06 - Lernen und Verhaltensanalyse Flashcards
Was ist Lernen?
Erfahrungsbasierter Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotenzials resultiert
Lernen – ein Prozess, der auf Erfahrung beruht
- Erfahrung: Informationen aufnehmen (und diese bewerten und transformieren) sowie Reaktionen zeigen, welche die Umwelt beeinflussen können
- Einige überdauernde Verhaltensänderungen erfordern Kombination aus Erfahrung und reifungsbedingter Bereitschaft
Eine Veränderung im Verhalten oder Verhaltenspotenzial
- Unterscheidung von Lernen und Leistung: Gelerntes vs. Beobachtbares
- Z.B. Leistung vs. Wertschätzung, Verständnis (Haltungen und Werte)
Eine relativ nachhaltige Veränderung
Nachhaltig bedeutet nicht permanent, z.B. ohne Übung können Fähigkeiten abnehmen
Habituation
= Gewöhnung
- Verhaltensreaktion lässt nach, wenn Stimulus wiederholt wird
- > Trägt dazu bei, Aufmerksamkeit auf neuartige Ereignisse in Umgebung zu lenken
Sensibilisierung
Reaktion auf Stimulus wird bei Wiederholung stärker
Wann tendiert der Organismus zur Sensibilisierung?
Organismus tendiert eher zur Sensibilisierung, wenn Stimulus intensiv oder irritierend ist
John Watson (1878-1958)
Grundlage des Blickwinkels moderner Psychologie auf Lernen
o Gründete psychologische Schule des Behaviorismus
o Psychology from the Standpoint of a Behaviorist (1919) dominierte 50 Jahre lang die amerikanische Psychologie
o Introspektion ist kein akzeptables Mittel zur Untersuchung > zu subjektiv
o Da Bewusstseinszustände des Geistes nicht objektiv verifizierbar, können sie niemals als wissenschaftliche Daten herangezogen werden
Stattdessen beobachtbares Verhalten
o Hauptziel der Psychologie: Vorhersage und Kontrolle des Verhaltens
B. F. Skinner (1904-1990)
Erweiterung zum radikalen Behaviorismus
o Geistige Zustände sind nicht Ursache von Verhalten, sondern Beispiele von Verhalten, hervorgerufen durch Stimuli in der Umwelt
o Philosophische Grundlage der Verhaltensanalyse: befasst sich vorwiegend mit der Entdeckung von Umweltdeterminanten für das Lernen und das Verhalten
o Verhaltensanalytiker entdecken universelle Regularitäten im Lernen, die in vergleichbaren Situationen bei allen tierischen Spezies, einschließlich des Menschen, vorkommen (Wichtigkeit von Tierversuchen in diesem Forschungsfeld)
o Komplexe Formen des Lernens sind Kombinationen und Elaborationen einfacher Prozesse und nicht qualitativ andersartige Phänomene
Klassisches Konditionieren
Stimulus sagt Auftreten eines anderen Stimulus vorher
-> Organismus lernt Assoziation zwischen zwei Stimuli
Pawlows überraschende Beobachtung
- Berühmtester Zufall in Psychologie: Iwan Pawlow (1849-1936) stieß während Forschungen zur Verdauung auf klassisches Konditionieren
- Implantierte Schläuche in Drüsen und Verdauungsorgane, um Körpersekrete in Behälter außerhalb des Körpers zu sammeln -> Sekrete messbar und analysierbar
- Fleischpulver in Mund der Hunde, um Sekretproduktion anzuregen
- Nach einigen Malen speichelten Hunde bevor Pulver in den Mund gegeben wurde -> schon bei Anblick des Futters, dann bei Assistenten, später sogar bei Schritten des Assistenten
- Lernen kann aus Assoziation zweier Stimuli entstehen
- Klassische Konditionierung oft auch Pawlow’sche Konditionierung
Reflexe
ungelernte Reaktionen, die in natürlicher Weise durch spezifische Stimuli hervorgerufen werden, die für den Organismus biologisch relevant sind
o Kern des Klassischen Konditionierens
Unkonditionierter Stimulus (UCS)
ruft natürlicher Weise ein Reflexverhalten hervor
Unkoordinierte Reaktion (UCR)
das auf den UCS hin gezeigte Verhalten
Verhältnis von NS, CS und CR?
