Symptomatische Empfindungen Flashcards
Polyneuropathien - Ursachen und Erscheinungsbild
Die Ursachen sind vielfältig. In westlichen Ländern stellen Diabetes mellitus und Alkoholkonsum die häufigsten Ursachen für die Polyneuropathie dar.
Viele Ursachen:
Toxisch: endogen wie DM, exogen wie Alkoholkonsum, Lösungsmittel und Schwermetalle.
Entzündlich: Vaskulitiden, Kollagenosen, Granulomatosen, Bestrahlung.
Infektiös: Borreliose, HIV, CMV…
Paraneoplastisch: SCLC (Anti-Hu-Antikörper).
Symmetrisches Verteilungsmuster:
Sensibilitätsausfälle und Missempfindungen: Meist distal symmetrisch (strumpf- oder handschuhförmig) und schmerzhaft.
Parästhesien: Patienten beschreiben Kribbeln und “Ameisenlaufen”, vornehmlich an den Fußsohlen (sog. Burning-feet-Syndrom).
Störung des Vibrationsempfindens (Pallästhesie), der Temperaturwahrnehmung und herabgesetzte Eigenreflexe (ASR) gehen häufig den Parästhesien voraus → verminderte Wahrnehmung aller sensiblen Informationen und daher sensible/spinale Ataxie.
Asymmetrisches Verteilungsmuster auch möglich!
Asymmetrisches Verteilungsmuster:
Mononeuropathia simplex: Ein peripherer Nerv,
Mononeuropathia multiplex (Mononeuritis multiplex): Mehrere periphere Nerven (z.B. durch Vaskulitiden, Kollagenosen, Diabetes mellitus, maligne und infektiöse Geschehen).
Schwerpunktneuropathie: Kombination des Multiplex-Typs mit distal-symmetrischem Typ.
Diabetische Polyneuropathie
Distal-symmetrische Sensibilitätsstörung und Paresen, zusätzlich wahllose Mononeuropathia multiplex.
Burning-Feet-Syndrom mit nächtlicher Beschwerdeprogredienz.
Häufig Hirnnervenbeteiligung (speziell N. oculomotorius und N. abducens).
Vegetativ-trophische Störungen:
Anhidrose, Ödeme, Ulzera.
Autonom-viszeral:
Impotenz, Gastroparese, postprandiale Diarrhöen, Ruhetachykardie, Pupillenstörung.
Diabetische Amyotrophie:
Proximale motorische Parese bei meist intakter Sensibilität, zu Beginn deutlich schmerzhaft.
Alkoholische Polyneuropathie
Distal beinbetonte Atrophien, Paresen und Areflexie der Unterschenkelmuskulatur mit hyperpigmentierter, anhidrotischer und atrophischer Haut.
Wadenkrämpfe.
Distal-symmetrische Sensibilitätsstörungen (v.a. des Lagesinns).
Burning-Feet-Syndrom.
Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HMSN I–VII)
Gemeinsames Merkmal:
Distal beginnende und nach proximal fortschreitende Paresen und Atrophien, später Sensibilitätsstörungen.
Typ I, III und IV führen zu einer hypertrophen Neuropathie: Histologisch lassen sich Zwiebelschalenformationen nachweisen, welche ein pathologisches Korrelat von De- und Remyelinisierungen sind.
HMSN Typ I (Charcot-Marie-Tooth-Krankheit):
Distal symmetrische sensomotorische Polyneuropathie (Sensibilitätsstörung kommt später hinzu) mit Atrophie der Wadenmuskulatur (“Storchenbeine”) und Hohlfußbildung.
Nach vielen Jahren kommt es zu einem Befall der Handmuskulatur.
Elektroneurografie: reduzierte NLG.
Polyneuropathie - Diagnostik und Therapie
Neurologische Untersuchung: Sensibilitätsprüfung: Pallhypästhesie: Bestimmung: Stimmgabel auf Knöchel setzen (Skala 0–8) Hypästhesie, Hypalgesie.
