Systemische Beratung und Konzepte (PBCo 11&12) Flashcards

1
Q

Erläutere die kybernetische General System Theory

A
  • die Ursprünge dieser Theorie liegen in der frühen psychologischen und soziologischen Forschung
  • sie hatte großen Einfluss auf die kognitive und therapeutische Forschung und wurde erfolgreich in die Einzel-, Paar- und Familientherapie übernommen (Bateson, Watzlawick, Moreno, Satir, Perls und andere)
    Im Folgenden ein Überblick:
    • Organismen stehen als „offene Systeme“ im ständigen Energie- und Feedbackaustausch mit ihrer Umgebung. Nur solche offenen Systeme sind anpassungs- und lernfähig.
    • Komplexe Phänomene sind nicht als Folge einfacher Kausalketten begreifbar. Komplizierte Feedback-Mechanismen wirken auf das gesamte System zurück.
    • Nicht nur das komplexe Phänomen ist daher von Bedeutung, sondern die vielfältigen Rückkopplungs-Mechanismen und Beziehungen innerhalb des
    Systems.
    • Das System selbst ist multivariant und daher immer nur mittelbar oder metaphorisch beschreibbar. Nur aus möglichst vielen, teils gänzlich unterschiedlichen
    Betrachtungsweisen gelingt eine vage holistische Sicht des Systems.
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2
Q

Gib einen Überblick über das Psychodrama nach Jakob Moreno

A
  • der Ansatz stellte in den 30ern einen Gegenentwurf zur Psychoanalyse dar
  • im Psychodrama werden verschiedene Rollen, dramatische Vorfälle des Systems, Probleme und Konflikte interaktiv ausgelebt
  • der Patient spielt seine verschiedenen Rollen (Kollegen, Kinder, Eltern,…) und simuliert damit die verbunden Gefühle, Gedanken, Wünsche, Ziele und Ängste
  • der Klient schlüpft dabei selbst in die verschiedenen Rollen
  • Perspektivenwechsel, Rollentausch, Reflexion, Feedback, Erproben und Erfahren noch nicht genutzter Sicht- und Denkweisen sind wichtige Elemente dieser Therapie- und Beratungsform
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3
Q

Wie funktioniert die Skulpturarbeit nach Virginia Satir?

A
  • Satir abstrahierte die anfänglich theatralische systemische Arbeit des Psychodramas
  • die Betonung lag auf “Strukturen und zugrunde liegende Identifizierungsprofilen und Beziehungsgeflechten im System”
  • die Abstraktion wurde durch eine mehrtägige Skulpturarbeit vorbereitet, in der die Geschichte der Familie über mehrere Generationen aus allen Blickwinkeln beleichtet wurde
  • sie wandelte das Ausagieren in szenischer Form in ein Spiel von Körperhaltung, Gestik und Mimik, welche die tragenden Emotionen ausdrücken sollten.
  • die Wahl bestimmter Stehplätze (Positionen) gab durch ihre Entfernungsverhältnisse und
    Blickrichtungen ebenfalls Auskunft über die Beziehungen. Diese Informationen
    waren den Patienten zuvor meist nicht bewusst.
  • in den 60ern erkannte sie, dass Körperhaltung, Gestik, Mimik und Position eine bestimmte Emotion oder innere Bilder hervorrufen - unabhängig von der Person, die sich in diese Körperhaltung begab
  • in der Folge begann sie, statt der Familien- oder Systemmitglieder so genannte Stellvertreter aufzustellen
  • die Stellvertreter gaben später an, ähnliche Gefühle zu haben wie die Familien- oder Systemmitglieder
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4
Q

Welche Besonderheiten gibt es bei der Aufstellungsarbeit von Bert Hellinger?

A
  • Hellinger klammert die Detailgeschichte des Systems aus
  • er erfasst nur einschneidende Ereignisse wie Tod, Scheidung, Kriminalität, Hochzeit, Geburt, schwere Krankheit,…
  • seiner Meinung reiche diese Kondensation der systemischen Arbeit aus, da es nur einige wenige Grunddynamiken seien, in die wir alle Eingebungen sind
  • er greift dabei weder auf Interpretationen oder Erklärungen der Klienten zurück noch erfolgt eine Inszenierung von Ereignissen oder Gefühlen
  • seine Arbeit ist sehr umstritten und führt regelmäßig zum Streit unter Experten
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5
Q

Auf welchen theoretischen Grundlagen basiert die systematische Beratung und Therapie?

A
  • anders als bei den meisten Beratungsverfahren gibt es für den systemischen Ansatz keine zugrundeliegende Theorie oder eine Gründerpersönlichkeit
  • es handelt sich vielmehr um eine theoriegeleitete Erfahrungswissenschaft
  • wesentliche Einflüsse dieses Beratungsverfahrens stammen aus der Systemwissenschaft und der Kybernetik sowie aus der Informations- und Kommunikationswissenschaft
  • weitere theoretische Wurzeln stammen aus der humanistischen Psychotherapie (Psychodrama, Gestalttherapie, klientenzentrierte Verfahren u.a.)
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6
Q

Wie kann die systemische Beratung grob umschrieben werden

A
  • sie verwendet Konzepte, die sich mit sich selbst erhaltenden Prozessen sowie mit der Störung solcher zirkulärer Prozesse beschäftigen
  • “Sie beschäftigt sich mit allgemeinen Eigenschaften und Prinzipien von Ganzheiten oder Systemen, unabhängig von deren spezieller Natur und der Natur ihrer Komponenten” (Ludwig van Bertalanffy, einer der Begründer der Systemtheorie)
  • sie beschäftigt sich mit formalen Organisationsprozessen sowie der Entstehung, dem Erhalt und der Veränderung von Strukturen.
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7
Q

Was sind die grundlegenden Annahmen von Gregory Bateson bzgl. der Beratung von Personen?

A
  • Bateson hat die Wichtigkeit des Kontexts herausgestellt
  • die Aufmerksamkeit in der Veränderungsarbeit sollte nicht auf einen einzelnen Faktor oder einer einzelne Person gerichtet werden, sondern auf das jeweilige soziale System (Team, Abteilung, Unternehmen, Familie, Freunde,…) gerichtet werden
  • ferner stellte er fest, dass die Beratung eines Systems immer damit beginnen muss, die handelnden Personen innerhalb des Systems zu beraten
  • die entscheidenden Faktoren innerhalb des Systems seien nicht die einzelnen Kommunikationsereignisse, sondern die im System handelnden Personen
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8
Q

Was zeichnet laut Bateson die Zirkularität sozialer Systeme aus?

A
  • Bateson leitet diese aus technischen Regelkreisen ab:
    “Die Maschine ist in dem Sinne zirkulär, dass das Schwungrad den Regler antreibt, der die Treibstoffzufuhr verändert, welche den Zylinder versorgt, der seinerseits das Schwungrad antreibt”
  • diesen zirkulären Systembegriff hat er in der Anwendung auf soziale Systeme jedoch verändert oder modifiziert:
    • Elemente des Systems sind immer die handelnden Personen innerhalb des Systems.
    • Diese Personen reagieren nicht einfach, sondern machen sich aktiv ein Bild von der Wirklichkeit. Das Bild dieser Wirklichkeit ist nie die Wirklichkeit selbst. (vgl. Konstruktivismus)
    • In sozialen Systemen existieren Vorschriften darüber, wie eine Person handeln soll, was sie tun soll und was sie nicht tun darf. Diese Regeln können explizit sein, sind jedoch meist implizit.
    • Erst auf der Basis von wechselseitigen Deutungen der Wirklichkeit (in der Kommunikationstheorie Interpunktionen genannt) entstehen Regelkreisläufe der Kommunikation: „Bei meiner Arbeit in Neu Guinea habe ich herausgefun- den, dass verschiedenartige Relationen zwischen Gruppen und zwischen verschiedenen Typen von Sippen durch einen Verhaltensaustausch charakterisiert waren, so dass, je mehr A ein gegebenes Verhalten an den Tag legte, die Wahrscheinlichkeit höher war, dass B ein anderes bestimmtes Verhalten zeigte.“
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9
Q

In welchem Bereich wandte Gregory Bateson seine Ideen an?

