Häufige Fragen im Strafrecht Flashcards

1
Q

Was ist unter der finalen Handlungslehre zu verstehen?

A

Nach der finalen Handlungslehre ist Handeln eine zweckgerichtete Tätigkeit, also nicht bloß kausales Handeln. Für die finale Handlungslehre wird der Vorsatz so zum Träger des Handlungsunrechts. Begründer dieser Lehre war Welzel.

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2
Q

Was versteht man unter dem Schuldprinzip?

A

Nach dem Schuldprinzip darf jede Art von Strafe nur dann auferlegt werden, wenn den Bestraften auch eine Schuld trifft. Dies bedeutet, dass Strafen immer an einen begangenen Rechtsverstoß durch eine Person anknüpfen müssen. Umstände, die eine Person nicht zu verantworten hat, dürfen demnach nicht zu dessen Bestrafung führen. Das Schuldprinzip wurzelt im Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. hierzu BVerfGE 20, 323). Aktuell sind im Zusammenhang mit den Plänen, ein Strafrecht für Unternehmen einzuführen, wieder Diskussionen um die Reichweite des Schuldprinzips geführt worden (siehe hierzu etwa Leipold, ZRP 2013, 34).

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3
Q

Welche zwei Funktionen hat der Vorsatz im Rahmen der Deliktsprüfung?

A

Der Vorsatz ist zum einen Bestandteil der strafrechtlichen Handlung, er beinhaltet nämlich deren finales Element. Zum anderen ist der Vorsatz der Träger des Vorsatzschuldvorwurfs.

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4
Q

Wo ist der Grundsatz null poena sine lege geregelt? Welche Ausprägungen dieses Grundsatzes werden unterschieden?

A

Geregelt ist er ausdrücklich in Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. auch § 1 StGB) und er wird auch als Teil des Rechtsstaatsprinzip gewährt (Art. 20 Abs. 3 GG). Ausprägungen dieses Grundsatzes sind: nulla poena sine lege scripta - Verbot belastenden Gewohnheitsrechts; nulla poena sine lege praevia - Rückwirkungsverbot i. e. S.; nulla poena sine lege stricta - Analogieverbot; nulla poena sine lege certa - Bestimmtheitsgebot.

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5
Q

Warum ist das Notwehrrecht ein scharfes Schwert?

A

Bei der Notwehr (§ 32 StGB) findet grundsätzlich keine Güterabwägung statt (anders als bspw. bei § 34 StGB). Daher kann in einer Notwehrlage unter Umständen auch ein geringwertigeres Rechtsgut auf Kosten eines höherwertigen Rechtsgutes verteidigt werden, z. B.: Schuss auf den Dieb. Grund hierfür ist, dass der in Notwehr Handelnde zur Verteidigung der Rechtsordnung beiträgt, sog. Rechtsbewährungsprinzip („Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.“). Als „Ausnahme“ hierzu besteht kein Notwehrrecht mangels Gebotenheit bei einem krassen Missverhältnis zwischen den betroffenen Rechtsgütern. Aber Achtung: Dies darf nicht zu einer allgemeinen Abwägung „durch die Hintertür“ führen!

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6
Q

Was ist ein eigenhändiges Delikt?

A

Ein eigenhändiges Delikt bezeichnet eine Straftat, die nur von einem Täter, der die Tathandlung selbst („eigenhändig“) ausführt, begangen werden kann. Eine mittelbare Täterschaft ist hier nicht möglich. Beispiele sind der Meineid oder Straßenverkehrsdelikte.

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7
Q

Was versteht man unter notwendiger Teilnahme?

A

Eine notwendige Teilnahme liegt vor, wenn ein Tatbestand so formuliert ist, dass seine Verwirklichung schon begrifflich die Beteiligung mehrerer Personen voraussetzt, z. B. §§ 173 f., 331 ff. StGB. Wird das Maß der notwendigen Teilnahme nicht überschritten, ist der Mitwirkende nicht nach §§ 26, 27 StGB strafbar. So stellen beispielsweise die §§ 331, 332 StGB jeweils das Spiegelbild zu §§ 333, 334 StGB dar. Eine Bestrafung des notwendig Beteiligten (nicht von Dritten) erfolgt nur nach diesen Vorschriften, nicht aber bspw. nach §§ 331, 27 StGB.