Prüfung der Motorik: (Atrophische) Paresen (z.B. „Storchenbeine“ bei HMSN I).
Koordinations- und Gleichgewichtsprüfung:
Ataxie (z.B. Pseudotabes diabetica).
Reflexstatus:
Meist reduzierte Eigenreflexe.
Labordiagnostik:
Blutbild, BSG, Entzündungsparameter, Diabetischer Status, Elektrophorese, Vitamin-B12- und Folsäure-Spiegel, Nachweis von Giftstoffen (Blei, Thallium, Arsen), Delta-Aminolävulinsäure (Porphyrie, Bleibelastung), Borrelien-Antikörper etc.
Apparative Diagnostik:
Neurophysiologische Untersuchung:
Die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (reduziert bei Demyelinisierung) im Rahmen der Elektroneurographie (reduzierte Amplitude bei axonaler Schädigung) erfolgt an der unteren Extremität am N. suralis und am N. peroneus superficialis, an der oberen Extremität am N. medianus und am N. ulnaris. Diese Nerven sind i.d.R. früh betroffen und leicht zugänglich.
Elektromyografie auch möglich.
Therapie:
Kurativ: Behandlung der Grunderkrankung!
Symptomatisch: Antidepressiva (Amitriptylin, Duloxetin), Antikonvulsiva (Carbamazepin, Pregabalin).
Analgetika: Opioide.
Topische Therapie (Lidocain-Pflaster, Capsaicin-Pflaster/-Salbe).
Komplexes regionales Schmerzsyndrom - Definition und Klinik
Laut aktueller Leitlinien ist das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, das mit inadäquaten chronischen Schmerzen und motorischen, autonomen oder sensorischen Störungen einhergeht.
CRPS I: Ohne Nachweis einer Nervenläsion.
CRPS II: Mit Nachweis einer Nervenläsion.
Risikofaktoren für die Entstehung eines CRPS:
Traumata,
periphere gelenknahe Frakturen (typisch: distale Radiusfraktur),
Nervenverletzungen.
Schmerzhafte Repositionsmanöver,
lang anhaltender Frakturschmerz,
therapeutische oder diagnostische Eingriffe,
einengende Verbände.
Klinik:
Leitsymptom:
Persistierender Schmerz, der durch das initiale Trauma nicht mehr erklärbar ist!
Hyperalgesie, Hyperästhesie, Allodynie.
Asymmetrie der Hauttemperatur oder Hautfarbe,
Asymmetrie im Schwitzen (übermäßige oder verminderte Schweißproduktion), ödematöse Veränderungen.
Einschränkung von Beweglichkeit und Kraft, Auftreten eines Tremors, trophische Störungen.
Mögliche trophische Störungen:
Asymmetrisches Nagel- und Haarwachstum,
Hautatrophien.
Komplexes regionales Schmerzsyndrom - Stadien
CRPS 1: Stadium 1: Entzündliches Stadium: -> Brennender Ruheschmerz, entzündliche Schwellung (Hyperämie, livide Hautverfärbung und teigiges Ödem), Fehlregulierung der Temperatur.
Stadium 2: Dystrophes Stadium: -> Schmerzen rückläufig, beginnende Versteifung der Gelenke, Entkalkung des Knochens, Muskelatrophie, Kalte, blasse Haut.
Stadium 3: Atrophes Stadium: Keine Schmerzen, Gebrauchsunfähigkeit der Extremität, Entkalkung des Knochens, Muskel- und Weichteilatrophie, Kontrakturen, dünne, glänzende Haut.
Komplexes regionales Schmerzsyndrom - Diagnostik
Klinische und anamnestische Diagnose,
Zusatzdiagnostik in Zweifelsfällen zur Bestätigung der Diagnose:
Röntgen im Seitenvergleich (geringe Sensitivität): Generalisierte, kleinfleckige, gelenknahe Demineralisation, die im Laufe der Zeit zunimmt.
