Sitzung 7: Entwicklungspsychopathologie Flashcards
Welche Lebensphasen werden definiert?
- Säuglingsalter
- Kindesalter
- Jugendalter
- Junges Erwachsenenalter
- Mittleres Erwachsenenalter
- höheres Erwachsenenalter
- > jede Lebensphase bietet Entwicklungschancen und -Risiken, die - je nach Bewältigung - ein günstiges oder ungünstiges Entwicklungsergebnis nach sich ziehen kann
Entwicklungspathologie: Definition
- Die Entwicklungspathologie soll durch ihren besodneren Fokus das Zusammenspiel von:
a) biologischen
b) Psychologischen
c) sozial-kontextuellen Aspekten
der normalen und abnormalen Entwicklung über die Lebensspanne beleuchten - Sie beschreibt also die Entstehung und Ursachen von abweichenden Verhalten und Erleben in der Entwicklung
Zentrale Eigenschaften der Entwicklungspsychopathologie
- Erforschung von Risiko- und Schutzfaktoren (in Längsschnittstudien): Risk factors, protectiv favtors, resilience
- Einfluss des Kontexts auf die (ab-)normale Entwicklung: Makro-, Exo-, Meso- und Mikro-Systeme
- Zusammenspiel von Normalität und Psychopathologie: fließende Grenzen, quantitative vs. qualitative Unterschiede
- Developmental Pathways: Äquifinalität und Multifinalität
- Prävention und Intervention/Therapie
Zentrale Eigenschaften der Psychopathologie: 1. Risikofaktor
- Definition: Einflussfaktoren (binärer Faktor [Exposition, Merkmal] , die die Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Störung erhöhen
- Bedingungen für die Klassifikation als Risikofaktor:
a) das zeitlich Auftreten des Faktors vor dem Auftreten des interessierenden Ereignisses (z.B.: Entwicklung einer psychischen Störung)
b) wenn er Auftritt mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Ereignisses einhergeht, d.h. der Faktor hängt mit der Störung zusammen (Achtung: reicht alleine als Merkmal nicht aus –> Kausalitätsrichtung unklar!)
Zentrale Eigenschaften der Psychopathologie: 2. Schutzfaktoren
- Werden eingesetzt, wenn (Entwicklungs)Anforderungen und Ressourcen diskrepant sind -> kann erst wirken, wenn eine Entwicklungsanforderung auftritt
- dienen der Vorbeugung und Vermeidung von “Fehlentwicklungen”
- wirken interaktiv als Puffer
- können die Wirkung von Risikofaktoren neutralisieren
Ressourcen: Definition und Arten
- Definition: zentrale aktuell verfügbare Entwicklungspotenziale
- Arten:
a) Individualressourcen: genetische und biologische Prädispositionen z.B.: Intelligenz, Emotionsregulationskompetenz
b) Umfeldressourcen: Familie, soziökonomische Faktoren, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen
z. B.: warmherzige Familie, eine gute Schule, Anschluss in einer Jugendgruppe - Weitere Ressourcen: Entwicklungspotenziale, die nicht mehr oder erst zukünftig verfügbar oder aktuell gebunden sind:
a) nicht mehr vorhanden: Verschwinden eines günstigen Umgebeungsfaktors z.B.: das Verlieren einer Bezugsperson nach einer Trennung
b) zukünftig verfügbar: z.B.: Genetische Disposition fpr das Erlernen von schulrelevanten Kenntnissen erst ab Eintritt in die Schule nutzbar
c) aktuell gebunden: Leistungsmotive, die an aktuelle Krisensituation gebunden sind, können nicht anderweitig eingesetzt werden
Kompensationsfaktoren: Definition
- Sind durch nicht bewältigte Anforderungen Fehlentwicklungen entstanden, werden kompensatorische Faktoren eingesetzt:
a) sie wirken bereits aufgetretenen Fehlentwicklungen entgegen z.B.: Die gute Beziehung zu einem Lehrer kann Schulleistungsabfällen nach einer Trennung entgegenwirken
Resilienz: Definition
- Die Kapazität eines Kindes, interne Anspannung zu regulieren und in der Umwelt (aktiv) nach Unterstützung zu suchen und diese zu akzeptieren. Prozess positiver Anpassung angesichts bedeutender Belastungen. Resiliente Kinder und Jugendlichen gelingt es, aversive Bedingungen, Ereignisse und Erfahrungen erfolgreich zu bewältigen und sie unbeschadet zu überstehen
- beinhaltet zwei essentielle Faktoren:
a) eine ernsthafte Bedrohung für die Entwicklung des Kindes muss vorhanden sein -> Risikofaktor
b) eine positive Entwicklung wird (trotzdem) erreicht
-> Resilienz ist zeitlich instabil, situationsspezifisch und multidimensional (in der einen Dimension ist man resilient und in der anderen nicht)
Ressource vs. Schutzfaktoren
