Sachenrecht Flashcards

1
Q

Bei der Konzertkarte handelt es sich nach h.M. um ein kleines Inhaberpapier i. S. d. § 807 BGB, das eine Forderung/ein Recht verbrieft.

A

Die Übertragung des Papiers geschieht i.d.R durch Übereignung der Urkunde (§§ 929 ff). Da das Recht aus dem Papier i.d.F. dem Recht am Papier folgt, ist der jeweilige Inhaber der Karte berechtigt (widerlegbare Vermutung der materiellen Be- rechtigung). Das ist die sogenannte Legitimation des Inhabers (MüKo-BGB/Habersack, Vor § 793 Rn. 14).
Das verbriefte Recht kann aber auch durch Abtretungsvertrag (§§ 398, 413 BGB) übertragen wer- den; das Eigentum an der Urkunde erwirbt der Zessionar dann nach § 952 II BGB kraft Gesetzes (Müko-BGB/Habersack, Vor § 793 Rn. 14 bzw. § 793 Rn. 31 f.).

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2
Q

II. Übergabe

A

Weiter müsste eine Übergabe von V an R erfolgt sein, § 929 S. 1 BGB. Bei der Übergabe handelt es sich nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um einen Realakt. Es ist erforderlich, dass der Veräuße- rer jeglichen Besitz an der Sache aufgibt und und der Erwerber den Besitz auf Veranlassung des Veräußerers erlangt.
I.v.F. ist problematisch, dass R keine tatsächliche Sachherrschaft über die Karte erhalten hat. Zu prüfen ist daher, ob die Übergabe durch unmittelbare Aushändigung an R selbst durch eine ande- re Art der Besitzverschaffung ersetzt werden kann.
Möglicherweise kommt eine Besitzverschaffung gemäß § 868 BGB oder § 855 BGB in Betracht (le- sen!).
Für eine Stellung des J als Besitzmittler (§ 868 BGB) für die R enthält der Sachverhalt keine weite- ren Anhaltspunkte. Naheliegender ist die Stellung des J als Besitzdiener, § 855 BGB.
Besitzdiener in diesem Sinne ist, wer in Bezug auf die Sache abhängig von den Weisungen eines anderen in dem in § 855 BGB beschriebenen Sinne ist; der Besitzdiener ist nicht selbst Besitzer; der (unmittelbare) Besitz verbleibt vielmehr alleine beim weisungsbefugten „Besitzherrn“.
Da J vorliegend ausschließlich auf Weisung der R und im Rahmen des bestehenden Abhängig- keitsverhältnisses handelte sowie zudem an der Konzertkarte kein eigenes Interesse hatte, ist er Besitzdiener.

Für die Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB bedeutet dies, dass R als „Besitzherrin“ selbst (unmittelba- ren) Besitz gemäß § 855 BGB erlangt in dem Moment, als Veranstalter V dem J (als Besitzdiener) die Karte aushändigt.
Eine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB von V an R liegt mithin vor. R hat unmittelbaren Besitz an der Konzertkarte erlangt durch J als ihren Besitzdiener, § 855 BGB.

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3
Q

Entscheidend für die Bejahung des Merkmals der Weisungsabhängigkeit ist, dass der Gewaltinhaber die Weisungsgebundenheit (faktisch) anerkennt. Es ist daher unschädlich, wenn das rechtliche Verhältnis zwischen dem Besitzdiener und dem Besitzherren rechtlich unwirksam ist (vgl. Palandt/Bassenge, § 855 Rn. 2). Auch

A

eine ununterbrochene Einwirkungsmöglichkeit ist nicht erforderlich. Unbeachtlich ist ferner i.d.R. auch, dass die Weisung auf eine Tätigkeit bezogen ist, die nicht zu den dem Arbeitnehmer durch den Arbeits- oder Dienstvertrag zugewiesenen Auf- gaben liegt. Entscheidend ist (für die Besitzdienerschaft!), dass er die Weisung befolgt.
Aus diesem Grund ist es nicht entscheidend, ob der Kartenverkauf zu den (typischen) Aufgaben eines Referendars gehört. Es dürfte dem Korrektor positiv auffallen, wenn man hierauf kurz hin- weist.

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4
Q

Unmittelbarer Besitz durch fremde Sachherrschaft - § 855 BGB

A

= Besitzdiener, d.h.:

  • Weisungsgebundenheit
  • Tatsächliche Gewaltausübung
  • Im Rahmen des Abhängigkeitsverhältnisses
  • Wille zur Ausübung der tatsächlichen (Sach-)Gewalt für den Besitzherrn
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5
Q

Mittelbarer Besitz

A
  • Besitz des Besitzmittlers (unmittelbarer oder mittelbarer Besitz)
  • Konkretes Besitzmittlungsverhältnis
    = Jedes tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverhältnis, durch
    das Rechte und Pflichten in Bezug auf die Benutzung und den Verbleib der Sache geregelt werden.
    z.B. Miete (§ 535 BGB); Leihe (§ 598 BGB); Auftrag (§ 662 BGB); Verwahrung (§ 688 BGB); Kauf unter Eigentumsvorbehalt; Sicherungsvertrag bei der Sicherungsüber- eignung
  • Herausgabeanspruch
    z.B. § 546 I BGB (Miete); § 604 BGB (Leihe); § 667 BGB (Auftrag); § 695 BGB (Ver- wahrung); §§ 346, 323 BGB (z.B. Kauf unter Eigentumsvorbehalt); Vertragsimmanen- ter Herausgabeanspruch im Sicherungsvertrag; § 812 BGB
  • Fremdbesitzerwille / Besitzmittlungswille (des Besitzmittlers)
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6
Q

b. Mittelbarer Besitz, § 868 BGB

A

a. Unmittelbarer Besitz, § 854 I BGB Unmittelbaren Besitz hat R nicht erlangt.

Hinweis: Eine Besitzdienerschaft (§ 855 BGB) und damit ein Abhängigkeitsverhältnis ist bei Freu- den/-innen und/oder Kollegen/-innen nicht naheliegend.

-> R kann mittelbare Besitzerin geworden sein. Mittelbarer Besitz liegt vor, wenn der Besitzmittler entweder unmittelbaren Besitz inne hat oder selbst mittelbarer Besitzer ist (sogenanntes mehrfach gestuftes Besitzmittlungsverhältnis) (aa.), ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis besteht (bb.), ein latent vorhandener Herausgabeanspruch gegen den Besitzmittler (cc.) gegeben sowie subjektiv einen Fremdbesitzwillen des Besitzers (dd.) vorhanden ist.

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7
Q

b. Übergabe, § 929 S. 1 BGB bei Nichtberechtigten

A

F müsste jeglichen Besitz verloren und T (irgendeinen) Besitz erworben haben. Zudem müsste dies auf Veranlassung des Veräußerers in Vollziehung der Veräußerung erfolgt sein. Das ist der Fall, wenn der Veräußerer selbst übergibt oder einen Besitzmittler, bzw. Besitzdiener (auch Geheißper- son) zur Übergabe veranlasst.
Vorliegend hat F den unmittelbaren Besitz iSv § 854 BGB an der Karte verloren und T hat diesen erworben. Dies geschah auch auf Veranlassung des Veräußerers, da F hier selbst als Veräußerer aufgetreten ist.

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8
Q

d. Berechtigung der F bei Nichtberechtigten

A

F handelte als Nichtberechtigte, sie war nicht Eigentümerin der Karte (s.o.) und damit nicht zur Übertragung des Eigentums berechtigt.
e. Ermächtigung, § 185 BGB
F war auch nicht von der Eigentümerin R zur Verfügung iSv § 185 BGB ermächtigt worden.
f. Voraussetzungen von §§ 932 ff. BGB
Da F als Nichtberechtigte handelte, müssen für einen Eigentumserwerb der T die Voraussetzungen des § 932 I 1, II BGB vorliegen.
(1) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts
Es müsste ein Verkehrsgeschäft vorliegen. Mit „Verkehrsgeschäft“ ist ein Rechtsgeschäft gemeint, bei dem auf Erwerberseite mindestens eine natürliche Person steht, die auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht zugleich als Veräußerer angesehen werden kann. T und F sind in keiner Weise wirtschaftlich miteinander verflochten, sodass die Veräußerung der Karte ein Verkehrsgeschäft darstellt.