A
  • in mehreren Feldern, u. a. in der Kinderpsychologie auf die Entstehung von kindlicher Schizophrenie
  • zur damaligen Zeit ging man noch davon aus, dass dies eine rein organische Erkrankung des Gehirns war
  • Bateson dagegen vermutete, dass es sich auch um eine Störung innerhalb des sozialen Systems der Familie handelt:
    • Das Kind hat eine enge Beziehung zur Mutter und erlebt keine korrigierenden Erfahrungen durch andere wichtige Bezugspersonen.
    • Es liegen auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Beziehungskommunikationen vor: Die Mutter hat z. B. Angst vor dem Kind oder lehnt es ab, leugnet dieses aber bewusst und zeigt sich überfürsorglich und liebevoll (Reaktionsbildung).
    • Es existieren schädliche Tabu-Regeln innerhalb des Systems. Z. B. darf das Kind nicht über widersprüchliche Wahrnehmungen reden.
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10
Q

Auf welchen Forschungen baute Bateson seine Ideen auf?

A
  • Bateson konnte aber auf die Ideen von Moreno zurückgreifen

- dessen Psychodrama und Gruppenforschung war auf ähnlichen Gedanken aufgebaut

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11
Q

Wie hat Paul Watzlawick die Forschungen von Gregory Bateson weiterentwickelt?

A
  • er hat die Kommunikationsideen von Bateson systematisch zusammengeführt und auch weiterentwickelt
  • durch Watzlawicks Buch “Menschliche Kommunikation” ist Bateson’s Ansatz einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden
  • er hat in seinem Buch sog. Axiome menschlicher Kommunikation zusammengestellt, die auf den Systembegriff Bateson’s zurückgehen
    Bekannte Ansagen darin sind u.a.
  • Man kann nicht nicht kommunizieren.
  • Jede Äußerung enthält sowohl eine Inhalts- als auch eine Beziehungsbotschaft.
  • Die Natur der Beziehung wird durch die Kommunikationsabläufe bedingt.
  • zusammen mit Weakland und Fisch entwickelte Watzlawick aus seinem Modell die sog. Kurzzeitpsychotherapie
  • diese ist extrem lösungsorientiert und sah die Betrachtung oder Würdigung von Problemen nicht vor
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12
Q

Worum geht es bei den fünf Axiomen von Paul Watzlawick?

A
  • die fünf metakommunikativen Axiome der Psychologen Janet H. Beavin, Don D. Jackson und Paul Watzlawick fassen einige grundsätzliche Erkenntnisse zur zwischenmenschlichen Kommunikation zusammen.
  • die Axiome gehen insbesondere auf den Beziehungsaspekt der Kommunikation ein (Metakommunikation). Die Autoren merken hinsichtlich ihres Kenntnisstandes an, dass es sich um ‘provisorische Formulierungen’ handelt.
  1. „Man kann nicht nicht kommunizieren!“
  2. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“
  3. „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.“
  4. „Menschliche Kommunikation ist digital und analog.“
  5. „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär.“
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13
Q

Wie hat Friedemann Schulz von Thun auf Watzlawicks Arbeit aufgebaut?

A
  • er hat Watzlawick’s Ideen pragmatisch weiterentwickelt
  • von Thun’s Ansätze zählen heute zu den Standardverfahren in Kommunikationsseminaren
  • er unterteilte die Kommunikation in vier wesentliche Aspekte:
    • den Sachinhalt der Botschaft,
    • die Beziehungsdefinition in der Botschaft,
    • den Selbstoffenbarungsanteil der Botschaft und
    • den Appellcharakter der Botschaft.
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14
Q

Was ist die “Palo-Alto-Gruppe” und welche Symptomatik hat diese erforscht?

A
  • die Palo-Alto-Gruppe wurde um Gregory Bateson in den 50er Jahren an der Universität Berkley in Kalifornien gegründet
  • die Gruppe befasste sich mit Kommunikationspathologien
  • die berühmte “double-bind-Hyptothese” (die Erklärung eines Kommunikationsparadoxons) wurde in dieser Zeit entwickelt
  • diese besagt, dass wenn auf verschiedenen Ebenen inkongruent kommuniziert wird, es zur Entstehung seelischer Krankheiten kommen kann.
  • Beispiel wäre, dass eine Mutter ihr Kind schlägt, dabei aber lächelt und sagt, dass sie dies nur macht, weil sie ihr Kind liebt
  • weiteres Beispiel wäre ein Abteilungsleiter, der einen Mitarbeiter für Fortschritte lobt, dabei aber den Kopf schüttelt
  • diese Erkenntnisse sind mittlerweile ein fester Bestandteil in modernen Kommunikationsseminaren geworden und gehören in vielen Berufen zur Grundausbildung
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15
Q

Wurden in der Palo Alto Gruppe auch Möglichkeiten zur Therapie von “double bind” entwickelt?

A
  • es wurden Methoden erprobt, die diese inkongruente Kommunikation bewusst in Psychotherapien einbindet
  • später sind daraus u. a. die so genannten “provokativen Therapieformen” entstanden
  • außerdem wurde erprobt, welche Auswirkungen es auf den Patienten hat, wenn man ihn bewusst anweist, sein Leiden zu verstärken (sog. Symptomverschreibung)
  • bei dieser Symptomverschreibung werden Patienten aufgefordert, sich nicht nur der entsprechenden Situation zu stellen sondern sich bewusst darauf zu konzentrieren, das Symptom zu verstärken und es so stark wie nur möglich zu empfinden
  • die Verschreibung des Symptoms führte dazu, dass Patienten diese kaum noch hervorrufen Konten
  • die Methode ist heute fester Bestandteil vieler verhaltenstherapeutischer Methoden
  • Viktor Frankl hat unabhängig davon einen vergleichbaren Ansatz entwickelt; er nannte seine Methode “paradoxe Intervention”
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16
Q

Wer war Jay Haley und welchen Einfluss hatte er auf Therapie und Beratung?

A
  • er war ein Mitarbeiter von Bateson zwischen 52 und 67
  • er griff insbesondere auf Bateson’s Unterscheidung von symmetrischer und komplementärer Interaktion zurück
  • Haley wurde außerdem stark durch den Psychiater Milton Ericsson beeinflusst, den einflussreichsten Protagonisten der modernen kooperativen Hypnosetherapie (vgl. Kapitel Hypnose)
  • Haley war wesentlich daran beteiligt, die Ideen Ericksons in der ganzen Welt zu verbreiten
  • ferner hat er dazu beigetragen, dass die neuen Hypothermie starke systemische Wurzeln hat
  • auf der Basis seines Konzeptes entwickelte er eine eigene systemische Therapieform, die er “strategische Familientherapie” nannte
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17
Q

Erläutere Bateson’s Unterscheidung von symmetrischer und komplementärer Interaktion

A
  • in symmetrischen Interaktionen definieren sich die Partner als gleichwertig
  • in komplementären Interaktionen wird die Beziehung hierarchisch definiert
  • Abweichungen von der ursprünglichen Definition führen zu Kommunikationsstörungen und Konflikten
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18
Q

Wer war Virginia Satir?

A
  • sie arbeitete ebenfalls in Palo Alto und Integrierte die Systemkonzepte von Bateson in ihre entwicklungsorientierte Familientherapie
  • diese Theorie wird heute eher der humanistischen Schule zugerechnet
  • ihre Arbeit war sehr bekannt und populär
  • dadurch hat sie wesentlich dazu beigetragen, systemische Konzepte bekannt zu machen
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19
Q

Welche Strategien wurden von der “Mailänder Gruppe” um Mara Selvini Palazzoli entwickelt?