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8
Q

Was ist ein Erfolgsdelikt, was ein Tätigkeitsdelikt?

A

Bei Erfolgsdelikten setzt der Tatbestand den Eintritt eines (von der Tathandlung unterscheidbaren) Erfolges voraus. Eine Sondergruppe bilden hierbei die erfolgsqualifizierten Delikte. Reine Tätigkeitsdelikte hingegen setzen tatbestandlich keinen Erfolg voraus. Beispiel: Bei den Aussagedelikten genügt für die Strafbarkeit das reine Falschaussagen, ohne dass es auf einen Erfolg, bspw. eine Beeinflussung des Richters, ankäme.

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9
Q

Was sind typische Dauerdelikte?

A

Bei den Dauerdelikten ist die Tat bereits mit Eintritt eines bestimmten rechtswidrigen Zustandes vollendet, aber erst mit seiner Aufhebung beendet. Beispiele sind etwa § 123 StGB oder § 239 StGB.

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10
Q

Was sind Sonderdelikte?

A

Sonderdelikte sind all diejenigen Delikte, bei denen nur bestimmte, im Tatbestand umschriebene Personen Täter sein können (z. B. Amtsträger, Richter etc.). Dabei ist zwischen echten und unechten Sonderdelikten zu differenzieren. Bei den echten Sonderdelikten wirkt die Eigenschaft des Handlungssubjekts strafbegründend (z. B. §§ 331 f. StGB), während sie bei den unechten „lediglich“ strafschärfend wirkt (z. B. § 258 a StGB).

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11
Q

Was sind Unternehmensdelikte?

A

Bei den Unternehmensdelikten sind Vollendung und Versuch gleichgestellt, denn das Gesetz pönalisiert hierbei das bloße Unternehmen einer bestimmten Handlung. Beispiele sind §§ 81, 82, 307, 309 StGB.

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12
Q

Was versteht man unter einer Postpendenz, was unter Präzedenz?

A

Die Fälle der Postpendenz sind solche, in denen eine Sachverhaltsungewissheit vorliegt und der Täter trotzdem bestraft werden kann. Bei der Postpendenz ist es so, dass von zwei möglichen Sachverhalten zwar der zeitlich spätere Sachverhalt sicher nachgewiesen werden kann, der zeitlich vorherige hingegen nicht. Sofern die Strafbarkeit des zeitlich späteren Sachverhalts aber davon abhängt, dass der erste Sachverhalt nicht vorliegt, so kommt es zur Postpendenzfeststellung.

Die sog. Präpendenz meint den umgekehrten Fall, also solche Fälle, in denen der vorhergegangene Sachverhalt sicher bewiesen werden kann, der zeitlich nachfolgende hingegen nur möglicherweise gegeben sein kann.

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13
Q

Was ist die Einziehung?

A

Die strafrechtliche Einziehung ist in §§ 73 ff. StGB geregelt. Gegenständlich ist zwischen der Einziehung im Sinne von § 73 und § 74 StGB zu differenzieren.

Gemäß § 73 StGB kann durch ein Strafurteil die Einziehung eines Vermögensvorteils angeordnet werden. Sie ist dann möglich, wenn der Täter einen Vermögensvorteil aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat. Sinn und Zweck des § 73 StGB bestehen darin, unrechtmäßig erlangte Vermögenszuwächse abzuschöpfen. Die Einziehung wird etwa angeordnet, wenn ein Dealer Vermögen durch Drogengeschäfte erwirtschaftet hat und eine Rückforderung von anderer Seite nicht zu erwarten ist.

Dagegen kann nach § 74 StGB durch ein strafrechtliches Urteil vom Gericht die Beschlagnahme eines Tatmittels angeordnet werden (z. B. die Einziehung der Brechstange, die für den Einbruchsdiebstahl benutzt wurde). Die Einziehung bezieht sich - anders als § 73 StGB - auf Tatmittel und -werkzeuge sowie auf Gegenstände, die durch die Tat als solche hervorgebracht wurden (z. B. gefälschte Urkunden, Drogen bei BTM-Delikten oder auch die Waffen des Mörders).

