eine Person nicht zu verantworten hat, dürfen demnach nicht zu dessen Bestrafung führen. Das Schuldprinzip wurzelt im Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. hierzu BVerfGE 20, 323). Aktuell sind im Zusammenhang mit den Plänen, ein Strafrecht für Unternehmen einzuführen, wieder Diskussionen um die Reichweite des Schuldprinzips geführt worden (siehe hierzu etwa Leipold, ZRP 2013, 34).
Welche zwei Funktionen hat der Vorsatz im Rahmen der Deliktsprüfung?
Der Vorsatz ist zum einen Bestandteil der strafrechtlichen Handlung, er beinhaltet nämlich deren finales Element. Zum anderen ist der Vorsatz der Träger des Vorsatzschuldvorwurfs.
Wo ist der Grundsatz null poena sine lege geregelt? Welche Ausprägungen dieses Grundsatzes werden unterschieden?
Geregelt ist er ausdrücklich in Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. auch § 1 StGB) und er wird auch als Teil des Rechtsstaatsprinzip gewährt (Art. 20 Abs. 3 GG). Ausprägungen dieses Grundsatzes sind: nulla poena sine lege scripta - Verbot belastenden Gewohnheitsrechts; nulla poena sine lege praevia - Rückwirkungsverbot i. e. S.; nulla poena sine lege stricta - Analogieverbot; nulla poena sine lege certa - Bestimmtheitsgebot.
Warum ist das Notwehrrecht ein scharfes Schwert?
Bei der Notwehr (§ 32 StGB) findet grundsätzlich keine Güterabwägung statt (anders als bspw. bei § 34 StGB). Daher kann in einer Notwehrlage unter Umständen auch ein geringwertigeres Rechtsgut auf Kosten eines höherwertigen Rechtsgutes verteidigt werden, z. B.: Schuss auf den Dieb. Grund hierfür ist, dass der in Notwehr Handelnde zur Verteidigung der Rechtsordnung beiträgt, sog. Rechtsbewährungsprinzip („Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.“). Als „Ausnahme“ hierzu besteht kein Notwehrrecht mangels Gebotenheit bei einem krassen Missverhältnis zwischen den betroffenen Rechtsgütern. Aber Achtung: Dies darf nicht zu einer allgemeinen Abwägung „durch die Hintertür“ führen!
Was ist ein eigenhändiges Delikt?
Ein eigenhändiges Delikt bezeichnet eine Straftat, die nur von einem Täter, der die Tathandlung selbst („eigenhändig“) ausführt, begangen werden kann. Eine mittelbare Täterschaft ist hier nicht möglich. Beispiele sind der Meineid oder Straßenverkehrsdelikte.
Was versteht man unter notwendiger Teilnahme?
Eine notwendige Teilnahme liegt vor, wenn ein Tatbestand so formuliert ist, dass seine Verwirklichung schon begrifflich die Beteiligung mehrerer Personen voraussetzt, z. B. §§ 173 f., 331 ff. StGB. Wird das Maß der notwendigen Teilnahme nicht überschritten, ist der Mitwirkende nicht nach §§ 26, 27 StGB strafbar. So stellen beispielsweise die §§ 331, 332 StGB jeweils das Spiegelbild zu §§ 333, 334 StGB dar. Eine Bestrafung des notwendig Beteiligten (nicht von Dritten) erfolgt nur nach diesen Vorschriften, nicht aber bspw. nach §§ 331, 27 StGB.
Was ist ein Erfolgsdelikt, was ein Tätigkeitsdelikt?
Bei Erfolgsdelikten setzt der Tatbestand den Eintritt eines (von der Tathandlung unterscheidbaren) Erfolges voraus. Eine Sondergruppe bilden hierbei die erfolgsqualifizierten Delikte. Reine Tätigkeitsdelikte hingegen setzen tatbestandlich keinen Erfolg voraus. Beispiel: Bei den Aussagedelikten genügt für die Strafbarkeit das reine Falschaussagen, ohne dass es auf einen Erfolg, bspw. eine Beeinflussung des Richters, ankäme.
Was sind typische Dauerdelikte?
Bei den Dauerdelikten ist die Tat bereits mit Eintritt eines bestimmten rechtswidrigen Zustandes vollendet, aber erst mit seiner Aufhebung beendet. Beispiele sind etwa § 123 StGB oder § 239 StGB.
Was sind Sonderdelikte?
Sonderdelikte sind all diejenigen Delikte, bei denen nur bestimmte, im Tatbestand umschriebene Personen Täter sein können (z. B. Amtsträger, Richter etc.). Dabei ist zwischen echten und unechten Sonderdelikten zu differenzieren. Bei den echten Sonderdelikten wirkt die Eigenschaft des Handlungssubjekts strafbegründend (z. B. §§ 331 f. StGB), während sie bei den unechten „lediglich“ strafschärfend wirkt (z. B. § 258 a StGB).