(2) Rechtsschein des Besitzes, § 1006 I BGB
Da F unmittelbare Besitzerin der Konzertkarte war, gilt die Eigentumsvermutung des § 1006 I BGB. Nach dieser Vorschrift wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache widerleglich vermutet, dass er Eigentümer der Sache ist.
(3) Keine Bösgläubigkeit der T
T müsste gemäß § 932 I 1, II BGB auch gutgläubig hinsichtlich der Eigentümerstellung der F gewe- sen sein. Gutgläubigkeit ist nach § 932 II BGB immer dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber positive Kenntnis davon hat, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört oder wenn er dies infol- ge grober Fahrlässigkeit nicht wusste.
Laut Sachverhalt hat F der T nicht mitgeteilt, dass sie die Konzertkarte nicht für sich, sondern für die R gekauft habe. T glaubte also daran, dass F Eigentümerin der Karte war.
(4) Kein Abhandenkommen, § 935 I BGB
Die Konzertkarte dürfte bei R als Eigentümerin nicht abhanden gekommen sein.
Gemäß § 935 I 1 BGB tritt der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932-934 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhanden ge- kommen war.
F war vorliegend unmittelbare Besitzerin iSv §§ 854, 868 BGB. Fraglich ist, ob bei der Weggabe durch den Besitzmittler ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 I 2 BGB vorliegt. Das ist grundsätzlich zu verneinen, wenn der Besitzmittler die Sache freiwillig herausgibt. Außerdem handelt es sich bei der Konzertkarte, wie bereits oben festgestellt, um ein sog. kleines Inhaberpapier i.S.v. § 807 BGB. In solchen Fällen bestimmt § 935 II BGB, dass § 935 I BGB keine Anwendung findet auf Geld oder

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9
Q

Ein Verkehrsgeschäft liegt eindeutig nicht vor,

A

wenn auf Veräußererseite und Erweberseite völlige persönliche oder wirtschaftliche Identität vorliegt.
Ein gutgläubiger Erwerb kann aber auch bei teilweiser wirtschaftlicher Identität ausscheiden, wenn auf Veräußererseite weitere Personen neben dem Erwerber stehen, die selbst nicht zugleich Erwerber sind.
Bsp.: Veräußerung einer Sache durch eine OHG an einen Gesellschafter.
Umgekehrt liegt ein Verkehrsgeschäft vor, wenn auf Erwerberseite neben dem Veräußerer weitere Personen stehen.
Bsp.: Veräußerung einer Sache von einem Gesellschafter an die OHG.
Entscheidend ist also, ob auf der Erwerberseite zahlenmäßig mehr (natürliche) Personen stehen, als auf Veräußererseite. Das liegt wiederum darin begründet, dass die Gutglaubenstatbestände die Interessen des Erwerbers schützen.
(vgl. näher Vieweg/Werner, 6. Auflage, 2013, § 5 Rn.10)

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10
Q

Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis

366 HGB

A

(wie auch an die Vertretungsmacht) wird hingegen nicht durch § 932 BGB geschützt (anders: § 366 HGB im Handelsrecht; str. für Vertre- tungsmacht, vgl. z.B. Vieweg/Werner, § 5 Rn. 26 f.). Dies folgt aus § 932 II BGB, woraus sich ergibt, dass der Erwerber dann nicht in gutem Glauben ist, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

In § 366 Abs. 1 werden die §§ 932 ff., 1207 BGB um einen Schutz des guten Glaubens an „die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen“ erweitert. Dabei kommen vor allem die folgenden, verkehrstypischen Konstellationen in Betracht:
3 Der Absatz von Waren erfolgt häufig nicht durch Eigenhändler ieS, welche die Waren ihrerseits von den Lieferanten zu Eigentum erwerben, sondern durch Verkaufskommissionäre. Soweit eine derartige Vertriebsstruktur typisch ist, kann sich ein guter Glaube der Erwerber folgerichtig nicht auf das Eigentum, sondern nur auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers beziehen.6
4 Bei Waren, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden, erfolgt die Weiterveräußerung häufig durch den Vorbehaltskäufer im eigenen Namen mit einer Weiterveräußerungsermächtigung des Vorbehaltsverkäufers. Soweit ein Eigentumsvorbehalt in bestimmten Absatzzweigen typisch ist, kann sich der gute Glaube des Erwerbers somit wiederum nicht auf das Eigentum des Veräußerers, sondern nur auf seine Verfügungsbefugnis beziehen. Verkompliziert wird die Lage in diesen Fällen dadurch, dass der Vorbehaltsverkäufer seine Rechtsposition im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts dadurch abzusichern pflegt, dass die Weiterveräußerungsermächtigung an eine Vorausabtretung der Forderungen geknüpft ist, die der Vorbehaltskäufer aus der Weiterveräußerung erlangt. Dabei können Störungen in der Wirksamkeit dieser Forderungsabtretung nicht nur objektiv die Weiterveräußerungsermächtigung des Vorbehaltskäufers beseitigen, sondern haben ggf. auch Rückwirkungen auf den guten Glauben des Erwerbers an die Verfügungsbefugnis iSd § 366 Abs. 1 (→ Rn. 38 ff.).
5 Gehören die Konstellationen der Verkaufskommission und des verlängerten Eigentumsvorbehalts zu dem gesicherten Anwendungsbereich des § 366 Abs. 1, ist dessen Erstreckung auf eine Vertretung ohne Vertretungsmacht umstritten (→ Rn. 26 ff.). Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn ein bloßer Vermittlungsvertreter iSd § 84 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 oder ein Handelsmakler iSd § 93 kompetenzwidrig Waren im Namen des Geschäftsherrn veräußert.
6 Jenseits der Problematik einer fehlenden Vertretungsmacht stellt sich das generelle Problem, dass die abstrakte tatbestandliche Fassung des § 366, die nur an den Erwerb von einem Kaufmann in dessen Handelsgewerbe anknüpft, wesentlich weiter reicht als die skizzierten typischen Handelskonstellationen, die das teleologische Fundament der Norm bilden.7 Folgerichtig ist im Rahmen der Rechtsanwendung eine gewisse Einschränkung des Gutglaubensschutzes geboten, die zum Teil über teleologische Reduktionen (→ Rn. 24 f.) und zum Teil im Rahmen der Ermittlung eines guten Glaubens (→ Rn. 33 ff.) erzielt werden kann.

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11
Q

nicht abhanden gekommen sein
bei Besitzdiener, Weggabe heisst Abhandengekommen

bei Besitzmittler - kein Abhandengekommen

A

Im Ausgangsfall war J Besitzdiener der R gemäß § 855 BGB. Nach h.M. ist bei der Weg- gabe eines Besitzdieners ein Abhandenkommen zu bejahen: Der Besitzdiener, der die Sache in Händen hält, hat keinerlei Besitz; Besitzer ist nur der Besitzherr. Bei Weggabe der Sache ohne den Willen des Besitzherrn ist daher Abhandenkommen anzunehmen (Bamberger/Roth/Kindl, § 935 Rn. 6; zum Streitstand vgl. auch MünchKomm/Joost, § 935 Rn. 23). Zum Teil wird danach diffe- renziert, ob die eigenmächtige Weggabe aus dem Herrschaftsbereich des Eigentümers heraus (Ab- handenkommen (+)) oder außerhalb des Herrschaftsbereichs (Abhandenkommen (-)) erfolgt (vgl. näher Vieweg/Werner, 2. Auflage, 2007, § 5 Rn. 43 ff.).

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12
Q

§ 861 I BGB
Ein Anspruch der R gegen T auf Herausgabe der Konzertkarte gemäß § 861 I BGB scheitert am fehlenden Vorliegen Verbotener Eigenmacht (§ 858 BGB).

A

Die F hat ihren unmittelbaren (Fremd-) Besitz freiwillig aufgegeben, sodass keine verbotene Eigenmacht vorliegt, § 858 I BGB. Darüber hinaus wäre T jedenfalls hinsichtlich einer verbotenen Eigenmacht im Verhältnis F – R gutgläubig, sodass sie den fehlerhaften Besitz der F nicht gegen sich gelten lassen müsste, § 858 II 2 BGB.
Hinweis: Der Anspruch aus § 985 BGB ist hier sicherlich der „wichtigste“ zu prüfende Anspruch. Für das Erreichen von 18 Punkten, sollten jedoch auch nachfolgende Ansprüche kurz geprüft wer- den.
Hinweis: Im Fall mittelbaren Besitzes hat der Besitzmittler eine eigene Besitzposition, regelmäßig unmittelbaren (Fremd-)Besitz. Sein Einverständnis in die Besitzübertragung/Besitzaufgabe schließt verbotene Eigenmacht (ggü. Dem mittelbaren Besitzer) aus, und zwar auch bei entgegen- stehendem Willen des mittelbaren Besitzers (vgl. Müko-BGB/Joost, § 869 Rn. 3).
Anders im Fall der Besitzdienerschaft (§ 855 BGB). Der Besitzdiener hat keine eigene Besitzpositi- on. Gibt er den Besitz auf oder überträgt er ihn gegen den Willen des Besitzherrn, begeht er verbo- tene Eigenmacht (Müko-BGB/Joost, § 860 Rn. 4). Vollzieht sich die Besitzübertragung im Rahmen einer Verfügung, kann auch der Erwerber verbotene Eigenmacht begehen (MükO-BGB/Joost, § 858 Rn. 2). Wenn er aber die Fehlerhaftigkeit bei Besitzerwerb nicht kennt, braucht er sie jedoch nicht gegen sich gelten zu lassen, § 858 II 2 BGB.