Drei-Phasen-Skelettszintigraphie (hohe Spezifität): Darstellung gelenknaher Anreicherungen bzw. quantitative Auswertung der Anreicherungen im Seitenvergleich
Ggf. (KM‑)MRT.
Messung der Hauttemperatur: Wiederholte Temperaturunterschiede über 1–2°C im Seitenvergleich sprechen für ein CRPS.
Komplexes regionales Schmerzsyndrom - Therapie
Basistherapie:
Physio- und Ergotherapie.
Lymphdrainage zur Behandlung von Ödemen.
Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF).
Schmerzbehandlung nach WHO-Stufenplan.
Antikonvulsiva und trizyklische Antidepressiva gegen neuropathische Schmerzen.
Bisphosphonate bei CRPS in frühen Stadien, nach Fraktur oder bei entzündlicher Komponente.
Glucocorticoide bei CRPS in frühen Stadien mit ausgeprägter entzündlicher Komponente.
Weiterführende Therapie:
Begleitend psychotherapeutische Verfahren (Angstlösung, Entspannungstechniken).
Invasive Verfahren bei weiterhin therapieresistenten Verläufen (unter strenger Indikationsstellung!):
Sympathikusblockade,
Spinal Cord Stimulation,
Baclofen als intrathekale Gabe.
Prophylaxe:
Adäquate Analgesie bei Operationen/Repositionen.
Operationszeit so gering wie möglich.
Möglichst Regionalanästhetika einsetzen.
Parästhesien
Parästhesien können verschiedene Formen annehmen und werden vom Patienten meist als Kribbeln, “Ameisenlaufen”, Prickeln oder Jucken beschrieben. Sie können sich aber auch als taubes bzw. “pelziges” Gefühl, Schwellungsgefühl sowie als Kälte- oder Wärmeempfindung bemerkbar machen. Gehen sie in Schmerzen über, spricht man von einer Kausalgie.
Die Sensibilität der Haut kann dabei im betroffenen Bereich im Sinne einer Hypästhesie herabgesetzt oder normal sein.
Parästhesien können durch verschiedene Mechanismen entstehen, z.B. durch
eine Schädigung der nicht-myelinisierten Endaufzweigungen sensibler Nervenfasern und die dadurch bedingten Spontandepolarisationen
eine Schädigung sensibler Bahnen des PNS oder ZNS
Störungen des Säure-Basen-Haushalts und der Calciumkonzentration.
Gründe:
Transient:
Druckbelastung (Kompression) einer Nervenbahn,
Hyperventilation: Die Alkalose verursacht eine relative Hypokalzämie,
Migräne,
Myofasziales Schmerzsyndrom (Triggerpoints).
Chronisch:
Chronische Parästhesien werden durch eine dauerhafte Fehlfunktion der Nervenzellen ausgelöst, wie sie z.B. bei Neuropathien auftritt. Als Ursachen kommen unter anderem in Frage:
Metabolische Erkrankungen: Bsp. DM,
Neurologische Systemerkrankungen: Bsp. MS,
Orthopädische Erkrankungen: Bsp. Wurzelkompressionssyndrome,
Vergiftungen: Bsp. Alkohol, Schwermetall,
medikamentös.
Wurzelkompressionssyndrom - Definition
Diskusprotrusion:
Verlagerung des Nucleus pulposus in einen Riss des Anulus fibrosus mit resultierender Vorwölbung des Anulus fibrosus und ggf. des hinteren Längsbandes.
Diskusprolaps:
Austritt von Bandscheibenmaterial aus dem Anulus fibrosus (= Herniation):
Nach mediolateral (90% der Fälle): Austritt am hinteren Längsband (Ligamentum longitudinale posterius) vorbei.
Nach medial/posteromedial: Austritt durch das hintere Längsband hindurch.
Nach lateral.
Diskussequester:
Bandscheibengewebe, das seine Verbindung zur ursprünglichen Bandscheibe verloren hat.
Wurzelkompressionssyndrom - Kennmuskeln
C3/4: Parese Diaphragma, Sensibilität Hals und Schulter.
