Sitzung 4: Klassifikation und Diagnostik Flashcards

1
Q

Definition Klassifikation:

A
  1. Klassifikationen sind Bemühungen die Vielheit an Einzelerscheinungen in übergeordneten Einheiten zu ordnen
  2. Neben der Suche nach übergeordneten Einheiten versteht man unter Klassifikation auch den Vorgang der Zuordnung eines Elementes, dessen Klassenzugehörigkeit man nicht kennt, zu vorgegebenen Klasse
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2
Q

Welche Forderungen an Klassifikationen werden gestellt?

A
  1. Eindeutigkeit: eindeutig einer Klasse zugeordnet
  2. Ausschließlichkeit: fällt nur in eine und nicht in mehrere Klassen
  3. Vollständigkeit: kein Wert existiert, der keine Klasse zugeordnet werden kann
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3
Q

Was ist die Aufgabe der Krankheitslehre und was ist das Fachwort für Krankheitslehre?

A
  1. Nosologie
  2. Eine systematische Beschreibung von Krankheiten und Krankheitsverläufen
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4
Q

Auf können was basieren Klassifikationen?

A
  1. Merkmalsdefinition: Identifikation von Merkmalen, die überzufällig häufig gemeinsam auftreten -> Syndrome
  2. Personenklassifikation: Finden homogener Gruppen von Personen -> Typologie
  3. Dimensionale Klassifikation (mit kontinuierlichen Dimensionen) vs. Kategoriale Klassifikation (qualitative Unterschiede)
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5
Q

Kategorial Systematiken

A
  1. Grundvorstellung: die einzuteilenden Phänomene können eindeutig voneinander getrennt werden
  2. Goldstandrad: Obwohl psychische Störungen unscharf sind und kategoriale Systematik somit unpassend schein, gelten sie als Goldstandard/ Idealziel vor dem Hintergrund des medizinischen Modells
  3. Psychiatrische Nosologie: Die kategoriale Systematik ist die Systematik der psychiatrischen Nosologie –> Nähe zum medizinischen Modell
  4. Kategorial (Diskontinuität): Hat eine Person eine Krankheit? -> Ja oder Nein
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6
Q

Klassifikation im historischen Wandel

A

Typen- und Syndromlehren: Entsprechend einem Ordnungsbedürfnis des Menschen, die beobachtbare Vielfalt von Eigenschaften und Symptomen beim gesunden und kranken Menschen zu klassifizieren z.B.: Temperamentstypen von Hippokrtaes (vgl. Exkurs Geschichte, Antike) oder die Konstitutionstypen von Kretschmer (Anfang 20 Jh.)

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7
Q

Prozess der Klassifikation

A
  1. Genaue Erfassung der Störungsmerkale
  2. Erstellung einer Taxonomie: Bildung unterschiedlicher Kategorien bzw. Klassen
  3. Zuordnung des Einzelfalls zu einer Kategorie bzw. Klasse (diagnostische Identifikation)
    -> Dabei wird unterschieden zw.:
    a) Syndromatischer Klassifikation (nach Symptomen)
    b) Nosologischer Klassifikation (nach ätiologischen Merkmalen und Verlaufsmerkmalen)
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8
Q

Klassifikation im historischen Wandel – klassische psychatrische, psychoanalystische und charakterologische Klassifikation

A
  1. Die Psychatrie hat im Verlauf der letzten hundert Jahre eine Vielzahl von Klassifikationen hervorgebracht
  2. Einzelne Klassifikationssysteme unterschieden sich hinsichtlich ihres Ordnungsprinzip und ihrere Terminologie
  3. Gemeinsakeiten ist eine Dreitelung in:
    a) „körperlich bedründete psychische Störungen“
    b) „endogane Psychosen“
    c) „abnormale Spielarten seelischen Wesens“
  4. Grundlagen aller Klassifikationsbemühungen: System von Kraepelin (1909-1915) -> heute nicht mehr von Bedeutung
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9
Q

Exkurs: Klassische psychatrische, psychoanalytische und charakterologische Klassifikation: Psychoanalyse

A
  1. Einteilung in Neurosen
  2. Klassische Neurosenstrukturen:
    a) Hysterie
    b) Zwang
    c) Phobie
    d) reaktive Depression
  3. Mache Autoren unterscheiden noch weiter zw.:
    a) Schizoider Neurosenstruktur
    b) Angstneurose
    c) Neurasthenie

4.Die Psychoanalytikerinnen benutzen weitgehend die gleiche oder eine ähnliche Systematik wie die Psychaterinnen, sie unterscheiden sich eig. nur hinsichtlich der theoretischen Modelle, die sie ihrer Systematik zugrunde legen

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10
Q

Exkurs: Klassische psychiatrische, psychoanalytische und charakterologische Klassifikation: Persönlichkeitspsychologie

A
  1. Eysenck unterschied vier Grunddimensionen:
    a) Extraversion/Introversion
    b) Neuotizismus
    c) Psychotizismus
    d) Intelligenz
    -> „dysthymische Neurosen“ (Störungen erster Art): hohes Ausmaß an Neurotizismus und Extraversion, dazu zählen Angstzustände, reaktive Depression, Zwangsneurosen und Phobien
    -> „soziopathische Neurosen“ (Störungen zweiter Art): hohes Ausmaß an Neurotizismus und Introversion, dazu zählen Hysterie und Psychopathie
  2. Psychosen unterschieden sich qualitativ von den Neurosen:
    Manisch-depressive Psychosen werden durch ein hohes Ausmaß an Psychotizismus und Extraversion, Schizophrenie durch ein hohes Ausmaß an Psychotizismus und Introversion bestimmt
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11
Q

Welche Klassifikationssysteme werden heute ausschließlich in Forschung und Praxis verwendet?