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14
Q

Gibt es bei einem erstinstanzliche Strafurteil eines LG eine Revision zum OLG?

A

Ja, sofern die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird, vgl. § 121 Abs. 1 Nr. 1c) GVG. Diese Fälle kommen in der Praxis allerdings sehr selten vor. Grundsätzlich geht es bei der Revision um die Feststellung der Verletzung von Bundesrecht, nämlich des StGB und der StPO, so dass in aller Regel der BGH für die strafrechtliche Revision zuständig ist.

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15
Q

Welche zwei Funktionen hat die Staatsanwaltschaft nach der StPO?

A

Zum einen ist die Staatsanwaltschaft die Ermittlungs- und Anklagebehörde, vgl. § 152 Abs. 1 und Abs. 2 StPO. Zum anderen ist die Staatsanwaltschaft aber auch die Vollstreckungsbehörde, vgl. § 451 Abs. 1 StPO. Im Zivilprozess erfolgt die Vollstreckung hingegen durch Zwangsvollstrecker und Vollstreckungsgericht.

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16
Q

Was versteht man unter dem Akzessorietätsgrundsatz? Was meint limitierte Akzessorietät? Gibt es Ausnahmen zu diesem Grundsatz?

A

Der Akzessorietätsgrundsatz bezieht sich auf die Strafbarkeit der Teilnahmeformen (Anstiftung und Beihilfe). Mit Akzessorietät der Teilnahme wird die Tatsache bezeichnet, dass die Bestrafung der Teilnahme vom Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat abhängt, von der sie ihren Unrechtsgehalt ableitet. Von limitierter Akzessorietät spricht man, da das StGB nur eine rechtswidrige Haupttat voraussetzt und es darauf, ob der Haupttäter auch schuldhaft gehandelt hat, nicht ankommt. Die Akzessorietät wird in Fällen des § 28 Abs. 1 StGB gelockert (wegen der Milderung nach § 49 StGB) und in Fällen des § 28 Abs. 2 StGB durchbrochen.

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17
Q

Gibt es eine versuchte Beihilfe?

A

Die erfolglose, lediglich versuchte Beihilfe ist nach den allgemeinen Versuchsregeln nicht strafbar. § 22 StGB verlangt das Ansetzen zur Verwirklichung des „Tatbestandes“. Hiermit sind die Tatbestände des besonderen Teils des StGB bzw. das Sonderstrafrecht gemeint und nicht die Voraussetzungen der Beihilfe nach § 27 StGB als solcher.

18
Q

Gibt es dennoch eine versuchte Teilnahme an einer Straftat?

A

Zumindest in § 30 StGB sind bestimmte Formen der versuchten Teilnahme mit Strafe bewährt. In § 31 StGB sind hierfür besondere Rücktrittsvoraussetzungen geregelt. Eine Strafbarkeit nach § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) bleibt von einem erfolgreichen Rücktritt nach § 31 StGB hingegen unberührt.

19
Q

Gibt es eine fahrlässige Sachbeschädigung?

A

Eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB kann nur vorsätzlich begangen werden. Hingegen ist eine fahrlässige Brandstiftung nach § 306d StGB, die systematisch auch ein Sachbeschädigungsdelikt darstellt, durchaus strafbar.

20
Q

Was ist das Rechtsinstitut der sog. “fortgesetzten Tat”?

A

Dieses umstrittene Rechtsinstitut wurde vom BGH begründet. Für die Annahme einer fortgesetzten Tat wurde vorausgesetzt, dass die Einzelakte einer Handlungsreihe sich gegen das gleiche Rechtsgut richten, in der Begehungsweise gleichartig sind und von einem Gesamtvorsatz getragen werden. Sofern diese Voraussetzungen (etwa bei der Verwirklichung einer Vielzahl von Diebstählen) erfüllt waren, bezog sich die Rechtskraft eines strafrechtlichen Urteils (insbesondere bei Serientätern) auf alle vor der Urteilsverkündung liegenden Einzelakte, gleich ob das Gericht sie kannte oder nicht. Die Rechtskraft des Urteils bezog sich demnach sogar auf Taten im prozessualen Sinne, die nicht einmal angeklagt wurden. Diese Rechtsfigur wurde von der Literatur heftig kritisiert und schließlich auch vom BGH weitestgehend aufgegeben (vgl. BGHSt 40, 138).

