Sitzung 8: Angststörung Teil 1 mit Fokus auf dem Kindesalter Flashcards
Das Empfinden von Angst als Normativer Prozess
- > Angst kennt jeder
1. Ist eine normale Stressreaktion des menschlichen Körpers
2. Sinnvolle Reaktion mit hohem Überlebenswert:
a) Warnt vor Gefahr, Strafe
b) Ermöglicht schnelles Handeln (Kampf oder Flucht)
- Angst und Krankheit
a) Angst bei körperlichen Erkrankungen
b) Angst bei anderen psychischen Erkrankungen
c) Angst als eigene Erkrankung
Anteile von Angst
- Körperliche Empfindung
a) Kardiopulmonal:
Herzklopfen/ Brustschmerzen, Tachykardie Palpitationen, Thoraxschmerzen
b) Neuro-vegetativ:
Schwitzen, Trockener Mund, Schwindeln, Übelkeit, Tremor, Kribbeln, Harndrang, Missempfindungen - Gedanken/Fühlen
a) Katastrophisierende Gedanken: “Ich muss hier weg”, “Ich werde gleich sterben”, …
b) Depersonalisation:
Neben sich stehen, die Welt als unwirklich erleben - Verhalten
a) Sicherheitssignale
b) “Fight or Flight” (oder Freez)
c) Sich der Angst stellen
d) Vermeiden
e) Schreien/ Weinen
Typischer Verlauf von Angstreaktionen
- > biologisch verankertes Programm mit folgenden Eigenschaften:
a) Steigen schnell an: rasche Reaktion auf Gefahr ist sinnvoll
b) Klingen langsam ab: erhöhte Reaktionsbereitschaft sinnvoll
c) Können nicht einfach abgeschaltet werden: “Angsthormone” haben eine bestimmte Lebensdauer
Wann ist Angst eine behandlungsbedürftige Krankheit?
- -> Pathologisch ist nicht, dass Kinder Angst erleben, sondern wodurch sie ausgelöst wird
1. quantitative Unterschiede
a) Intensität: zu Intensiv
b) Dauer: zu lange anhaltend
c) Häufigkeit: zu häufig
- Qualitative Unterschiede
a) Auslöser: aus minoren Anlässen
b) Beeinträchtigung des weitere Entwicklungsverlaufs aufgrund der Ängste - Gefühl:
a) Kontrolllosigkeit
b) Starker Leidensdruck - Verhalten:
a) Häufiges Vermeiden von angstbesetzten Situationen
b) Häufiges Fliehen aus angstbesetzten Situationen
c) Starke Beeinträchtigung in der Lebensführung/ -qualität
Folgen einer Angststörung
- Vermeidungsverhalten (“Angst vor der Angst”)
- Abnahme von Aktivitätsniveau und Aktionsradius
- sozialer Rückzug bis hin zur völligen Isolation
- Unfähigkeit, Alltagssituationen zu bewältigen
- Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol, Benzodiazepine)
- Entwicklung depressiver Erkrankungen bis hin zur Suizidalität
Angststörungen im Kindes- und Jugendalter (ICD-10)
- Mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F9)
F93: “Emotionale Störungen des Kindesalters”
F93.0: Emotionale Störung mit Trennungsangst
F93.1: Phobische Störung des Kindesalters
F93.2: Störungen mit sozialer Ängstlichkeit
F93.80: Generalisierte Angststörung
-> müssen im K-&J-Alter angefangen haben, um diagnostiziert werden zu können - weitere Angststörungen des Kindesalters werden im F4 gecodet
Überblick Angststörungen DSM -5
- > Nicht unbedingt mit Beginn im Kindes- und Jugendalter
1. Störung mit Trennungsangst
2. Selektiver Mutismus
3. Spezifische Phobie
4. Soziale Angststörung (soziale Phobie)
5. Panikstörung
6. Agoraphobie
7. Generalisierte Angststörung
8. Substanz- / Medikamenteninduzierte Angststörung
9. Angststörung aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors
Überblick Angststörungen ICD-10
- F40.0: Agoraphobie
- F40.1: Soziale Phobie
- F40.2: Spezifische (isolierte) Phobie
- F41.0: Panikstörung
- F41.1: Generalisierte Angststörung
- F41.2: Angst und depressive Stimmung, gemischt
- F42: Angststörung
- F43.0: Akute Belastungsreaktion
- F43.1: PTBS
- F43.2: Anpassungsstörung
Emotionale Störung mit Trennungsangst: Zentrale Symptome und Vergabe der Diagnose
- Beginn im Kindes- & Jugendalter (F93.0)
- affektive/ kognitive Symptome:
a) unangemessene Angst bei Trennung von einer Bezugsperson
b) Anhaltende und exzessive Sorge, eine Bezugsperson zu verlieren (oder dass ihr oder dem Kind selbst etwas Schlimmes zustoßen könnte) - behaviorale Symptome:
a) Vermeidung von Trennungssituationen: Kinder weigern sich zur Schule zu gehen, alleine Zuhause zu bleiben, bei Fremden zu übernachten, Schwierigkeiten allein einzuschlafen,…
b) großes Bedürfnis nach Austausch mit den Eltern, Brief schreiben,.. - Somatische Beschwerden: Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen
- Vergabe der Diagnose: Symptome müsse vor dem 6. Lebensjahr auftreten und bereits mind. 4 Wochen andauern
Phobische Störung des Kindesalters: zentrale Merkmale
- Beginn im Kindes- und Jugendalter (F93.1)
- Symptome:
a) Anhaltende und exzessive Angst, in Anwesenheit oder Erwartung spezifischer Objekte oder Situationen
b) Exposition führt zu unmittelbarer Angst
c) Phobische Situationen werden vermieden oder unter intensiver Angst ertragen
