7 - Gedächtnis Flashcards
Was ist Gedächtnis?
- ermöglicht, Informationen zu entschlüsseln, zu speichern und abzurufen
- Gedächtnis als Form der Informationsverarbeitung
Funktionen des Gedächtnisses
- Eine der wichtigsten: Ermöglichung des Zugangs zur eigenen und zur kollektiven Vergangenheit
- Herstellung von Kontinuität der Erfahrungen
Expliziter Zugriff auf Gedächtnis
bei bewusster Anstrengung, um Information abzurufen
Impliziter Zugriff auf Gedächtnis
Abrufen von Info ohne bewusstes Bemühen
Erstmalige Aneignung von Gedächtnisinhalten: implizit oder explizit?
sowohl implizit (unbewusst wahrnehmen) als auch explizit (bewusst einprägen)
Auf welche Form der Aneignung bezieht sich die Gedächtnisfoschung?
- Frühe Gedächtnisforschung bezog sich meist auf explizite Aneignung von Informationen
- Mittlerweile auch Methoden um implizites Gedächtnis zu erforschen
Wird das Gedächtnis öfter implizit oder explizit gebraucht?
Meist Mischung aus implizitem und explizitem Gebrauch des Gedächtnisses
Deklaratives Gedächtnis
Erinnern von Fakten und Ereignissen (implizit und explizit)
Prozedurales Gedächtnis
Erinnern, wie Dinge getan werden
Beispiel Telefonnummer
- Durch Liste deklarativer Fakten durcharbeiten (erst 2, dann 7, …)
- Production compilation: mentale Anweisungen, aus denen eine Handlung hervorgeht, werden zusammengefügt (schnelle Folge von Handlungen auf Nummernblock des Telefons)
a. Ausführen längerer Handlungssequenzen, ohne das Bewusstsein eingreift oder sich anstrengen muss
b. Inhalte nicht bewusst verfügbar (um sich an Nummer zu erinnern, wählen nachahmen)
c. Trade-off zwischen Effizienz und potenziellen Fehlern
production compilation
mentale Anweisungen, aus denen eine Handlung hervorgeht, werden zusammengefügt (schnelle Folge von Handlungen auf Nummernblock des Telefons)
- Ausführen längerer Handlungssequenzen, ohne das Bewusstsein eingreift oder sich anstrengen muss
- Inhalte nicht bewusst verfügbar (um sich an Nummer zu erinnern, wählen nachahmen)
- Trade-off zwischen Effizienz und potenziellen Fehlern
Enkodierung
erster Informationsverarbeitungsprozess, führt zu mentaler Repräsentation im Gedächtnis
Speicherung
Aufrechterhalten von enkodierter Information über gewisse Zeitspanne hinweg
o Erfordert kurzzeitige wie auch langzeitige Veränderungen in Gehirnstrukturen
Abruf
Wiedergewinnung abgespeicherter Informationen zu einem späteren Zeitpunkt
Gedächtnisprozesse
Enkodierung, Speicherung, Abruf
-> - Sehr komplexe Interaktion der drei Prozesse
Informationsfluss in und aus dem Langzeitgedächtnis
Enkodierung im sensorischen Gedächtnis -> Enkodierung im Arbeitsgedächtnis (enthält KZG) -> Speicherung im LZG
Abruf: LZG -> Arbeitsgedächtnis
Ikonisches Gedächtnis
- Gedächtnissystem im visuellen Bereich, das große Informationsmengen für sehr kurze Zeiträume speichern kann (im auditiven Bereich = echoisches Gedächtnis)
- Gutes Beispiel für sensorische Erinnerungen: jedes Sinnessystem verfügt über Gedächtnisspeicher, der Repräsentationen physischer Merkmale von Stimuli für einen sehr kurzen Zeitraum (höchstens einige Sekunden) abspeichert
o Visueller Gedächtnisinhalt: halbe Sekunde
Ikonisches Gedächtnis und fotografisches Gedächtnis
Ikonisches Gedächtnis ist nicht fotografisches Gedächtnis = eidetische Vorstellungskraft -> Nimmt mit Lebensalter ab
Sperling, 1960/63: 3 Zeilen mit Buchstaben und Ziffern
- Gruppe: Ganzbericht = so viele Items wie möglich -> etwa 4 Items
- Gruppe: Teilbericht = eine Zeile, nach der Präsentation erklang Ton (hoch, mittel, tief), der anzeigte, welche Zeile
Erinnerungsleistung unabhängig von Zeile sehr hoch, wenn Ton bestimmte Zeile kennzeichnete
-> alle Informationen aus Anordnung mussten in ikonisches Gedächtnis gelangt sein: Beleg für große Kapazität des ikonischen Gedächtnisses
Forschung: Identifikationssignal für Teilbericht wurde verzögert dargeboten
o Von 0 zu 1 Sekunde fällt Anzahl korrekt berichteter Items stetig ab
