Vorlesung 19 - Grundlagen der Straftäterbehandlung Flashcards
Welches Ziel hat der strafrechtliche Vollzug?
Vollzugsziel:
Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.
Primäres Ziel: Reduzierung des Rückfallrisikos!
Wie soll der Vollzug der Freiheitsstrafe laut StVollzG gestaltet werden?
Leben im Vollzug soll allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich angeglichen werden
Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken
Der Vollzug ist darauf ausgerichtet, dem Gefangenen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern
Wie werden die Grundsätze der Straftäterbehandlung (in Hamburg) geregelt?
Vollzugs- und Behandlungsprozess orientieren sich an den persönlichen Erfordernissen von Gefangenen
- Angebot eines therapeutischen Programms, dass auf persönliche Erfordernisse angepasst ist
Chancen zur Förderung ihrer Eingliederung in Leben in sozialer Verantwortung und zur Stärkung der Fähigkeit zur Selbsthilfe, Chance auf Eingliederung erhöhen
Behandlung dient der Prävention und dem Schutz der Opfer von Straftaten
Behandlung richtet sich auf Auseinandersetzung der Gefangenen mit der eigenen Straftat, deren Ursache und Folgen, insbesondere für die Opfer
Leben im Vollzug soll allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden
Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken
Welche Besonderheiten weist die Behandlung von Straftätern in der Sicherungsverwahrung auf?
Angebot von Behandlungsmaßnahmen, die zur Erreichung der Vollzugsziele führen (evidenzbasiert)
Wenn standardisierte Angebote nicht ausreichen, sind individuelle Behandlungsangebote zu entwickeln
Bei Behandlung wirken Arbeiter verschiedener Fachrichtungen eng zusammen, auch externe Fachkräfte
Gefangenen stehen Bedienstete als feste Ansprechpartner zur Verfügung
Bereits während des Vollzuges der Freiheitsstrafe, sind Gefangene in einer sozialtherapeutischen Einrichtung unterzubringen, wenn Teilnahme an den Behandlungsprogrammen zur Verringerung der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit führt
Wer bekommt im Rahmen des Vollzugs der Freiheitsstrafe therapeutische Behandlung?
Therapiebedürftigkeit:
Beeinträchtigungen in Erleben, Denken, Verhalten aufgrund persönlichen Entwicklungen, die Delinquenz fördern
Therapiefähigkeit:
kognitive und sprachliche Möglichkeiten, ggf. störungsspezielle Beurteilung notwendig, Behandelbarkeit bestimmter Störungsbilder, z.B. Psychopathie auch zu berücksichtigen
Therapiemotivation:
Nicht nur intrinsische, sondern auch extrinsische Motivationen sind zu berücksichtigen, ggf. Methoden wie z.B. motivational interviewing einsetzen
Was sind die Schwerpunkte der intramuralen Behandlung?
Reduzierung der Rückfallrisikos
- Milieutherapie
- Einzeltherapie
- Gruppentherapie
- Pharmakotherapie
Minimierung von Hospitalisierung
- Allgemeine Gesundheitsversorgung
- Ausführungen
- Religionsausübung
- Aufrechterhaltung von Kontakten
Was sind allgemeine Behandlungsmaßnahmen während des Strafvollzuges?
Freizeitaktivitäten (Sport, Kurse, Gruppen)
Schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen
- Bildung ist wichtiger Prädiktor für Desistance
- Ermöglichung von geregelten und angemessenen Arbeitstätigkeiten (Lebensunterhalt, Alltagsstruktur
Sozialtrainingsmaßnahmen:
- eine der am häufigsten angebotenen Maßnahmen im Strafvollzug
- Erkennen von Problemsituationen und problematischem Verhalten, Aufbau von Änderungsmotivation, Aufzeigen eigener Ressourcen, Entwicklung neuer Handlungsstrategien
- schlecht evaluiert bezüglich wissenschaftlicher Evidenz, aber sehr individualisiert und sozialpädagogisch leicht zu vermitteln
Was ist die Milietherapie?
Ausgestaltung des therapeutischen Milieus als konstant vorhandenes Lern- und Übungsfeld
wichtiger Wirkfaktor der Gesamtbehandlung
soziale Lernprozesse in einer Gruppe von Gleichgesinnten
- Lernen am Modell
- Lernen am Erfolg
- häufiges Wiederholen
- ständige Motivation
- Üben
- soziale Unterstützung und Aktivierung
Strukturgebende Methoden für das therapeutische Milieu:
Verlässlicher Tages- und Wochenplan
- verbindliche Haus-/Stations-/Wohngruppenregeln
- verlässliche Ansprechpartner (Wohngruppenleitung, Bezugspflege)
- Rückzugsmöglichkeiten
Förderung therapeutischer Arbeitsbündnisse:
- Respekt
- Transparenz
- Akzeptanz
- Wertschätzende Grundhaltung
- Definition gemeinsamer Ziele und Aufgaben
Was ist die Sozialtherapie?
angegliedert an JVA - aber abgetrennt von Regelvollzug (anderes Haus)
In Sozialtherapie findet im Schwerpunkt therapeutische Versorgung statt
(Einzel- /Gruppentherapie, z.B. Sport-/Kochgruppen, etc.)
ca. 50% Sexualdelikte vs. Gewalt- und andere Delikte
Indikation für eine Aufnahme in die sozialtherapeutische Anstalt:
- Wiederholungsgefahr gefährlicher Straftaten aufgrund Störung in sozialer und persönlicher Entwicklung
- Bemühen um Änderung ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen
- Ausreichende intellektuelle und verbale Fähigkeiten
Wie unterscheiden sich Behandlungsmaßnahmen zwischen den verschiedenen Formen des Vollzugs?