d) Starke Beeinträchtigung des täglichen Lebens
Typische Phobien des Kindesalters
- Plötzliche, laute Geräusche
- Gewitter/unwetter
- Dunkelheit
- Monster unterm bett/ Phantasiefiguren
- Fremde, „Komische/merkwürdig“ aussehende Personen
- Andere große Kinder/ Jugendliche
- Tiere
Generalisierte Angststörung des Kindesalters (F93.80) - Hauptmerkmal & weitere Symptome
- Hauptmerkmal: Ängstliche Erwartung, die über einen langen Zeitraum (ICD-10: 6 Monate und mind. an der Hälfte der Tage) gegenwärtig ist und die Ängste beziehen sich auf mehrere Ereignisse (ICD-10: in mind. zwei Situationen)
- Kontrollverlust: ein psychologisch wichtiges Konstrukt ist, dass die Kinder das Gefühl haben, ihre Sorgen nur schwer kontrollieren zu können
- Sorgen sind mit Symptomen assoziiert:
a) Ruhelosigkeit und Nervosität -> Kinder wirken oft ängstlich-gehemmt, wenig selbstbewusst
b) Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten
c) Reizbarkeit; Muskelverspannung, Schlafstörungen
d) Meist starkes Bedürfnis nach Rückmeldung bzw. Rückversicherung
e) Seltener primäre Klagen über vegetative Symptome (findet man bei Erwachsenen oft, z.B.: Muskelverspannungen)
Generalisierte Angststörung des Kindesalters (F93.80): Diagnostische Kriterien nach ICD-10
(1) Ängste müssen vielfältig sein (mind. in zwei Situationen)
(2) es darf sich nicht um abgrenzbare Episoden von Angst handeln wie bei der Phobische Störung oder spezifischer Phobie
(3) Ängste müssen 6 Monate an mind. der Hälfte der Tage auftreten
Entwicklungsaspekte von Zwangshandlungen
- Wichtig: Im Kindesalter treten leichte Rituale und Aberglaube als Teil der normalen Entwicklung auf (treten zeitlich begrenzt auf, dominieren nicht das Verhalten des Kindes, nicht als fremdartig und inkongruent erlebt)
- Zwangssymptome scheinen bei Kidnern stärker als andere psychische Beschwerden überwiegend auf den häusliche-familiären Bereich ausgerichtet zu sein
- Zwangsgedanken mit sexuellen Inhalten finden sich häufiger in der Adoleszenz
- Beginn oft in einer Phase, in der Magisches Denken häufig ist
- > Denkstil macht Kinder anfälliger dafür, allerdings durchlaufen alle diese Phase, aber nur wenige entwickeln eine Zwangsstörung - Bestimmte entwicklungsphasenunabhängige kognitive Prozesse fördern ebenfalls die Entstehung:
a) Fokussierung auf potentielle Gefahren
b) Überzeugung eigener Verantwortung für potenzielle Unglücke
c) Versuche, Zwangsgedanken zu unterdrücken (Rebound-Effekt: wenn man versucht nicht an etwas zu denken, dann denkt man erst recht daran)
Bei welche psychischen Störungen treten noch Zwangssymptome auf?
- Geistige Behinderungen: Stereotypien mit einfachen motorischen Abläufen, Autostimulation und -mutilation (Zwänge dienen dem Spannungsabbau + Angstreduktion)
- Autismus: Zwanghafte Rituale sind in formaler Hinsicht einfacher und nicht vom ich-fremden Gefühlen des Ausgeliefertseins begleitet
- Organische Psychosyndrome (z.B.: Enzephalitis): Symptome haben nicht die typische angstreduzierende Funktion
- Anorexie: Zwänge immer im Dienst der Essstörung, werden nicht als unsinnig erlebt
PTBS
- Mit Beginn im jeden Alter (F4)
- Folge auf das Erleben außergewöhnlicher Bedrohungen
a) Das Kind kann selbst bedroht worden sein oder als Folge stellvertretender Erlebnisse
b) Typisch sind z.B. Naturkatastrophen, Krieg, Unfälle, Folterung, sexuelle oder körperliche Misshandlung - Erinnerungen an das Trauma:
a) Gegen den Willen im Wachzustand (Intrusionen, seltener Flashbacks) oder im Schlaf (Albträume)
b) Wiederholtes nachspielen der traumatischen Situation
Kinder und Jugendliche mit PTBS
- Mehr als ¼ der Kinder erlebt ein signifikantes traumatisches Ereignis bevor es erwachsen wird:
a) Missbrauch
b) Häusliche oder schulische Gewalt
c) Unfälle
d) Flüchtlingstrauma
e) Tod eines Angehörigen - Bei Kindern sind Symptome z.T. schwer zu erkennen
Kriterien F43.1 PTBS ICD-10
A: Die Betroffenen sind einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde
B: Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr Zusammenhängen
C: Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden
D: Entweder 1. Oder 2.
1. Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern
- Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der Belastung) mit zwei der folgenden Merkmale:
a) Ein- und Durchschlafstörungen
b) Reizbarkeit oder Wutausbrüche
c) Hypervigilanz
d) Erhöhte Schreckhaftigkeit
E: Die Kriterien B, C und D treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende einer Belastungsperiode auf (in einigen speziellen Fällen kann ein spätere Beginn berücksichtigt werden, dies sollte aber gesondert angegeben werden)