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13
Q

D. § 1007 I BGB
Ein Anspruch der R auf Herausgabe ergibt sich auch nicht aus § 1007 I BGB. Nach § 1007 I BGB kann die Herausgabe von dem Besitzer verlangt werden, der bei Besitzerwerb nicht in gutem

A

Glauben war. Der gute Glaube muss sich auf die Besitzberechtigung im Verhältnis zum Anspruch- steller (R) beziehen; es kommt also darauf an, ob die gegenwärtige Besitzerin (T) beim Besitzer- werb positiv wusste oder grob fahrlässig nicht wusste (vgl. § 932 II BGB), dass ihm gegenüber dem früheren Besitzer (R) kein Recht zum Besitz zusteht. Ein Besitzrecht kann sich aus einer schuld- rechtlichen Abrede oder einer dinglichen Rechtsstellung ergeben (Staudinger-BGB/Gursky, § 1007 Rn. 18; MüKo-BGB/Baldus, § 986 Rn. 23). Das Besitzrecht der T kann hier aus dem intendierten Kaufvertrag oder Eigentum folgen. Das Eigentum an einer Sache umfasst neben der Befugnis an- dere von der Einwirkung auszuschließen (negative Komponente) auch das Recht nach Belieben mit ihr zu verfahren, schließt also ein Recht zum Besitz bzw. zur Nutzung ein (positive Kompo- nente). T hat Eigentum erworben, das ihr ein Recht zum Besitz (positive Komponente) gegenüber Dritten und damit auch R verschafft.

Achtung: Das Besitzrecht bei § 1007 BGB muss den Anspruchsgegner gerade gegenüber dem An- spruchsinhaber zum Besitz berechtigen. Aus schuldrechtlichen Verträgen (wie hier dem intendier- ten Kaufvertrag) ergibt sich grundsätzlich nur ein relatives Besitzrecht gegenüber dem Vertrags- partner, und nicht gegenüber Dritten. Besitzrechte gegenüber Dritten folgen daher vorwiegend aus dem (absoluten) Eigentum oder einem Anwartschaftsrecht (letzteres str.).

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14
Q

E. § 1007 II BGB
Ein Anspruch der R gegen T aus § 1007 II 1 BGB scheitert i.E. ebenfalls aufgrund des § 1007 II 2 BGB, da es sich bei der Konzertkarte um ein sog. „kleines Inhaberpapier“ im Sinne von § 807 BGB handelt, auf das § 1007 II 1 BGB keine Anwendung.
F. § 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) (-)
Ein Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB scheidet aus, da T Eigentum und Besitz an der Karte nicht durch eine Leistung der R, sondern der F erlangt hat.
G. § 812 I 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) (-)
Ein Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB scheidet wegen des Vorrangs der Leistungsbeziehung zwi- schen F und T ebenfalls aus.

A

E. § 1007 II BGB
Ein Anspruch der R gegen T aus § 1007 II 1 BGB scheitert i.E. ebenfalls aufgrund des § 1007 II 2 BGB, da es sich bei der Konzertkarte um ein sog. „kleines Inhaberpapier“ im Sinne von § 807 BGB handelt, auf das § 1007 II 1 BGB keine Anwendung.
F. § 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) (-)
Ein Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB scheidet aus, da T Eigentum und Besitz an der Karte nicht durch eine Leistung der R, sondern der F erlangt hat.
G. § 812 I 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) (-)
Ein Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB scheidet wegen des Vorrangs der Leistungsbeziehung zwi- schen F und T ebenfalls aus.

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15
Q

Kein Verfügungsverbot bzw. keine Verfügungsbeschränkung]

A

Absolute Verfügungsverbote, d.h. kein gutgläubiger Erwerb möglich. Aus- nahme § 81 I 2 InsO für Immobilien.
- Relative Verfügungsverbote (z.B. §§ 135, 136 BGB), d.h. gutgläubiger Erwerb möglich.

-> (1) 1Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. 2Unberührt bleiben die §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen. 3Dem anderen Teil ist die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zurückzugewähren, soweit die Masse durch sie bereichert ist.

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16
Q

§ 932 BGB
 wenn oben 4. (-), dh. keine Berechtigung oder Ermächtigung (ggf. 5.) zur Übertragung des Eigentums: gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB

A
  1. Rechtsgeschäft iSe Verkehrsgeschäfts
    = Mit „Verkehrsgeschäft“ ist ein Rechtsgeschäft gemeint, bei dem auf Erwerberseite mindestens eine na- türliche Person steht, die auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht zugleich als Veräußerer angesehen werden kann.
  2. Rechtsschein des Besitzes, § 1006 I BGB oder Besitzverschaffungsmacht
    (arg. e. § 934 Alt. 2 BGB)
  3. Gutgläubigkeit
  4. kein Abhandenkommen iSv § 935 BGB
  5. Besondere Voraussetzungen der §§ 933, 934 Alt. 2 BGB
    - Übergabe bei § 933 BGB
    - Besitzerlangung des Erwerbers bei § 934 Alt. 2 BGB
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17
Q

Gewaltrechte (sog. Selbsthilfe)

  • Besitzwehr, § 859 I BGB
  • Besitzkehr, § 859 II BGB
  • Entsetzung, § 859 III BGB

Possessorischer Besitzschutz (aus dem Besitz folgend)

  • Wiedereinräumung des Be- sitzes, § 861 I BGB
  • Abwehranspruch bei Besitz- störung, § 862 I BGB
  • Anspruch auf Verfolgung und Wegnahme, § 867 S. 1 BGB
  • Anspruch auf entschädigen- den Ausgleich, § 867 S. 2 BGB

Petitorischer Besitzschutz

  • Herausgabeanspruch aus § 1007 I BGB
  • Herausgabeanspruch aus § 1007 II BGB
A

Gewaltrechte (sog. Selbsthilfe)

  • Besitzwehr, § 859 I BGB
  • Besitzkehr, § 859 II BGB
  • Entsetzung, § 859 III BGB

Possessorischer Besitzschutz (aus dem Besitz folgend)

  • Wiedereinräumung des Be- sitzes, § 861 I BGB
  • Abwehranspruch bei Besitz- störung, § 862 I BGB
  • Anspruch auf Verfolgung und Wegnahme, § 867 S. 1 BGB
  • Anspruch auf entschädigen- den Ausgleich, § 867 S. 2 BGB

Petitorischer Besitzschutz

  • Herausgabeanspruch aus § 1007 I BGB
  • Herausgabeanspruch aus § 1007 II BGB
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18
Q

Possessorischer Besitzschutz (basierend auf Besitz)
I. § 861 I BGB (Besitzentzug)
Beachte:
Im Zusammenhang mit den Ansprüchen aus §§ 861, 862 BGB ist auch an § 869 BGB zu denken, der ggf. in Betracht kommen kann, wenn mittelbare Besitzverhältnisse vorliegen.

A

I. § 861 I BGB

  1. Anspruchssteller ist unmittelbarer (arg. e. § 869 BGB) Besitzer (nicht: Besitzdiener).
  2. Besitzentzug des unmittelbaren Besitzes durch verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB
  3. Anspruchsgegner ist aktueller Besitzer und besitzt fehlerhaft (s. § 858 II S. 1 BGB).
  4. Kein Ausschluss nach § 861 II BGB
  5. Kein Erlöschen nach §864 BGB
    a. Nichterhebung einer Klage binnen Jahresfrist, § 864 I BGB
    b. Rechtskräftiges Feststellungsurteil, § 864 II BGB
    c. P!: § 864 II BGB analog bei petitorischer Widerklage (s. Lösungsskizze Fall 2)
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19
Q

Possessorischer Besitzschutz (basierend auf Besitz)
II. § 862 I BGB (Besitzstorung)
Beachte:
Im Zusammenhang mit den Ansprüchen aus §§ 861, 862 BGB ist auch an § 869 BGB zu denken, der ggf. in Betracht kommen kann, wenn mittelbare Besitzverhältnisse vorliegen.

A

II. § 862 I BGB

  1. Anspruchssteller ist unmittelbarer (arg. e. § 869 BGB) Besitzer (nicht: Besitzdiener).
  2. Besitzstörung des unmittelbaren Besitzes durch verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB
  3. Anspruchsgegner ist Störer (wie bei § 1004 BGB Handlungs- o. Zustandsstörer)
  4. Kein Ausschluss nach § 862 II BGB
  5. Kein Erlöschen nach § 864 BGB (vgl. § 861 BGB)
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20
Q

Handlungsstörer:

Zustandsstörer:

A

Handlungsstörer:

Handlungsstörer ist, wer durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung die Beeinträch- tigung adäquat kausal bewirkt hat.