21
Q

Was versteht man unter strafrechtlicher Konsumption?

A

Konsumption meint, dass ein Tatbestand regelmäßig bei der Begehung eines anderen mitverwirklicht wird. Aus diesem Grund gilt eine Bestrafung aus dem vorrangigen Delikt als ausreichend. Der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeuges (§ 248b StGB) konsumiert etwa den Diebstahl bzw. eine Unterschlagung am notwendig verbrauchten Benzin. Ein Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB konsumiert regelmäßig den Hausfriedensbruch nach § 123 StGB.

22
Q

Was ist das Absorptionsprinzip?

A

Nach diesem Prinzip wird bei Tateinheit (§ 52 StGB) auf eine Strafe erkannt, die sich ausschließlich nach dem schwersten der begangenen Delikte richtet.

23
Q

Was ist der Unterschied zwischen Strafe und Maßregelung?

A

Die Maßregel ist im Gegensatz zur Strafe von der Schuld des Täters unabhängig. Sie wird, anders als die Strafe, die der Spezial- und Generalprävention dient, zum Schutz vor gefährlichen Straftätern oder zu deren Besserung angeordnet. Daher können Maßregeln der Besserung und Sicherung etwa auch gegen schuldunfähige erwachsene Straftäter angeordnet werden. Eine solche Maßregel (etwa die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB oder die Unterbringung in Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB) wird aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose angeordnet.

24
Q

In welche Abschnitte lässt sich das Strafverfahren einteilen?

A
  1. Ermittlungsverfahren (§§ 160 - 177 StPO)
  2. Zwischenverfahren (§§ 199 - 211 StPO)
  3. Hauptverfahren (§§ 213 - 299 StPO)
  4. Ggf. Rechtsmittelverfahren (§§ 296 ff. StPO)
  5. Vollstreckungsverfahren (§§ 449 ff. StPO)
25
Q

Was ist ein Adhäsionsverfahren?

A

In einem Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO können zivilrechtliche Ansprüche, die auf der Begehung einer Straftat fußen, statt in einem zivilgerichtlichen Verfahren unmittelbar im Strafprozess geltend gemacht werden. Dies ist allerdings nur möglich, sofern der Streitgegenstand noch nicht bei einem Zivilgericht anhängig gemacht worden ist. Die Besonderheit beim Adhäsionsverfahren besteht darin, dass die Beweisregeln und -grundsätze des Strafprozesses Anwendung finden. Statt des Verhandlungsgrundsatzes und der Dispositionsmaxime gelten somit der Amtsermittlungsgrundsatz und das Offizialprinzip. Aus diesem Grund wird regelmäßig von solchen Verfahren Abstand genommen, da das Gericht ansonsten von Amts wegen auch anspruchsmindernde Tatsachen berücksichtigen muss.

26
Q

Was ist eine Urkunde im strafrechtlichen Sinne in Abgrenzung zur Urkunde als Beweismittel im Strafprozess?

A

Eine Urkunde i. S. d. §§ 267 ff. StGB meint nach h. M. jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung mit Beweisbestimmung und Beweiseignung sowie Ausstellererkennbarkeit. Im Strafprozessrecht werden Urkunden i. S. d. § 249 Abs. 1 StPO definiert als alle Gegenstände, die einen verlesbaren Gedankeninhalt verkörpern. Urkunden i. S. d. der Begrifflichkeit des StGB, die nicht verlesen werden können, sind im Strafprozess nur bloße Augenscheinsobjekte.

27
Q

Was ist Sinn und Zweck der Untersuchungshaft?

A

„Die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen“ (BVerfGE 32, 87, 93) ist Sinn und Zweck einer Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) soll jedoch keine „vorweggenommene Strafe“ darstellen, sondern erstens die Anwesenheit des Beschuldigten gewährleisten (bei Fluchtgefahr), zweitens eine Beweisvereitelung verhindern (bei Verdunkelungsgefahr) und drittens - im Fall der Wiederholungsgefahr nach § 112a StPO - die Allgemeinheit schützen.