o Um von „Extrablick“ profitieren zu können, müssen Gedächtnisprozesse sehr schnell Informationen in haltbarere Speicher übertragen
Kurzzeitgedächtnis
Eingebauter Mechanismus, der kognitive Ressourcen auf kleine Menge mentaler Repräsentationen hin bündelt
Kapazitätsbeschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses
Um Kapazität zu schätzen, zunächst Bestimmung der Gedächtnisspanne
o Zufallsliste von Zahlen bzw. Buchstaben -> Erinnerung an 5 bis 9 Items
o Überschätzen wahre Gedächtnisspanne, weil Probanden andere Informationsquellen für Aufgabe nutzen können -> korrigierte Zahl für KZG: 3 bis 5 Items
- George Miller (1956): 7 plus minus 2 als „magische Zahl“ für Gedächtnisleistung
- Enkodieren von Info im KZG kann durch Rehearsal und Chunking verbessert werden
- Dauer: einige Sekunden bis max. einige Minuten (Cave: Alltagsgebrauch)
Rehearsal
- Erhaltende Wiederholung (maintenance rehearsal)
- Forschung: Peterson & Peterson (1959)
o 3 Konsonanten nach 3 bis 18 Sekunden wiedergeben
o dazwischen Distraktionsaufgabe, um Wiederholen zu verhindern
o Abrufleistung sank mit zunehmender Zeitspanne
-> Wiederholen hilft, Informationen vor Verblassen im KZG zu bewahren
Chunking
- Chunk = bedeutungsvolle Informationseinheit
- Chunking: Prozess der Rekonfiguration von Items, indem sie auf Basis von Ähnlichkeit oder anderen Organisationsprinzipien gruppiert werden (oder werden zu größeren Mustern kombiniert auf Basis von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis)
- S. F. (begeisterter Marathonläufer) konnte sich 84 zufällige Ziffern merken, indem er ihm bekannte Zeitergebnisse von Wettläufen nutzte, um sie zu Chunks zu organisieren
- Bsp.: persönliche Bedeutung zuordnen, mit unterschiedlichen Codes aus LZG verbinden, rhythmisches Muster oder zeitliche Gruppierung
Arbeitsgedächtnis
- Gedächtnisressource, die wir für Aufgaben wie Schlussfolgern und Sprachverstehen nutzen
- Arbeitsgedächtnis als kurzfristige, spezifische Fokussierung auf benötigte Elemente
Vier Komponenten des Arbeitsgedächtnisses: Alan Baddeley (2002/03)
- Phonologische Schleife (phonological loop)
- Visuell räumlicher Notizblock (visuospatial sketchpad)
- Zentrale Exekutive (central executive)
- Episodischer Puffer
Phonologische Schleife
= phonological loop
- speichert und manipuliert sprachbasierte Informationen
- große Überschneidungen mit KZG
Visuell räumlicher Notizblock
= visuospatial sketchpad
- speichert und manipuliert visuelle und räumliche Informationen
Zentrale Exekutive
= central executive
- Kontrolle der Aufmerksamkeit
- Koordination von Informationen aus der phonologischen Schleife und dem visuell räumlichen Notizblock
Episodischer Puffer
- Von zentraler Exekutive kontrolliertes Subsystem mit begrenzter Kapazität
- Abrufen von Informationen aus dem LZG und Kombination mit Informationen aus gegenwärtiger Situation
- Stellt Ressourcen zur Verfügung, verschiedene Arten perzeptueller Stimulierung mit zurückliegenden Erfahrungen abzugleichen und so zu integrierter Interpretation der Situation zu gelangen
Forschung, Ramirez & Beilock, 2011:
Hypothese: Ängstliche Gedanken überbeanspruchen häufig Kapazität des AG
o Prüfungssituation: Kontrollgruppe wartet 10min, Versuchsgruppe schreibt Gedanken und Gefühle nieder
o Studierende in Schreibgruppe schnitten etwa 20% besser ab
o Begründung: Durch Niederschrift keine Belastung des Arbeitsgedächtnisses mehr
Messung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses
Menschen unterschieden sich im Hinblick auf Kapazität des AG
o Verschiedene Verfahren, um Unterschiede zu messen: z.B. Operationsspanne -> Menschen führen Aufgabe aus und gehen gleichzeitig 2. Aufgabe nach
o Maße der Arbeitsgedächtniskapazität (working memory capacity -> WMC)
Auswirkung der höhe des WMC auf Leistung: Sörqvist et. al. 2010
Probanden versuchen kurzen Text zu verstehen, während sie gleichzeitig über Kopfhörer Sprachgebrabbel ausgesetzt waren
o Textverständnis von Menschen mit höherer WMC wurde weniger stark gestört
Kleider et. al., 2010