Zustandsstörer:
Zustandsstörer ist der Eigentümer/Besitzer/Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beein- trächtigung ausgeht, nicht schon alleine auf Grund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht.

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21
Q

Petitorischer Besitzschutz (basierend auf einem (besseren) Recht zum Besitz)

I. § 1007 I BGB
nicht im guten Glaube kann Besitzer von quasi Besitzer Besitz verlangen

A

I. § 1007 I BGB

  1. Bewegliche Sache
  2. Anspruchssteller war früherer Besitzer (unabhängig von Besitzart)
  3. Anspruchsgegner ist jetziger Besitzer (unabhängig von Besitzart)
  4. Bösgläubigkeit (§ 932 II BGB) des Anspruchsgegners bei Besitzerwerb bzgl. des Bestehens
    (s) eines Rechts zum Besitz
  5. Kein Ausschluss des Anspruchs; Anspruch ausgeschlossen bei
    a. Bösgläubigkeit des Anspruchsstellers bei Besitzerwerb bzgl. des Bestehens (s)eines Rechts zum Besitz, § 1007 III 1 Alt. 1 BGB
    b. Besitzaufgabe des Anspruchsstellers, § 1007 III 1 Alt. 2 BGB
    c. Recht zum Besitz des Anspruchsgegners, § 1007 III 2 i.V.m § 986 BGB
    (sog. Besitz-Besitzer-Verhältnis, ähnlich EBV, klausurrelevant!)
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22
Q

Petitorischer Besitzschutz (basierend auf einem (besseren) Recht zum Besitz)

II. § 1007 II BGB Besitzer verlangt Besitz, wenn es kein Eigentümer oder er war Besitzer und heutiger Besitzer es gestohlen hat

A

II. § 1007 II BGB
1. Bewegliche Sache
2. Anspruchssteller war früherer Besitzer (unabhängig von Besitzart)
3. Anspruchsgegner ist jetziger Besitzer (unabhängig von Besitzart)
4. Abhandenkommen der Sache beim Anspruchssteller (§ 935 BGB)
5. Kein Ausschluss des Anspruchs; Anspruch ausgeschlossen wenn:
a. Anspruchsgegner ist Eigentümer, § 1007 II S. 1 Alt. 1 BGB
b. Abhandenkommen beim Anspruchsgegner vor der Besitzzeit des früheren Besit-
zers, § 1007 II S. 1 Alt. 2 BGB
c. Ausschluss bei Geld und Inhaberpapieren, § 1007 II 2 BGB
d. Bösgläubigkeit des Anspruchsstellers bei Besitzerwerb bzgl. des Bestehens (s)eines
Rechts zum Besitz, § 1007 III 1 Alt. 1 BGB
e. Besitzaufgabe des Anspruchsstellers, § 1007 III 1 Alt. 2 BGB
f. Recht zum Besitz des Anspruchsgegners, § 1007 III 2 i.V.m § 986 BGB (sog. Besitz-
Besitzer-Verhältnis, ähnlich EBV, klausurrelevant!)

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23
Q

Wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich benannt, wird von dem in § 858 I BGB verwende- ten Begriff des Besitzes nur der unmittelbare Besitz erfasst.

A

Das ergibt sich mittelbar auch aus § 869 BGB, der die Ansprüche des mittelbaren Besitzers regelt und auf §§ 861, 862 BGB verweist. Aus der Existenz der Regelung (§ 869 BGB) kann man schließe, dass von den §§ 858 ff. BGB der mittelbare Besitz zunächst nicht erfasst ist.
Rechtsfolge der verbotenen Eigenmacht ist die sog. Fehlerhaftigkeit des Besitzes, § 858 II 1 BGB.

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24
Q
  1. Anwendbarkeit § 861 BGB auf Mitbesitzer
A

Da F und E den Aston Martin gemeinschaftlich besitzen, sind sie Mitbesitzer gemäß § 866 BGB. Fraglich ist, ob auch der Mitbesitzer den possessorischen Besitzschutz der §§ 859-862 BGB genießt. Dass dem grundsätzlich so ist, folgt aus § 866 BGB, woraus sich ergibt, dass der Besitzschutz im Verhältnis der Mitbesitzer zueinander nur begrenzt gelten solle. Im Umkehrschluss ergibt sich dar- aus, dass der (unmittelbare) Mitbesitzer, dem der Besitz durch einen Dritten entzogen wurde, den Besitzschutz gegen den Dritten vollumfänglich geltend machen kann.

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25
Q

Anspruch E gegen P aus §§ 985, 432, 1011 BGB

A

E könnte gegen P auch einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs aus §§ 985, 432, 1011 BGB haben.
Nach § 1011 BGB kann jeder Miteigentümer die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Ge- mäßheit des § 432 BGB, also als Anspruch auf Herausgabe an alle Miteigentümer.

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26
Q

Übergabesurrogat, § 929 S. 2 BGB

Bei der Übertragung von Miteigentum

A

Nach § 929 S. 2 BGB ist die Einigung mit dem Berechtigten ausreichend, wenn der Erwerber be- reits im Besitz der Sache ist. Bei der Übertragung von Miteigentum genügt dabei der vorherige Mitbesitz des Erwerbers.

Beachte: Bei der Übertragung von Miteigentum sind die Vss. der Übergabe „modifiziert“. Wird Alleineigentum übertragen, ist es für die Übergabe erforderlich, dass der Veräußerer keinerlei Be- sitz an der Sache behält; bei der Übertragung von Miteigentum nach §§ 929 ff. BGB kommt es da- bei auf das Innehaben von Mitbesitz durch den Erwerber an; nicht erforderlich ist, dass der Veräu- ßerer seinen Mitbesitz aufgibt.
(vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 738)
Will ein Ehegatte hingegen sein Alleineigentum komplett übertragen, scheidet eine Übereignung nach § 929 S. 2 BGB aus, da kein Besitzübergang stattfindet, mithin der Übertragende Ehegatte noch unmittelbarer (Fremd-)Besitzer bleibt. Eine Übereignung kann nur nach § 930 BGB erfolgen, wobei die eheliche Lebensgemeinschaft (nach überwiegender Meinung) als gesetzliches Besitzmitt- lungsverhältnis (= Besitzkonstitut) angesehen wird (Müko-BGB/Oechsler, § 930 Rn. 33).
Die Besitzverhältnisse in einer Ehe sind kompliziert. Eheleute sind bezüglich der gemeinsam ge- nutzten Wohnräume und der Gegenstände des gemeinsamen Haushalts Mitbesitzer (Müko- BGB/Oechsler, § 866 Rn. 5). Ist sich ein Ehegatte bewusst, dass die gemeinsam benutzte Sache dem anderen gehört, so ist er Fremd(mit)besitzer. Der andere Ehegatte ist dann mittelbarer (Eigen-) Besitzer (und unmittelbarer (Mit-)Besitzer. An Gegenständen, die ein Ehegatte allein benutzt, hat der jeweilige Ehegatte Alleinbesitz (BGHZ 12, 380, 398 ff.; Staudinger-BGB/Gutzeit, § 866 Rn. 10).

Da die Ehe ein Besitzmittlungsverhältnis darstellt, könnte man auch an eine Übereignung nach § 930 BGB denken. Bisweilen wird diese Konstruktion als zu gekünstelt und gezwungen abgelehnt (Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 Rn. 25).
Manchmal wird auch wie folgt differenziert:
- Eheleute übertragen die im Miteigentum und Mitbesitz befindlichen Gegenstände zu Alleinei- gentum (eines Ehegatten) nach § 930 BGB.
- Die Übereignung von persönlichen Gegenständen, an denen Alleinbesitz besteht, erfolgt demge- genüber i.d.R. nach § 929 S. 1 oder S. 2 BGB.
(vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht (2. Auflage) § 4 Rn. 42)
M.E. kann man aber dogmatisch die Übertragung von Miteigentum auch nach § 930 BGB vollzie- hen. Einfacher in der Darstellung ist jedoch § 929 S. 2 BGB.

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27
Q

(c) Berechtigung der F (da nur gemeinsame Verfügung 747 S2
Problematisch ist, das F selbst auch nur Miteigentümerin ist; als solche darf sie über die ganze Sa- che nur gemeinschaftlich mit E verfügen, vgl. § 747 S. 2 BGB

Da F über das gesamte Eigentum verfügte, handelte sie als Nichtberechtigte.

A

Da F über das gesamte Eigentum verfügte, handelte sie als Nichtberechtigte.