A
  • in dieser Gruppe wurden ab 1970 detaillierte Interventionsstrategien der systemischen Therapie entwickelt.
  • Palazzoli arbeitete spezifische Gesprächs- und Interventionstechniken aus, die als zirkuläre Befragung bekannt wurden.
  • sie orientiert sich sehr klar an radikal kybernetischen Modellen der Organisation lebender Systeme.
  • zu Beginn des Kurses sind wir auf zirkuläre Fragen bereits eingegangen.
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20
Q

Welche Positionen vertrat Rosemarie Welter-Enderlin?

A
  • sie organisierte 1981 einen Kongress, um amerikanische Konzepte systemischer Familientherapie in Europa bekannt zu machen
  • ihr systemischer Ansatz geht davon aus, dass man Probleme nicht ausblenden darf
  • dazu gehören Blicke in Abgründe ebenso wie an Horizonte
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21
Q

Welchen Einfluss hatte die sog. “Heidelberger Gruppe” um Helm Stierlin?

A
  • es war eine Forscher- und Therapeutengruppe, die psychodynamische Theorien, systemische Gesichtspunkte und hypnotherapeutische Aspekte miteinander verband
  • Ferner untersuchte sie systemische Therapien von Psychosen, somatischen Erkrankungen und Essstörungen
  • sie integrierte ebenso lösungsorientierte Ansätze, beispielsweise von Steve de Shazer
  • die Arbeit der Gruppe war eher auf Lösungen und weniger auf das Verstehen von Problemen ausgerichtet
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22
Q

Welche vier Systemdefinitionen hat Luhmann geprägt?

A
  1. Soziale Systeme grenzen sich kommunikativ ab
    - soziale Systeme sind durch die kommunikative Differenz von System und Umwelt gekennzeichnet
    - eine Familie ist nicht nur durch die einzelnen Rollen (Mutter, Kind,…) gekennzeichnet, sondern durch die kommunikative Abgrenzung gegenüber deren Umwelt
  2. Die kleinste Einheit im System ist ein einzelnes Kommunikationsereignis
  3. Soziale Systeme sind selbstreferenziell
    - damit ist gemeint, dass die einzelnen Elemente, aus denen das System besteht, durch dieses System selbst erzeugt werden
    - jedes Kommunikationsereignis führt demnach zu einem weiteren Ereignis, das seinerseits ein neues Ereignis nach sich zieht
  4. Soziale Systeme reduzieren ihre Komplexität
    - mit Komplexität ist die Gesamtheit aller Handlungsalternativen gemeint
    - reduzieren bedeutet, dass Personen im System in einer bestimmten Situation nur einen begrenzten Rahmen an Reaktionen nutzen
    - Beispiel wäre, dass man auf das umwerfen einer Vase mit Tadel, Belehrung und ähnlichem reagiert und nicht mit dem Putzen von Fenstern
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23
Q

Welche Neuerungen erfuhr die systemische Beratung durch den radikalen Konstruktivismus in den 80er Jahren?

A

Man kam zu der Erkenntnis, dass Berater allein durch ihre Anwesenheit bereits auf das System einwirken, nicht erst durch aktive Handlungen

Ferner wurde untersucht, wie eine bestimmte Sichtweise des Systems Kommunikationsweisen erzeugt, die diese Sichtweise erhalten.

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24
Q

Wie lauten die Fachbegriffe für die alte bzw. die neue Herangehensweise?

A

Kybernetik erster Ordnung: Was wird gesehen oder beobachtet, wenn man ein System beobachtet? Wie können diese Beobachtungen kommuniziert werden? Wie werden Probleme durch das System unterhalten oder erzeugt (vom System zum Problem)?

Kybernetik zweiter Ordnung: Was macht ein Beobachter oder Handelnder, während er beobachtet oder handelt, und wie verändert er das System dadurch, dass er beobachtet oder handelt? Wie erzeugen Probleme sich selbst erhaltende Kommunikationssysteme (Probleme schaffen Problemsysteme)?

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25
Q

Wie entwickelt sich ein unwillkommener Vorfall zu einem Problemsystem? Nenne ein Beispiel

A
  • Diagnose – qualitative oder quantitative Abweichungen: Es wird etwas beobachtet, das nicht sein soll (anders oder falsch ist). Oder es wird nichts beobachtet, wo eigentlich etwas sein sollte. Oder es wird zu viel oder zu wenig von dem beobachtet, was sein sollte.
  • Bewertung der Diagnose: Wenn die Diagnose negativ bewertet wird, entsteht aus der qualitativen oder quantitativen Abweichung ein Problem. Die Bewertung macht also das Problem.
  • Erklärungen werden kommuniziert: Der Betroffene entwickelt für sich selbst und für andere Erklärungen, die die Abweichungen beschreiben, und er entwickelt Hypothesen über die Reduktion oder Beseitigung der Abweichungen. So entsteht um das Problem, das der Beobachter selbst erzeugt hat, ein Kommunikationssystem.
  • Das Problemsystem verfestigt sich: Solche Kommunikationssysteme sind meist sehr rigide. Sie können erhebliche Komplexität annehmen und das Pro- blemsystem durch Fokussierung und Hyperreflexion weiter stärken. Dabei handelt es sich übrigens um eine Idee, die – unabhängig von der Systemtheorie – auch Grundlage der Logotherapie Viktor Frankls ist.
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26
Q

In welche Unterteilung hat Luhmann die beobachtbaren Handlunge unterteilt?

A
  • Phänomene des Körpers – gelebtes Leben
  • Phänomene des Geistes – erlebtes Leben
  • Phänomene der Kommunikation – erzähltes Leben

Die Grenzen dieser drei Bereiche sind durchlässig und die Prozesse bedingen und überlappen sich gegenseitig

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27
Q

Was versteht Luhmann unter “gelebtes Leben”?

A
  • hierunter werden sämtliche biologischen und physiologischen Phänomene verstanden
  • für die Beschreibung biologischer Phänomene haben in der systemischen Beratung Konzepte der Selbstorganisation an Bedeutung gewonnen
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28
Q

Was versteht Luhmann unter “erlebtes Leben”?

A

Darunter fallen laut Luhmann drei kognitive Bestandteile

  1. Die Beschreibung
    - hier wird ein zuviel oder zuwenig diagnostiziert
    - häufig werden Gegensatzpaare verwendet bzw. der Ist-Zustand anhand einer Skala bewertet
    - z.B. krank oder gesund, schön oder hässlich, fleißig oder faul,…
  2. Die Bewertung
    - die erlebte qualitative oder quantitative Abweichungen werden als Vorteil oder als Nachteil gewertet
    - aus der Bewertung ergibt sich häufig bereits ein Handlungsdruck
    - Osgood hat ein sprachanalytisches Instrument vorgestellt, mit dem die Bewertung vorgenommen werden kann
  3. böse - gut
  4. stark - schwach
  5. aktiv - passiv
  6. Die Erklärung
    - hierbei handelt es sich um sog. Grenzüberschreitungsmodelle
    - es wurde eine Grenze zum zuviel oder zuwenig überschritten
    - mit der Erklärung wird die Ursache für diese Überschreitung beschrieben
    - im Fall einer Erkrankung wäre dies beispielsweise die Ursache für die Erkrankung
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29
Q

Was versteht Luhmann unter “erzähltes Leben”?

A
  • Beschreibungen, Bewertungen und Erklärungen verdichten sich zu erlebten Erzählungen
  • sie enthalten Handlungs- und Unterlassungsaufforderungen und beeinflussen unsere Wahrnehmung (jeder ordnet Dinge individuell ein)
  • sie sind die kognitiven Eckpfeiler der subjektiven Identität und der individuellen Erklärung der Welt
  • auf dieser Basis konstruiert jeder Mensch seine eigene Realität auf der Basis aller seiner Erfahrungen und des Inputs von anderen Akteuren
  • das erlebte Leben wird somit zum erzählten Leben
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30
Q

Wie unterscheidet sich Unternehmensberatung von der Organisationsentwicklung

A
  • klassische Unternehmensberatung erfolgte in der Vergangenheit als Expertenberatung
  • auch heute sieht sich eine enorme Anzahl an Beratern persönlich als Problemlöser, nicht aber als Prozessberater
  • Unternehmensberater verfügen zwar über eine sehr gute fachliche bzw. akademische Qualifikationen, Beratungskompetenz hingegen haben sie nicht
  • Organisationsberatung kann im Gegensatz zur Unternehmensberatung auch in sozialen Einrichtungen, Schulen oder anderen Einrichtungen erfolgen
  • die Prozessberatung nahm an Bedeutung zu, da man die Wichtigkeit erkannt hat, dass die Personen im System eigene Lösungen finden
  • Organisationsberater orientieren sich eher an Theorien aus der Soziologie und der Psychologie
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31
Q

Neben dem Systemmodell gibt es noch weitere Erklärungsmodelle für beobachtbares Verhalten in Organisationen. Wie lauten diese?