Polizisten sehen Serie von Diabildern von un-/bewaffneten Männern und sahen ein verstörendes Video -> negative Emotionen:
o Niedrigere WMC: schossen anschließend eher auf Unbewaffnete -> negative Emotionen gehen auf Kosten der Arbeitsgedächtnisressourcen
Funktionen des Arbeitsgedächtnisses
- Arbeitsgedächtnis hilft, psychologische Gegenwart aufrecht zu erhalten
o Gibt Kontext für neue Ereignisse vor und verbindet getrennte Episoden zu zusammenhängender Geschichte
o Ermöglicht Repräsentationen einer wechselnden Situation aufrechtzuerhalten und ständig zu aktualisieren
o Ermöglicht Verlauf des Gesprächs zu folgen - AG als Pipeline für Informationen von und zum LZG
Hinweisreize beim Abruf
= retrieval cues
- Stimuli, die bei der Suche nach einem bestimmten Gedächtnisinhalt verfügbar sind
- Extern („Worin liegt der Unterschied zwischen der Definition des KZG in der Wissenschaft und der Definition des KZG in der Allgemeinbevölkerung“)
- Intern („Wo habe ich die Person schon einmal getroffen?“)
Behaltensintervall
Zeitspanne, über die die Informationen im Gedächtnis behalten werden müssen
Abruf
= recall
Reproduktion einer bereits bekannten Information
Wiedererkennen
= recognition
Beurteilung etwas zuvor Gesehenem/Gehörtem
Welche Gemeinsamkeit haben Abruf und Wiedererkennen?
Bei welchem ist die Leistung höher?
- Erfordern beide eine Suche anhand von Hinweisreizen
- Leistung beim Wiedererkennen in der Regel höher als beim Abruf -> da mehr Hinweisreize
- Meistens Kombination aus beidem
Endel Tulving (1972)
führte als Erster Unterscheidung in episodische und semantische Formen des deklarativen Wissens ein
Episodische Gedächtnisinhalte
bewahren individuelle und spezifische Ereignisse auf, die persönlich erlebt wurden (-> Sammlung persönlicher Erfahrung)
o Um Gedächtnisinhalte wiederzufinden: Benötigung von Hinweisreizen, die etwas über Zeitpunkt und Inhalt des gesuchten Ereignisses aussagen
-> Hinweisreize mit Aussagen über Zeit, Ort und Inhalt des Gelernten
Semantische Gedächtnisinhalte
Generische kategoriale Gedächtnisinhalte wie bspw. Die Bedeutung von Wörtern und Konzepten (-> (Allgemein-)Wissen)
-> Hinweisreize mit Aussage über den Inhalt des Gelernten (Zeit- oder Ortinformationen unwichtig bzw. nicht vorhanden)
Dimensionen des LZG
LZG teilt sich in Deklaratives und Prozedurales Gedächtnis
Deklaratives Gedächtnis teilt sich in Episodisches und Semantisches Gedächtnis
Unterscheidung innerhalb des deklarativen Gedächtnisses
Deklaratives Gedächtnis unterscheidet sich in Bezug auf die Hinweisreize, die zur Wiedergewinnung von Gedächtnisinhalten benötigt werden
Enkodierspezifität
Gedächtnisinhalte kommen am leichtesten wieder, wenn der Kontext des Abrufs mit dem Kontext der Enkodierung übereinstimmt
Enkodierspezifität: Endel Tulving & Donald Thomson (1973)
o Probanden sollen sich nur zweites Wort eines Wortpaares merken
o Danach 4 Wörter zu vorgegebenem Wort assoziieren
o Vorgabewörter so ausgewählt, dass ursprünglich zu erinnerndes Wort mit großer Wahrscheinlichkeit enthalten sein würde
o Danach Markierung aller Wörter in Assoziationsliste, die sie als zu behaltende Wörter wiedererkannten -> Wert 54%
o Wurde später das erste Wort des Paares gegeben, konnten sie in 61% der Fälle fehlenden Paarling abrufen
o Erklärung: Abrufleistung besser als Wiedererkennen, weil zu behaltendes Wort im Kontext des Wortpaares gelernt wurde und Wiederfinden bei wechselndem Kontext schwieriger ist
Enkodierspezifität: Godden & Baddeley, 1975
o Taucher lernten Wortlisten entweder am Strand oder Unterwasser
o Wurden in einem der beiden Kontexte auf Behalten hin getestet
o Behaltensleistung war 50% höher, wenn Kontext von Enkodieren und Abruf übereinstimmte
Enkodierspezifität: Etage und Klavierschüler
- Unsworth et. al., 2012: Enkodieren in 3. Etage, Abrufen in 5. -> schlechter
- Mishra & Backlin, 2007: Klavierschüler spielen besser auf Klavier, auf dem sie gelernt haben
Enkodierspezifität nur bei externalen Zuständen?