- Vom Schutzfaktor abzugrenzen sind allgemein förderliche Faktoren (Ressourcen) , die auch dann mit förderlichen Wirkungen verbunden sind, wenn kein spezifisches Entwicklungsrisiko vorliegt
–> Wann oder was zu einem Schutzfaktor wird hängt davon ab, wie vielen und welchen Risiken man ausgesetzt ist, eine Ressource hat man immer, ist das stabilere Konzept was auch schon ohne Risikofaktor greift
Wichtige Längsschnittstunden in der Entwicklungspsychopathologie
- Kauai- Studie (Hawaii)
- Children in Community Studie (USA)
- Britische Kohorten-Studie 1-4
- Dunedin-Stuide (NZ)
- Christchurch Health & Developemnt Study (NZ)
- Pttsburg Youth Study (USA)
Mannheimer Risikokinderstudie (BRD)
Die Dunedin-Studie
als Beispiel für eine markante entwicklungspsychopathologische Längsschnittstudie
- Multidisziplinäre Langzeitstudie der Abteilung für Präventiv- und Sozialmedizin der Uni von Otago Neuseeland
- Rund 1000 junge Erwachsene werden regelmäßig auf ihre psychische. soziale und gesundheitliche Entwicklung hin untersucht
- Ausgewählt wurden Kinder, die zw. April 1972 und März 1973 in der Stadt Dunedin geboren wurden
- Gut 97% der ausgesuchten Kinder kommen heute in den mittlerweile in mehrjährigen Abständen stattfindenden Untersuchungen
- Dazu gehören psychologische Erhebungsmethoden wie Tests, Interviews und Fragebögen
Studie Moffitt et. al.: 2011: Die Bedeutsamkeit von Selbstkontrolle für das weitere Leben
1. Design der Studie: Inzwischen bei über 40 Jahren 2. Ein Beispielergebnis: Kindliche Selbstkontrolle sagt signifikant: a) die Gesundheit b) den sozioökonomischen Status c) das Einkommen d) die Kriminalität im Erwachsenenalter (32 J.) voraus -> je höher die Kindliche Selbstkontrolle, desto besser sind diese Faktoren im Erwachsenenalter s. F. 14
Identifizierte Risikofaktoren: 1. organische einschließlich biologische Faktoren
- Prä- und perinatale Risiken (Geburtskomplikationen, niedriges Geburtsgewicht)
- Alkohol, Drogen, Nikotin während der Schwangerschaft
- Genetik/Temperament
- Geschlecht
- Lernbedingungen / Wahrnehmungsstörungen
- Unzureichende Impulskontrolle, Emotionsregulation
Identifizierte Risikofaktoren: 2. Familiäre Faktoren
- Eltern-Kind Faktoren:
a) Mangel an liebevoller Zuwendung und Bindung
b) inkonsistentes Erziehungsverhalten
c) harte Bestrafungen (z.B.: körperliche Gewalt) - Individuelle/ Partnerschaftliche Faktoren:
a) Depression der Mutter
b) Konflikte zw. den Eltern
c) Kriminalität der Eltern
d) hoher familiärer Stress
Identifizierte Risikofaktoren: 3. soziale Faktoren
- Mangel an sozialer, finanzieller Unterstützung
- Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse
- niedriger sozio-ökonomischer Status
- Migration
Das Ausmaß adoleszenter Verhaltensprobleme in Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren
s. F. 18
positive Korrelation zw. Anzahl der Risikofaktoren und problematischen Verhaltensweisen
Einfluss des Kontexts auf die (ab-)normale Entwicklung - 2. zentrale Eigenschaft
- Mikroebene: Enges Soziales Umfeld
- Exosystem: Arbeitsstelle
- Mesosystem: weites Umfeld / Kontext in dem Man lebt
- Makrosystem: Rahmenbedingungen wie: Schuleintritt, Migration, Geburt,..
s. F. 22
Zusammenspiel von Normalität und Psychopathologie - zentrale Eigenschafts 3. - Gesundheit und Krankheit ver. Auffassungen
- Kontinuum von Gesundheit und Krankheit (fließende Übergange, Gesundheit ist nicht nur Abwesenheit von Krankheit)
- Gesundheit und Krankheit sind zwei unabhängige Dimensionen
Gesundheit gemäß WHO und Kritik
- Zustand vollkommenden körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefinden
- Nicht allein das Fehlen von Krankheit/Gebrechen
- Probleme:
a) WHO setzt Ziel in einem unerreichbaren Zustand und diskriminiert den Zustand der Krankheit, der zu den menschlichen Grunderfahrungen gehört
b) aus Krankheit können adaptive Fähigkeiten entwickelt werden
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948)
- für einzelne Entwicklungsabschnitte gibt es alterstypische Entwicklungsaufgaben
- Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben stellen Entwicklungsziele dar
- daraus ergeben sich neue Entwicklungschancen
- sensible Entwicklungsabschnitte
Entwicklungsaufgaben (EA) und mögliche Störungen (MS) - Frühe Kindheit (0-6J.)
