Bewegungsstörungen Flashcards
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - Ätiologie
Idiopathisches Parkinson-Syndrom (Morbus Parkinson):
Degeneration der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra sowie des Locus coeruleus.
Genetische Formen des Parkinson-Syndroms:
Monogenetische Gendefekte, die zum Untergang dopaminerger Neurone führen.
Atypische Parkinson-Syndrome:
Aufgrund einer anderen neurodegenerativen Erkrankung kommt es zum Untergang dopaminerger Neurone und dadurch neben anderen Leitsymptomen auch zur Ausbildung eines Parkinson-Syndroms.
Sekundäre Parkinson-Syndrome:
Am häufigsten: Antidopaminerge Medikamentennebenwirkung (auch Parkinsonoid),
typische Antipsychotika, Lithium,
Antiemetika: Metoclopramid.
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - Klinik
Bradykinese/Akinese und mind. eines der folgenden Kriterien:
Ruhetremor (sog. Pillendreher- oder Münzenzähler-Tremor),
Rigor,
Posturale Instabilität.
= “TRAP”.
Motorische Frühsymptome:
Verminderung, Verlangsamung und Verkleinerung insb. unbewusster Spontanbewegungen, v.a. anfangs
Schmerzen im Schulter-/Nackenbereich oder der Wirbelsäule (Rigorbedingt).
Typisches Stand- und Gangbild beim Morbus Parkinson:
Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenke gebeugt,
Rumpf nach vorne gebeugt.
Arme: Eng am Körper adduziert, reduziertes Mitschwingen beim Gehen.
Schrittmuster: Kleinschrittiger Gang mit schlurfenden Schritten, die unwillkürlich immer schneller werden.
Anlauf- und Abbremshemmung.
Retro-, Latero- und Propulsionstendenz.
Motorische Symptomatik bei fortgeschrittenem M. Parkinson:
Mikrographie, Hypomimie, Hypophonie (Stimme wird leise und monoton), Dysphagie.
Steigende Pflegebedürftigkeit im Rahmen zunehmender Bewegungsarmut!
Nicht-motorische Symptome: Frühsymptome: Depressive Verstimmung, REM-Schlaf-Verhaltensstörung, Obstipation, Hyposmie oder Anosmie, Schmerzen in Muskeln und Gelenken, insb. in der Schulter-Arm-Region.
Spätsymptome: Apathie, Affektlabilität, Angststörungen. Bradyphrenie, Demenz mit Orientierungsstörungen Selten: Suchtverhalten, Glücksspiel.
Vegetative Symptome: Orthostatische Dysregulation, Hypersalivation und Sialorrhö, Hyperhidrose, Seborrhö (Salbengesicht). Sexuelle Funktionsstörungen. Blasenentleerungsstörungen.
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - Verlaufsformen
Akinetisch-rigider Typ:
Tremor fehlt oder ist nur minimal ausgeprägt.
Äquivalenz-Typ:
Ruhetremor, Akinese, Rigor gleich stark ausgeprägt.
Tremordominanz-Typ:
Akinese und Rigor minimal vorhanden.
Monosymptomatischer Ruhetremor (selten).
Der akinetisch-rigide Parkinsontyp hat eine schlechte Prognose mit schneller Demenzentwicklung, ein Tremor ist prognostisch günstig!
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - Neurologische Untersuchung
Neurologische Untersuchung:
Bradykinese/Akinese:
Gangprüfung, Prüfung der Diadochokinese (Bradydiadochokinese).
Ruhetremor:
Lässt sich häufig demaskieren, indem man z.B. den Patienten von 100 rückwärts zählen lässt.
Rigor:
Pendeltest (beim Parkinson einseitig vermindertes Pendeln der Arme, passiv),
Passives Durchbewegen einer Extremität (Bleierner, wächsernd vrs. Zahnradphänomen).
Froment-Manöver: Auf diese Weise wird ein subklinischer Rigor demaskiert (und eine aktive Mitbewegung des Patienten unterdrückt).
Kopffalltest: Nach passivem Anheben und plötzlichem Loslassen des Kopfes beim liegenden Patienten sinkt dieser nur langsam wieder ab.
Posturale Instabilität:
Retro- und Antepulsion.
Unerschöpflicher Glabellareflex: Beim Beklopfen der Glabella, also der Region zwischen den Augenbrauen, werden die Augen unwillkürlich geschlossen.
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - weitere Diagnostik
Bildgebende Diagnostik:
Standard bei Erstdiagnose: MRT oder cCT.
Zusatzdiagnostik außerhalb der klinischen Routine:
DaTSCAN-TM (Dopamin-Transporter-Szintigraphie).
IBZM-SPECT (Dopamin-D2-Rezeptor-Szintigraphie).
L-Dopa-Test (L-Dopa Response Test) bzw. Apomorphin-Test: KEINE Routine.
Hintergrund:
Eine Symptomverbesserung nach Gabe einer einmaligen Dosis von L-Dopa soll eine Differenzierung zwischen idiopathischem (spricht gut an) und atypischem (spricht schlecht/nicht an) Parkinson ermöglichen.
Durchführung:
- Vormedikation mit Domperidon.
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik eine halbe Stunde vor L-Dopa-Gabe.
- Gabe von L-Dopa.
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik eine halbe Stunde nach L-Dopa-Gabe.
Befund: Verbesserung der Parkinson-Symptomatik → Test ist positiv.
Diagnostische Konsequenz:
Positives Ergebnis:
Zusätzlicher Hinweis auf das Vorliegen eines idiopathischen Parkinson-Syndroms.
