8 - Kognitive Prozesse Flashcards
Kognition
allgemeiner Begriff für alle Formen des Wissens und Denkens -> Inhalte und Prozesse
Kognitive Psychologie
Intelligenz, Sprache, Denken und Problemlösen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung
Kognitionswissenschaft
interdisziplinäres Gebiet, liegt im Schnittfeld von:
o Philosophie, Neurowissenschaft, Linguistik, Kognitive Psychologie, Künstliche Intelligenz/Informatik
Methodische Grundlagen zur Untersuchung mentaler Prozesse
o 1868 von niederländischem Physiologen F. C. Donders (1818-1889)
o „Geschwindigkeit geistiger Prozesse“ -> erdachte Reihe experimenteller Aufgaben
o Unterschiede im Zeitverbrauch zwischen einzelnen Aufgaben -> unterschiedliche geistige Schritte für erfolgreiche Aufgabenbearbeitung
o Donders fundamentale Erkenntnis: Geistige Extraschritte führen oft dazu, dass die Aufgabenbearbeitung mehr Zeit erfordert
Liegt großem Teil der kognitionspsychologischen Forschung bis heute zugrunde (v.a. Arbeiten mit Reaktionszeiten)
Serielle und parallele Prozesse
- Serielle Prozesse finden nacheinander statt
- Parallele Prozesse finden gleichzeitig statt
- Oft Verwendung von Reaktionszeiten, um herauszufinden, ob Prozesse seriell oder parallel ablaufen
- Zentrale Herausforderung kognitionspsychologischer Forschung: Erfinden von Anordnungen und Anforderungen, die im Experiment die Beschaffenheit des Prozesses offenlegt
- Entscheidung zwischen seriell und parallel oft durch Bestimmung des Ausmaßes, in dem mentale Ressourcen beansprucht werden
o Annahme: begrenzte Verarbeitungsressourcen, die auf verschiedene mentale Aufgaben verteilt werden müssen -> für Verteilung sind Aufmerksamkeitsprozesse verantwortlich
Kontrollierte und automatische Prozesse
Nicht alle Prozesse nehmen Ressourcen in gleichem Ausmaß in Anspruch:
o Kontrollierte Prozesse erfordern Aufmerksamkeit
Oft schwierig mehr als einen kontrollierten Prozess gleichzeitig auszuführen
o Automatische Prozesse erfordern im Allgemeinen keine Aufmerksamkeit
Lassen sich häufig ohne Interferenzen neben anderen Aufgaben ausführen
o Kontrollierte Prozesse können mit genügender Übung automatisiert werden
(Aufmerksamkeit verantwortlich für
- Verteilung der mentalen Ressourcen
- Selektion der mentalen Ressourcen)
Ganor-Stern et al., 2007: Physisch größere von zwei Zahlen umkreisen
o Liste A: Missverhältnis zwischen physischer und numerischer Größe (z.B. 61 (groß) – 67)
o Liste B: Passung zwischen physischer und numerischer Größe (z.B. 61 – 67 (groß) )
o Probanden brauchten für Liste A länger als für Liste B (-> da automatisches Zurückgreifen auf Bedeutung der Zahl, auch wenn nicht benötigt bzw. gewollt)
Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung
- Satzbedeutung: einfache Bedeutung der zu einem Satz zusammengefassten Wörter (Was wird gesagt?)
- Äußerungsbedeutung: unbegrenzte Anzahl von Bedeutungen, die ein Sprecher kommunizieren kann, indem er einen Satz geeignet verwendet (Was wird damit gemeint?)
