Begutachtung von Beschuldigten im Hauptverfahren Flashcards
Wann wird ein Beschuldigter für schuldunfähig befunden?
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung einer Tat wegen einer
krankhaften seelische Störungen
tiefgreifenden Bewusstseinsstörung
Intelligenzminderung
schweren anderen seelischen Störungen
unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen, oder nach dieser Einsicht zu handeln
Welche Störungen können zu den Eingangsmerkmalen der krankhaften seelischen Störungen zugeordnet werden?
- körperlich begründbare Psychosen
- exogene und endogene Psychosen
- Alkohol- und Substanzmittelintoxikation
- körperliche Abhängigkeiten
- Epileptische Erkrankungen
- genetisch bedingte Erkrankungen (z.B. Trisomie)
Welche Störungen können zu den Eingangsmerkmalen der Intelligenzminderung zugeordnet werden?
Störungen der Intelligenz ohne nachweisbare organische Grundlage
IQ-Wert < 70 (mind. 2 Stdabw unter Mittelwert)
IQ-Wert allein nicht ausreichend
wenn zusätzlich relevante Einschränkung der Funktionstüchtigkeit vorliegt
Welche Störungen können zu den Eingangsmerkmalen der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zugeordnet werden?
greift nur dann, wenn zum Tatzeitpunkt keine psychiatrische Störung vorliegt
nur bei psychisch gesunden Menschen
- Bewusstseinsveränderungen mit erheblicher Einengung der psychische Funktionsfähigkeit
- extreme Belastungssituationen
- massive affektive Belastungen wie Angst oder Wut; extremer Erregungszustand
- “seelische Gefüge erheblich erschüttert oder zerstört”
Beispiel:
extreme Eifersucht, die plötzlich ausbricht und den Täter “mitreißt”
Welche Störungen können zu den Eingangsmerkmalen der schweren anderen seelischen Störung zugeordnet werden?
Sammelbegriff
- Persönlichkeitsstörungen
- paraphile Störungen
- Abhängigkeiten (nicht körperlich)
- Impulskontrollstörungen
Spezifität zur inkriminierten Tat entscheidend
Was sind die Schritte der Schuldfähigkeitsbeurteilung?
Diagnosestellung nach ICD-11 / DSM-5 (keine Voraussetzung)
Beurteilung der Schwere
Zuordnung zu den Eingangsmerkmalen
Beurteilung der Einsichtsfähigkeit
Beurteilung der Steuerungsfähigkeit
Wie wird die Einsichtsfähigkeit eines Beschuldigten beurteilt?
Einsichtsfähigkeit
- reichen kognitive Funktionen aus, um eine Einsicht in das Unrecht eines Handeln zu ermöglichen?
- in der Regel vorhanden, es sei denn der Beschuldigte leidet unter erheblichen intellektuellen Einbußen oder psychotischer Realitätsverkennung
- Bei Einsichtsunfähigkeit erübrigt sich jede weitere Prüfung
Steuerungsfähigkeit:
- Hätte der Beschuldigte in der konkreten Tatsituation aufgrund der diagnostizierten Störung überhaupt anders handeln können?
- Fähigkeit, nach der vorhandenen Einsichtsfähigkeit zu handeln?
- gestörte Handlungsmöglichkeiten
- detaillierte Analyse der Tatumstände
- Die “potenziell-dispositionelle Fähigkeit oder Unfähigkeit” der Täterpersönlichkeit
Wie wird die Steuerungsfähigkeit eines Beschuldigten beurteilt?
Hätte der Beschuldigte in der konkreten Tatsituation aufgrund der diagnostizierten Störung überhaupt anders handeln können?
Fähigkeit, nach der vorhandenen Einsichtsfähigkeit zu handeln?
gestörte Handlungsmöglichkeiten
detaillierte Analyse der Tatumstände
Die “potenziell-dispositionelle Fähigkeit oder Unfähigkeit” der Täterpersönlichkeit
Was spricht für oder gegen eine Funktionsbeeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bei Beschuldigten mit einer Persönlichkeitsstörung?
Pro:
- konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor dem Delikt
- abrupter impulsiver Tatablauf
- relevante konstellative Faktoren (z.B. Alkoholintoxikation)
- enger Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsproblemen und Tat
Contra:
- Tatvorbereitung, Planmäßiges Vorgehen bei der Tat
- Hervorgehen des Deliktes aus dissozialen Verhaltensbereitschaften
- Fähigkeit, zu warten, lang hingezogenes Tatgeschehen
- komplexer Handlungsablauf in Etappen
- Vorsorge gegen Entdeckung
- Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen
Wie ist die Unterbringung von Beschuldigten gemäß §63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern geregelt?
Die Anlasstat muss für den Zustand des Täters “symptomatisch” sein
Einschränkung der Schuldfähigkeit und zukünftige Gefährlichkeit müssen dieselbe “Defektquelle” haben
weitere Straftaten müssen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung “wahrscheinlich” sein
“… wenn die Gesamtwürdigung der Täters und der Tat ergibt, dass von ihm erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.”
bei verminderter oder vollständiger Schuldunfähigkeit
Unterbringung endet mit:
- Tod des Untergebrachten
- Entlassung auf Bewährung
- Unverhältnismäßigkeit wird festgestellt durch günstige Kriminalprognose/Besserung
alle 3, nach 6 Jahren alle 2 Jahre psychologische Gutachten
Wie ist die Unterbringung von Beschuldigten gemäß §64 StGB in einer Enziehungsanstalt geregelt?
Hat der Täter den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen?
“… wenn die Gefahr besteht, dass der Täter infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird”
Anordnung nur, wenn hinreichende, konkrete Aussicht besteht, dass Person durch Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen ist, oder erhebliche Zeit vor dem Rückfall oder Begehung rechtswidriger Taten ermöglicht wird
Schuld unfähig oder vermindert schuldfähig
auf 2 Jahre begrenzt, bei keiner Aussicht auf Handlung folgt Entlassung
Aber: Freiheitsstrafen können noch angeordnet werden
Wie ist die Unterbringung von Beschuldigten gemäß §66 StGB in der Sicherheitsverwahrung geregelt?
“Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn …”
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat verurteilt wird, die
- sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet
Die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist
Schuld unfähig oder vermindert schuldfähig