(17) Wahlsysteme Flashcards
Wahlsysteme =
sind Institutionen (dauerhafte, formelle und und informelle Spielregeln der Gesellschaft)
→ Mechanismen, die Bürger-Präferenzen in Parlamentssitze übersetzen
elektorale Formel =
Wie man Stimmen in Sitze übersetzt
Stimmstruktur
(ballot structure)
- entweder Bürger stimmen für geschlossene Liste
- oder Bürger können Anpassungen vornehmen
(CH kumulieren & panaschieren)
Distriktmagnitude
- Wie viele Sitze in einem Wahlkreis vergeben werden
- Vergleich mit Pixeln in Bild: je mehr, desto genaueres Abbild
Majorz (Mehrheitswahlrecht) allg.
> Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt
- bevorteilt große Parteien, erschwert Situation für kleine Parteien
- accountability & stability more important than representation
- Distriktmagnitude: oft Einerwahlkreise (s. UK)
SMDP
= single member district with plurality
- Kandidat mit höchster Stimmenzahl gewinnt
- klarer link zwischen Wahlkreis und Parlamentarier (constituency office)
- führt teils zu verzerrten nationalen Ergebnissen (bei knappen Ausgängen in einzelnen constituencies)
- UK & ehem. Kolonien
Majorz: Zweirundensystem
> bei Nichterreichen von absoluter Mehrheit im ersten Wahlgang → Stichwahl
- FR: Kandidaten müssen in erster Wahl mind. 12,5% gehabt haben
- manchmal scheiden Kandidaten freiwillig aus
- Vorteile gegenüber SMDP
- Wähler können ehrlicher wählen (nicht normativ gemeint, sondern Handlung = Wunsch)
- keine “verschwendeten Stimmen”
Majorz: Präferenzstimme
(alternative vote)
> Wähler geben Präferenz über alle Kandidaten ab
- wenn niemand absolutes Mehr erreicht, wird schlechtester Kandidat gestrichen und dessen Stimmen neu verteilt (auf den, der von Wählern als Zweitliebster angegeben wurde)
- keine “verschwendeten Stimmen”
- Australien
Proporz allg.
> Sitze werden proportional auf Parteien aufgeteilt
- mehrere Sitze pro Wahlkreis
- Berechnung: quota oder divisor
- Bedingung: Parteien müssen vorhanden sein
- führt zu kleineren Parteien in Parlament (cf. Duverger)
- repräsentiver als Majorz, trotzdem sind kleine Parteien in Parlament benachteiligt
- z.T. Sperrklauseln (electoral thresholds), die Zersplitterung verhindern (DE 5%)
Sperrklauseln engl.
electoral thesholds
Proporz: Listensystem
- jede Partei bildet Liste mit Kandidaten
- Quota definiert nötige Mindest-Stimmenzahl für einen Sitz
- gültige Stimmen / Distriktmagnitude + n
- n unterschiedlich je nach Mechanismus (Hare, Droop, Imperial etc.)
Proporz: Restzuteilung Sitze: Hare und größter Rest
n = 0
noch zu vergebende Sitze werden an die Parteien vergeben, die noch am meisten “unverbrauchte” Stimmen haben
Proporz: Restzuteilung Sitze: Hare und größter Durchschnitt
n = 0
nach “Durchschnittspreis” für Sitz
Proporz: Restzuteilung Sitze: Divisor statt Quota
(d’Hondt, Sainte-Laguë)
- 1,2,3,4,5,…
- 1,3,5,7,…
- alle Ergebnisse werden immer wieder geteilt, die Partei die in einer Runde den höchsten Wert hat, bekommt entsprechenden Sitz
Proporz: Restzuteilung Sitze: Doppelter Pukelsheim
“doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung”
- in einigen Kantonen
- oberste Ebene: Zuteilung nach Parteistärke
- anschließend werden für jede Partei Sitze nach Wahlkreis vergeben
- bessere proportionale Verteilung
- schlechtere Nachvollziehbarkeit für Bürger → Legitimitäts-Defizit
Proporz: Restzuteilung Sitze: Sonderform: Single Transferable Vote
- ähnlich Präferenzstimme
- Bürger geben Reihenfolge an
- Kandidat mit Stimmen > Quote erhält Sitz
- wenn es niemand über Quota schafft, wird schwächster Kandidat gestrichen und Stimmen umverteilt (s.o.)
- Irland
→ benötigt keine Parteilisten
Mischformen von Proporz & Majorz
> Kombination beider Formate
Prototyp: Deutscher Bundestag 🇩🇪
- Erststimme Majorz
- Zweitstimme Proporz
→ Überhangs- und Ausgleichsmandate
direkte Konsequenzen von Wahlsystemen: mechanische Effekte
Schwierigkeit für kleine Parteien in Majorz
direkte Konsequenzen von Wahlsystemen: strategische Effekte
- Majorz
- Bürger stimmen nicht unbedingt für Favoriten, sondern strategisch
- Parteien-Abspaltungen und -gründungen schwierig
- Proporz
- Bürger stimmen ehrlich, d.h. entsprechend ihrer Präferenzen ab
- freiere Parteibildung möglich
direkte Konsequenzen von Wahlsystemen: Duverger’s Law
- Majorz reduziert Parteienanzahl
- Proporz erhöht Parteienanzahl
- Achtung: bezogen auf Distriktebene
- 2 wesentliche Parteien pro constituency
- in Yorkshire aber andere 2 als in Cardiff
direkte Konsequenzen von Majorz-Wahlsystem
- mehr Wahldistriktarbeit in SMDP
- mehr Wahl-zu-Wahl-Varianz, da kleinste Veränderungen drastische Auswirkungen haben können
- weniger Beteilung linker Parteien
indirekte Konsequenzen von Wahlsystemen
- Winner-loser Gap ist kleiner in Proporz Systemen
- difference in satisfaction with democracy
- Gewinner sind stets eher zufriedener als Verlierer
- aber Diskrepanz besonders stark in Majorz-Systemen
Rokkan: Erklärung für Änderung zu Proporz
- Ausdehnung des aktiven Wahlrechts
- untere Schichten bekommen mehr Mitsprache → Sozialisten / Sozialdemokraten
- Konservative & Liberale fürchten “große Abwahl”
- Proporz als Schutz ihrer Machtposition
Einführung Proporz in CH (und TI)
- 3 Initiativen: 1900, 1910, 1918
- erste Proporz-Wahl 1919
- Gewinne: SP & BGB (heute SVP)
- Verluste: FRP
- aber: “magnitude matters” → AI, UR etc. faktisch Majorz-Wahlrecht, da nur ein Sitz
- Tessin (seit 1892)
- Differenzen zwischen Konservativen & Liberalen, Wahlmanipulation etc.
- Aufstand der FDP → Niederschlagung durch eidgenössische Truppen
- Änderung des Wahlrecht hin zu Proporz (eine der ersten politischen Einheiten überhaupt)
- bis heute Diskussion (auf kantonaler Ebene)
- Wahlrechtsreformen: “interessante” Koalitionen zwischen Parteien, die Status Quo sichern