A
  1. DSM-IV / V
    2.ICD-10 / ICD-11
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12
Q

Argumente gegen kategoriale Klassifikation

A
  1. Einwände gegen die Typisierung und Gruppierung von Menschen im Allgemeinen als auch gegen die psychiatrischen, psychoanalytischen und charakterologischen Klassifikationen im Besonderen:

a) Informationsverlust: Einzigartigkeit und Einmaligkeit eines jeden Menschen vs. Reduktion auf wenige Merkmale durch Klassenzuordnung

b) Gefahr der Stigmatisierung: Möglichkeit vielfältiger negativer Folgen einer Diagnose

  1. Unklare Abgrenzung der diagnostischen Kategorien und deren Reliabilität und Validität
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13
Q

Argumente für eine kategoriale Klassifikation

A
  1. Ökonomische Funktion: Ordnet man Personen aufgrund einiger Merkmale einer bestimmten Klasse zu, so lassen sich weitere Eigenschaften, Verhaltens- und Erlebensweisen antizipieren -> ermöglicht Vorhersagen
  2. Kommunikative Funktion: erleichtern die Verständigung unter Fachleuten, die mit der Betreuung /Unterstützung von Personen mit psychischen Störungen befasst sind
  3. Indikative Funktion: können dazu beitragen, effizientere Entscheidungen über einzusetzende Behandlungsformen zu treffen
  4. Erleichtern den Vergleich von Forschungsergebnissen und die Durchführung von Untersuchungen auf vergleichbarer Basis
  5. Wachsendes Störungswissen -> störungsspezifische Therapien -> therapeutische Konsequenz
  6. Deutlich verbesserte Reliabilität der Diagnose durch:
    a) Einführung expliziter diagnostischer Kriterien und Algorithmen
    b) Entwicklung einer Reihe standardisierter Verfahren zur Erfassung der psychischen Diagnose
  7. Abrechnung mit den Leistungsträgern (Krankenkassen) erfordert klassifikatorische Diagnose
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14
Q

Grundproblem klassischer Klassifikationssysteme:

A
  1. Geringe Reliabilität
  2. Rosenthan-Experiment
  3. Hohe Ergebnisvarianz epidemiologischer und klinischer Studien
    -> Ursache: mangelnde Operationalisierung diagnostischer Kriterien, keine systematische Befunderhebung
  4. Keine prognostische und therapeutische Validität
  5. Hohe Stigmatisierungsgefahr
  6. Keine Übereinstimmung zw. „Schulen“, Institutionen und Ländern
  7. Keine sinnvolle Sprache für alle an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen
  8. Keine Bindung an wissenschaftliche Kriterien der Forschung
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15
Q

Prinzipien moderner Klassifikationssysteme

A
  1. Theorielos: orientieren sich nicht an einer bestimmten Theorie, da sie für Kliniker unterschiedlicher theoretischer Orientierungen und Schulen annehmbar sein sollen
  2. Deskriptive Ausrichtung: basieren auf der Beschreibung beobachtbarer und explorierbarer klinischer Merkmale bzw. Symptomen, die durch inhaltliche und zeitliche Kriterien festgelegt sind, nicht auf ätiologischen Zusammenhängen
  3. Klassifizierten Störungen: die bei Personen vorliegen, nicht aber Personen
  4. Komorbiditätsprinzip: erlauben die Diagnose von mehreren Störungen bei einer Person (multiple Diagnosen) bzw. von Komorbidität
  5. Konzept der Multiaxialität: jede Person wird auf mehren „Achsen“ gleichzeitig beurteilt -> aber: DSM 5 Konzepte der Aschen aufgegeben
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16
Q

Internationale Vereinheitlichung der Systematik psychischer Störungen

A
  1. DSM-IV(1994) / DSM-IV-TR (2003) / DSM V (20139
    Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen der American Psychiatric Association (APA)
  2. ICD-10 (1991) /ICD-10 GM (2009)
    Internationale Klassifikation psychischer Störungen Kapitel V (F) der WHO
  3. Einführung expliziter diagnostischer Kriterien und Algorithmen -> Entwicklung einer Reihe standardisierter Verfahren zu Erfassung der psychischen Diagnosen -> deutlichen verbesserten Reliabilität der Diagnosen
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17
Q

Klassifikationssysteme in der klinischen Psychologie: ICD-10: Zweck, Was für ein Klassifikationssystem, Welche Diagnosen, Herrausgeber

A
  1. Zweck: Beschreiung von Störungsgruppen mithilfe von Kriterien
  2. Kategoriales Klassifikationssystem (F1-F9)
  3. Umfasst alle (medizinischen) Diagnosen
  4. Bindend für die Abrechnung mit dem Krankenversicherungen in Deutschkand (ICD-10 GM, 2017)
  5. Herrausgeber: WHO
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18
Q

Klassifikationssysteme in der klinischen Psychologie: DSM-V: Zweck, Welche Art von Klassifikationssystem, was umfasst es, wann wird es angewandt, Herrausgeber

A
  1. Zweck: Beschreibung von Störungsgruppen mithilfe von Kriterien
  2. Kategoriales Klassifikationssystem mit dimensionaler Einordnung
  3. Umfasst nur psychische Diagnosen
  4. Gilt als Referenzwerk für die Forschung (Forschungsdiagnosen)
  5. Herausgeber American PSychiatric Association (APA)
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19
Q

Psychische Störungen nach ICD-10

A

Die ICD-10 besteht aus insgesamt 21 Kapiteln -> Kapitel 5 (Psychische und Verhaltensstörungen) beinhaltet die Klassifikation Psychischer Störungen -> Psychische Störungen sind hier in zehn Hauptgruppen mit fast insgesamt 400 Diagnosen eingeteilt. Den Teilbereichen erlaubt das ICD ca. 1000 Unterscheidungen