28
Q

Welche Möglichkeiten bestehen, gegen eine Unterbringung in Untersuchungshaft vorzugehen?

A

Zum einen besteht die Möglichkeit der Haftprüfung nach § 117 StPO. Des Weiteren kann auch Haftbeschwerde nach § 304 StPO eingelegt werden. Am einfachsten ist es jedoch, sich an den ermittelnden Staatsanwalt zu wenden. Sofern dieser davon überzeugt ist, dass keine Haftgründe vorliegen, ist seine Mitteilung an den Richter nach § 120 Abs. 3 StPO zwingend.

29
Q

Was ist der Unterschied zwischen der Haftprüfung und der Haftbeschwerde?

A

Die Haftprüfung nach § 117 StPO wird vom zuständigen Ermittlungsrichter durchgeführt und hat damit keinen Devolutiveffekt. Die Haftbeschwerde nach § 304 StPO wird hingegen vom nächsthöheren Beschwerdegericht behandelt. Eine Haftbeschwerde ist neben einem Antrag auf Haftprüfung nicht zulässig, vgl. § 117 Abs. 2 StPO. Nach § 309 Abs. 1 StPO ergeht die Haftbeschwerde ohne mündliche Verhandlung. Die Haftprüfung nach § 117 StPO hingegen sieht eine solche nach § 118 Abs. 1 StPO vor.

30
Q

Was ist die Radbruch’sche Formel?

A

Nach dieser Formel muss für den Richter in extremen Ausnahmefällen eine Entscheidung gegen das Gesetz und zugunsten der Gerechtigkeit möglich sein. Es geht also darum, dass gesetzliches Unrecht zurücktreten muss, wenn übergesetzliche Prinzipien dies fordern. Dieses Prinzip wurde etwa relevant in den sog. Mauerschützenfällen. Der in § 27 Abs. 2 S. 1 des DDR-Grenzgesetzes enthaltene Rechtfertigungsgrund für den Einsatz von Schusswaffen wurde vom BGH in Anwendung der Radbruch’schen Formel für unanwendbar erklärt (BGHSt 39, 1; BGHSt 41, 101).

31
Q

Was versteht man unter dem Begriff des Einheitstäters?

A

Das Prinzip der Einheitstäterschaft gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht und bei Fahrlässigkeitsdelikten. Hier wird nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme differenziert. Täter kann jeder sein, der einen ursächlichen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung gesetzt hat. Eine Teilnahme kommt beim Einheitstäter nicht in Betracht.

32
Q

Wer mit 1,6 Promille ein KFZ führt, begeht sowohl eine Straftat als auch eine Ordnungswidrigkeit. Welche Tatbestände sind gemeint und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

A

Nach § 24a Abs. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein KFZ führt, obwohl er 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut hat. Zudem ist auch das abstrakte Gefährdungsdelikt der „Trunkenheit im Verkehr“ nach § 316 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB verwirklicht.

§ 21 OWiG regelt das Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit. Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird das jeweils einschlägige Strafgesetz angewendet, § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG. Allerdings kann nach § 21 Abs. 2 OWiG die Handlung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn keine Strafe verhängt wird.

33
Q

Was ist der Unterschied zwischen einem relativen und einem absoluten Antragsdelikt?

A

In der Regel hängt die Verfolgung von Straftaten nicht vom Stellen eines Strafantrags des Verletzten ab. Die Verfolgungsbehörden leiten das Verfahren vielmehr von Amts wegen ein (sog. Offizialdelikte). Sog. absolute Antragsdelikte werden hingegen nur dann verfolgt, wenn der Verletzte einen Strafantrag stellt. So wird etwa ein Hausfriedensbruch nach § 123 Abs. 2 StGB nur auf Antrag verfolgt. Das Fehlen des Strafantrags stellt bei derartigen Delikten (ähnlich wie etwa die Verjährung) ein echtes Verfolgungshindernis dar. Sog. relative oder eingeschränkte Antragsdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass eine Verfolgung auch von Amts wegen eingeleitet werden kann, wenn ein „besonderes öffentliches Interesse“ gegeben ist (z. B. §§ 230 Abs. 1 oder 248a StGB). Von relativen Antragsdelikten wird außerdem gesprochen, wenn ein Offizialdelikt unter bestimmten Voraussetzungen zum Antragsdelikt wird. So sind z. B. Diebstahl und Unterschlagung grundsätzlich Offizialdelikte, im häuslichen Umfeld ist aber gem. § 247 StGB ein Strafantrag erforderlich.