Was sind Unternehmensdelikte?
Bei den Unternehmensdelikten sind Vollendung und Versuch gleichgestellt, denn das Gesetz pönalisiert hierbei das bloße Unternehmen einer bestimmten Handlung. Beispiele sind §§ 81, 82, 307, 309 StGB.
Was versteht man unter einer Postpendenz, was unter Präzedenz?
Die Fälle der Postpendenz sind solche, in denen eine Sachverhaltsungewissheit vorliegt und der Täter trotzdem bestraft werden kann. Bei der Postpendenz ist es so, dass von zwei möglichen Sachverhalten zwar der zeitlich spätere Sachverhalt sicher nachgewiesen werden kann, der zeitlich vorherige hingegen nicht. Sofern die Strafbarkeit des zeitlich späteren Sachverhalts aber davon abhängt, dass der erste Sachverhalt nicht vorliegt, so kommt es zur Postpendenzfeststellung.
Die sog. Präpendenz meint den umgekehrten Fall, also solche Fälle, in denen der vorhergegangene Sachverhalt sicher bewiesen werden kann, der zeitlich nachfolgende hingegen nur möglicherweise gegeben sein kann.
Was ist die Einziehung?
Die strafrechtliche Einziehung ist in §§ 73 ff. StGB geregelt. Gegenständlich ist zwischen der Einziehung im Sinne von § 73 und § 74 StGB zu differenzieren.
Gemäß § 73 StGB kann durch ein Strafurteil die Einziehung eines Vermögensvorteils angeordnet werden. Sie ist dann möglich, wenn der Täter einen Vermögensvorteil aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat. Sinn und Zweck des § 73 StGB bestehen darin, unrechtmäßig erlangte Vermögenszuwächse abzuschöpfen. Die Einziehung wird etwa angeordnet, wenn ein Dealer Vermögen durch Drogengeschäfte erwirtschaftet hat und eine Rückforderung von anderer Seite nicht zu erwarten ist.
Dagegen kann nach § 74 StGB durch ein strafrechtliches Urteil vom Gericht die Beschlagnahme eines Tatmittels angeordnet werden (z. B. die Einziehung der Brechstange, die für den Einbruchsdiebstahl benutzt wurde). Die Einziehung bezieht sich - anders als § 73 StGB - auf Tatmittel und -werkzeuge sowie auf Gegenstände, die durch die Tat als solche hervorgebracht wurden (z. B. gefälschte Urkunden, Drogen bei BTM-Delikten oder auch die Waffen des Mörders).
Gibt es bei einem erstinstanzliche Strafurteil eines LG eine Revision zum OLG?
Ja, sofern die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird, vgl. § 121 Abs. 1 Nr. 1c) GVG. Diese Fälle kommen in der Praxis allerdings sehr selten vor. Grundsätzlich geht es bei der Revision um die Feststellung der Verletzung von Bundesrecht, nämlich des StGB und der StPO, so dass in aller Regel der BGH für die strafrechtliche Revision zuständig ist.
Welche zwei Funktionen hat die Staatsanwaltschaft nach der StPO?
Zum einen ist die Staatsanwaltschaft die Ermittlungs- und Anklagebehörde, vgl. § 152 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Zum anderen ist die Staatsanwaltschaft aber auch die Vollstreckungsbehörde, vgl. § 451 Abs. 1 StPO. Im Zivilprozess erfolgt die Vollstreckung hingegen durch Zwangsvollstrecker und Vollstreckungsgericht.
Was versteht man unter dem Akzessorietätsgrundsatz? Was meint limitierte Akzessorietät? Gibt es Ausnahmen zu diesem Grundsatz?
Der Akzessorietätsgrundsatz bezieht sich auf die Strafbarkeit der Teilnahmeformen (Anstiftung und Beihilfe). Mit Akzessorietät der Teilnahme wird die Tatsache bezeichnet, dass die Bestrafung der Teilnahme vom Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat abhängt, von der sie ihren Unrechtsgehalt ableitet. Von limitierter Akzessorietät spricht man, da das StGB nur eine rechtswidrige Haupttat voraussetzt und es darauf, ob der Haupttäter auch schuldhaft gehandelt hat, nicht ankommt. Die Akzessorietät wird in Fällen des § 28 Abs. 1 StGB gelockert (wegen der Milderung nach § 49 StGB) und in Fällen des § 28 Abs. 2 StGB durchbrochen.