Neutraler Stimulus (NS) wird im Konditionierungsprozess zu konditioniertem Stimulus (CS) o Löst konditionierte Reaktion (CR) aus
Erwerb
Prozess, in dem die CR erstmalig auftaucht und in ihrer Häufigkeit allmählich mit zunehmenden wiederholten Paarungen ansteigt
o Mehrfache Paarung von UCS und CS, bevor CS zuverlässig CR auslöst
Timing
CS und UCS müssen zeitlich nah beieinander liegen, damit Organismus sie als zeitlich verbunden wahrnimmt -> 4 zeitliche Strukturen: o Verzögerte Konditionierung o Spurenkonditionierung o Simultane Konditionierung o Rückwärtskonditionierung
Verzögerte Konditionierung
CS vor UCS und hält mind. solange an bis UCS einsetzt
-> effektivste Struktur: mit kurzem Intervall zwischen Start des CS und Start des UCS
Spurenkonditionierung
CS wird unterbrochen, bevor UCS präsentiert wird
Simultane Konditionierung
CS und UCS gleichzeitig -> schlecht
Rückwärtskonditionierung
CS nach UCS -> besonders schlecht
Warum sind die simultane und die Rückwärtskonditionierung schwach?
Weil CS nicht UCS vorhersagt -> keine Kontingenz
Wovon hängt das genaue Zeitintervall von CS und UCS ab?
Von mehreren Faktoren:
z.B. Intensität des CS und Reaktion, die konditioniert werden soll
o Für muskuläre Reaktionen kurze Intervalle von einer Sekunde oder weniger
o Für viszerale Reaktionen (Bauch, Eingeweide) längere Intervalle von 5 bis 15 Sekunden
Löschung
= Extinktion
CR tritt in Anwesenheit des CS (und Abwesenheit des UCS) nicht mehr auf
Spontanremission
plötzliches Wiederauftreten der CR nach einer Pause, in der UCS nicht dargeboten wurde
Ersparnis
Wird nach Löschung ursprüngliche Paarung wieder erneuert, wird CR sehr schnell stärker -> Organismus muss etwas von ursprünglicher Konditionierung beibehalten haben
o Ursprüngliche Definition „Lernen“ betont Unterschied zwischen Lernen und Leistung
Reizgeneralisierung und Generalisierungsgradienten
- Auch ähnliche Stimuli wie CS lösen Reaktion aus
- Je ähnlicher der neue Reiz dem ursprünglichen CS, desto stärker fällt Reaktion aus
- Generalisierungsgradienten: Reaktionsstärken für Serien von Reizen, die entlang einer Dimension unähnlicher werden
- > Neue, jedoch vergleichbare Erlebnisse können als bedeutungsgleich erkannt werden
Reizdiskrimination
- Organismus lernt, auf verschiedene Reize, die sich von CS entlang einer Dimension unterscheiden, unterschiedlich zu reagieren
- Damit Organismus in Umwelt optimal funktioniert, müssen Prozesse der Generalisierung und Diskrimination sehr gut ausbalanciert sein (weder überselektiv noch überreaktiv)
Diskriminationstraining
Diskrimination zwischen ähnlichen Reizen wird geschärft, indem nur einer der Reize den UCS ankündigt
Ursprüngliche Funktion hinter klassischem Konditionieren
Mechanismus, der Lebewesen ermöglicht, effizient auf Strukturen der Umwelt zu reagieren
Klassisches Konditionieren nach Pawlow
Klassisches Konditionieren als Ergebnis ausschließlich der Paarung von CS und UCS
o CS und UCS in enger zeitlicher Beziehung -> zeitliche Kontiguität
Von wem wurde Pawlows Theorie abgelöst?