  1. F1: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
  2. F2: Schizophrenie, schizotyp und wahnhafte Störungen
  3. F3: Affektive Störungen (Depressionen, Manie, bipolare affektive Störungen, anhaltende affektive Störungen
  4. F4: Neurotische- Belastungs- und somatoforme Störungen
    a) Phobische und sonstige Angststörungen: Panikstörungen, Agoraphobie, soziale Phobie, generalisierte Angststörung, …
    b) Zwangsstörungen (Handlungen oder/und Gedanken)
    c) Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung)
    d) Dissoziative Störungen (psychogene Amnesie, psychogenes Weglaufen, multiple Persönlichkeitsstörung,..)
    e) Somatoforme Störungen (Somatisierungssyndrm, Konversionssyndrom, psychogenes Schmerzsyndrom, Hypochondrie, …)
  5. F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren:
    a) Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa,..)
    b) Nicht-organische Schlafstörungen (Insomnie, Hypersomnie, Pavor nocturnus,..)
    c) Sexuelle Funktionsstörugnen (Erektions-, Ejakulationsstörungen, Vaginismus,..)
  6. F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen:
    a) Persönlichkeitsstörungen (Borderline, dissozilae, histrionische,..)
    b) Störungen des Sexualpräferenz (Exhibibitionsismus, Fetischismus, Pädaphilie,..)
    c) Störungen der Geschlechtsidentität (Transsexualismus,..)
  7. F7: Intelligenzminderung
  8. F8: Entwicklungsstörung (Sprechen, Sprache; Lese- und Rechtschreibstörung, Rechenstrung, Autismus,…)
  9. F9: Störungen mit Beginn im Kindes- oder Jugendalter: (Hyperkinetische Störung, Störung des Sozialverhaltens, Depression, Ängste, Tic, Enuresis, Enkropesis)
  10. F99: nicht näher bezeichnete psychische Störungen
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20
Q

Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F))

A
    1. Revision (1991) der ICD enthält neben der allgemienen Krankheitsbeschreibung diagnostische Leitlinien
  1. Es wurde versucht, die ICD-10 soweit wie möglich mit der DSM-III-R und mit der damals noch in Entwicklung befindlichen DSM-IV kompatible zu machen
  2. Internationale Klassifikation psychicher Störungen ICD-10 Kapitel V (F), klinische-diagnostische Leitlinien (2005)
  3. Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V (F) Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis
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21
Q

Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10 Kapitel V (F)) : Der Sechsstellige Diagnoseschlüssel des ICD-10

A
  1. ersten Stelle: Hauptgruppen: Störungen werden in Hauptgruppen geteilt. Gibt Hinweis auf psychische Störung eingeteilt:
    F0 - F99
  2. Zweite Stelle: Hauptkategorien: Störungen werden weiter differenziert, sie umfasst ver. als zusammengehörig betrachtete Störungen
    z.B.: F1, F10: Störungen durch Alkohol, F11: Störungen durch Opioide,..
  3. Dritte Stelle: Kategorien:
    weitere Unterteilung in einzelne Störungseinheiten
    z.B.: F1: F10.0 akute Intoxikation, F10.1 schädlicher Gebrauch, F10.2 Abhängigkeitssyndrom,
  4. vierte Stelle: Subkategorien:
    weitere Differenzierungen, Spezifikation u.a. aufgrund inhaltlicher Gestaltung (z.B.: Art der Phobie) o. Schwergrad
    z.B.: F1: F10.00 ohne Komplikationen, F10.03 mit Delir
  5. Fünfte Stelle: Zusatzspezifikation:
    Spezifikation u.a. aufgrund von Verlauf, somatischer Syndromatik, inhaltlicher Gestaltung
    Z.B: F40.00 Agroaphobir ohne Panikstörung, F14.24 Abhängigkeitssyndrom von Kokain bei gegenwärtigem Substanzgebrauch
  6. Sechste Stelle: Zusatzspezifikation:
    wird nur bei einigen Störungsgruppen (z.B.: Abhängigkeitssyndrom, bipolare affektive Störungen) zur Zusatzspezifikation verwendet
    Z.B.: F14.241 Abhängigkeitssyndrom von Kokain, bei gegenwärtigem Substanzgebrauch, mit körperlichen Symptomen
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22
Q

Das DSM-V – eine Kontroverse

A
  1. DSM als weltweite „Schrift“ für Psychiater und Psycholog*innen
  2. Erschienen 2013 in der fünften, aktuellen Version
  3. Setzt neue Standards für die Erforschung & Behandlung psychische Störungen
  4. Sorgt für erhebliche Diskussionen: Kritiker befürchten, dass das DSM_V viele geltender Krankheitskriterien „aufweicht“ und zu einer drastischen Erhöhung der Patientenzahl führen wird
  5. „British Medical Journal“ bemängelt, dass 56% der Arbeitsgruppenmitglieder von der Pharmaindustrie Geld bekommen haben -> Vergabe von „gesponserten“ Störungen?
  6. Psychiatrieprofessor Allen Frances (DSM-IV-Verantwortlicher): wart vor Inflation der Störungen wie z.B.: Binge-Eating-Störung -> ABER: zukünftige Inflation psychischer Störungen nicht erwiesen, und zu beachten ist, dass psychische Störung nicht gleich Behandlungsbedarf impliziert
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23
Q

DSM-V Neuerungen

A
  1. Niedrige Hürden: Kriterien für viele Diagnosen werden weiter gefasst, um „nicht näher bezeichnete Störung“ zu reduzieren
  2. Dimensionale Einordnung: Zusätzlich zu kategorialen Störungseinordnung kann auch die Stärke der Ausprägung beurteilt werden
  3. Neue Krankheitsbilder: Nicht trennscharfe Störungsbilder (z.B.: Asperger-Syndrom) werden gestrichen oder zusammengefügt und einige neue Störungen werden aufgenommen
  4. Risikosyndrome: Mildere Ausprägungen werden als „Risikosyndrome“ definiert, um drohenden schweren Störungen (z.B.: Psychosen) frühzeitig zu begegnen
  5. Aufhebung Multiaxialität & Betonung von dimensionalen und störungsübergreifenden Maßen
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24
Q

DSM-V: Beispiel Substanzgebrauchsstörung

A
  1. Dimensionales Störungsmodell mit 11 Kriterien
  2. Schweregrad: moderat (2-3 Kriterien erfüllt), schwer (4 und mehr):
  3. Wiederholter Konsum, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt
  4. Wiederholter Konsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann
  5. Wiederholter Konsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
  6. Toleranzentwicklung gekennzeichnet durch Dosissteigerung und verminderte Wirkung
  7. Entzugssymptome oder deren Vermeidung durch Substanzkonsum
  8. Konsum länger oder in größeren Mengen als geplant (Kontrollverlust)
  9. Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche der Kontrolle
  10. Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz sowie Erholen von der Wirkung
  11. Aufgabe oder Reduzierung von Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums
  12. Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis von körperlichen oder psychischen Problemen
  13. Craving, starkes Verlangen oder Drang die Substanz zu konsumieren
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25
Q

Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD-2)

A
  1. das spezifische krankheits- und Therapieverständnis der Psychoanalyse abgestimmtes Diagnose-Manual des Arbeitskreises OPD Heidelberg (2006)
  2. Besteht aus vier psychodynamischen und einer deskriptiven Achse:
    a) Achse 1: Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen
    -> Der Patient muss „dort abgeholt werden, wo er steht und wo er etwas erwartet“ d. h. bei der Beschwerdesymptomatik und den Therapieerwartungen
    b) Achse 2: Beziehung -> gibt dem Wechselspiel von Übertragung &
    Gegenübertragung entscheidendes Gewicht
    c) Achse 3: Konflikt
    -> Berücksichtigung der zentralen Rolle innere Konflikte
    -> Lebensbestimmende, verinnerlichte Konflikte können den eher aktuellen, äußerlich determinierten konflikthaften Situationen gegenübergestellt werden
    d) Achse 4: Struktur:
    -> konzeptualisiert die Struktur des Selbst in Beziehung zum anderen
    -> Funktionen: Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Abwehr, Objektwahrnehmung, Kommunikation und Fähigkeit zur Bindung
    e) Achse 5: Psychische und Psychosomatische Störungen
    -> syndromal-deskriptive Diagnosen nach ICD-10 Kapitel V (F)
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26
Q

Wie lassen sich psychische Störungen beschreiben?

A
  1. Kategorial
  2. Dimensional
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27
Q

Worauf basieren Diagnostische Klassifikationen und was ermöglichen sie?

A
  1. Sie basieren auf wissenschaftlichen Standards
  2. Sie ermöglichen eine gute Zuordnung Beschwerden /Symptome zu diagnostischen Kategorien & erleichtern die Kommunikation zw. Therapeut & Patient
28
Q

Klasse: Definition

A

Gruppen, für die sich genau und eindeutig angeben lässt, durch welche gemeinsamen Merkmale sie von anderen Gruppen abgrenzbar sind

29
Q

Probleme der Klassifikation psychischer Störungen

A

Psychische Störungen ≠ Klassen: Die Grenzen zwischen Psychischen Störungen sind unscharf und Merkmale, die für eine bestimmte Störung charakteristisch zu sein scheinen, lassen sich oft auch bei anderen Störungen auffinden

30
Q

Klassifikation in der Psychiatrie/Psychologie: Taxonomie und klassifikatorische Diagnostik

A
  1. Die Taxonomie: Systematisierung psychischer Störungen
  2. Die diagnostische Identifikation/ klassifikatorische Diagnostik: Die Zuordnung bzw. den Prozess der Zuordnung bestimmter Merkmale oder Individuen zu diagnostischen Klassen bzw. Kategorien eines bestehende Klassifikationssystems
31
Q

Dimensionale Systematik: Grundvorstellung, Verfahren, Diagnostik & Nähe zu welchem Modell

A
  1. Grundvorstellung: es gibt eine kontinuierliche Verteilung des Phänomens –> Hat ein eine Person kein fortwährender Messung von Krankheitswerten einen bestimmten Grenzwert überschritten, wird sie als krank klassifiziert
  2. Quantitative Unterschiede: Versuch kategoriale Zuschreibungen zu vermeiden und des psychischen Zustands einer Person mehrdimensional zu beschreiben -> keinen qualitativen, sondern nur einen quantitativen Unterschied zwischen ver. Störungen und psychischer „Normalität“
  3. Verzicht auf die diagnostische Identifikation: die mehrdimensionale, komplexe Beschreibung des Zustands einer Person, ermöglicht es Diagnosen zu umgehen
  4. Verfahren: Selbst- und Fremdbeurteilung; durch die man versucht herauszufinden, wie belastet jemand ist, worunter er leidet und welche Probleme er hat
  5. Nähe zum psychosozialen Modell
32
Q

Kategoriale Systematik: Psychiatrische Nosologie

A

(1) den Glauben, dass es „natürlich vorgegeben“, eindeutig voneinander abgrenzbare Krankheitseinheiten gibt  psychische Krankheiten lassen sich eindeutig und logisch in Unter-, Neben-, und Überordnung bringen
(2) Es ist möglich ein ebenso logisches wie natürliches und zugleich vollständiges System der Krankheiten zu schaffen

33
Q

Kategoriale Systematik: Attraktivität

A

Hat den Anspruch Aussagen über den zu erwartenden Verlauf, Ursachen und angemessene Behandlungen von psychischen Krankheiten zu ermöglichen  verspricht also einen praktischen Nutzen aus Sicht des medizinischen Modells, ob es diesen Nutzen gibt bleibt fraglich

34
Q

Dimensionale Systematik - Probleme

A

Konnte es bisher am wenigsten durchsetzen, da
(1) mehrdimensionale Beschreibungen sind aufwendig und schwer
(2) eine Klassifikation ohne diagnostische Identifikation scheint eher unbefriedigend zu sein

35
Q

Typologische Systematik: Grundvorstellung & Ziele & Nähe zu welchem Modell?

A

I. Grundvorstellung: basiert auf „repräsentativen Fällen“ oder „Idealkonfigurationen“, denen sich einzelne „Fälle“ mehr oder weniger gut zuordnen lassen
II. Ziel: diagnostische Identifikation unter der Berücksichtigung, dass psychische Störungen nicht als eindeutig voneinander zu trennende Klassen begriffen werden können -> lösen damit einige Probleme der kategorialen Systematiken, erlauben aber immer noch Diagnosen zu stellen
III. Nähe zum medizinischen Modell, da es Diagnosen zulässt

36
Q

Typologische Systematik: Kategoriezuordnung & Prototypen

A
  1. Kategoriezuordnung: benötigen keine notwendigen und hinreichende, sondern nur korrelierende Merkmale und lassen sowohl Grenzfälle zwischen den Störungen als auch (qualitative und quantitative) Unterschiede innerhalb von Störungsbildern zu
  2. Prototypen: Psychische Störungen werden als Prototyen angesehen, denen sich einzelne Personen („Fälle“) mehr oder weniger gut zuordnen lassen
37
Q