Hinweis: Miteigentum ist Hauptfall der Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB, vgl. Münch- Komm/K. Schmidt, § 741 Rn. 41.

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28
Q

Ganz genau betrachtet, war F unmittelbare Mitbesitzerin. Gleichwohl folgt aus § 1006 I BGB die Vermutung von Volleigentum.

A

Das lässt sich m.E. dogmatisch auf zwei Wegen begrün- den.
Aus § 1006 ergeben sich im Grunde drei Vermutungen. Zum einen wird vermutet, dass der Besit- zer Eigenbesitz (1) begründet. Dabei wird weiter vermutet, dass er bei Besitzerwerb auch Eigen- tum erworben hat (2) („Erwerbsvermutung“) und dieses Eigentum auch nicht verloren hat (3) („Rechtsfortdauervermutung“). Entscheidend ist hier die erste Vermutungswirkung aus der sich für den Rechtsverkehr ergibt, dass F Eigenbesitz begründet hat und zwar am ganzen Auto. Daraus folgt der Rechtsschein ihres Eigentums am ganzen Auto.
Man kann dieses Ergebnis wohl auch damit begründen, dass sich F im Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Verfügung zur Eigenbesitzerin „aufschwingt“ und damit im Rechtsverkehr den Rechtsschein des „Alleinbesitzes“ erzeugt.

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29
Q

Absolute Verfügungsbeschränkungen bestehen im allgemeinen, öffentlichen Interesse. Zu ihnen können gegenläufige Privatinteressen nicht ins Verhältnis gesetzt werden; ein gutgläubiger Erwerb scheidet deshalb aus.

A

Die wichtigsten Beispiele sind § 80 I InsO (die Verfügungsbeschränkung des Schuldners in der Insolvenz), § 1365 I 1 BGB (Verfügung eines Ehegatten über sein ganzes Vermögen) und § 1369 I BGB (Verfügung über Haushaltsgegenstände).
So MünchKomm/Oechsler, § 929 Rn. 43.
Relative Verfügungsverbote findet man vor allem im Zwangsvollstreckungsrecht, z.B. bei der Pfän- dung von Forderungen und Rechten gemäß §§ 829, 857 ZPO.
Maßgebliche Vorschrift für relative Verfügungsverbote ist (häufig) § 135 BGB. Der Begriff „Veräu- ßerungsverbot“ in §§ 135, 136 ist dabei iSv von „Verfügungsverbot“ zu verstehen. Desweiteren sind nicht nur Verfügungen im technischen Sinne gemeint, d.h. Rechtsübertragungen, sondern Verfügungen jeder Art (Palandt/Ellenberger, § 136 Rn. 1, 3 f.).

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30
Q

(f) Absolutes Verfügungsverbot, § 1369 I BGB

Dem gutgläubigen Erwerb des S könnte jedoch das absolute Verfügungsverbot des § 1369 I BGB entgegenstehen.

A

(aa) Gegenstand des ehelichen Haushalts
Bei dem Wagen müsste es sich um einen Gegenstand des ehelichen Haushalts handeln. Hierunter fallen alle im Eigentum eines oder beider Ehegatten stehenden beweglichen Sachen, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für die gemeinsame Wohnung und Haus- wirtschaft und für das familiäre Zusammenleben bestimmt sind (Def. aus Bamberger/Roth, § 1369 Rn. 3). Maßgeblich ist die Zweckbestimmung (Widmung) innerhalb der Ehe.

Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, nutzen sowohl F wie auch E den Wagen regelmäßig für ge- meinsame Ausflüge, aber auch im Alltag. Der Aston Martin ist damit ein Gegenstand des eheli- chen Haushalts.
(bb) § 1369 I BGB analog?
Allerdings spricht der Wortlaut des § 1369 I BGB davon, dass die Verfügungsbefugnis eines Ehe- gatten über „ihm gehörende Gegenstände“ in der genannten Weise beschränkt ist. Vorliegend „gehört“ der Wagen aber nicht der F alleine, sondern gerade beiden Ehegatten als Miteigentümer. Schutzzweck des § 1369 I BGB ist die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlage der Familie. Aufgrund dieses Schutzzweckes sowie der vergleichbaren Interessenlage wird die Norm im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch auf Gegenstände angewendet, die im Miteigentum der Ehegatten stehen: Denn wenn der Ehegatte nach § 1369 I BGB schon nicht über solche Gegenstände verfügen kann, die ihm selbst gehören, so muss dies

Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, nutzen sowohl F wie auch E den Wagen regelmäßig für ge- meinsame Ausflüge, aber auch im Alltag. Der Aston Martin ist damit ein Gegenstand des eheli- chen Haushalts.
(bb) § 1369 I BGB analog?
Allerdings spricht der Wortlaut des § 1369 I BGB davon, dass die Verfügungsbefugnis eines Ehe- gatten über „ihm gehörende Gegenstände“ in der genannten Weise beschränkt ist. Vorliegend „gehört“ der Wagen aber nicht der F alleine, sondern gerade beiden Ehegatten als Miteigentümer. Schutzzweck des § 1369 I BGB ist die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlage der Familie. Aufgrund dieses Schutzzweckes sowie der vergleichbaren Interessenlage wird die Norm im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch auf Gegenstände angewendet, die im Miteigentum der Ehegatten stehen: Denn wenn der Ehegatte nach § 1369 I BGB schon nicht über solche Gegenstände verfügen kann, die ihm selbst gehören, so muss dies

(dd) Rechtsfolge
Die Eigentumsübertragung von F an S ist daher gemäß §§ 1369 III, 1366 IV BGB unwirksam.

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31
Q

Gegenstand des ehelichen Haushalts handeln.

A

Hierunter fallen alle im Eigentum eines oder beider Ehegatten stehenden beweglichen Sachen, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für die gemeinsame Wohnung und Haus- wirtschaft und für das familiäre Zusammenleben bestimmt sind

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32
Q

§ 1369 BGB nimmt keine Rücksicht auf die Kenntnis des Erwerbers von der Zugehörigkeit des Geschäftsgegenstandes zum ehelichen Haushalt.

= KV unwirksam

A

Er ist auch dann nicht durch ein entsprechendes ungeschriebenes Tatbestandselement zu ergänzen, wenn man mit der h.M. zu § 1365 BGB der sub- jektiven Theorie folgt.
Hausratsgegenstände nämlich sind als solche jedem erkennbar. Ob sie dem ehelichen Haushalt des Geschäftspartners gewidmet sind, ist leicht zu erfragen, die Gefährdung des Dritten bei Erwerb von Hausrat ist daher weit geringer als beim Erwerb aufgrund eines Gesamtvermögensgeschäfts. (So MünchKomm/Koch, § 1369 Rn. 27

§ 1369 I BGB betrifft seinem Wortlaut nach nicht nur das Verfügungsgeschäft, sondern auch das (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft, das der Verfügung regelmäßig zugrunde liegt. Das gilt sogar unabhängig davon, ob das (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft überhaupt zu einer Verfügung verpflichtet. Deshalb sind auch bloße Gebrauchsüberlassungsverträge erfasst. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 1369 BGB, der den Eheleuten einen gewissen „Bestands- schutz“ hinsichtlich ehelicher Haushaltsgegenstände vermitteln will, weil diese (vom Gesetz) als für ein Zusammenleben erforderlich angesehen werden (vgl. Palandt/Brudermüller, § 1366 Rn. 1, 7).
Im Vorliegenden Fall ist also auch der Kaufvertrag zwischen F und S mangels Einwilligung oder Genehmigung unwirksam (§§ 1369 III, 1366 IV BGB).

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33
Q

Handeln unter fremden Namen

A

• Die Namenstäuschung
Ist die Identität des Handelnden für den Geschäftsgegner unerheblich und will er mit der Person, die „vor ihm steht“, unabhängig von ihrem Namen den Vertrag schließen, handelt es sich um eine sog. „Namenstäuschung“, d.h. ein Handeln unter falscher Namensangabe.
In diesen Fällen wird der Handelnde selbst Vertragspartei. Es liegt ein Eigengeschäft des Handelnden vor.Bsp. Einchecken im Hotel unter dem Namen „Pocahontas“
• Die Identitätstäuschung
Kommt es dem Dritten dagegen sehr wohl auf die Identität des Geschäftspartners an, würde er also nicht mit dem Handelnden kontrahieren, wenn er wüsste, dass dieser nicht derjenige ist, für den er sich ausgibt, liegt ein Fall der sog. Identitätstäuschung vor.
In diesem Fall wird das Handeln unter fremden Namen wie das Handeln in fremden Namen be­ handelt, allerdings unter analoger Anwendung der §§ 164 ff. BGB. Es kommt also ausschließlich ein Geschäft zwischen ihm und dem Namensträger in Betracht. Allerdings ist dieses schwebend unwirksam, sofern der Handelnde ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Ob dieses schwebend unwirksame Geschäft geheilt wird, hängt von der Genehmigung des Vertretenen analog §§ 177 I, 184 I BGB ab. Verweigert dieser die Zustimmung, haftet der Handelnde dem Geschäftsgegner persönlich analog § 179 I BGB.