A
  • das Eigenschaftsmodell, welches davon ausgeht, dass Menschen relativ stabile Eigenschaften haben wie Fleiß, Pünktlichkeit, Fairness, Intelligenz u. a.,
  • das Maschinenmodell, welches postuliert, dass Menschen richtig oder falsch funktionieren, sowie
  • das Handlungsmodell, das davon ausgeht, dass Menschen planvoll und bewusst handeln.
32
Q

Erläutere das Eigenschaftsmodell als Erklärungsmodell für beobachtbares Verhaltenen Organisationen

A
  • diese Modelle gehen davon aus, dass Menschen in vergleichbaren Situationen:
  • voraussehbar handeln (Konsistenz)
  • gleichbleibende Eigenschaften zeigen (Generalisierung)
  • Eigenschaften über einen längeren Zeitraum konstant bleiben (Konstanz)
  • solche Eigenschaftsmodell sind seit dem Altertum bekannt
  • Beispiele wären Einteilungen in Choleriker, Melancholiker, Introvertierte, Extravertierte, Faule, Fleißige
  • diese Annahmen sind meist selbsterhaltend!
  • ein fauler Schüler wird auch wie ein fauler Schüler behandelt und sind in einer negativen Dynamik gefangen
33
Q

Erläutere das Maschinenmodell als Erklärungsmodell für beobachtbares Verhaltenen Organisationen

A
  • dieses Modell wurde stark durch den amerikanischen Behaviorismus geprägt
  • es wird angenommen, dass man jedem alles beibringen kann, man also aus jedem einen Topverkäufer machen kann oder ähnliches
  • dieses Denken ist in Unternehmen noch weit verbreitet
  • den Coach stellt dies vor ein Dilemma
34
Q

Erläutere das Handlungsmodell als Erklärungsmodell für beobachtbares Verhaltenen Organisationen

A
  • dieses Modell sieht Menschen als eine selbstverantwortliche Person, die aufgrund von Einsichten, Zielen, Ansichten oder Plänen handelt
  • Menschen machen sich Gedanken darüber, was in der Organisation von ihnen erwartet wird
  • ferner kennen sie ihre Stärken und Schwächen
35
Q

In das Handlungsmodell wurde konstruktivistisches Gedankengut aufgenommen. Durch welche zwei zentrale Annahmen ist dies gekennzeichnet?

A
  • Menschen konstruieren sich ein Bild ihrer persönlichen Wirklichkeit.
  • Menschen handeln aufgrund von Bedeutungen, die sie in Situationen sehen, nicht aufgrund der Situation selbst.
36
Q

Umschreibe kurz den sog. Erlanger Konstruktivismus

A
  • er gilt als Beginn des Konstruktivismus und wurde in den 70ern begründet
  • die These lautete, dass Wissenschaften wie Physik, Biologie,… u.a. keine Beschreibung der Wirklichkeit liefern können
  • stattdessen konstruieren sie sich nur Begriffssysteme, auf deren Grundlage sie dann Objekte beschreiben
37
Q

Umschreibe kurz den sog. radikalen Konstruktivismus

A
  • dieser wurde in den 80ern begründet, bekannte Vertreter sind beispielsweise Watzlawick, Maturant und von Glasersfeld
  • eine zentrale These lautet, dass Wahrheit nicht als Übereinstimmung mit einer unabhängigen Wahrheit definiert werden kann
  • jede Beschreibung eines Sachverhaltes setzt Begrifflichkeit, Anschauen und Werte voraus, die sich nicht aus der Wirklichkeit ergeben, sondern vom jeweiligen Beobachter konstruiert (oder so erlernt) wurden
  • durch begriffliche und gedankliche Unterscheidungen die wir treffen, bilden wir nicht die Wirklichkeit ab, sondern erschaffen unser ganz persönliches Bild von der Wirklichkeit
38
Q

Gibt es eine psychologische Theorie in Anlehnung an den Konstruktivismus?

A
  • George A. Kelly hat die Thesen des radikalen Konstruktivismus genutzt, um seine Psychologie persönlicher Konstrukte zu formulieren
  • Konstrukt sind dabei grundlegende Kategorien, welche die Wahrnehmung und Bewertung von Situationen beeinflussen bzw. entscheidend prägen
  • Kellys Definition von Konstrukten ähneln Leitsätzen und Glaubenssätzen
  • sie beziehen sich aber auch auf grundlegende Kategorien der Wahrnehmung und des Denkens, die gewöhnlich nicht mehr hinterfragt werden
  • wenn man beispielsweise mit Kollegen über die Arbeit redet, findet dies auch auf der Basis von diversen Konstrukten statt, und seien es nur Annahmen über die Kantine oder zu bestimmten Persönlichkeitseigenschaften
39
Q

Aufgrund der Beschaffenheit unserer konstruierten Realität kommt es häufig zu dem Fall, dass Annahmen später durch handeln bestätigt werden. Wie nennt man dies und welche Folgen kann dies haben? (zwei Beispiele)

Was wird als “Thomas-Theorem” bezeichnet?

A
  • dies bezeichnet man als sich selbst erfüllende Prophezeiung.
  • es beschreibt einen realen Vorfall der deutlich macht, dass aus dem Bild, das wir uns von der Wirklichkeit machen, häufig auch eine Handlungsimplikation folgt
    Beispiel 1: das Thomas-Theorem
  • Hintergrund ist ein Vorfall aus den USA
  • es verbreitete sich ein Gerücht, dass eine Bank bald Zahlungsunfähig war
  • tatsächlich war diese Bank aber kerngesund
  • durch das Gerücht wurden die Leute aber derart unruhig, dass sie alle ihr Guthaben abgehoben haben
  • als Folge war die Bank innerhalb kürzester Zeit tatsächlich Zahlungsunfähig
    Beispiel 2: der Pygmalion-Effekt
  • dieser Effekt ist durch mehrere Studien belegt
  • Lehrern wird mitgeteilt, dass ein besonderer Test gezeigt hat, dass einige Schüler in kurzer Zeit hervorragende Leistungen erbringen würden
    tatsächlich hat dieser Test aber nie stattgefunden, die betreffenden Schüler wurden zufällig ausgewählt
  • trotzdem verbesserten sich die Leistungen der Schüler deutlich während die Leistungen der “normalen” Schüler sich nicht veränderten
40
Q

Wie sollte ein Unternehmen bei der Bewertung von Mitarbeitern vorgehen, die ihre Leistung nicht bringen und gecoacht werden sollen?

A
  • das Verhalten einzelner Menschen kann nicht losgelöst von den sozialen Systemen, denen sie angehören, betrachtet werden
  • eine Fokussierung auf eine Person, beispielsweise Kündigung eines Mitarbeiters, wäre demzufolge auch sehr kurzsichtig
  • manchmal kommt es zum Konflikt zwischen Coach und Unternehmer, da wir eher Verständnis für Mitarbeiter entwickeln, die unter einem systemischen Problem leiden, während der Unternehmer v.a. seine Kennzahlen im Blick hat
  • es ist auch nicht unser Ziel als Berater, mit Gewalt jeden Mitarbeiter im Unternehmen zu halten
  • durch unsere Arbeit können wir aber einen großen Beitrag leisten, wie die Bedingungen langfristig für alle besser werden können
41
Q

Welche Elemente oder Faktoren sollten in einer systemischen Bestandsaufnahme berücksichtigt werden?