H. Paul Grice (1975): Kooperationsprinzip
Anweisung an Sprecher, Äußerungen so zu produzieren, dass sie für inhaltliche Ausrichtung des jeweils laufenden Gesprächs und seine Randbedingungen angemessen sind
-> Vier Maximen als Erweiterung des Kooperationsprinzips
Vier Maximen als Erweiterung des Kooperationsprinzips
- Maxime der Quantität
• Beitrag so informativ wie nötig, aber nicht informativer als nötig - Maxime der Qualität
• Sicherung des Wahrheitsgehalts der Äußerung - Maxime der Relation
• Beitrag soll relevant sein - Maxime der Art und Weise
• Kurz halten, geordnet und klar sprechen
Herbert Clark (1996): drei Quellen von Hinweisen, auf die sich Urteile über gemeinsamen Wissenshintergrund gründen
o Gruppenmitgliedschaft
o Sprachliche Kohärenz: Informationen aus früheren (Abschnitten von) Gesprächen
o Physische Kohärenz: unmittelbare Gegenwart von Objekten oder Situationen
-> Beurteilung des gemeinsamen Wissenshintergrund hängt oft von Fähigkeit der Gedächtnisprozesse ab, Informationen bereitzustellen
Spoonerismus
Vertauschung der Anfangslaute von zwei oder mehreren Wörtern in einem Satz oder einem Satzteil, wobei ein veränderter Sinn entsteht
-> Mischung aus Schüttelreim und Freud’schem Versprecher
Äußerung muss auf verschiedenen Ebenen geplant werden -> Versprecher können auf jede dieser Ebenen zurückgehen
o Inhaltswörter auswählen, die Gedanken am besten entsprechen: Bei zwei Wörtern „Fisch“ und „Barsch“ Vermischung zu „Bisch“
o Ausgewählten Wörter an richtigen Stellen in Äußerung einsetzen: „den Herd auf den Topf stellen“
o Laute einsetzen, welche die Wörter bilden, die geäußert werden sollen: An falsche Stelle: „hinksländig“, „Griemgras“
SLIP – Technik
= spoonerism of laboratory-induced predisposition
o Probanden sollen Listen von Wortpaaren, die als Modelle für die phonetische Struktur des angezielten Versprechers dienen, leise lesen
Schirm – Rast, Schaft – Reck, Schilf – Rost, …
Anschließend Vorlesen von Wortpaaren wie Rock – Schaum
Unter Einfluss der vorangegangenen Paare manchmal Schock – Raum
o Methode, um Faktoren zu untersuchen, die Wahrscheinlichkeit für Sprachfehler beeinflussen
Spoonerismus wahrscheinlicher, wenn Vertauschung der Anfangsbuchstaben wieder zu existierenden Wörtern führt
• Kognitive Prozesse sind schon während Äußerung darauf gerichtet, potenzielle Fehler zu entdecken und zu verbessern
Was versuchen Theorien der Sprachproduktion momentan vorherzusagen?
Theorien der Sprachproduktion versuchen momentan vorherzusagen, wie sich Äußerungen von Menschen in Bezug auf Laute, Wörter und Struktur im Laufe der Zeit entwickeln
o Relative Frequenz von Lauten an einer bestimmten Stelle
o Zeitreihe der Wörter einer Äußerung
Wort (Kuh) unwahrscheinlicher, wenn vorher assoziiertes Wort (Milch)
o Wenn vorher passiver Satz gehört, auch eher Entscheidung für Satz im Passiv
Galati & Brennan, 2010: Einfluss von angenommenem gemeinsamen Nenner aufs Sprechen
o Studierende sehen Cartoon: Coyote versucht erfolglos Road Runner einzufangen
o Studierende erzählten anderem, der Cartoon nicht gesehen hatte, den Inhalt
o Danach erzählten sie Inhalt nochmal derselben Person (A) und einer neuen (B)
o Hypothese: Gemeinsame Basis mit A veranlasst Erzähler, lockerer mit Sprache umzugehen
o Mehrmals wiederholte Wörter (Dynamit, Fallschirm) wurden aus Aufnahme herausgeschnitten und neuer Gruppe vorgelegt, die relative Klarheit der verschiedenen Versionen beurteilen sollte
o Ausführungen durchweg weniger klar, wenn an Person A gerichtet
Sprechen wird von angenommenem gemeinsamen Nenner beeinflusst
Lexikalische Ambiguität
Mehrdeutigkeit von Wörtern (Schloss)
Disambiguierung
Eindeutig machen von Mehrdeutigem
Strukturelle Ambiguität
Mehrdeutigkeit von Strukturen (Die Schwester von Anna und Till…)
Ausgewogene und einseitige Mehrdeutigkeit
Ausgewogen: Beide Bedeutungen werden gleich häufig verwendet (Ball)
Einseitig: Eine Bedeutung ist häufiger als die andere (Ton)
-> Gehirn reagiert auf diese beiden Arten von Mehrdeutigkeit unterschiedlich
Was passiert bei Ambiguitäten?