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34
Q

Problematisch ist hier, dass N nicht mit seinem richtigen Namen, sondern als „Herr B“ auftrat. Fraglich ist, ob sich dies auf die Einigung auswirken könnte.

A

Gibt sich der Handelnde als jemand anderes aus, so ist dies ein „Handeln unter fremdem Namen“. In diesen Fällen ist die sog. Na- mens- von der Identitätstäuschung zu unterscheiden.

Vorliegend verband S mit dem Namen „Herr B“ jedoch nichts weiter; er ging davon aus, vor ihm stehe Herr B und genau mit diesem wollte er auch das Geschäft abschließen. Auf ein Geschäft mit dem tatsächlichen Träger dieses Namens kam es dem S nicht an. Der benutzte Name war für ihn nur „Schall und Rauch“. Es handelte sich mithin lediglich um eine Namenstäuschung. Die Eini- gung erfolgte zwischen N und P.

Merke: Diese Problematik müssten Sie aus dem Stellvertretungsrecht kennen, wenn jemand unter einem fremden Namen auftritt:
Kommt es dem Vertragspartner nicht darauf an, welchen Namen sein Gegenüber in Wirklichkeit trägt, sondern will er den Vertrag nur mit der tatsächlich vor ihm stehenden Person schließen, besteht keine Veranlassung, § 164 Abs. 1 BGB analog anzuwenden. Es kommt dann ein Vertrag mit dem Erklärenden selbst zustande (sog. Namenstäuschung).
Anders ist es, wenn der Interessent den Vertrag gerade mit dem Namensträger abschließen will, etwa weil dieser nachweislich zuverlässig oder solvent ist. Dann ist es geboten, die §§ 164 ff. BGB entsprechend anzuwenden (sog. Identitätstäuschung), da die Interessenlage derjenigen bei der Stellvertretung entspricht.
(vgl. zum Ganzen Dörner in: Schulze u.a., Bürgerliches Gesetzbuch, 7. Aufl. 2012, § 164 BGB Rn. 1 ff.)

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35
Q

Der Fahrzeughalter ist in der Zulassungsbescheinigung Teil I und der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt.
Halter ist, wer das Kraftfahrzeug auf eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt.

A

Für die Verfügungsgewalt ist das tatsächliche, nicht (!) das rechtliche Herrschaftsverhältnis (z.B. Eigentum) maßgebend.
Bei dem Merkmal „auf eigene Rechnung“ kommt es darauf an, wer die Betriebskosten trägt und die Vorteile aus dem Betrieb zieht. Auch wenn der Eigentümer im Regelfall zugleich der Halter ist, sind die Eigentümerverhältnisse für die Haltereigenschaft nicht entscheidend.
Bsp.: Leasing
Hier ist der Leasingnehmer regelmäßig Halter, da er das Kraftfahrzeug aus seine eigene Rechnung betreibt. Der Leasinggeber ist hingegen regelmäßig der Eigentümer.

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36
Q

Fraglich ist nun, ob P zum Zeitpunkt seines Besitzerwerbs nicht in gutem Glauben war, vgl. § 1007 I BGB, wobei sich die Gutgläubigkeit auf seine Besitzberechtigung beziehen muss.

A

Ein Besitzrecht kann sich aus einer schuldrechtlichen Abrede oder einer dinglichen Rechtsstellung ergeben (Staudinger-BGB/Gursky, § 1007 Rn. 18; MüKo-BGB/Baldus, § 986 Rn. 23). Die Rechtsstel- lung muss gerade zum Besitz gegenüber dem Anspruchssteller (= E) berechtigten.
Das Besitzrecht kann sich nicht aus dem Kaufvertrag zwischen N und P ergeben, da dieser nur relativ, d.h. zwischen N und P wirkt.
Ein Besitzrecht kann sich aus dem Eigentum an einer Sache ergeben. Das Eigentum an einer Sache umfasst neben der Befugnis andere von der Einwirkung auszuschließen (negative Komponente) auch das Recht nach Belieben mit ihr zu verfahren, schließt also ein Recht zum Besitz bzw. zur Nutzung ein (positive Komponente).
Eigentum hat P aber nicht erworben und damit streng genommen auch kein Recht zum Besitz Dass P nicht erkannte, zum Besitz nicht berechtigt zu sein, war auch hier grob fahrlässig, da er es aus den Fahrzeugpapieren hätte entnehmen können, dass N nicht Eigentümer und daher auch nicht verfügungsbefugt gewesen ist. P war mithin bei Besitzerlangung bösgläubig, § 932 II BGB analog.

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37
Q

Zusatzfrage: (Wichtig insbesondere für die Examensvorbereitung)
Der possessorische Besitzschutz des § 861 BGB dient der Verhinderung von Selbstjustiz.

A

Da es lediglich auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse ankommt und nicht auf ein Recht zum Be- sitz, darf nicht einmal der Eigentümer dem unberechtigten Besitzer den Besitz entziehen.
§ 863 BGB schließt daher Einwendungen aus dem materiellen Recht weitgehend aus. Der vom Be- sitzer verklagte Eigentümer, der eine verbotene Eigenmacht verübt hat, kann deshalb sein Eigen- tum nicht als Einwendung geltend machen, sondern ist darauf verwiesen, eine Widerklage zu er- heben (vgl. § 33 ZPO, gerichtet auf Feststellung eines Rechts zum Besitz).
Aus der Wertung des § 863 BGB folge, dass petitorische Einwendungen gegen possessorischen Besitzschutz unzulässig seien. Dieser Grundsatz würde bei einer analogen Anwendung des § 864 II BGB umgangen.

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38
Q
  • § 823 I BGB wegen Vorenthaltung des Eigentums auf Herausgabe des Wagens im Wege der
    Naturalrestitution (§ 249 I BGB),
  • §§ 823 II, 858 I BGB, wobei es hier an einer verbotenen Eigenmacht gegenüber E fehlt, wie
    oben geprüft, sowie
  • die Eingriffskondiktion, § 812 I 1 Alt. 2 BGB, die jedoch am Vorrang der Leistungskondiktion
    vorliegend scheitern würde.
A
  • § 823 I BGB wegen Vorenthaltung des Eigentums auf Herausgabe des Wagens im Wege der
    Naturalrestitution (§ 249 I BGB),
  • §§ 823 II, 858 I BGB, wobei es hier an einer verbotenen Eigenmacht gegenüber E fehlt, wie
    oben geprüft, sowie
  • die Eingriffskondiktion, § 812 I 1 Alt. 2 BGB, die jedoch am Vorrang der Leistungskondiktion
    vorliegend scheitern würde.
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39
Q

Bei dem Parken auf einem Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft;

A

1.) Angebot durch F, § 145 BGB
wörtliches Angebot (-)
schlüssiges Handeln durch Bereitstellen des Parkplatzes (=Realofferte gerichtet an unbestimmten Personenkreis), wobei F auf den Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151.1 BGB konkludent verzichtet hat.
Bei dem Parken auf einem Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft; der Betreiber bietet den Parkplatz keinem bestimmten Vertragspartner an, sondern der Allgemeinheit für ein kurzzeitiges Parken.

