Vorlesung 24 - Glaubhaftigkeit I Flashcards

1
Q

Was bedeutet der Grundsatz “in dubio pro reo”?

A

Im Zweifel für den Angeklagten

Europäische Menschenrechtskonvention:
“Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig”

Die Argumentation einer Verurteilung muss “folgerichtig, lückenlos und frei von Widersprüchen” sein

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2
Q

Wann werden rechtspsychologische Sachverständige eingesetzt?

A

Grundsätzlich: Beurteilung der Glaubhaftigkeit ureigenste Kompetenz des Gerichts

Beauftragung rechtspsychologischer Sachverständiger nur in Ausnahmefällen
- wenn es darum geht, ob Zeuge ein Opferstastus zugesprochen wird und begründete Zweifel daran bestehen

oft bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegeben
- Kinder (sexueller Missbrauch)
- Frauen (Vergewaltigungs- bzw. sexuelle Nötigungserfahrungen)

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3
Q

Wann kann es zur Verordnung von aussagepsychologischen Begutachtungen kommen?

A

Im Rahmen des Ermittlungsverfahren:
- wenn schnell Zweifel aufkommen, dass Zeugenaussage wahr ist
- vor der Anklage durch Staatsanwaltschaft

In der richterlichen Vorprüfung / während der Hauptverhandlung:
- Im Auftrag des prüfenden Gerichts oder Staatsanwaltschaft
- wie Schuldfähigkeitsbegutachtung erstmal nur vorläufig

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4
Q

Was ist der Othello-Fehler?

A

Wissenschaftliche Studien bestätigen das Vorliegen eines “Lügenstereotypes”

Aber: Auch Zeugen wissen um die Stereotypen und können im Sinne der zielorientierten Selbstpräsentation taktische Strategien einsetzen, um möglichst glaubwürdig zu wirken

Versuchen Zeugen ihr Gegenüber zu überzeugen, weil ihnen Misstrauen signalisiert wird, wird dies erneut als Beleg für eine Falschaussage interpretiert (Othello-Fehler)

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5
Q

Welches Ziel hat die Untersuchung der Glaubhaftigkeit im Strafprozess?

A

Bei der Begutachtung der Glaubhaftigkeit wird eine Aussage vor dem Hintergrund wissenschaftlicher, psychologischer Erkenntnisse (Wahrnehmung, Gedächtnis, Entwicklung, etc.) auf ihren Realitätsgehalt untersucht

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6
Q

Was sind Merkmale frei erfundener Aussagen?

A

frei erfundene Aussagen haben ihre Basis im semantischen Gedächtnis

Aussagen werden vor dem Hintergrund “kognitiver Schemata” konzipiert

kognitive Schemata sind abstrakte Wissensstrukturen, die Vorannahmen über Gegenstände, Menschen und Situation enthalten

kognitive Schemata repräsentieren Cluster von Wissen und leiten Aufmerksamkeit, Erwartungen, Interpretationen und Inferenzen bei der Wahrnehmung, Verarbeitung und Rekonstruktion von Informationen

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7
Q

Was sind die Merkmale des episodischen Gedächtnisses?

A

Das autobiographische Gedächtnis - ist dadurch gekennzeichnet, dass es über einen zeitlichen und räumlichen Bezug hinaus ein Ich-Bezug besteht

erfahrene Episoden erlangen persönliche Bedeutung

Emotional bedeutsame Ereignisse werden detaillierter, kontextuell eingebundener und lebhafter erinnert

Individuelle Durchzeichnung

Beteiligte sind nicht austauschbar

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8
Q

Was ist die Undeutsch-Hypothese?

A

Aussagen über tatsächlich erlebte Ereignisse unterscheiden sich von erfundenen Aussagen derselben Person durch eine überlegene inhaltliche Qualität

Falschaussage als Leistungsprodukt: Cognitive Load Theory
- Falschaussage muss plausibel konstruiert werden
- muss spontan ergänzt werden
- selbst produzierte Information muss gemerkt werden
- keine Informationen, die Zuhörer skeptisch werden lassen
- eigene Wirkung und Wirkung der Aussage auf Rezipienten kontrollieren

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9
Q

Was ist die Leitfrage der Glaubhaftigkeitsbegutachtung?

A

Leitfrage: Könnte dieser Zeuge mit den gegebenen individuellen Voraussetzungen unter den gegebenen Befragungsumständen und unter Berücksichtigung der im konkreten Fall möglichen Einflüsse von Dritten diese spezifische Aussage machen, ohne dass die auf einem realen Erlebnishintergrund basiert?

Es ist zu prüfen, ob die in Frage stehende Aussage anders als durch einen tatsächlichen Erlebnishintergrund zustande gekommen sein kann.

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10
Q

Was ist die Aussagetüchtigkeit?

A

Aussagetüchtigkeit = weist der Zeuge die kognitiven und psychischen Voraussetzungen auf, die zur Erstattung einer gerichtverwertbaren Aussage erforderlich sind
- kognitiv: Wahrnehmung, Erinnerung, Sprache, etc.
- psychisch: Störungen, die die Realitätswahrnehmungen betreffen

In der Regel ab Jahren vorhanden, unter 4 Jahren nicht vorliegend

Allgemeine Aussagetüchtigkeit:
- Konzentrationsfähigkeit
- Fähigkeit, eine für Dritte nachvollziehbare Schilderung zu produzieren
- weitgehend selbstständiger Abruf
- angemessenes “Quellenmonitoring”

spezielle Aussagetüchtigkeit:
- nicht überdauernd/stabil über Zeit hinweg
- Aussagetüchtigkeit wird für jede mutmaßliche Tatsituation erhoben
- kann für einen Sachverhalt gelten, für andere nicht
- Alkoholisierung, Substanzkonsum, Bewusstseinsverlust

bezieht sich auf Fähigkeit einer Person:
- spezifischen Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen
- im Gedächtnis zu behalten, angemessen abzurufen
- Tatgeschehen verbal wiederzugeben
- Erlebtes von generierten Vorstellungen zu unterscheiden

ohne Aussagetüchtigkeit ist Begutachtung beendet

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11
Q

Wie beeinflusst Psychopathologie die Aussagetüchtigkeit?

A

Psychopathologische Auffälligkeiten und psychische Störungen eines Zeugen können sich in einem oder mehreren Bereichen zeigen

mögliche Folgen sind “zu viel” oder “zu wenig” Aussage
- psychische Erkrankungen können dazu führen, dass ein Erlebnis nicht erinnert oder wiedergegeben werden kann
- oder dazu, dass ein nicht stattgehabtes Ereignis behauptet wird

Von einer Aufhebung der Aussagetüchtigkeit ist nicht bei moderaten Abweichungen vom Durchschnitt auszugehen, sondern wenn Zeuge eine untere Mindestschwelle der Aussageleistung nicht erzielt

Dauerhaft aufgehobene Aussagetüchtigkeit, wenn Psychopathologie die Aussagefähigkeit relevant im Moment und auch zukünftig beeinträchtigt

Psychopathologie per se kein Grund für aufgehobene Aussagetüchtigkeit

Beispiel Borderline: Vorübergehende, durch Belastung ausgelöste paranoide Vorstellung oder schwere dissoziative Symptome

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12
Q

Was ist die Suggestionshypothese?

A

Die Aussage ist das Produkt fremd- oder autosuggestiver Einflüsse

Der Zeuge hält seine Aussage subjektiv für wahr

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