Bei Ambiguitäten unmittelbare und sehr effiziente Anwendung von Kontextinformationen
fMRT-Scan während ausgewogenen/eindeutigen Mehrdeutigkeiten: Mason & Just, 2007
o 12 Teilnehmer lasen Sätze während fMRT-Scan
o Sätze enthielten ausgewogene oder einseitige Mehrdeutigkeiten oder es waren passende Kontrollsätze (Maria beobachtete den Ball vs. Tanzball)
o Bestätigte Hypothese: Auswählen zwischen verschiedenen Bedeutungen –> Mehrdeutige Sätze lösen andere Muster der Gehirnaktivität aus als Kontrollsätze
o Probanden müssen sich bei einseitigen Mehrdeutigkeiten von ihren Interpretationen erholen, sodass diese andere Gehirnaktivitäten nach sich ziehen als ausgewogene Mehrdeutigkeiten –> ebenfalls bestätigt
Propositionen
Zentrale gedankliche Inhalte von Äußerungen
o Die Katze sitzt auf der Matte: SITZEN-AUF (Katze, Matte)
o Die Katze sah die Maus unter das Sofa rennen:
SEHEN (Katze, RENNEN (Maus, UNTER (Maus, Sofa)))
-> Bedeutungsrepräsentation beginnt mit Propositionen
- Probleme beim exakten Erinnern: „Die Katze jagte die Maus.“ – JAGEN (Katze, Maus) – „Die Katze jagte die Maus.“ Vs „Die Maus wurde von der Katze gejagt.“
- Zusätzliche Probleme: Füllen von Informationslücken durch eigene Propositionen – „Inferenzen“ (logische Annahmen)
Ratcliff & McKoon, 1978: Propositionen
o „Das Mausoleum, in dem der Zar aufgebahrt war, überragte den Platz.“
o Mausoleum und Platz weit auseinander, aber sollten in Gedächtnis zu Proposition zusammengefügt werden: ÜBERRAGEN (Mausoleum, Platz)
o Probanden lesen Wortlisten und sagen, ob einzelne Wörter im zuvor gelesenen Satz vorgekommen waren
o Reaktion „Mausoleum ist in Satz vorgekommen“ erfolgte schneller, wenn Mausoleum direkt nach Platz kam, als wenn Vorgängerwort aus einer anderen Proposition stammte
-> Begriffe Mausoleum und Platz wurden im Gedächtnis zusammen repräsentiert
Wichtigste Funktionen der sprachlichen Verstehensprozesse
Extraktionen von Propositionen -> exakte Form, aus der Propositionen gewonnen wurden, geht schnell verloren -> schwer sich wortwörtlich zu erinnern
Inferenzen
- Hörer füllen Informationslücken oft mit Inferenzen (=logischen Annahmen)
- Anzahl der möglichen Inferenzen nach Äußerung ist unbegrenzt
- Das Modell, das Leser für die komplette Textsituation entwickeln, beeinflusst, welche Annahmen sie enkodieren
Sue Savage-Rumbaugh (1998): Forschungen, die fundierte Einblicke in sprachliche Fähigkeiten von Schimpansen (Bonobos) erlauben
o Zwei Bonobos erwarben Bedeutung von Symbol „spontan“ durch Beobachtung anderer, die mit Symbolen kommunizierten
o Verstanden etwas gesprochenes Englisch; konnten sich kein Regelsystem aneignen
o Aspekte menschlicher Sprachkompetenz können auch bei anderen Spezies auftreten
In 1920ern: Psychologen versuchten Schimpansen Sprache zu lehren
o Schimpansen besitzen keinen angemessenen Vokaltrakt, daher
Stark vereinfachte amerikanische Gebärdensprache (ASL)
Plastische Symbole auf Magnettafel bedienen
o Einwand: gelegentliche Kombinationen von Gesten oder Symbolen keine sinnhaltige Art der Sprachverwendung und Erwartungseffekt
Die menschliche Sprache
- Sprachstruktur: Einmaligkeit der menschlichen Sprache durch Möglichkeit, unbegrenzt viele Botschaften mit begrenzter Anzahl von Wörtern hervorzubringen
o Mensch als einzige Spezies biologisch in der Lage, derart komplexe Regeln zu lernen - Heute: Erforschung bestimmter Aspekte menschlicher Sprache, die innerhalb Kompetenz anderer Spezies liegen könnten