- Enkodierspezifität basiert aber auch auf internalen Zuständen bei Menschen
- Weissenborn & Duka, 2000: Teilnehmer, die beim Lernen und Abrufen Alkohol tranken übertrafen Teilnehmer, die nur in einer Situation alkoholisiert waren
- > “zustandsabhängiges Gedächtnis”
Zustandsabhängiges Gedächtnis
Effekte, wenn internale Zustände die Basis für Enkodierspezifität legen
o Kommt auch bei anderen Drogen wie Marihuana und Amphetaminen zum Tragen
Der serielle Positionseffekt
Erinnerungsleistung ist abhängig von Position der Information in der Serie
- Primacy-Effekt: besseres Erinnern an erste Items
- Recency-Effekt: besseres Erinnern an letzte Items
Serial recall vs. free recall
Wörter in richtiger Reihenfolge vs. Wörter frei abrufen
-> bei beidem primacy- und recency-Effekt
Zeitliche Unterscheidbarkeit
In welchem Ausmaß unterscheidet sich ein Item in der Zeitspanne vom nächsten?
Kontextuelle Unterscheidbarkeit
Früh erworbene Gedächtnisinhalte können unterscheidbar gemacht werden, indem sie psychologisch auseinander rücken
Buchstabenlisten und zeitliche Unterscheidbarkeit: Neath & Crowder, 1990
o Probanden lernten Buchstabenlisten
o Manipulation, wie weit die Buchstaben zeitlich auseinander zu liegen scheinen: Probanden lasen mehrstellige Zufallszahlen zwischen den Buchtstaben
o Standardbedingung: jedes Buchstabenpaar wurde durch zwei Ziffern getrennt
o Proportionalbedingung: erstes Paar durch 4 Ziffern, letztes Paar durch 0 Ziffern getrennt -> frühe Items stärker unterscheidbar
o Bessere Gedächtnisleistung für frühe Items, wenn diese deutlicher unterscheidbar
Transfer-adäquate Verarbeitung
= transfer-appropriate processing
Gedächtnis funktioniert am besten, wenn Prozessart beim Enkodieren sich auf für den Abruf notwendigen Prozess überträgt
Theorie der Verarbeitungstiefe
= Levels-of-Processing Theory. Craig & Lockhart, 1972
o Je tiefer Informationen verarbeitet wurden, desto wahrscheinlicher werden sie dem Gedächtnis überstellt -> wenn mehr Analyse, Interpretation, Vergleich und Elaboration = bessere Gedächtnisleistung
o Erklärung: tiefere Verarbeitung entspricht eher den Prozessen, auf die es beim Abruf ankommt
Marathonläufer -> Priming bei perzeptuellen Prozessen: Eich & Metcalfe, 2009
o Prä- und Postmarathongruppe sollten über 26 Wörter nachdenken
o 1. Wortstammergänzungen (z.B. Ein____ wenn Einhorn auf der Liste stand) (implizit)
o 2. Aktives Erinnern an Wörter (explizit)
o Explizites Gedächtnis der Postgruppe schlechter, weil es unter Stress des Marathons leidet
o Implizites der Post besser, weil Stress sie dazu veranlasst, auf physische Eigenschaften des Wortes und nicht auf Bedeutung zu gucken
Maße für explizites und implizites Gedächtnis
- Maß für explizites Gedächtnis: Anteil des Erinnerten
- Maß für implizites Gedächtnis: Priming (da erste Erfahrung Erinnerung an spätere Erfahrungen bahnt)
Studie von Dozent über 10 Jahre -> Priming bei konzeptuellen Prozessen: Thomson et al., 2010
o Kanadische Dozenten erwähnten zu Beginn des Semesters einen US-Bundesstaat
o Baten 1-2 Monate später die Studenten, alle 50 Staaten aufzuschreiben
o Studierende erinnerten sich sehr viel eher an Staat, wenn in Vorlesung erwähnt
o Konnten dies meist nicht mit der Vorlesung in Verbindung bringen
o -> konzeptuelles Priming über entsprechenden Staat hielt 1-2 Monate an!