34
Q

Worin liegt der Unterschied zwischen einem Strafantrag und einer Strafanzeige?

A

Der Strafantrag ist in §§ 77 - 77e StGB und § 158 StPO geregelt. Ein Straftrag ist die ausdrückliche Erklärung eines Antragsberechtigten, dass er die Strafverfolgung wünsche. Der Antrag kann bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Amtsgerichten gestellt werden, § 158 Abs. 1 StPO. Wenn die Staatsanwaltschaft trotz des Vorliegens eines Strafantrags keine öffentliche Klage erhebt, so muss sie dem Antragssteller unter Angabe der Gründe bescheiden, § 171 S. 1 StPO.

Die Strafanzeige ist hingegen die bloße Mitteilung eines (ggf. strafbaren) Sachverhalts an eine Strafverfolgungsbehörde. Adressat und Form der Strafanzeige richten sich ebenfalls nach § 158 Abs. 1 StPO. Es gibt keine „Anzeigenberechtigung“, d. h. jedermann kann Anzeigender sein. Wenn die in der Anzeige mitgeteilten Tatsachen einen Anfangsverdacht begründen, sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, der Anzeige nachzugehen (Legalitätsprinzip, §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO). Eine Strafanzeige kann ggf. auch einen Strafantrag enthalten, wenn derjenige, der die Anzeige erstattet, in seiner Erklärung einen eindeutigen Verfolgungswillen zum Ausdruck bringt.

35
Q

Nach § 211 I StGB wird ein Mörder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Was bedeutet “lebenslang”?

A

Eine lebenslange Freiheitsstrafe meint grundsätzlich einen Freiheitsentzug auf unbestimmte Zeit. Hiervon abzugrenzen sind zeitige Freiheitsstrafen, die im Höchstmaß 15 Jahre betragen dürfen, § 38 Abs. 2 StGB. Nach § 57a Abs. 1 StGB kann die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe allerdings nach Ablauf von 15 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Möglichkeit der Aussetzung auf Bewährung nach § 57a Abs. 1 StGB beruht auf einer Entscheidung des BVerfG vom 21. 6. 1977. Danach muss ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter die gesetzlich geregelte Möglichkeit haben, vor seinem Tod wieder in die Freiheit zu gelangen (BVerfGE 45, 187). § 57a Abs. 1 StGB schafft einen Ausgleich zwischen einem aus der Menschenwürde folgenden Resozialisierungsanspruch einerseits und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit andererseits.

36
Q

Mit welchem elementaren Grundsatz könnte die Strafbarkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB kollidieren?

A

Im Strafprozess gilt der Grundsatz, dass niemand gehalten ist, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare). Dies folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). Auf einfachgesetzlicher Ebene lässt sich der Grundsatz aus §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 StPO herleiten. Die Pflichten aus § 142 StGB stehen hierzu im Widerspruch, denn hiernach sind Unfallbeteiligte gehalten, die Feststellung ihrer Person, ihres Fahrzeugs und der Art ihrer Unfallbeteiligung zu ermöglichen, wodurch ggf. eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit aufgedeckt wird. Das BVerfG hat die Norm jedoch im Jahr 1963 für verfassungsgemäß erklärt (BVerfGE 16, 191). Der Straftatbestand sei verhältnismäßig, weil zivilrechtliche Ansprüche der Unfallgeschädigten ohne ein staatliches Entfernungsverbot faktisch entwertet würden.

37
Q

Welche Funktionen haben Regelbeispiele im Strafrecht?