Negatives Testergebnis:
Hinweis auf ein atypisches Parkinson-Syndrom.
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson - Pathophysiologie
Dopaminmangel führt zur Motorikhemmung in der Basalganglienschleife!
Die Substantia nigra hemmt dopaminerg den motorikhemmenden Anteil des Striatums. Über diese „Disinhibition“ wirkt sie Motorik-fördernd.
Pathophysiologie beim Parkinson-Syndrom: Dopaminmangel an Rezeptoren des Striatums → Abnahme der „Disinhibition“ → zunehmende Hemmung der Motorik → Bradykinese.
Noradrenalin- und Serotonin-Mangel:
Depressive Symptomatik.
Acetylcholin-Ungleichgewicht:
Tremor und vegetative Begleitsymptomatik.
Dementielle Entwicklung.
Therapie
Sehr milde Symptomatik/Initialphase:
- Wahl: MAO-B-Hemmer,
- Wahl: Amantadin.
Stärkere Symptomatik:
Patienten <70 Jahre ohne wesentliche Komorbidität:
1. Wahl: Monotherapie mit Non-Ergot-Dopaminagonisten (Ropinirol, Pramipexol).
2. Wahl: Monotherapie mit Ergot-Dopaminagonisten (Bromocriptin, Pergolid, Cabergolin).
Bei unzureichender Wirkung von Dopaminagonisten-Monotherapie: Zusätzlich L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer Benserazid oder Carbidopa).
Patienten >70 Jahre oder multimorbide Patienten jeden Alters:
Monotherapie mit L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer Benserazid oder Carbidopa).
Beginnende Fluktuationen:
Verlängerung der L-Dopa-Wirkung:
COMT-Hemmer und/oder MAO-B-Hemmer.
Regellose Fluktuationen: Intensivierte Therapieformen:
L-Dopa per Jejunalsonde,
subkutane Apomorphinpumpe,
Tiefe Hirnstimulation.
Therapieresistenter Tremor: Im Frühstadium bei allen Patienten: Betablocker (insb. Propranolol), bei Patienten <70 Jahre ohne wesentliche Komorbidität Anticholinergika (Biperiden).
Therapie psychotischer Episoden bei M. Parkinson: Clozapin.
Atypische Parkinsonsyndrome
Multisystematrophien (MSA):
Leitsymptom: Autonome Dysregulation häufig mit schwerer orthostatischer Dysfunktion und Synkopen.
Histopathologie:
α-Synuklein-positive Einschlusskörperchen sind charakteristische Zeichen der MSA.
Therapie:
Keine kausale Therapie verfügbar → supportive Maßnahmen und symptomatische Therapie stehen im Vordergrund.
I.d.R. schlechtes Ansprechen auf L-Dopa!
Progressive supranukleäre Blickparese (Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom):
Kurzbeschreibung: Die Störung der willkürlichen Augenbewegungen ist das Kernsymptom dieses atypischen Parkinson-Syndroms. Ebenfalls charakteristisch ist eine Fallneigung nach hinten sowie eine frühe Dysphagie und Dysarthrie.
Therapie:
Keine kausale Therapie verfügbar → supportive Maßnahmen und symptomatische Therapie stehen im Vordergrund.
I.d.R. schlechtes Ansprechen auf L-Dopa.
Kortikobasale Degeneration:
Kurzbeschreibung: Neben der typischerweise streng asymmetrischen Parkinson-Symptomatik (Hemiparkinson-Syndrom) stehen insb. muskuläre Symptome wie Myoklonien und Dystonien im Vordergrund. Außerdem charakteristisch ist das sog. Alien-limb-Phänomen, bei dem der Patient eine Extremität als fremd wahrnimmt.
Lewy-Body-Demenz:
Kurzbeschreibung: Neurodegenerative Demenz mit Parkinson-Syndrom und histopathologisch Lewy-Körperchen. Frühe psychotische Symptome sind charakteristisch. Wird als Verlaufsform des M. Parkinson diskutiert.
Therapie:
Motorische Symptomatik: Die dopaminerge Therapie ist i.d.R. nur mäßig wirksam und wird dadurch limitiert, dass sie die psychotische Symptomatik verstärkt!
Ggf. niedrigdosiertes L-Dopa (+ Benserazid oder Carbidopa).
Behandlung der Demenz: Keine Empfehlungen.
Behandlung psychotischer Symptome/motorischer Unruhe/Agitation/Aggression:
Klassische Antipsychotika sind kontraindiziert!
Chorea Huntington
Autosomal-dominante Trinukleotid-Repeat-Erkrankung: Vermehrte Wiederholung des Basentripletts CAG (Instabilität des CAG-Repeats).
Penetranz: 100%ige Erkrankungswahrscheinlichkeit ab circa 40 CAG-Repeats, Je mehr Triplettwiederholungen, desto früher der Krankheitsbeginn und/oder schwerer die Symptomatik. Paternale Vererbung.
Instabilität der CAG-repeats im Huntingtin-Gen → verändertes Huntingtin-Protein: toxischer Effekt -> Untergang der GABA-ergen Neuronen im Striatum:
Vermehrte Hemmung des Ncl. subthalamicus, der dann hemmende Neurone im Pallidum (pars interna) und der Substantia nigra (pars reticulata) weniger aktiviert = es resultiert eine verminderte Hemmung des Thalamus. Dies führt zu überschießenden, unwillkürlichen Bewegungen.
Die psychopathologischen Veränderungen gehen der hyperkinetischen Symptomatik häufig voraus!