Priming
verbesserte Fähigkeit zur Verarbeitung, Wahrnehmung oder Identifikation eines Reizes, die darauf beruht, dass dieser Reiz zuvor schon einmal wahrgenommen wurde
Konzeptuelles Priming
erfordert eine semantische Verarbeitung, z.B. das Assoziieren eines Begriffes zu einem vorgegebenen Begriff oder das Generieren von Exemplaren zu vorgegebenen Kategorien
Perzeptuelles Priming
erfordert lediglich die Wahrnehmung der vorgegebenen Stimuli
Pionier der Erforschung des Vergessens
Hermann Ebbinghaus (1850-1909)
o Lernte Liste unsinniger Silben
o Lenkte sich vom Wiederholen der Originalliste ab, indem er viele andere Listen lernte
o Maß Gedächtnisleistung, indem er bestimmte, wie viele Durchgänge er benötigt, um Originalliste wieder zu lernen
o Ersparnismaß: z.B. 1. 12 Durchgänge 2. 9 Durchgänge –> Ersparnis 25%
Interferenz
Jeder spezifische Gedächtnisinhalt konkurriert mit anderen Inhalten
Proaktive Interferenz
Früher erworbene Informationen erschweren Erwerb neuer Informationen
Retroaktive Interferenz
Erwerb neuer Informationen erschwert Behalten früher erworbener Informationen
Verbesserung der Gedächtnisleistung bei unstrukturierten Informationen durch
Elaborierendes Wiederholen
Mnemotechniken
Elaborierendes Wiederholen
- Beziehung zwischen Informationen herstellen, die Assoziationen weniger zufällig erscheinen lässt
- Visuelle Vorstellung verbessert Abruf, da sie Codes für verbale und visuelle Gedächtnisinhalte liefert
- Bewahrt vor Der-Nächste-in-der-Reihe-Effekt: Aufmerksamkeitsverschiebung, wenn man als nächster dran ist, erinnert man sich nicht an Vorredner, da man sich vorbereitet
Mnemotechniken
- Lange Folgen von Fakten werden mit vertrauten, bereits enkodierten Informationen assoziiert
- Viele Mnemotechniken arbeiten mit vorgefertigten Hinweisreizen für den Abruf
- Informationen während der Aneignung visuell anreichern
- Methode der Orte (method of loci)
- Wäscheleinemethode (peg-word method)
Methode der Orte
= method of loci
o Folge von Informationen wird mit Folge von Orten assoziiert
o Beim Abrufen mental den Weg entlang gehen und Items „einsammeln“
Wäscheleinemethode
= peg-word method
o Folge von Informationen wird mit Folge von Hinweisreizen assoziiert
o Hinweisreize typischerweise Folge von Reimen, mit Zahlen oder Wörtern assoziiert
o Z.B. Heinz (1) mag Brot, Baby schreit (2) nach Milch, …
Metagedächtnis
Wissen über Gedächtnis und seine Vorgänge:
Wie arbeitet das Gedächtnis? Wie weiß man, welche Informationen man besitzt?
Pionierarbeit zum „Gefühl, etwas zu wissen“
J. T. Hart (1965)
o Einschätzung zwischen 1 und 6 bei MC zu Allgemeinwissen die richtige Antwort auszuwählen (Frage vorher bekannt)
o „1“ -> 30% richtige Antwort, „6“ -> 75% richtige Antwort
o Beleg, das Gefühl etwas zu wissen, zutreffend sein kann
Beurteilung des Lernens
= judgement-of-learning (JOL)
o Mehr Zeitaufwendung, für Stoff, den man noch nicht zu beherrschen glaubt
o Möglichkeit, Abschneiden in Prüfungen vorherzusagen? Manchmal
Frage: Warum glaube ich, den Stoff zu beherrschen?
Grundfunktionen des Gedächtnisses
Zusammenfassen von ähnlichen Erfahrungen, um Muster in Interaktion mit Umwelt aufzudecken
Kategorie
Zusammenfassung von Einzelerfahrung
o Objekte oder Tätigkeiten (Scheune, Fußball)
Konzept
mentale Repräsentation für Kategorie o Eigenschaften (rot, groß), abstrakte Ideen (Liebe, Wahrheit), Beziehungen (pfiffiger als, Schwester von)
Z.B. Konzept „Hund“ = Menge mentaler Repräsentationen von Erfahrungen mit Hunden (= Menge mentaler Repräsentationen von Konzept „Hund“)
Familienähnlichkeit
Typische Angehörige einer Kategorie haben Eigenschaften, die sich mit vielen anderen in derselben Kategorie überschneiden
- Spielt eine Rolle bei Beurteilung von Typikalität
- Menschen reagieren schneller auf typische Angehörige einer Kategorie
Beurteilung von Fischen (Typikalität): Burnett et. al., 2005
o Indianer und Amerikaner fassten Fischarten in Gruppen zusammen
o Mündliche Begründungen („gut essbar“), warum sie bestimmte Fische zusammen einordneten = Index für Grad der Begehrtheit
o Probanden bewerteten, inwieweit jede Spezies ein gutes Beispiel für die Kategorie „Fisch“ sei
Korrelation von 0,8 zwischen Begehrtheit und Typikalität
Beweis, dass Auffassungen vom Idealen Rolle bei Beurteilung der Typikalität
Kulturelle Unterschiede in der Bewertung der Begehrtheit
-> Typischste Angehörige einer Kategorie sind auch ideale Kategorieangehörige
Bausteine von Gedächtnishierarchien?