C5: Parese M. deltoideus. Sensibilität lateraler, proximaler Oberarm.
C6: Parese M. biceps brachii (Armbeuge geschwächt). Sensibilität dorsaler Oberarm, radialseitiger Unterarm + Daumen + radiale Seite des Zeigefingers.
Bizepssehnenreflex und Brachioradialisreflex.
C7: Parese des M. triceps brachii. Sensibilität Finger 2-4.
Tricepssehnenreflex.
C8: Parese der Hypothenarmuskulatur. Sensibilität ulnare Seite des Unterarms, Finger 4-5.
Trömner-Reflex.
L3: Parese M. quadriceps femoris, M. iliopsoas und Adduktoren. Sensibilität Vorderseite des Oberschenkels und Knies ABER nie unterhalb des Knies!
Patellarsehnenreflex.
L4: Parese M. quadriceps femoris, M. iliopsoas. Sensibilität Oberschenkelaußenseite über Patella bis zur Tibiavorderkante.
Patellarsehnenreflex.
L5: Parese M. extensor hallucis longus -> Großzehenheberschwäche.
M. tibialis anterior -> Fußheberschwäche und geschwächter Hakengang.
Sensibilität dorsolateraler Oberschenkel, vorderer lateraler Unterschenkel, Fußrücken bis zur Großzehe.
Tibialis-posterior-Reflex.
S1: Parese M. triceps surae -> Fußsenkerschwäche, geschwächter Zehengang. M. gluteus maximus und M. biceps femoris.
Sensibilität Außen- und Rückseite des Ober- und Unterschenkels, äußerer Malleolus und laterale Fußkante.
Achillessehnenreflex.
Wurzelkompression - Notfälle
Conus medullaris Syndrom:
Höhe LWK 1-2n Nervenfasern S3-Co1.
Symmetrisch, abgeschwächter Analreflex und Bulbokavernosusreflex.
Klinik: Reithosenanästhesie, Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, Impotenz aber KEINE Parese der unteren Extremität.
Cauda equina Syndrom:
Fasergeflecht der sensiblen und motorischen Fasern, unterhalb LWK2.
Asymmetrisch und eher beinbetont. Abgeschwächter Kremasterreflex und MER der unteren Extremitäten.
Klinik: Sensibilitätsstörung und schlaffe Paresen der unteren Extremität.
Wurzelkompressionssyndrom - Diagnostik
Anamnese,
körperliche Untersuchung: Schonhaltung, Form und Verlauf der WS, Hüft und Beckenstand.
Palpation: Paravertebraler Hartspann, Klopf- und Druckschmerz, Valleix-Druckpunkte entlang des N. ischiadicus.
Sensibilität,
Kraft der Kennmuskeln,
MER,
Wurzeldehnungszeichen.
Bildgebung:
Röntgen,
MRT -> gute Bandscheibendarstellung,
CT -> v.a. bei Verdacht auf Fraktur.
Wurzeldehnungszeichen:
Lasègue-Test -> schmerzhaft: Wurzelreizung im Bereich L4-S1, N. ischiadicus oder meningeale Reizung.
Gekreuzter Lasègue -> gleiche Durchführung aber am nicht betroffenen Bein -> Schmerz im betroffenen Bein.
Umgekehrter Lasègue -> Patient in Bauchlage, Knie gebeugt, Hüfte gesteckt. Oberschenkel wird angehoben.
Positiv wenn Schmerz! L3, L4, N. femoralis, meningeale Reizung.
Weitere Tests:
Bragard, Kernig.
Wurzelkompressionssyndrom - Therapie
Konservative Therapie nach Ausschluss der Red-Flags!
Multimodales Therapiekonzept: Schmerztherapie nach WHO, periradikuläre Injektion von Lokalanästhika oder Glucocorticoiden (Ropivacain). Physiotherapie, Bewegungstherapie, Patientenedukation, Verhaltenstherapie.
Operativ:
Mikrochirurgische, offene Nukleotomie, andere Verfahren auch möglich.