Typologische Systematik: Sichtweise auf psychische Störungen & Offenheit

A
  1. Psychische Störungen als Konstrukte: nicht als „nosologische Einheiten“ bzw. „reale Krankheiten“, sondern als Konstrukte, die von Experten vorgeschlagen werden und die den jeweiligen Stand von Theorie und Forschung, aber auch den jeweiligen gesellschaftlichen und berufspolitischen Hintergrund widerspiegeln
  2. Offenheit: Typologische Systematiken sind offen für „neue“ Störungen bzw. neue Zuordnungen bereits bekannter Störungen -> „Revision“ der Klassifikationssysteme sind vorprogrammiert und erwünscht
38
Q

Varianten von Klassifikationssystemen in der KLIPS

A

In der Psychiatrie und Klinischen Psychologie spielen alle drei Systematiken eine Rolle, aber es wird selten von kategorialen, dimensionalen oder typologischen Systematiken geredet, stattdessen von deskriptiv oder ätiologisch

39
Q

deskriptiv Klassifikationssysteme

A
  1. Erheben den Anspruch, dass vorgefundene Phänomene lediglich beschrieben und geordnet werden, tätigen aber keine Aussagen zur Entstehung von psychischen Störungen
  2. sind aktuell favorisiert & die „moderneren“ Systeme
  3. Gelten als atheoretisch: wird als Neutralität hinsichtlich unterschiedlicher ätiologischer Annahmen ausgelegt und erhält damit eine positive Konnotation, nur empirisch überprüfbare Annahmen werden berücksichtigt. Weil früher die ätiologischen Annahmen oft eng mit der Psychoanalyse verknüpft waren ist damit aber gleichzeitig eine Distanzierung von der Psychoanalyse impliziert
  4. „klinisch bedeutsames Syndrom“: sorgfältiger Umgang mit Diagnosen, von einer psychischen Störung wird erst dann gesprochen, wenn ein „klinisch bedeutsames Syndrom“ vorliegt, d.h.
    a) Bestimmte Systemkonfigurationen vorliegen
    b) Die Symptome eine bestimmte Intensität erreichen
    c) Über einen bestimmten Zeitraum andauern
40
Q

deskriptiv Klassifikationssysteme: Vorteile und Nachteile der Konzentration auf klinisch bedeutsame Symptome

A
  1. Vorteil von der Konzentration auf „klinisch bedeutsame“ Syndrome:
    Vor dem Hintergrund des Etiketierungsansatzes kann man positiv bewerten, dass mehrere Symptome über einen bestimmten Zeitraum vorliegen müssen und nicht nur ein einziges Symptom
  2. Nachteil der Konzentration auf „klinisch bedeutsame“ Syndrome:
    Die Schwellen lassen sich jedoch auch kritisch sehen, bekommen Menschen, die nur unterschwellig ausgeprägte Störungen haben, dann noch die Hilfe, die sie benötigen?
41
Q

deskriptive Klassifinationssysteme: Ziele

A

(1) Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit: bessere Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Ableitung von Diagnosen und einer Verbesserung der Rehabilität des diagnostischen Prozesses
(2) Wissenschaftliche Untersuchungen: Erleichterung von wissenschaftlichen Untersuchungen zu psychischen Störungen, Ermittlung von Versorgungsbedarf und -effizienz
(3) Kommunikation: bessere Kommunikation zwischen Forschenden und Praktizierenden so wie zwischen Einrichtungen unterschiedlicher Länder und Kulturen
(4) Qualitätssicherung: Erleichterung der Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie von versicherungsrechlichen, juristischen und abrechnungstechnischen Entscheidungen

42
Q

ätiologisch (auch: exploratorisch o. pathogenetische) Klassifikationssysteme

A

machen vorwiegend theoriegebundene Aussagen zur Entstehung der Störung

43
Q

Internationale Klassifikationssyteme: Geschichtliche Entwicklung

A

1948 – Beginn der internationalen Klassifikation: erste ICD 6. Ausgabe enthielt Kapitel über psychische Störungen
1952 – Konkurrenz durchs DSM
1980 erschienene DSM-III brachte internationale Beachtung

44
Q

Entwicklung des DSM

A

Mit jeder Revision wurde das DSM fand eine weiter Präzisierung und Differenzierung der Symptome und diagnostischen Ein- und Ausschlusskriterien statt -> DSM-II hatte 50 Seiten – das DSM-IV-TR hat 1000, Im DSM-I gab es 106 Diagnosen im DSM-IV-TR fast 400

45
Q

1980 – Gründe für den Erfolg des DSM-III und sein Einfluss auf das ICD

A

I. Das DSM-III konnte sogar Einfluss auf die Überarbeitung der ICD gewinnen, dieser Erfolg wird auf mehrere Faktoren zurückgeführt:
(1) Krankheit wird zu psychischer Störung: Das Krankheitskonzept wurde zugunsten des Konzepts der psychischen Störung aufgegeben
(2) atheroretisch und deskriptiv: Das DSM-III gibt als deskriptives Klassifikationssystem, welches sich auf die Beobachtung und Beschreibung von Symptomen beschränkt und ätiologische Annahmen weitgehend ausklammert
(3) Ein- und Ausschlusskriterien: für die einzelnen Störungsbilder wurden genaue Ein- und Ausschlusskriterien sowie Entscheidungsregeln für die Zuordnung von „Fällen“ zu Störungsbildern gegeben
 Das DSM gilt damit als Wegbegleiter der Operationalisierung der Störungsbilder und wird daher in der psychiatrischen und psychologischen Forschung dem ICD meist vorgezogen
(4) Behebung von Streitigkeiten und Mängeln: Die Streitigkeit zwischen den Disziplinen (Psychiatrie und Psychologie) sowie zwischen den ver. psychotherapeutischen Ansätzen schein gelegt sowie die Überwindung der Mängel frühere Klassifikationssysteme durch die Operationalisierung der Störungsbilder
 Studie von Rosenhan (1973) zur Kontextabhängigkeit psychiatrischer Diagnosen kam zu dem Schluss, dass in psychiatrischen Krankenhäusern es praktisch unmöglich sein psychisch gesund von psychisch kranken zu unterscheiden auf Grund mangelnder Güte der Klassifikationssystemen