A
  • Die Person als Element des sozialen Systems: ihre Geschichte, ihr Wissen, ihre Grundhaltungen, Fähigkeiten und Überzeugungen, ihre Ziele usw.
  • Die subjektiven Deutungen der Person und die subjektiven Deutungen innerhalb des Systems. Wie bewertet die Person die Ereignisse, wie bewertet der Vorgesetzte oder wie bewerten die Kollegen die Ereignisse?
  • Die Regeln des Systems: Was sind die offiziellen und heimlichen Regeln und Vorschriften im System?
  • Die Interaktionsstrukturen: Wie wird im System kommuniziert und interagiert? Welche Geschichten gibt es zum Problem?
  • Die Systemumwelt: Wie ist das System in die Umwelt eingebunden (Lieferanten, Kunden, Öffentlichkeit, andere Abteilungen usw.)?
  • Die bisherige Entwicklung des Systems: Wie haben sich Regeln oder Normen innerhalb des Systems verändert? Welche Personen kamen wann hinzu oder gingen fort usw.?
42
Q

Aufbauend auf einer systemischen Bestandsaufnahme, welche Ansatzpunkte ergeben sich für eine Lösungssuche?

A
  1. Veränderung in Bezug auf die Person
    - manchmal ist Entlassung nicht zu vermeiden
    - ist u.U. gut für System und Mitarbeiter
    - möglich wären aber auch Veränderung der Einstellung und Anschauungen, Wissenserwerb,…
  2. Veränderung der subjektiven Deutungen
    - Betroffene können lernen, Situation anders einzuschätzen
    - dadurch kann aus Problem ein neutrales Ereignis oder eine Ressource werden
    - subjektive Deutungen lassen sich häufig durch Refrains oder zirkuläre Befragungen verändert oder bewusst gemacht werden
  3. Veränderungen der Verhaltensregeln im System
    - offizielle Regeln findet man häufig in Prospekten, Anweisungen oder ähnlichem und können relativ einfach verändert werden
    - sehr viel schwieriger ist dies mit inoffiziellen Regeln
    - inoffizielle Regeln haben oft tiefliegende Gründe (Eitelkeit einer Führungsperson, sozial unerwünschte Verhaltensweisen,…)
  4. Veränderung der Interaktionsstrukturen
    - wenn ein bis dato unfreundlicher Chef morgens im Fahrstuhl plötzlich lächelt, ändert dies das Bild des Chefs bei den Mitarbeitern
    - daraufhin wird sich auch die Kommunikation mit dem Chef ändern
  5. Veränderung in Bezug auf die Systemumwelt
    - ein Wohnungswechsel, neue Möbel, neue Kunden, neue Bekanntenkreise, neue Hobbys, neue Systemgrenzen (Abteilungen werden zusammengelegt, etc.) verändern Regeln und Interaktionsstrukturen im System
  6. Veränderungen in Bezug auf die Systementwicklung
    - neue Aufgabe und neue Ziele des Systems verändern die bisherige Kommunikation
    - nach Phasen ohne Wechsel wirken sich Veränderungen häufig sehr heilsam, nach Phasen ständigen Wechsels sind oft Zeiten der Ruhe und Stabilität sinnvoll
43
Q

Inwiefern ist es für einen Berater möglich bzw. sinnvoll, Veränderungen im System von außen zu erwirken?

A
  • unerlässlich für eine funktionierende Veränderung im System ist, dass die Idee/der Ansatz auch Geltung im System erlangt
  • eine unmittelbare Veränderung des Systems von außen ist nicht möglich
  • es ist nur möglich, mittelbar auf das System einzuwirken, indem Personen im System von Änderungen überzeugt werden
  • man kann also als Coach nicht die Lösung für das System diktieren, sondern “nur” Hilfe zur Selbsthilfe leisten (–> davon profitiert das System langfristig am meisten)
  • ein Berater kann dabei auch nur seine persönlichen Ideen und Vorstellungen beitragen
  • daher ist es notwendig, wenn möglichst viele Sichten zur Lösungsfindung beitragen
  • positives Beispiel hierfür ist der ehem. amerikanische Präsident Harry S. Truman
  • -> Truman put his Ego aside!!!!!!!!
  • dieser befragte vor einer Entscheidung immer möglichst viele Personen nach ihrer Meinung, auf dieser Basis hat er dann seine Entscheidungen getroffen
  • wenn man viele Sichten, sowohl von innerhalb des Systems als auch von außerhalb einholt, kann man die bestmögliche Entscheidung treffen
44
Q

Was versteht man unter dem Begriff “Intervention”?

A
  • “Interventionen” ist die offizielle Bezeichnung für Veränderungen im System
  • meist ist dies mit einem theoretischen Konzept und einer Vorstellung vom Erfolg der Veränderung verknüpft
  • sie können von innerhalb des Systems oder von außen erfolgen
  • eine Intervention muss dabei für sich genommen nichts großes sein
  • jedes Mitarbeitergespräch, eine Vorstandssitzung, eine Broschüre, eine Veränderung der Pausenzeiten, eine Gehaltserhöhung sind Interventionen
  • wenn man als Berater in eine Organisation eingeladen wird, stellt allein die Anwesenheit bereits eine Intervention dar (da die Systemmitglieder bereits davon beeinflusst werden)
45
Q

Welche Leitlinien könnte man für Organisationsberatung anbieten?

A
  • Beratung sollte die Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsfähigkeit der beratenen Individuen innerhalb einer Organisation verbessern.
  • Beratung sollte nicht bevormunden und sollte den Ratsuchenden Hilfen zur eigenständigen Problembewältigung zur Verfügung stellen.
  • Dabei erfolgt keine Beeinflussung durch Überzeugungen des Beraters und die Umsetzung der Beratung wird den Betroffenen nicht aus der Hand genommen.
  • Berater- und Klientensystem bleiben getrennt und sind voneinander verschieden. Der Berater macht sich das Klientenproblem nicht zu eigen.
  • Berater sind keine Entscheider; sie geben lediglich Anregungen und unterstützen die Klienten dabei, das Problem selbst zu lösen.
46
Q

Was versteht man unter “Expertenberatung”

A
  • diese Form der Beratung entspricht der klassischen Unternehmensberatung
  • der Experte wird Teil des Systems
  • ausgewiesene Spezialisten aus Technik, Naturwissenschaften oder Wirtschaft werden als Experten in System geholt, um konkrete Entscheidungen, Problemlösungen und Handlungsanweisungen zu erhalten
  • diese Form der Beratung ist auch außerhalb technischer oder betriebswirtschaftlicher Fragestellungen sehr gefragt
  • dies ist dahingehen nachvollziehbar, als dass es kurzfristig schnellere Veränderungen bringt
  • ferner muss das System sich selbst bzw. seine eigenen Strukturen nicht hinterfragen
  • insbesondere bei Führungsfragen, Teamstrukturen oder vergleichbarem ist diese Form der Beratung häufig langfristig nicht hilfreich
47
Q

Was versteht man unter “Prozessberatung”?

A
  • der Schwerpunkt liegt hier selten in reich technischen, naturwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Fragestellungen
  • der Berater bleibt teilweise außerhalb des Systems
  • Prozessberater bieten keine Lösungsvorschläge an
    sie unterstützen das System dabei, eigene Lösungsideen zu entwickeln
  • sie unterstützen das System dabei, eigene Lösungsideen zu entwickeln
  • diese Form der Beratung ist besonders sinnvoll, wenn es darum geht, persönliche Ziele, Leitlinien, eine Corporate Identity oder Konflikte innerhalb eines Teams zu klären
48
Q

Erläutere die vier Phasen des Beratungsprozesses

A

Orientierungsphase
Vorklärung: Art, Dauer, Umfang, Kosten?
Vordiagnose: Fragen ans System.
Kontrakt: Beratungsvertrag bis zur nächsten Phase.
Dauer: zwei bis drei Gespräche
Wichtig ist Klärung der vorliegenden Problemsituation und weitere Grundlegende Fragen (siehe Skript)

Diagnosephase
Informationen und Einsichten werden dem System bekanntgegeben. Es geht nicht darum, dass der Berater mehr Informationen hat, vielmehr soll das Klientensystem diese Informationen erhalten. Die Anwendung eines Interviews oder eines analogen Verfahrens zur Bildung der Diagnose stellt bereits eine Intervention dar.