Konzepte
Basisebene
Ebene in Hierarchien, wo Menschen am besten kategorisieren und über Objekte denken können (z.B. Apfel und nicht Obst oder Golden delicious)
o Veränderbar (Apfelzüchter hat womöglich andere Basisebene)
Schemata
Konzeptuelle Rahmen oder Bündelungen von Wissen, die sich auf Objekte, Menschen und Situationen beziehen und komplexe Verallgemeinerungen über Erfahrungen mit der Struktur der Umwelt enkodieren
- sind, wie Prototypen, nicht festgelegt, sondern ändern sich mit wechselnden Lebensereignissen
- beinhalten nur jene Details der Welt, denen hinreichend Aufmerksamkeit gewidmet wurde und spiegeln wider, wovon in der Welt Notiz genommen wurde
Skript
spezifischerer Typ einer Gedächtnisrepräsentation, das darüber Auskunft gibt, wie Ereignisse sich im Verlauf der Zeit entwickeln werden (z.B. Ablauf beim Arztbesuch)
Zwei Theorien, wie Menschen Konzepte im Gedächtnis einsetzen, um Gegenstände, denen sie in ihrer Umwelt begegnen, zu kategorisieren
o Vergleich mit Prototypen im Gedächtnis
o Vergleich mit vielen Exemplaren dieser Kategorie im Gedächtnis
o Daten stützen zum großen Teil die Exemplartheorie
Lampinen et. al. 2001: Studentenzimmer mit typischen und atypischen Gegenständen
-> Probanden erinnerten sich nach 1min im Raum viel besser an atypische Gegenstände
Sich erinnern als rekonstruktiver Prozess
Oftmals nicht direkte Erinnerung an Informationsbestandteil, sondern Rekonstruktion der Information auf Grundlage einer allgemeineren Form gespeicherten Wissens
Sir Frederic Bartlett (1886-1969): „Remembering: A Study in Experimental and Social Psychology (1932)
-> Behalten von Geschichten bei britischen Studienanfängern
o Inhalte und sprachliche Ausdrucksweise entstammten einer anderen Kultur
o Probanden veränderten beim Nacherzählen die Geschichte oftmals stark gegenüber dem Original, Verzerrungen umfassten 3 Arten konstruktiver Prozesse
Nivellierung (leveling): Vereinfachen der Geschichte
Akzentuierung (sharpening): Hervorheben und Überbetonen bestimmter Details
Assimilation (assimilating): Ändern von Details für bessere Übereinstimmung mit eigenem Hintergrund und Wissen
-> Vorwissen beeinflusst Art und Weise, wie Menschen sich an neue Info erinnern
Braun et. al., 2002: Lieblings-Fernsehfiguren im Vergnügungspark
o Befragung: Haben sie mit 10 Jahren eine ihrer Lieblings-Fernsehfiguren in einem Vergnügungspark getroffen und ihr die Hand gegeben?