46
Q

Verhältnis von ICD und DSM

A

I. Beide bestehen nebeneinander  Aktuelle Auflagen sind das DSM-V (2013) und das ICD-11 (2022)
II. Gemeinsamkeiten:
(1) In Prinzipien, Aufbau und hinsichtlich der Definition der meisten Störungsbilder seit Erscheinen des ICD-10 viele Parallelen
(2) Das DSM-IV passte sich später dem ICD-10 an, indem neue Diagnosen vorwiegend aus dem ICD-10 übernommen wurden
III. Unterschiede:
(1) Das ICD klassifiziert alle Erkrankungen und ist eingebettet in übergeordnete Kodierregeln des Gesamtsystems
(2) Das ICD ist für die Dokumentation im Rahmen der Gesundheitsversorgung weltweit verbindlich  muss daher mehr Offenheit zulassen, damit länderspezifische und kulturelle Besonderheiten Berücksichtigung finden können

47
Q

DSM- V: Zweck, was für ein Klassifikationssystem, Welche Diagnose, wofür wichtig, Herausgeber

A
  1. Zweck: Beschreibung von Störungsgruppen mithilfe von Kriterien
  2. Kategoriales Klassifikationssystem mit dimensionaler Einordnung
  3. Gilt als Referenzwerk für die Forschung
    (Forschungsdiagnostik)
  4. Herausgeber: American Psychiatric Association (APA
48
Q

Klassifikatorische Diagnostik und psychotherapeutische Praxis - Einwände gegen die klassifikatorische Diagnostik

A
  1. Forschung vs. Praxis:
    Im Kontext von Forschung und Qualitätssicherung werden die deskriptiven, atheoretischen Klassifikationssysteme positiv bewertet, während sie in der psychotherapeutischen Praxis eher eine skeptisch bis ablehnende Haltung bezüglich ihres Stellenwerts haben
  2. Einwände von PraktikerInnen:
    a) Neutralität im Hinblick auf ätiologische Theorie ist unrealistisch
    b) Standardisierung diagnostischer Entscheidungen sei kontraproduktiv
    c) Abwertung des theoretischen Hintergrund- und Erfahrungswissen der Praktizierenden
    IV. negative Einflüsse auf die therapeutische Beziehung und den therapeutischen Prozess durch die klassifikatorische Diagnostik

-> Die Vergabe von Diagnosen nach ICD-10 wird daher als lästige Pflicht gesehen, die aus abrechnungstechnischen Gründen und zu Dokumentationszwecken unvermeidbar ist

-> Auch die strukturierten/ standardisierten diagnostischen Interviews haben sich in der Routinepraxis kaum durchgesetzt, obwohl sie in der Forschung Standard sind

49
Q

Klassifikatorische Diagnostik und psychotherapeutische Praxis - Einwände gegen die klassifikatorische Diagnostik - Gründe für die kritische Bewertung von Praktikerinnen

A

I. Nicht nur eingeschränkte Relevanz und Schwierigkeiten der Umsetzung, sondern auch, dass das theoretische Denken aus psychotherapeutischer Praxis nicht möglich oder erwünscht ist
II. Durch die Revision der Klassifikationssysteme müssen PraktikerInnen ständig Umlernen
III. Es ist beiden Klassifikationssystemen nicht gelungen den deskriptiven Ansatz durchzuhalten, so dass einige Zusatzkriterien auch Aussagen über ätiologische Aspekte machen (z.B.: substanzinduziert, auf Grund medizinsicher Krankheitsfaktoren, …). Was sich als Anerkennung des Stellenwert ätiologischer Aspekte verstehen lässt

50
Q

Diagnostik in der psychotherapeutischen Praxis - Allgemeine Indikationsstellung

A

I. Definition: Feststellung, ob überhaupt eine psychische Störung mit Krankheitswert (und somit mit Behandlungsbedarf) vorliegt
II. Die klassifikatorische Diagnostik soll das klinische Urteil nicht ersetzen, sondern nur ergänzen  ergibt sich schon daraus, dass in der Praxis neben der klassifikatorischen Diagnostik noch andere Varianten der Diagnostik wichtig sind
II. Praxisrelevant ist die klassifikatorische Diagnostik nur im Rahmen der allgemeinen Indikationsstellung  für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen besonders wichtig

51
Q

Diagnostik in der psychotherapeutischen Praxis -Differenzielle Indikationsstellung

A

I. Definition: Die Herleitung von Entscheidungen für konkrete Behandlungsmaßnahmen, hierfür sind Fragen wird Bedingungen die zur Störungen geführt haben, sowie aufrechterhaltene Bedingungen und Angaben zum erwarteten Störungsverlauf wichtig
II. Die differenzielle Indikationsstellung verlangt Angaben zur Lebensgeschichtlichen Entwicklung, zur Krankheitsanamnese & Therapiezielen und Prognosen  müssen im Bericht an den Gutachter enthalten sein
III. Die Übernahme der Behandlungskosten von den Krankenkassen erfolgt nicht nur über die klassifikatorische Diagnostik, sondern auch auf Grund der differenziellen Indikationsstellung

52
Q

Diagnostik in der psychotherapeutischen Praxis -Differenzielle Indikationsstellung - Arten der Diagnostik

A
  1. Drei Arten: Für die differenzielle Indikationsstellung ist also eine Diagnostik nötig, die ätiologisch und prognostisch ausgerichtet ist, man unterscheidet in diesem Prozess zwischen drei ver. Diagnostiken:
    (1) ätiologisch orientierte Diagnostik: wird mithilfe biographischer Anamnese, Problem- und Verhaltensanalyse oder standardisierte psychometrischer Instrumente getätigt

(2) prognostisch orientiere Diagnostik: durch die Abklärung der Therapiemotivation, Ressourcen und Bewältigungsstrategien des Patienten und die Bereitschaft und Fähigkeit des Patienten sich auf eine therapeutische Beziehung einzulassen