Regelvollzug;
- Allgemein keine Behandlung
- auf Nachfrage Therapie möglich
Sozialtherapie:
- Milieutherapie
- Einzel-/Gruppentherapie
Maßregelvollzug:
- Milieutherapie
- Einzel-/Gruppentherapie
- Pharmakotherapie
Wie läuft die Behandlungsplanung in der intramuralen Behandlung von Straftätern ab?
Risikoeinschätzung
klinische Testverfahren
Exploration und Anamnese
Delikthypothese
Definition von Behandlungszielen
Erhebung der Therapiemotivation
Zuweisung zu Therapiemaßnahmen
Was sind Beispiele für Gruppentherapeutische Maßnahmen?
Anti-Gewalt-Training:
- Reduktion von Aggressionspotential, Verbesserung von Ärger- und Risikomanagement, Impulskontrolle
- Heterogene Programme, dennoch Wirksamkeit international bewiesen
Reasoning-and-Rehabilitation-Programm:
- modularisierte Gruppenbehandlung mit kognitiv-behavioralem Ansatz
- eines der am häufigsten eingesetzten Programme im Justizvollzug
- Metaanalyse ergab Senkung der Rückfallrate um ca. 14%
- keine Psychotherapie, sondern Training, 35 vorstrukturierte Sitzungen
- Responsivity-Prinzip durch abwechslungsreiche Inhalte (Puzzle, Viedos, Rollenspiele, etc.)
Themen des R&R:
- Problemlösen (Problemerkennung, -identifikation, -formulierung)
- soziale Fertigkeiten (Verhandeln, Emotionen, Entspannungstechniken)
- kreatives Denken (Veränderung rigider Denkstrukturen)
- Werte (prosoziale Werte)
- kritisches Urteilen (Annahmen, Fakten, Folgerungen auseinanderhalten)
- Fertigkeiten im Überblick
Störungsspezifische psychotherapeutische Behandlungsansätze:
- auch außerhalb der Sozialtherapie, z.B. externe Kooperationen
- z.B. bei ADHS, Persönlichkeitsstörungen, Suchtbehandlungen
Was sind Probleme und Hindernisse der intramuralen Behandlung?
Widerstand und mangelnde Therapiemotivation
Subkulturelle Verstrickungen
Mangelhafte personelle und finanzielle Ressourcen
Ambivalenzen von Behandlern
Das Problem der Schweigepflicht
zu wenig psychologische Entscheidungsträger
Was ist das RNR-Prinzip?
Das Risk/Need/Responsivity Prinzip ist die Grundlage für therapeutisches Risikomanagement bei Straftätern
Rehabilitationstheorie:
- Ziel
- Ätiologie (Ursachenmodell)
- Behandlung orientiert am Ziel vor dem Hintergrund theoretischer Annahme
Risk: Anpassung der Intensität/Frequenz von Behandlungsmaßnahmen an die Risikokategorie eines Täters, Risiko bestimmt Intensität (Risikoprinzip)
Need: Fokussierung auf bedeutsame dynamische Risikofaktoren in der Behandlung (Bedürfnisprinzip), Hierarchisch dringende Risikofaktoren zu erst adressiert
Responsivity: Anpassung therapeutischer Methoden auf die Fähigkeiten des Täters (Ansprechbarkeitsprinzip)
- allg. Ansprechbarkeit: Nutzung evidence-basierter therapeutischer Methoden (i.d.R. kognitiv-behaviorale Ansätze)
- spez. Ansprechbarkeit: Berücksichtigung spezifischer personaler Faktoren (bspw. Intelligenz, Ängstlichkeit, Motivation)
Annahme: kriminelles Verhalten ist erlernt, das Aufrechterhalten ist abhängig von Konditionierung
Was ist das Good-Lives-Model?
Rehabilitationsmodell/theoretischer Rahmen für die Behandlung
Verhinderung erneuter Straftaten durch eine postdeliktisch zufriedenstellende Lebensführung
Hintergrund: “positive Psychologie”
GLM ist ressourcenorientiert (“strength-based approach”)
- Alternativen aufzeigen statt Verbote, motivierend und auf Augenhöhe
- Fokus auf psychologischem Wohlbefinden
Entwicklung speziell für Sexualstraftäter
Annahme: Delinquenz aufgrund von Schwächen, menschliche Bedürfnisse zu erreichen