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40
Q

b) Anscheinsbeweis dafür, dass Halter auch immer der Fahrer ist

A

Vss.: typischer Geschehensablauf (Bsp.: Beim Auffahren auf ein voranfahrendes Fahrzeug spricht der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür, dass der Auffahrende sich verkehrswidrig verhalten hat). Aus Haltereigenschaft lassen sich keine Schlüsse auf Fahrereigenschaft ziehen.
c) Sekundäre Darlegungslast, die zu einem Auskunftsanspruch der F ggü. S führen würde?
Umkehr der Beweislast nur in bestimmten Fallgestaltungen; grundsätzlich systemfremd. Eine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei (hier S) wird von der Rspr. abgelehnt.Keine Prozesspartei ist verpflichtet, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen (unerlaubter Ausforschungsbeweis). Nur im Ausnahmefall kann es zumutbar sein, die wesentlichen Tatsachen gem. § 138 II ZPO zur Verfügung zu stellen. Hier (-)

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41
Q

V. § 862 I 2 BGB auf Unterlassung (BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14)

  1. ) Abstellen des PKW als verbotene Eigenmacht
    a) Verbotene Eigenmacht gem. § 858 I BGB
A

Vss.: Störung ohne den Willen der Besitzerin F
Eine Zustimmung zum Abstellen des Fahrzeugs liegt aber in dem Mietvertrag zwischen F und dem Fahrer. Dieser verpflichtet die F grundsätzlich zur Gebrauchsüberlassung nach § 535 I BGB (dass ein Mietvertrag zwischen F und dem Fahrer geschlossen wurde, ist unstreitig zu bejahen; zum Vertragsschluss s.o.).
b) Störung
Eine Störung könnte darin liegen, dass der Fahrer das Parkentgelt nicht gezahlt hat, wozu er gem. § 535 II BGB verpflichtet gewesen wäre. Somit hat er gegen die Vertrags- und Nutzungsbedingungen verstoßen. Allerdings begründet nicht jedes vertragswidrige V erhalten zugleich eine verbotene Eigenmacht. Zunächst schuldet der V ermieter unbedingte Gebrauchsüberlassung. Ein Mieter, der den vereinbarten Mietzins nicht zahlt, begeht zwar eine Vertragsverletzung, aber noch keine verbotene Eigenmacht. Ebenfalls entspricht es auch ständiger Rechtsprechung des BGH ́s, dass dem Vermieter keine Besitzrechtsansprüche aus § 859 I BGB zustehen, wenn der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt. Die unbedingte Besitzeinräumung kann bei klassischen Mietverhältnissen somit nicht unter den Vorbehalt des vertragsgemäßen Verhaltens gestellt werden.
Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um ein klassisches Mietverhältnis, so dass dieser Grundsatz hier nicht greift. Beim kurzzeitigen Parken handelt es sich vielmehr um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der Vermieter auf ein vertragsgemäßes V erhalten angewiesen ist. Die besondere Interessenlage des Vermieters liegt darin, dass er seine Zustimmung zur Besitzüberlassung von der Zahlung des Mietpreises abhängig macht. Zahlt der Mieter den Mietzins nicht,fehlt die Zustimmung des Vermieters und die Besitzausübung stellt eine verbotene Eigenmacht dar.
Das Abstellen des Fahrzeugs ohne entsprechende Zahlung des Fahrers stellt eine verbotene Eigenmacht dar.
2.) S = Zustandsstörerin? Def.: § 862 I BGB
S ist keine Verhaltensstörerin, da sie den PKW nicht selbst gefahren hat.
Möglicherweise könnte sie Zustandsstörerin sein. Ein Zustandsstörer ist nicht derjenige, der die Störung durch sein Verhalten verursacht, sondern durch seinen maßgebenden Willen den beeinträchtigenden Zustand aufrechterhält. Voraussetzung hierfür ist, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht und somit die Möglichkeit der Beseitigung hat. Weiterhin muss die Beeinträchtigung zurechenbar sein. Hierbei genügt nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer ist. Die Beeinträchtigung muss vielmehr zumindest mittelbar auf seinen Willen zurückgehen.
Im zu beurteilenden Fall beherrscht S die Quelle der Störung insofern, dass sie als Halterin allein entscheiden kann, von wem und wie der PKW genutzt werden soll. Die Beeinträchtigung ist auch zurechenbar, da sie den PKW freiwillig herausgegeben hat.
S ist folglich Zustandsstörerin.
3.) Wiederholungsgefahr, § 862 I 2 BGB
Im vorliegenden Fall wurde der PKW dreimalig widerrechtlich auf dem Parkplatz abgestellt, so dass weitere Störungen in Zukunft zu erwarten sind.
4.) Ergebnis: F hat einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 862 I 2 BGB.

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42
Q

Zu unterscheiden ist ferner zwischen:
- sog. originäres Besitzrecht, § 986 I 1 Alt. 1 BGB
 besteht unmittelbar zw. Eigentümer und Besitzer
- sog. abgeleitetes Besitzrecht, § 986 I 1 Alt. 2 BGB

A

Voraussetzungen des abgeleiteten Besitzrechts:
(1) mittelbarer Besitzer ist ggü. dem Eigentümer zum Besitz berechtigt
und
(2) zur weiteren Übertragung des Besitzes an einen Dritten berechtigt
(3) der unmittelbare Besitzer ist ggü. dem mittelbaren Besitzer aufgrund eines wirksamen
Rechtsverhältnisses zum Besitz berechtigt.

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43
Q

Rechte zum Besitz können sich allgemein ergeben aus

A

Schuldrechtlichen Verträgen (z.B. §§ 433, 535, 631 BGB);
- Rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen (z.B. Besitzeinräumung durch einen Dritten mit Zu-
stimmung des Eigentümers, § 185 BGB analog)
Anm.: Hierbei handelt es sich um eine sehr spezielle Konstellation;
- Dingliche Verfügungen (z.B. §§ 1205, 1036 BGB, § 11 ErbbauRG, § 31 WEG);
- Verwaltungsbefugnissen (z.B. § 80 I InsO, §§ 2205, 1985 I, 1422 BGB);
- Gesetz (z.B. Mitbesitz des Ehegatten an Hausrat und Ehewohnung aus § 1353 BGB, gesetzliche
Pfandrechte i.S.v. § 1247 BGB).

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44
Q

Zu unterscheiden ist ferner zwischen:
- sog. originäres Besitzrecht, § 986 I 1 Alt. 1 BGB
 besteht unmittelbar zw. Eigentümer und Besitzer
- sog. abgeleitetes Besitzrecht, § 986 I 1 Alt. 2 BGB

A

Voraussetzungen des abgeleiteten Besitzrechts:
(1) mittelbarer Besitzer ist ggü. dem Eigentümer zum Besitz berechtigt
und
(2) zur weiteren Übertragung des Besitzes an einen Dritten berechtigt
(3) der unmittelbare Besitzer ist ggü. dem mittelbaren Besitzer aufgrund eines wirksamen
Rechtsverhältnisses zum Besitz berechtigt.

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45
Q

Sonderregelung: § 986 II BGB (vgl. Vieweg / Werner, Sachenrecht (6. Auflage), § 7 Rn. 24 ff.)
- § 986 II BGB stattet ein an sich relatives Besitzrecht (vgl. oben) mit Wirkung gegenüber einem Dritten aus, wenn dieser (= Dritter) eine bewegliche Sache nach § 931 BGB erwirbt.

A
  • Warum ist dies so? (Regelungszweck)
    Der unmittelbare Besitzer steht der Sache näher als der Erwerber, der bei einer Veräußerung
    nach § 931 BGB lediglich mittelbarer Besitzer ist. Das Gesetz möchte durch § 986 II BGB den Schutz desjenigen intensivieren, der der Sache besitzmäßig näher steht, d.h. den unmittelbaren Besitzer (sog. Erhaltungsfunktion des Besitzes).
    Nach überwiegender Meinung enthält § 986 II BGB den allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Erwerber von Eigentum, nicht nur mit Besitzrechten Dritter rechnen müsse, sondern diese auch zu respektieren habe. Wenn also das Eigentum „über den Kopf des Besitzers hinweg“ übertragen werde, soll das Besitzrecht gegenüber dem Erwerber (relativ) weiterwirken.
  • Durch § 986 II BGB wird der unmittelbare Besitzer letztlich so gestellt, als sei nicht das Eigen- tum übertragen worden, sondern nur der obligatorische Herausgabeanspruch. Würde nur die- ser obligatorische Herausgabeanspruch übertragen, fänden die Schuldnerschutz-vorschriften der § 404 ff. BGB Anwendung. Diesen Schutz bildet § 986 II BGB hinsichtlich der Einwendun- gen nach.
  • Zum Teil wird § 986 II BGB analog angewandt:
    o § 986 II BGB analog im Rahmen des § 929 S. 2 BGB
    Beispiel: B verleiht an A ein Sachenrechtsbuch, das A an C weiterverleiht. B überträgt das Eigentum auf C. A bleibt im Verhältnis zu B aufgrund des geschlossenen Besitzmittlungs- verhältnisses (= Leihverhältnis) mittelbarer Besitzer. Gegen den Herausgabeanspruch des C, gerichtet auf Herausgabe des mittelbaren Besitzes, kann A dem C die Einwendungen entgegenhalten, die ihm auch gegen einen Herausgabeanspruch des B zugestanden hätten.

§ 986 II BGB analog im Rahmen des § 929 S. 2 BGB
Beispiel: B verleiht an A ein Sachenrechtsbuch, das A an C weiterverleiht.

B überträgt das Eigentum auf C. A bleibt im Verhältnis zu B aufgrund des geschlossenen Besitzmittlungs- verhältnisses (= Leihverhältnis) mittelbarer Besitzer. Gegen den Herausgabeanspruch des C, gerichtet auf Herausgabe des mittelbaren Besitzes, kann A dem C die Einwendungen entgegenhalten, die ihm auch gegen einen Herausgabeanspruch des B zugestanden hätten.