(3) Prozessdiagnostik: interventionsbegleitend und wird idealer Weise eingesetzt; die Ansprechbarkeit des Patienten auf die Psychotherapie, die Fortschritte oder das Ausbleiben von Fortschritten. Werden durch Stundenbögen, Protokollbögen oder Zielerreichungsskalen eingesetzt; auch Supervision ist der Prozessdiagnostik zuzuordnen

53
Q

MAS: Multiaxiale Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes und Jugendalters

A

wurde auf der Basis des ICD-10 entwickelt) und unterscheidet 6 ver. Achsen:
(1) Achse 1: Klinisch psychiatrisches Syndrom: Klassifikation der psychischen Störung  hier kommt das gesamte Störungsspektrum in Frage mit Ausnahme von Entwicklungsstörungen sowie das Intelligenzniveau (da Achse 2 & 3)

(2) Achse 2: Umschriebene Entwicklungsstörung: des Sprechens und der Strache, der schulischen Fähigkeiten (Lese-Rechtschreib-Störung und Dyskalkulie) und Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen  werden auf einer gesodnerten Achse geführt, da sie nur bestimmte Funktionsbereiche betreffen

(3) Achse 3: Intelligenzniveau: Frage nach einer möglichen Intelligenzmilderung ist hier besonders von Bedeutung

(4) Achse 4: Körperliche Symptomatik: Hinweise für die körperliche Verursachung von psychischen Störungen oder psychosomatische Bezüge

(5) Achse 5: Assoziiere aktuelle abnorme psychosoziale Umstände: beschreibt aktuelle psychosoziale Umstände, die mit dem Auftreten einer Störung verbunden sind, wie beispielsweise kritische Lebensereignisse oder familiäre Bedingungen

(6) Achse 6: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus: Urteil auf einer abgestuften Skala, die von einer persistenten Gefährdung der eigenen oder anderer Personen, bis zu einer guten psychosozialen Anpassung reicht

54
Q

Kombinationsdiagnosen im ICD-10:

A

(1) Es können mehrere Diagnosen mit dem ICD-10 vergeben werden, wobei dann die Hauptdiagnose vorangestellt wird, und die weiteren Diagnosen folgen (Komorbidität)
(2) In Abgrenzung zum DSM kann im ICD eine Kombinationsdiagnose vergeben werden: Störungen, die im Entwicklungsverlauf eines Kindes häufig zu einem Zeitpunkt gemeinsam auftreten, können als eine kombinierte Diagnose vergeben werden  Es werden spezielle Entwicklungspfade berücksichtig, indem eine Störungskategorie für Störungen, die oft gemeinsam auftreten vorgegeben wird (z.B.: hyperkinetische Störung tritt im weiteren Entwicklungsverlauf oft mit Störungen des Sozialverhaltens auf  hier kann dann die Kombinierte Störung (hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens) vergeben werden

55
Q

Änderungen und Neuerungen in der ICD-11:

A

(1) Minimierung der willkürlichen und zufälligen Unterschiede zum DSM-5
(2) Einordnung der Störungen mit Beginn im Kindesalter wird es nicht mehr geben -> eher nach Symptomatiken gruppiert
(3) Erweiterung um kulturelle Einflüsse auf die Diagnosegruppen
(4) Einbezug eines dimensionalen Ansatzes: statt diagnostischer Subtypen können dimensionale Marker vergeben werden

56
Q

Das DSM-Klassifikationssystem - Grundlegender Aufbau

A

I. Behandelt nur psychische Störungen und kommt ohne Achsen aus, ist in 22 Störungskategorien gegliedert

II: Viele Störungen, die bereits im kindes- und Jugendalter auftreten sind unter der Oberkategorie der Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung zusammengefasst (z.B.: ADHS, Autismus, Lernstörungen, …) andere sind aufgrund ihrer inhaltlich strukturellen Passung anderen Störungskategorien zugeordnet (z.B.: Trennungsangst bei den Angststörungen)  inhaltlich-strukturelle Systematik enthielt als Vorrang vor einer entwicklungspsychologischen Orientierung

57
Q

Gemeinsamkeiten zwischen ICD- und DSM-Klassifikation

A

I. Störungsklassifikation ist unabhängig von einer ätiologischen Theorie -> deskriptive Dimension
II. Reliabilität: für einzelne Störungsbilder werden Ein- und Ausschlusskriterien definiert, die eine möglichst eindeutige Beurteilung erlauben (Interrater-Reliabilität)
III. Nachteile beider Systeme: eine entwicklungspsychologische Ausrichtung fehlt weitestgehend und sind mit dem Blick auf Erwachsene konzipiert. Beim DSM-5 noch stärker als bei ICD-10, jedoch entwickelt sich das ICD-11 auch weiter davon weg

58
Q

Das Zero-to-Three-Klassifikationsssystem:

A

I. versucht eine mehr entwicklungspsychologische Ausrichtung als das ICD & DSM
II. Achsen:
(1) Achse 1: klinische Störungen (Primärdiagnose)
(2) Achse 2: Vorhandensein bzw. Art einer Beziehungsstörung:
(3) Achse 3: körperliche und Entwicklungsstörungen bzw. -bedingungen: medizinische und entwicklungsbezogene Diagnose
(4) Achse 4: Psychosoziale Stressoren: mit denen das Kind konfrontiert ist
(5) Achse 5: Funktionsniveau der emotionalen Entwicklung

59
Q

Diagnoseinstrumente für die kategorialen Klassifikationssysteme - Kinder-DIPS

A

 um die Diagnosestellung zu erleichter, gibt es Diagnoseinstrumente, die spezielle auf die Klassifikationssysteme ICD und DSM abgestimmt sind
I. Kinder-DIPS (Diagnostische Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter): Strukturiertes Interview zu Befragung des betroffenen Kindes sowie der Eltern
(1) bezieht sich auf das Altersspektrum von 6 -18 und gibt es in einer Kinder- und Elternversion  es wird empfohlen beider Versionen einzusetzen
(2) Erfasst werden psychische Störungsbereiche des K- und J-Alters, die am häufigsten in klinischen Settings vorzufinden sind:
i. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
ii. disruptive, Impulskontroll- und Sozialverhaltensstörung
iii. Tic-Störungen
iv. Angststörungen
v. Zwangsstörungen
vi. Trauma- und belastungsbezogene Störungen
vii. Störungen der Ausscheidung
viii. depressive Störungen
ix. Schlaf-Wach-Störungen
x. Essstörungen
xi. Kommunikationsstörungen
 für weitere Störungsbereiche gibt es Screenings
(3) Interview und Diagnosestellung: Das Interview wird in weitgehend standardisierter Form mit vorgegebenen Fragen durchgeführt. Die Diagnosestellung wird nach Kriterien des DSM-5 vergeben, kann mithilfe einer Tabelle aber auch ins ICD-10 überführt werden