Veränderungsphase
Die Diagnose ist bereits Veränderung! Wichtige Methoden der Veränderungsarbeit sind: Referenztransformation, Stören, zirkuläres Fragen, die lösungsorientierten Fragen nach de Shazer sowie psychodramatische Akti- onsmethoden (vgl. hierzu Kapitel 3).

Abschlussphase
Organisationen entwickeln sich weiter. Daher endet nicht die Organisationsentwicklung, sondern lediglich unser Kontrakt. Dies sollte man auch klar kommunizieren!
Die Beratungsergebnisse sollten zusammengefasst werden: Was wurde diagnostiziert? Welche Veränderungen oder Lösungen sind gefunden worden? Anschließend wird die Beratung einvernehmlich, aber eindeutig abgeschlossen.

49
Q

Welche Rolle spielt die Diagnosephase?

A
  • in der Diagnosephase findet keine Beratung statt
  • der Coach sollte Grundmuster innerhalb des sozialen Systems erkennen und v.a. dem System gegenüber beschreibbar machen
  • die Veränderung beginnt dennoch bereits in dieser Phase, da dem System viele Vorgänge zum ersten mal wahrnimmt
  • wichtig ist, dass vor dem Beginn der Diagnosephase bereits geklärt wird, welche Themen in dieser Phase behandelt werden sollen
  • dies können bspw. sein:
    Mitarbeiterzufriedenheit, Aufstiegschancen, Führungsstil, Schulungsbedarf, Kommunikationsstörungen, etc.
50
Q

Wie kann ein Interview als Werkzeug in der Diagnoseverfahren benutzt werden?

A
  • es gibt mittlerweile eine Vielzahl von standardisierten Tests und Verfahren
  • die meisten Berater verwenden jedoch freie Interviews
  • dabei benutzen sie Fragen, die sich im Rahmen ihrer Erfahrungen bewährt haben oder die ihnen gerade einfallen
  • oftmals legen sich Berater auch vorab einen konkreten Fragebogen zurecht, den sie im Gespräch anwenden
51
Q

Was versteht man unter subjektiven Theorien/Konstrukten?

A

Beschreibung anhand eines Beispiels:

  • der Führungskraft einer Abteilung ist “Einsatzbereitschaft” eine sehr wichtige Eigenschaft
  • dies macht sich bemerkbar, dass die Führungskraft dieses Wort bereits bei der Problembeschreibung verwendet
  • -> “Vielleicht liegen unsere Probleme darin, dass unsere MA nicht genug Einsatzbereitschaft zeigen”
  • ebenso wird die Führungskraft Lösungsstrategien vorschlagen, die sich auf solch ein Konstrukt beziehen
  • -> “Als Lösung stelle ich mir ein Motivationstraining vor, um die Einsatzbereitschaft zu erhöhen”
  • die Führungskraft konzentriert sich in der Deutung ihrer Beobachtungen auf ein Konstrukt, in dem Einsatzbereitschaft eine wichtige Rolle spielt
  • die Konstrukte sind meist unbewusst und können von der Person auch nicht benannt werden
  • daher muss man im Interview auf Schlüsselwörter achten
52
Q

Welche Rolle spielen sog. “subjektive Konstrukte” in der systemischen Beratung?

A
  • in der systemischen Beratung legen wir dabei besonderen Wert auf so genannte subjektive Theorien/Konstrukte
  • subjektive Konstrukte sind für ein Systemmitglied dann relevant, wenn ein Systemmitglied auf sie bei der Beantwortung von bestimmten Fragen zurückgreift
    Mögliche Beispiele:
    • Welche Situation liegt zur Zeit vor?
    • Wie ist diese entstanden?
    • Wer oder was war an der Entstehung beteiligt?
    • Was ist bisher versucht worden, um die Situation zu verändern?
    • Was sollte getan werden, um ein Problem zu lösen?
    • Was oder wer könnte diese Lösung behindern?
    • Wie würde sich eine solche Lösung auf das System und auf einzelne Mitglieder auswirken?
    • Welche unterschiedlichen Meinungen gibt es zu den vorangegangenen Fragen innerhalb des Systems und außerhalb des Systems?
    • Was sind die Schwachstellen und was die Stärken des Systems?
    • Wie beurteilen Außenstehende das System (Meinung anderer Abteilungen, Meinung der Kunden usw.)?
53
Q

Was sind Leitfragen-Interviews?

A
  • zu bestimmten Themenkomplexen wie Führung, Organisationskultur, Regeln,… kann man gezielte Fragen stellen, durch die das Interview in eine Reihe von Leitfragen gegliedert wird
    Beispiele für Fragen:
    • Wie deuten Sie die Situation?
    • Welche Ursachen sehen Sie für diese Situation?
    • Durch welche Umstände ist es dazu gekommen?
    • Welches sind Ihre Ziele in dieser Situation?
    • Was schlagen Sie vor, um die Situation zu verändern?
54
Q

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Konstrukten und Regeln in einer Organisation?

A
  • Konstrukte und Regeln sind meist aufeinander bezogen
  • beide machen einen wesentlichen Teil der Organisationskultur aus
  • Wissen über beide ist enorm wichtig für die Beratung
55
Q

Welche Rolle spielen Regeln in einer Organisation?

A
  • jedes soziale Handeln ist durch Regeln geleitet (egal in welcher Art von Organisation)
  • ein soziales System kann daher erst verstanden werden, wenn die Regeln verstanden werden
  • die wenigsten dieser Regeln sind jedoch in Leitlinien oder klaren Handlungsanweisungen schriftlich fixiert
  • Regeln in sozialen Systemen haben einheitliche Merkmale:
    • Sie sind klare Handlungsanweisungen.
    • Sie besitzen nur innerhalb des Systems Geltung.
    • Sie werden durch Sanktionen gestützt.
    • Sie sind explizit oder implizit (offen oder versteckt).
    • Sie stützen sich gegenseitig (sind zirkulär).
    • Sie werden vorwiegend durch Nachahmen und praktisches Handeln gelernt.
56
Q

Welchen Zweck erfüllen Regeln in Organisationen?

A
  • Regeln erfüllen zweierlei Zweck
  • der systemische Zweck einer Regel ist, sich selbst und die Konstrukte innerhalb des Systems stabil zu halten (dies ist den Klienten meist nicht bewusst)
  • der “klassische” Zweck ist eine rationale Funktion
57
Q

Unter welchen Bedingungen können Regeln ihren Zweck nicht erfüllen?

A
  • Die Regel erfüllt den intendierten Zweck nicht mehr: Ist die Regel noch sinnvoll? Beispiel – wenn die Firma besonders viele Aufträge erhalten hat: „Überstunden sind nicht erwünscht.“
  • Die Regel erfüllt keine sinnvolle Funktion: Ist die Regel zu pauschal? Beispiel: „Wir gehen immer offen miteinander um.“
  • Die Regel ist nicht realisierbar: Kann so etwas von Menschen überhaupt geleistet werden? Beispiel: „Jeder Mitarbeiter ist jederzeit für die Kunden erreichbar.“
  • Die Regel behindert höhere Ziele: Wenn das Regelwerk wichtiger wird als der eigentliche Zweck der Organisation. Beispiel: „Auf der Intensivstation müssen alle Verwaltungsvorschriften des Krankenhauses strikt eingehalten werden.“
58
Q

Welche Arten von Regeln gibt es und wie kann man diese erfragen?

A

Offizielle Regeln: Welche Vorschriften existieren, welche Leitlinien gibt es? Wie sehen Arbeitsplatzbeschreibungen und Stellenanzeigen aus?

Inoffizielle Regeln: Wie frei können Sie im Beisein des Vorgesetzten über Ihre Zukunftspläne reden? Darf man dem Chef Vorschläge unterbreiten oder ihn kritisieren? Darf in Teambesprechungen gelacht werden?