Von Robert Rescorla (1966): Hundeexperiment
o Von einer Box in andere springen, um Elektroschock zu vermeiden
o 1. Gruppe keine Kontingenz, 2. Gruppe schon -> 2. Gruppe sprang öfter bei Überprüfung bei Darbietung des Tons
o Ton (CS) und elektrischer Schock (UCS) bei Pawlow durch Kontiguität verbunden
o Auch wichtig: Ton sagt zuverlässig Auftreten des Schocks voraus -> Kontingenz (zuverlässige Vorhersage)
o Auch wichtig: Reiz muss in der Umwelt informativ sein
Was ist neben Pawlows zeitlicher Kontiguität noch wichtig bei der klassischen Konditionierung?
- Zuverlässige Vorhersage: Ton sagt zuverlässig Auftreten des Schocks voraus -> Kontingenz
- Reiz muss in der Umwelt informativ sein
Einfluss von klassisch konditionierten Reaktionen
Klassisch konditionierte Reaktion „Das ist eklig!“, „Das ist gefährlich!“ gewinnt über Wissen, dass Stimulus in Ordnung ist
o Nicht durch bewusstes Denken aufgebaut -> daher schwer durch bewusstes Denken zu eliminieren!
Eines der am besten untersuchtesten Alltagserlebnisse der klassischen Konditionierung
Furchtkonditionierung
“Kleiner Albert”: John Watson und Rosalie Rayner (Behaviorismus) (1920)
o Paarung von Erscheinen einer weißen Ratte, die der „kleine Albert“ mochte, mit aversivem UCS (lautes Geräusch hinter ihm)
o Unkonditionierte Schreckreaktion überträgt sich auf Ratte als CS (nach nur 7mal!)
o Als Albert lernt, vor gefürchtetem Stimulus zu fliehen -> emotionale Konditionierung zu Verhaltenskonditionierung
o Furcht generalisierte sich auf andere pelzige Objekte
Klassisches Konditionieren in der Werbung
Herstellen von Assoziationen zwischen Produkten und Leidenschaft
o Sexy Menschen als UCS lösen UCR aus, Produkt wird zum CS
Drogenabhängigkeit und Lernen
- Shephard Siegel: Setting, in dem Drogenkonsum stattfindet, als CS für Situation, in welcher der Körper sich zu schützen lernt
o Droge (UCS) erzeugt bestimmte physiologische Reaktionen auf die der Körper mit Gegenmaßnahmen (UCR) reagiert, um wieder Homöostase herzustellen
o Kompensatorische Reaktion wird zu konditionierter Reaktion
o Setting des Drogenkonsums (CS) -> Körper bereitet sich auf zu erwartende Effekte der Droge vor (CR)
o „positiver Drogeneffekt“ nur, wenn Dosis kompensatorische Reaktion übersteigt - Forschung Siegel (1982): Ratten erwarteten in bestimmten Setting (CS) Heroin (UCS), in anderem Setting (CS) Zuckerlösung
o Doppelte Dosis: im Zuckersetting starben doppelt so viele Ratten (64% zu 32%)
o Vermutung: Ratten im üblichen Setting besser vorbereitet - 7 von 10 Abhängigen erfuhren Überdosis in ungewohnter Situation
Lernen von Geschmacksaversionen
Geschmack wird Substanz beigemischt, die krank macht
o Entsteht nur durch eine Paarung von CS und UCS
o Sogar bei großen Intervallen: 12 Stunden und mehr
- John Garcia (Psychologe) wies als Erster in Laborversuchen Lernen von Geschmacksaversionen nach
o Tiere besitzen im Allgemeinen biologische Prädisposition zum Lernen bestimmter Assoziationen