60
Q

Diagnoseinstrumente für die kategorialen Klassifikationssysteme - DISYPS-III

A

(1) Diagnosesystem für psychische Störungen im kindes- und Jugendalter nach ICD-10 und DSM-5
(2) erfasst hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen, Depressive Störungen, Trauma- und belastungsbezogene Störungen, Zwangs-Spektrum- und Soziale Kommunikationsstörungen sowie Bindungs- und Beziehungsstörungen
(3) über Fremd- oder Selbstbeurteilungsbogen
III. Mannheimer Elterninterview (MEI): lediglich Elternversion, bezieht sich auf einen Altersbereich von 6-16 Jahren und erfasst insgesamt 38 kinder- und jugendpsychiatrische Symptome. Interviewergebnisse können ebenfalls für die Diagnosestellung nach ICD und DSM genutzt werden

61
Q

Vor- und Nachteile von kategorialen Klassifikationssystemen

A

I. Vorteile:
(1) ökonomische Funktion: Durch die Einordnung können Vorhersagen gemacht werden (Antizipation des Verhaltens und Erlebens); Vergleichbarkeit der Ergebnisse in der Forschung und Praxis
(2) kommunikative Funktion: Verständigung von Fachleuten, gemeinsame Sprache ermöglicht Informationsaustausch
(3) indikative Funktion: kann dazu beitragen, effiziente Entscheidungen über Behandlungsformen zu treffen

II. Nachteile:
(1) Gefahr der künstlichen Vereinheitlichung: Eindeutigkeit, die dem individuellen Fall nicht immer gerecht wird
(2) Zustandsberschreibung: bilden überwiegend einen Zustand ab, während eine Störung Veränderungen über die Zeit aufweist
(3) Keine Beachtung von Grauzonen/Übergängen

62
Q

Dimensionale Klassifikationssysteme: Beispiele für die Anwendung

A
  1. Child Behavior Check List (CBCL)
  2. Strenghts and Difficulties Questionnaries (SDQ) – Fragebögen zu Stärken und Schwächen als Alternative zu CBCL
63
Q

Dimensionale Klassifikationssysteme: CBCL

A

(1) Erfasst Verhaltensprobleme und soziale Kompetenzen von K & J im Alter von 6-18 Jahren aus Sicht der Eltern
(2) Enthält 120 Items zur Erhebung von Verhaltensauffälligkeiten, emotionalen Auffälligkeiten, somatischen Beschwerden sowie weitere 20 Items, die auf psychosoziale Kompetenzen bezogen sind
(3) Aus dem Items zur Erhebung von Verhaltensproblemen lassen sich Gesamt-Summenscores bilden für das Ausmaß der Problembelastung sowie Summenscores für zwei Syndrom-Skalen bilden
(4) zwei-Syndrom-Skalen:
i. „Internalisierende Störungen“: weitere Subklassen sind – Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden, Ängstlich-Depressive Symptome
ii. „Externalisierende Störungen“: weitere Subklassen sind – Dissoziales Verhalten und aggressives Verhalten
(5) weitere Problembereiche: neben den zwei-Syndrom-Skalen lassen sich weiterhin einige Problembereiche erfassen, die unter dem Oberbegriff „Gemischte Auffälligkeiten“ zusammengefasst werden: Subskalen sind – Soziale Probleme, Aufmerksamkeitsprobleme und Schizoid-zwanghafte Symptomatik
(6) Aus den Einschätzungen der Eltern zur psychosozialen Kompetenz lassen sich weiterhin drei Kompetenzskalen bilden:
i. Aktivität
ii. Soziale Kompetenz
iii. Schule
(7) Vergleich mit Normen der Bezugsgruppe: Die Summenscores der einzelnen Skalen werden dann mit Normdaten verglichen werden. Ein individueller Wert wird dann als auffällig angesehen, wenn er mehr als zwei Standardabweichungen von der Bezugsgruppe entfernt, ist
(8) Von diesem Bogen existieren ausführungen für Leher*innen (Techer Report Form) und Selbstbeurteilungsbögen ab 11 Jahren (Youth Self Report) sowie Femdbeurteilungsbögen für den Altersbereich von 1 ½ bis 5 Jahren vor (CBCL 1 ½ bis 5)

64
Q

Dimensionale Klassifikationssyteme: SDQ

A

– Fragebögen zu Stärken und Schwächen als Alternative zu CBCL:
(1) Ist als ökonomischere Alternative zum CDCL zu nennen
(2) enthält 25 Items zu fünf verschiedenen Problemdimensionen:
i. Emotionale Probleme
ii. Verhaltensprobleme
iii. Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit
iv. Probleme mit Gleichaltrigen-Beziehungen
v. Prosoziales Verhalten
(3) Es kann ein Summenscore für die jeweiligen Dimensionen sowie ein Gesamt-Summenscore gebildet werden
(4) Es existieren wieder Selbstberichts und Fremdberichtsformen für Eltern und Lehrerinnen
(5) Korreliert mit den Ergebnissen des CDCL  Ähnliches wird mit weniger Aufwand erhoben, ist jedoch auch im Differenzierungsgrad geringer als der CDCL

65
Q

Vorteile von dimensionalen Klassifikationssystemen

A

Mit dimensionalen Verfahren lassen sich nicht nur einzelne Problembereiche identifizieren, sondern auch Profile über verschiedene Problembereiche hinweg bilden. So lässt sich erkennen, in welchen Bereichen Schwächen und auch Stärken im Einzelfall bestehen
Achtung: Dimensionale Diagnoseinstrumente (wie z.B.: viele Intelligenztests) kommen auch in Kategorialen Klassifikationssystemen zu Einsatz  die Ansätze schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können kombiniert werden