Regelmäßigkeiten: Was führt regelmäßig zu Streit oder Störungen? Welche Rituale existieren? Sanktionen? Wofür werden Belobigungen oder Gratifikationen erteilt? Wer erteilt diese? Wann erfolgen Bestrafungen verschiedener Art?

Regeln zu Auf- und Abstieg: Was müssen Sie beachten, um Karriere zu machen? Was dürfen Sie nicht tun, damit Sie nicht in Ungnade fallen?

Regelwissen in Mythen, Witzen und Klosprüchen: Welches Regelwerk ist Ihnen aus diesen Quellen bekannt?

Regelmanifestation durch Architektur, Kunst o. ä.: Welches Image verkörpern die Architektur und die Innenausstattung des Gebäudes? Welche impliziten Annahmen und Vorschriften werden darin deutlich? Welche Spekulationen stellen Sie über die Kunstwerke an, die Sie in Ihrer Organisation vorfinden?

59
Q

Was ist das primäre Ziel eines Beraters in der systemischen Organisationsberatung?

A
  • der Berater macht dem System Veränderungsangebote
  • er zeigt dem System neue Möglichkeiten auf, seine subjektive Deutung einer Situation (oder Beobachtung) zu verändern
  • dies kann durch verschiedene Methoden erreicht werden
  • alle Methoden haben das Ziel, neue Sichtweisen auf ein Problem oder eine Situation zu eröffnen
60
Q

Mit welcher Erwartung gehen Klienten oftmals in ein Coaching?

A
  • das Beziehungs- und Kommunikationsangebot des Klienten enthält bereits Konstrukte, also Vorstellungen von der Zusammenarbeit
  • viele Klienten gehen insbesondere davon aus, dass der Berater sich des Problems annimmt und es löst (–> Expertenberatung)
  • durch die Erläuterung, dass es sich um eine Prozessberatung handeln wird, verursacht man bereits eine erste Störung
61
Q

Was ist wichtig, um Rapport in der Anfangsphase zu erhalten bzw. nicht zu verlieren?

A
  • anfangs sollte man beachten, dass zu Beginn eine Balance zwischen Neuem um Bekannten gehalten wird
  • dies sollte durch bewusste Bestätigung geschehen
  • ansonsten verliert man schnell den Rapport mit dem Klienten
62
Q

Was würde geschehen, wenn man tatsächlich als Expertenberater vorgehen würde?

A
  • wenn man die Fehler durch gezielte Interaktion selbst beheben möchte, macht man sich langfristig unentbehrlich
  • dadurch ist das Ziel des Coachings verfehlt worden, da es ja Hilfe zur Selbsthilfe liefern sollte
63
Q

Wieso ist die eigene Neutralität so wichtig?

A
  • 100%ige Neutralität ist aufgrund der eigenen Konstrukte nicht möglich
  • durch eigene Anschauungen und eigene subjektive Konstrukte versucht jeder Berater (ohne es aktiv zu merken) das System in einer bestimmten Weise zu stören oder zu fördern
  • das System wird die Störungen des Beraters auch als subjektive Wahrnehmung bewerten
  • dennoch sollte man so neutral bleiben wie möglich
64
Q

Inwiefern fußt der systemische Ansatz auf der rational-emotiven Verhaltenstherapie nach Albert Ellis?

A
  • in sozialen Systemen handeln Menschen aufgrund des Bildes, das sie sich von der Wirklichkeit machen
  • dies trifft sowohl auf Einzelpersonen als auch auf Gruppen zu
  • neue Handlungsmöglichkeiten können nur entwickelt werden, wenn die betreffende Person ihr Bild von der Wirklichkeit ändert
  • darauf baut auch der systemische Ansatz auf

A (activating event)
auslösendes Ereignis
B (belief system)
Subjektive Deutungen, Annahmen, Gedanken, Glaubens- sätze, Konstrukte, die zum Ereignis oder Thema vorliegen oder gebildet werden.
C (consequences)
Konsequenzen, d. h. Handlungen oder Lösungswege, die sich aus B ergeben.

65
Q

Wir haben bereits gelernt, dass auf ein Ereignis eine subjektive Deutung sowie eine Konsequenz erfolgt. Wann kommt es in dieser Konstellation zu einem Problem?

A
  • ein Problem tritt meist dann auf, wenn die Konsequenzen, die sich aus der Deutung ergeben, nicht zum gewünschten Ereignis führen
  • die meisten Menschen versuchen in solch einem Fall, ihre Handlungen (Konsequenzen) im bestehenden Rahmen der Annahmen zu intensivieren
  • sie versuchen “more of the same”
66
Q

Wie kann man bei einem Problem neue Lösungsmöglichkeiten für das System anstoßen?

A
  • neue Lösungsmöglichkeiten ergeben sich erst, wenn der Referenzrahmen (Deutungen, Konstrukte, Annahmen) verändert wird
  • nach Watzlawick gibt es zwei Arten von Lösungen
  • Lösungen erster kybernetischer Ordnung sind dabei “more of the same”
  • Lösungen zweiter kybernetischer Ordnung hingegen basieren auf einem qualitativ veränderten Referenzrahmen (–> auf der Basis völlig neuer subjektiver Konstrukte)
67
Q

Was versteht man unter den sog. Referenztransformationen?

A
  • hierbei handelt es sich um Umdeutungen
  • der begriffliche und gefühlsmäßige Rahmen, in dem eine Sachlage erlebt und beurteilt wird, wird durch einen anderen ersetzt, der die Tatsachen der Situation ebenso gut oder sogar besser gerecht wird und damit die Gesamtbedeutung der Situation verändert (Watzlawick)
68
Q

Nenne einige Beispielkategorien für Umdeutungen (=Referenztransformationen)

A

Inhalt
- Vorschläge einer Person, die als aufsässig angesehen werden dahingehend umdeuten, dass Stärken der Person ins Zentrum gerückt werden (auch wenn diese Stärke in dieser Situation kontraproduktiv ist)

Kontext
- in welchen Situationen ist das Verhalten, welches als Problem erlebt wird, sinnvoll, hilfreich oder sogar unumgänglich

Ziel
- was ist das positive Ziel bzw. die Absicht hinter dem Gedanken, der als Problem erachtet wird

Oberfläche und Tiefe

  • Beratungen beginnen sowohl bei Privatpersonen als auch bei Organisationen zunächst mit “offiziellen Problemen”
  • häufig sind die wahren Probleme unterschwellig bzw. nicht offensichtlich/bekannt
69
Q

Was sollte man bei einer Veränderung des Klientenrahmens dringend beachten?

A
  • man sollte auf eine Balance zwischen Störung und Bestätigung achten
  • ferner ist es sinnvoll, sich bei Störungen innerhalb des Klientenrahmens zu bewegen
  • so ist es beispielsweise nicht förderlich, in einer Unternehmen die Veränderungsarbeit auf das marxistische Manifest zu stützen
  • darüber hinaus sollte man auf die Konstrukte eingehen, die dem Klienten wichtig sind
  • wenn dieser auf “Verantwortung” sehr großen Wert legt, sollte man die eigene Arbeit daran ausrichten und nicht auf einer völlig anderen Grundannahme
70
Q

Inwiefern kann eine Umdeutung bereits über das Interview erfolgen?