o Nachdem Lesen einer Disney-Anzeige, in der beschrieben wurde, wie man einer Disneyfigur die Hand gibt, waren Probanden eher geneigt zu behaupten –auch im Gegensatz zu früherer Aussage-, dass sie Filmfigur die Hand geschüttelt hatten
o Erinnerungen aus dem eigenen Leben werden aus verschiedenen Quellen konstruiert
Spaziergang über Campus mit Aktionen: Seamon et. al., 2006:
o 1. Sitzung: 40 Studenten machen mit VL 1-stündigen Spaziergang über Campus, blieben 48-mal stehen und jedes Mal las VL Aktionsaufforderung vor, die Hälfte der Aufforderungen war absurd
o 4 Aktionen: selber ausführen, VL beim Ausführen zusehen, Vorstellung die Handlung auszuführen, Vorstellung dem VL beim Ausführen zuzusehen
o 24h später -> 2. Sitzung: Studierende stellten sich vor, wie sie selbst oder VL Aktionen (gewöhnliche und absurde) ausführen
o 2 Wochen später -> 3. Sitzung: Erinnern, ob Aktionen der ersten Sitzung tatsächlich ausgeführt wurden oder nur vorgestellt
o Häufige Behauptung, dass gewöhnliche wie auch absurde Vorstellungen tatsächlich ausgeführt wurden
Blitzlichterinnerungen
- Erinnerungen, bei denen Menschen fest davon überzeugt sind, dass sie das Ereignis haargenau wiedergeben -> meist bei emotional aufgeladenen Erinnerungen
- Konzept der Blitzlichterinnerung ist für öffentliche wie private Ereignisse anwendbar
Blitzlicherinnerungen JFK-Attentat: Brown & Kulik, 1977
o Befragung, wie Probanden von Attentat auf JFK erfahren hatten
o Alle 80 Probanden berichteten von lebhaften Erinnerungen
Blitzlichterinnerungen 11. September: Talarico & Rubin, 2003
o Nach Aschlägen von 11. September wurden Studenten befragt, wie sie vom Anschlag erfahren hatten und als Vergleich zu einem alltäglichen Ereignis
o 1, 6 und 32 Wochen danach erneute Befragung
o Zwischen Erinnerungen an Anschläge und Erinnerungen an alltägliche Erlebnisse keine Unterschiede: Rate für übereinstimmende Details und hinzufügen von neuen Details gleich
o 1 Jahr später erneute Befragung: für beide Erinnerungen nahm Fähigkeit der Probanden, sich korrekt an Details zu erinnern, mit der Zeit ab, während Tendenz, unkorrekte neue Details dazu zu erfinden, anstieg
o Bei Blitzlichterinnerungen waren die Teilnehmer zudem sehr viel zuversichtlicher, richtig zu liegen
Elizabeth Loftus et al., 1979: Untersuchungen zum Gedächtnis bei Zeugenaussagen
Wenn Augenzeugen berichten, was sie gesehen haben, sind diese Gedächtnisinhalte recht störanfällig gegenüber Verzerrungen durch später hinzugekommene Informationen -> Falschinformations-Effekt (Phänomen, dass Fehlinformation, die zwischen Encodieren und Abruf eines Ereignisses präsentiert wird, die Erinnerung an das vorausgegangene Ereignis beeinflussen kann)
-> großer Einfluss der Wortwahl (auch noch eine Woche später)
Falschinformations-Effekt: Paterson et al., 2011
o Probanden wurde jeweils eins von zwei Videos eines Banküberfalls gezeigt
o Beide Versionen unterschieden sich in Bezug auf mehrere Details
o Nach dem Video Diskussion mit anderem Probanden (verschiedene oder gleiche Version des Videos)
o 1 Woche später: Wiedergabe der Erinnerungen an Überfall
o In „verschiedene Versionen“-Bedingung gaben 42% Falschinformationen
o In „dieselbe Version“-Bedingung gaben 19% Falschinformationen
o Warnung des VL, dass Co-Zeugen geringfügig abweichendes Video gesehen hatten, hatte nahezu keinen Einfluss auf Falschinformationen
Befragung zu Austausch mit Co-Zeugen
- In Stichprobe sprachen 86% der Augenzeugen nach Ereignis mit Co-Zeugen
- Bei Gespräch mit Polizei wurde nur 14% abgeraten, sich mit Co-Zeugen auszutauschen
Engramm
- physikalische Gedächtnisrepräsentation
- Begriff geprägt von Karl Lashley (1929, 1959)
Karl Lashleys Suche nach dem Engramm
o Trainierte Ratten in Labyrinth zu laufen, entfernte unterschiedlich große Teile des Cortex und testete erneut Erinnerungsvermögen für Labyrinthe
o Erinnerungsvermögen sank proportional mit Masse an entferntem Gewebe
Absinken der Gedächtnisleistung war unabhängig davon, welcher Teil des Cortex entfernt wurde
Engramm existiert weit verteilt im ganzen Gehirn
Heutige Auffassung über “Engramm”
Gedächtnisinhalte für komplexe Sets von Informationen sind über viele neuronale Systeme verteilt, obwohl diskrete Arten von Wissen in umgrenzten Gehirnregionen getrennt verarbeitet und abgelegt werden