A

Regelbeispiele erfassen bestimmte Umstände, bei deren Vorliegen ein gesteigertes Unrecht der Tat gegeben ist. Bei Regelbeispielen handelt es sich nicht um Qualifikationstatbestände, sondern um (tatbestandsähnliche) Strafzumessungsregeln. Ein Beispiel stellt § 243 Abs. 1 StGB (besonders schwerer Fall des Diebstahls) dar, was sich bereits aus dem Wortlaut der Norm („in der Regel“) ergibt. Die in § 243 Abs. 1 StGB normierten Tatbestände sind weder zwingend noch abschließend: Auch wenn ein Regelbeispiel einschlägig ist, kann also das Vorliegen eines besonders schweren Falls verneint werden. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, einen besonders schweren Fall anzunehmen, auch wenn keiner der normierten Regeltatbestände erfüllt ist.

38
Q

Wie kann man den “Rücktritt” und die “tätige Reue” voneinander abgrenzen?

A

Der Rücktritt nach § 24 Abs. 1 StGB kommt nur bei einem versuchten Delikt in Betracht. Das bedeutet der subjektive Tatbestand muss vollständig erfüllt sein, der objektive Tatbestand wurde hingegen nicht vollendet. Der Rücktritt ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund und damit immer strafbefreiend.

Für bestimmte Delikte normiert der Gesetzgeber den Fall der tätigen Reue, was sich (untechnisch) als ein „Rücktritt vom vollendeten Delikt“ beschreiben lässt (vgl. etwa § 142 Abs. 4 StGB oder § 306e Abs. 1 StGB). Die Abstandnahme von der Tat kann bei tätiger Reue strafbefreiend, zumindest aber strafmildernd wirken.

39
Q

Wie lässt sich die Infektionen anderer mit Viruserkrankungen im Rahmen der Körperverletzung- und Tötungsdelikte einordnen?

A

Es kommt zunächst die einfache Körperverletzung in Betracht. Bei Erkrankung ist eindeutig eine körperliche Misshandlung gem. § 223 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu bejahen. Die Infektion mit einem Virus stellt zudem einen vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustand krankhafter Art dar und deren Hervorrufen damit eine Gesundheitsschädigung i.S.d. § 223 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Problematisch ist dies aber, wenn keinerlei Symptome vorliegen. Zudem kommt die Qualifikation in Betracht, da sich Viren als gesundheitsschädliche Stoffe i.S.d § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB einordnen lassen und auch die lebensgefährdende Behandlung einschlägig sein kann, § 224 Abs. 5 StGB.

Im Rahmen der Tötungsdelikte ist eine genaue Abgrenzung von Vorsatz zur Fahrlässigkeit erforderlich. Dabei ist im Rahmen der Fahrlässigkeit auch einzubeziehen, wie hoch die (bekannte) Todesgefahr durch Erkrankung an einem Virus ist und welche objektiven Sorgfaltspflichten sich daher ergeben. Fahrlässigkeit kann insbesondere angenommen werden, wenn einer Person eine (mögliche) eigene Infektion kannte oder nach ihren Erkenntnismöglichkeiten kennen musste und trotzdem mit weiteren Personen in Kontakt trat. Ob dafür schon der Aufenthalt in einem Risikogebiet ausreicht oder ein enger Kontakt mit einem bestätigten Fall erforderlich ist muss im Einzelfall abgewogen werden.

40
Q

Der Vorsitzende Richter eines Amtsgerichts erlässt aufgrund der Corona-Pandemie eine Maskenpflicht für sämtliche Sitzungstermine, welche Rechtsgrundlage kommt in Betracht?

A

Dem Vorsitzenden obliegt gem. § 176 Abs. 1 GVG die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung. Die Ausübung dieser sog. Sitzungspolizei umfasst dabei alle Maßnahmen, welche nach Ermessen des Vorsitzenden erforderlich sind, um einen störungsfreien Ablauf der Sitzungen zu gewährleisten. Ein legitimer Erwägungsgrund ist dabei auch die Gewährleistung der Gesundheit von Verfahrensbeteiligten und Zuschauern, so dass ein Handeln zur Vermeidung einer Verbreitung des Corona-Virus möglich erscheint. Bei dafür erforderlichen Sicherungsmaßnahmen ist aber auch der Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG) zu wahren. Dieser könnte eine entsprechende Anordnung im Einzelfall unverhältnismäßig erscheinen lassen, wenn beispielsweise Masken wegen Engpässen nicht erhältlich sind.