A
  • diese Methode des Umdeutens kann bereits eingesetzt werden, wenn man sich mit den Tools noch nicht sicher ist
  • Sprechen Sie über die Vergangenheit: Dabei wird vielen Klienten klar, dass es Verhaltens- und Denkmuster gibt, die früher vielleicht angemessen waren, jedoch aus einer Zeit stammen, in der Ihr Klient weniger Kompetenzen hatte und auch anderen Rollenanforderungen entsprechen musste.
  • Sprechen Sie über die Gegenwart: Viele Klienten beschäftigen sich mit vergangenen Erlebnissen, die sie sehr verletzt haben. Arbeiten Sie mit dem Klienten heraus, welche Bedeutung das Ereignis hier und jetzt hat.
  • Sprechen Sie über die Zukunft: Fokussieren Sie Wünsche, Hoffnungen, Möglichkeiten, Chancen.
  • Sprechen Sie über Konstrukte: Wenn ein Klient im Gespräch beiläufig äußert, dass er sich mehr zurücknehmen muss, sich begrenzen muss, dann thematisieren Sie dies und machen das Konstrukt explizit.
  • Schaffen Sie Aktionen: Stehen Sie zusammen mit dem Klienten auf, gehen Sie herum, lenken Sie während des Gesprächs die Aufmerksamkeit auf den Körper und auf die Bewegungen.
  • Arbeiten Sie mit Symbolen und Metaphern: Zeichnen, malen und basteln Sie mit dem Klienten. Sie brauchen die Zeichnungen nicht zu deuten. Sagen Sie einfach, was Sie dabei empfinden, was Sie sehen, welche Einfälle Ihnen dazu kommen. Bitten Sie den Klienten, dies auch zu tun.
71
Q

Erläutere die Reflecting Team Methode

A
  • beim Reflecting Team werden Empfindungen, Gedanken u.ä. im Team gesammelt
  • es erinnert an ein Sharing im Psychodrama
  • in Organisationen oder Firmen wird diese Methode oftmals kollegiale Fallberatung genannt
72
Q

Welche zwei Varianten gibt es beim Reflecting Team

A

Variante 1 des Reflecting Teams:
Ein Klient schildert sein Problem. Anschließend äußert jedes Gruppenmitglied seine Gedanken zu dem Problem. Dabei sind auch Du-Botschaften und Ratschläge erlaubt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, nur Ich-Botschaften zuzulassen. Der Klient schweigt und hört lediglich zu, während sich das Team über sein Problem unterhält. Anschließend berichtet er, welche Lösungsgedanken oder Gefühle bei ihm entstanden, während er der Gruppe zuhörte.

Variante 2 des Reflecting Teams:
Ein Berater-Team berät eine Gruppe und wird dabei von einem Beobachter-Team begleitet (andere Möglichkeit: Ein Team begleitet die Klientengruppe; anfangs ohne Beratung). Nach einer vereinbarten Frist unterhält sich das Beobachtungsteam mit dem Beratungsteam im Beisein des Klientensystems über die bisherige Arbeit, über mögliche Lösungsansätze für die Klienten und über das weitere Vorgehen. Das Klientensystem wird dabei nicht direkt angesprochen und hört einfach nur zu. Das Klientensystem ist in diesem Falle entlastet, da es keine Stellung beziehen muss. So kann es in Ruhe wahrnehmen, wie der andere Referenzrahmen eines Beraterteams auf ihn wirkt und ob in der Beratung passende Lösungswege gefunden wurden.

73
Q

Wieso ist die zirkuläre Befragung so wichtig?

A
  • kommunikativ geschlossene Systeme halten ihre Struktur durch zirkuläres Schließen aufrecht
  • d.h. Konstrukte bestätigen sich selbst und erschaffen neue Konstrukte, die bekannte bestätigen
  • stabile Prozesse in einem System sind solche, die in ihrer Zirkularität nicht gestört werden
  • eben diese Störung muss aber eintreten, um Veränderungen zu bewirken
74
Q

Wie kann bei einem kommunikativ geschlossene System die Zirkularität gestört werden?

A
  • Durch unerwartete Reaktionen, durch Verweigerung von Funktionen, die dem Berater zugedacht sind, durch Neutralität (Störung interaktioneller Zirkularität zwischen Berater und System).
  • Durch die Vorgabe der Unterlassung bisher vollzogener Handlungen oder durch die Vorgabe des Vollzugs bisher unterlassener Handlungen (Störung interaktioneller Zirkularität zwischen Systemmitgliedern).
  • Durch eine neue Bedeutungszuschreibung des Verhaltens (Reframing; Störung der Zirkularität zwischen Erzählen und Erleben).
  • Durch neue Verhaltensweisen zu einer bekannten Bedeutungszuschreibung (s.o.).
  • Durch direkte Störung der Zirkularität: Störung durch zirkuläre Befragung.
  • Durch Störungen, die Unterschiede im Raum erzeugen (Verhältnisse, Entfernungen, Größen werden verändert).
  • Durch Störungen, die Unterschiede in der Zeit bedingen (Entwicklung, zeitliche Abfolge).
  • Durch Störungen, die neue Möglichkeiten schaffen (Fiktives, Imaginäres, Irreales).
75
Q

Was ist der Hintergrund der lösungsorientierten Beratung nach Steve de Shazer?

A
  • de Shazer brachte seinen lösungsorientierten Ansatz erstmals als sog. hypothetische Ausnahmen in Umlauf
  • wenn das Klientensystem keine Ausnahmen für seine Deutungen erkennen kann, werden hypothetische Ausnahmen gebildet, konzeptualisiert und in die Zukunft fortgeschrieben
  • durch diese sog. “Wunderfragen” werden Lösungsmöglichkeiten auf der Verhaltensebene operationalisiert
  • ein weiterer Vorteil ist, dass man den Klienten nicht mit peinlichen oder anklagenden Fragen in die Enge drängen muss (z.B. Warum haben Sie nicht schon längst)
76
Q

Nenne einige Beispiele für die Wunderfragen nach Steve de Shazer

A

Die Wunderfrage:
Angenommen, es würde heute Nacht, während Sie schlafen, ein Wunder geschehen, und Ihr Problem wäre gelöst. Wie würden Sie das morgen früh merken? Was wäre anders? Wie wird Ihr Partner davon erfahren, ohne dass Sie ein Wort darüber zu ihm sagen?

Die Relevanz des Wunders:
Was werden Sie jetzt tun oder lassen? Was wird an Ihnen selbst anders sein? Welche Unterschiede werden Sie in Ihrem Leben erfahren?

Der Beginn und der erste Schritt:
Welche Person wird als erste bemerken, dass sich etwas verändert hat? Was wird das erste Zeichen sein, das Ihnen sagt, dass sich etwas geändert hat? Was ist das allererste kleinste Zeichen, das Sie auf die Veränderung hinweist?

Konkretes Verhalten:
Woran genau werden Sie merken, dass Sie verändert sind? Was genau werden Sie dann anders machen? Was werden andere tun bzw. anders machen?

Betonung positiver Handlungen:
Was werden andere an dem bemerken, was Sie jetzt anders machen, nachdem das Problem nicht mehr existiert? Was wird stattdessen geschehen? Was werden Sie also stattdessen tun?

Kontextualisierung des Wunders:
Wer wird die erste Person sein…, was anders machen…, am überraschtesten sein…?
Was wird die erste Person sehen oder hören…, was wird sie sehen, was sie nicht für möglich gehalten hat?
Wo werden Sie sein, wenn Sie das Wunder erstmals ganz an sich wahrnehmen werden? Woran werden die meisten Menschen bemerken, dass das Wunder geschehen ist?

77
Q

Erläutere die Begriffe Übertragung/Gegenübertragung, Projektion und Widerstand

A

Übertragung/Projektion:

  • bei einer Übertragung werden Gefühle, Gedanken, Reaktionen, die eigentlich zu Personen in der Biographie gehören, auf den Berater übertragen
  • es gibt sowohl positive als auch negative Übertragungen
  • die Projektion ist eine Sonderform der Übertragung, bei der die EIGENEN Gefühle, Affekte, Gedanken auf den Berater übertragen werden
  • d.h. wenn ein Klient selbst Angst vor Nähe hat, erlebt er den Berater als distanziert

Gegenübertragung:

  • diese bezeichnet zum einen die Reaktion des Interaktionspartners, in unserem Fall also des Beraters
  • auch hier kann es positive und negative geben
  • zum anderen kann es sich auch um unbewusste Muster des Beraters handeln, wenn er z.B. den Wunsch nach Anerkennung durch den Klienten hat

Widerstand:
- dies bezeichnet einen Widerstand gegen Störungen bzw. Änderungsvorschläge