5 wichtige Gehirnstrukturen, die in das Gedächtnis involviert sind
o Cerebellum: wichtig für prozedurales Gedächtnis, für Gedächtnisinhalte, die durch Wiederholen erworben werden und für Reaktionen beim klassischen Konditionieren
o Striatum: komplexe Struktur im Vorderhin, wahrscheinlich Basis für Gewohnheitsbildung und Reiz-Reaktions-Verbindungen
o Cerebraler Cortex: verantwortlich für sensorisches Gedächtnis und für Assoziationen zwischen Sinneseindrücken
o Hippocampus: weitgehend verantwortlich für deklaratives Gedächtnis von Fakten, Daten und Namen und verantwortlich für das Zusammenführen räumlicher Erinnerungen
o Amygdala: wichtige Rolle beim Bilden und Abrufen emotional bedeutungsvoller Erinnerungen
o Thalamus, basales Vorderhirn und präfrontaler Cortex sind als Durchgangstationen bei der Bildung spezifischer Arten von Gedächtnisinhalten beteiligt
Amnesie
Gedächtnisverlust über längere Zeitspanne hinweg
- Anterograde Amnesie: keine Speicherung von Erinnerungen nach Zeitpunkt der physischen Schädigung des Gehirns (Korsakow-Syndrom, Alzheimer)
- Retrograde Amnesie: keine Erinnerung an Gedächtnisinhalte, die vor der Schädigung abgespeichert wurden (z.B. Unfall)
Korsakow-Syndrom
Folge von chronischem Alkoholismus
-> Anterograde Amnesie als eines der bekanntesten Symptome
Gedächtnisleistung und Hippocampus: Aly et al., 2010
o Menschen, deren Hippocampus Schädigung erlitten hatte, sahen sich farbige Zeichnungen von Gesichtern und Wortlisten an
o Dann Wiedererkennungsgedächtnistests für beide Stimulusarten
o Skala von 1 (neu) bis 6 (alt), ob Wiedererkennen der Zeichnung
o Wiedererkennung für Wörter weitaus mehr geschädigt als für Gesichter
o Erklärung: Gesichter erzeugen eher Kenntnis als Wiedererkennen
o Hippocampus für Erinnern notwendig, für Erkennen hingegen nicht
Alzheimer’sche Krankheit
Am weitesten verbreitete Krankheit, die sich auf Gedächtnisfunktion auswirkt
o Anfangsstadium: Schwierigkeiten, neue Informationen zu behalten
o Fortschreiten: Gedächtnisverlust nimmt größere Ausmaße an
o Symptome wurden 1906 vom deutschen Psychiater Alois Alzheimer beschrieben
In Gehirne von Verstorbenen: ungewöhnliche Knäuel neuralen Gewebes und klebrige Ablagerungen (Plaque) -> Ursache oder Folge der Krankheit?
Heute: Plaque verursachen Verfall des Hirngewebes
Wie können spezifische Theorien zur Biologie von Gedächtnisprozessen überprüft werden?
Forscher suchen oft Menschen mit bestimmter Hirnschädigung aus, um spezifische Theorien zur Biologie von Gedächtnisprozessen zu überprüfen
Auf welche Hirnregionen gehen Bewertungen des Lernens zurück?
vermutlich auf Regionen des präfrontalen Cortex
Tulving et al. machten mit PET Unterschied zwischen Aktivation beider Gehirnhälften beim Enkodieren und beim Abrufen episodischer Information aus
o Überproportional hohe Hirnaktivität im linken präfrontalen Cortex bei Enkodierung
o Im rechten beim Abruf
fMRT-Scans während Sitcom -> 3 Wochen später: Fragebogen zu Episode
Wenn diese Gehirnregionen besonders aktiv im Moment des Enkodierens waren, erinnerten Menschen sich eher an Details einer Sitcom:
rechter temporalen Pol
superiorer temporaler Gyrus (STG)
anteriorer parahippocampaler Cortex (aPHG)
posteriorer parahippocampaler Gyrus (pPHG)
Temporal-Parietal-Verbindung (TPJ)
Bildgebende Verfahren können auch Aufschluss darüber geben, wie sich im Gehirn Gedächtnisprozesse mit der Zeit entfalten
fMRT-Scan bietet momentgenaues Abbild, wo und wie diese Ausarbeitung im Hirn vonstattengeht
Daselaar et al., 2008: fMRT-Scan während Abruf von autobiographischen Erinnerungen
o Probanden versuchten sich an ein bestimmtes Ereignis zu erinnern, dass sie mit einem Hinweiswort des VL assoziierten und drückten Knopf, sobald sie es gefunden hatten
o Suche nach episodischen Erinnerungen: Hippocampus aktiv
o Zuwendung zu einzelnen Erinnerungen: visueller Cortex, wenn Anreicherung mit Bildern -> besonders aktives Wiedererleben
Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses
- Längerfristige Einspeicherung von Informationen
- Verwendung von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis
- Wichtig für Prozesse der Kombination aus gerade Wahrgenommenem und bereits Gelernten wie Sprachverständnis und Schlussfolgern
- Bsp.: neue Telefonnummer behalten, Suche nach Zettel und Bleistift