- EA: biologische Regulation
MS: Schrei-, Schlaf- und Fütterungsprobleme - EA: effektives Bindungsverhalten (attachment)
MS: Anpassungsstörung - EA: dyadische Interaktion
MS: Kommunikationsstörung (Autismus)
Entwicklungsaufgaben (EA) und mögliche Störungen (MS)
Adoleszenz (12-18 J.)
- EA: Aufbau neuer und reifer Beziehungen
MS: schizoides Verhalten - EA: Übernahme der Geschlechtersolle
MS: sexuelle Reifungskrise - EA: Akzetieren der eigenen Person/ körperlichen Erscheinung
MS: Selbstwertproblematik/ Essstörung - EA: Selbstwertgefühl, sozialer Vergleich
MS: Depression - EA: Vorbereitung auf Ehe/ Familie / Beruf
MS: Suizid(versuch) - EA: Zeit- und Zukunftsperspektive
MA: delinquentes Verhalten - EA: Aufbau eines Wertsystems und ethischen Bewusstseins als Richtungsschnur für eigenes Verhalten
Prinzipien der Entwicklungspsychologie
- Äquifinalität: Ver. Risikofaktoren führen zu ein & demselben Ergebnis
- Multifinalität: Ein und derselbe Risikofaktor führt zu unterschiedlichen Störungen
Entwicklungspsychopathologie: Biopsychosozialer Forschungsansatz
I. Gegenstand der Entwicklungspsychopathologie: ist das Beschreiben, Erklären und Vorhersagen von psychischen Störungen ebenso wie die Identifikation von Bedingungen, die das Risiko von Fehlentwicklungen reduzieren
II. biopsychosozialer Forschungsansatz: bedeutet ein interdisziplinärer Ansatz, der neben entwicklungspsychologischen Perspektiven auch klinisch-psychologische, biologisch-medizinische, soziologische und kulturvergleichende Perspektiven integriert Vermeidung einseitiger Erklärungsmodelle
Potenzielle Definitionskriterien für eine psychische Störung im kindes- und Jugendalter
I. Abweichung von der Entwicklungsnorm (statistischen Norm): Stellt kein hinreichendes Merkmal da (z.B.: Hochbegabung weicht auch von der Norm ab, ist aber keine psychische Störung)
II. Subjektiver Leidensdruck: Auch kein hinreichendes Kriterium, da junge Kinder ihren Leidensdruck evtl. nicht ausdrücken können oder die Umwelt ein Problem wahrnimmt, das betroffene Kind jedoch nicht
III. Gefährdung von Personen: der eigenen oder anderer Personen -> kann jedoch nur bei einigen weniger Störungen als Abgrenzungskriterium gelten
-> Keines der Kriterien kann für sich genommen kann ausreichen, um eine psychische Störung im Kindesalter zu definieren
Definition: psychische Störung des Kindes- und Jugendalters
I. Eine psychische Störung im Kindes- und Jugendalter ist dadurch charakterisiert, dass sie das betroffene Kind bzw. den Jugendlichen darin beeinträchtigt, seine alterstypischen Entwicklungsaufgaben erfolgreich zu bewältigen
II. Nachgeordnetheit der oben genannten Kriterien: Eine Beeinträchtigung in der Bewältigung von alterstypischen Aufgaben kann durch die oben genannten Kriterien zu Ausdruck gebracht werden (Verletzung der statistischen Norm, subjektiver Leidensdruck Gefährdungskriterium)
III. die Definition bezieht das Alter des Kindes mit ein und dann bestimmte Dinge in einem bestimmten Alter unproblematisch in einem anderen Alter jedoch problematisch seien können (z.B.: Einnässen)
Verhältnis Entwicklungsaufgaben und Entwicklungsziele
I. Einzelne Entwicklungsabschnitte erfordern die Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben, die Erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben stellt ein Entwicklungsziel dar. Aus dem Erreichen solcher Ziele ergeben sich neue Entwicklungschancen
II. Störungen der Entwicklung können zu einer Nicht-Erreichung eines Entwicklungsziels führen, das aus der Nicht-Bewältigung einer alterstypischen Entwicklungsaufgabe resultiert und damit sind auch zukünftige Entwicklungschancen gefährdet