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§ 986 II BGB analog im Rahmen des § 930 BGB
Beispiel: V hat seine Zeltausrüstung an B verliehen. E will diese erwerben und einigt sich
mit V unter Abschluss eines (neuen) Besitzmittlungsverhältnisses über den Eigentums- übergang

A

(Anm.: Es entsteht ein mehrstufiges Besitzverhältnis, d.h. E wird zum mittelbaren Besit- zer 2. Grades, V wird zum mittelbaren Besitzer 1. Grades, während B unmittelbarer (Fremd-)Besitzer bleibt).
E geht gegen B aus § 985 BGB vor. Dann kann B gemäß § 986 II BGB analog dem E die Einwendungen entgegenhalten, die ihm aus seinem Rechtsverhältnis zu V zustehen.
Die Ausnahme wird verständlich, wenn Sie sich klarmachen, dass eine Übereignung des V an E auch nach § 931 BGB möglich gewesen wäre, indem V seinen Herausgabeanspruch aus dem Leihvertrag abgetreten hätte. Dann wäre § 986 II BGB nach seinem Wortlaut an- wendbar gewesen. Die in § 986 II BGB getroffene Wertung könnte indes zu leicht umgan- gen werden, wenn man § 986 II BGB nicht auf eine Übereignung nach § 930 BGB anwenden würde, da regelmäßig eine Übereignung nach § 930 BGB oder nach § 931 BGB in Betracht kommt (vgl. obiges Beispiel).

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47
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. Nichtigkeit der dinglichen Einigung zwischen S und K wegen Anfechtung, § 142 BGB
Die dingliche Einigung zwischen S und K könnte jedoch rückwirkend (ex tunc) weggefallen sein gemäß § 142 I BGB durch Anfechtung des S.

Bei Kunstgegenständen liegt hier aber häufig kein Irrtum vor, nämlich dann, wenn die Parteien nicht sicher sind, ob der Gegenstand (un-)echt ist.

Hinweis: Man kann hier auch eine Anfechtung nach § 123 I BGB prüfen. Möglicherweise hat der K den S hier durch Unterlassen getäuscht, indem er ihn nicht auf die Echtheit des Gemäldes hinge- wiesen hat, die er als Kunstliebhaber selbst sogleich erkannt hatte.
Voraussetzung für ein solches Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch Unterlassen wäre hier das Bestehen einer Aufklärungspflicht, die sich i.d.R. aus § 242 BGB ergeben kann. Entschei- dend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschau- ung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Dabei gilt zunächst, dass jede Partei ihre Interes- sen selbst wahrnehmen muss. Es besteht damit keine allgemeine Aufklärungspflicht, alle Umstän- de zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Eine Aufklärungspflicht ist vielmehr auf eng begrenzte Ausnahmefälle begrenzt (vgl. zu den Fallgrup- pen Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 5a ff.).
Im Ergebnis wird man eine Aufklärungspflicht hier eher ablehnen (vgl. die Fallgruppen bei Pa- landt, aaO, aA gut vertretbar).

A

Merke: Die Übergabe ist ein Realakt und kann nicht angefochten werden. Lediglich die Willens- erklärung der jeweiligen Vertragspartei im Rahmen der dinglichen Einigung ist nach §§ 119 ff. BGB anfechtbar.

Hinsichtlich des Aufbaus kann die Anfechtungsproblematik wegen der Rechtsfolge des § 142 BGB (Fiktion der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc) daher auch im Zshg. mit der dinglichen Eini- gung geprüft werden.

Wegen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist auch für die Anfechtung streng zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zu unterscheiden.
Wird (nur) das Verpflichtungsgeschäft, im vorliegenden Fall also z.B. der Kaufvertrag, angefoch- ten, lässt diese Anfechtung die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts, also der dinglichen Eini- gung, grundsätzlich unberührt. Liegt also ein dem persönlichen Verpflichtungsgeschäft anhaften- der Inhalts- oder Erklärungsirrtum vor, trägt dieser niemals die Anfechtung der in Erfüllung der Verpflichtung abgegebenen dinglichen Willenserklärung (MünchKomm/Oechsler, § 929 Rn. 33). Schon erbrachte Leistungen können in diesen Fällen jedoch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 zurückge- fordert werden (vgl. MünchKomm/Busche, § 142 Rn. 15).
Im Falle einer wirksamen Anfechtung (auch) des Verfügungsgeschäftes fällt das Eigentum an einer beweglichen Sache dagegen automatisch an den Veräußerer zurück, ohne dass es einer Rücküber- tragung bedarf (MünchKomm/Busche, § 142 Rn. 15).

Zu prüfen ist daher, ob S vorliegend die dingliche Einigung wirksam angefochten hat.
Für eine wirksame Anfechtung bedarf es eines Anfechtungsgrundes (§§ 119 ff. BGB) sowie einer Anfechtungserklärung (§ 143 I BGB), die ohne schuldhaftes Zögern erfolgte (§ 121 I 1 BGB).
a) Anfechtungsgrund
Als Anfechtungsgrund kommt vorliegend § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. S müsste sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Gemäldes im Irrtum befunden haben.
Eigenschaften i.S.d. Vorschrift sind alle wertbildenden Faktoren, wozu neben den auf der natürli- chen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch die tatsächl. und rechtl. Verhältnisse des Gegen- stands gehören, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer auf dessen Wert von Einfluss sind (BGHZ 34, 32, 41). Bei einem Gemälde kommt hier also insb. die Echtheit/Urheberschaft in Betracht (BGH, NJW 1972, 1658).
Ob allerdings die dingliche Einigung überhaupt aufgrund eines Irrtums über eine verkehrswesentli- che Eigenschaft angefochten werden kann, ist umstritten.
Nach einer Ansicht werde die Sache immer nur als solche übereignet, nicht mit bestimmten Eigen- schaften, weshalb die „Verkehrswesentlichkeit einer Eigenschaft“ im Rahmen der dinglichen Eini- gung keine Rolle spielen könne (Grigoleit AcP 199 (1999), 379, 397 ff.).
Gegen diese Sichtweise spricht allerdings der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz: Die Ver- fügung bezieht sich stets auf eine ganz bestimmte Sache und daher auch auf deren ganz bestimmte Eigenschaften. Deshalb dürfte in den Fällen des § 119 II BGB im Zweifel nicht nur die zum Ver- pflichtungsgeschäft führende Willenserklärung, sondern auch die zur Verfügung führende, an- fechtbar sein (MünchKomm/Oechsler, § 929 Rn. 33 mit sehr instruktiven Ausführungen). Diese Ansicht ist daher vorzugswürdig.
S geht vorliegend davon aus, dass er nur eine Kopie eines Kandinsky-Gemäldes an K übereignet, in Wirklichkeit ist das Gemälde aber echt. Er unterliegt daher einem Eigenschaftsirrtum i.S.v. § 119 II BGB.

Dieser Eigenschaftsirrtum war für die Abgabe der Willenserklärung des S zur dinglichen Einigung mit K auch kausal.
Ein Anfechtungsgrund für das Verfügungsgeschäft ist mithin gegeben.

b) Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
Gem. § 143 I, II Fall 1 BGB ist eine Anfechtungserklärung gegenüber dem Vertragspartner abzuge- ben. S müsste also gegenüber K (auch) die Anfechtung der dinglichen Einigung erklärt haben. Vorliegend hat S gegenüber K erklärt, dass „der Kaufvertrag unter diesen Umständen wohl kaum gültig sein könne und er das Bild sofort wieder zurückhaben möchte.“
Diese Erklärung ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB so zu verstehen, dass S nicht nur den Kaufvertrag, sondern gerade auch das dingliche Verfügungsgeschäft anfechten möchte. Dass er das Wort „Anfechtung“ nicht benutzt, ist unerheblich. Eine Anfechtungserklärung – auch – hin-

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Fälle, in denen sowohl das Verpflichtungs- wie auch das Verfügungsgeschäft unter einer gemeinsamen Fehlerquelle leiden, werden unter dem Begriff der „Fehleridentität“ bzw. des „Doppelmangels“ behandelt.

A

Diese Bezeichnung ist irreführend, da es sich eigentlich nicht um eine Ausnahme vom Abstraktionsprinzip handelt, sondern um eine logische Folge des rechtsge- schäftlichen Charakters der dinglichen Einigung. Auf diese Einigung finden die Vorschriften des BGB AT, also auch die §§ 119 ff. BGB, unproblematisch Anwendung. Es wäre daher präziser, statt von „Fehleridentität“ von „Fehlerkongruenz“ zu sprechen.
Aus diesem Grund ist auch die Ansicht des RG (RGZ 66, 385, 390) abzulehnen, nach der die An- fechtung des dinglichen Rechtsgeschäftes wegen § 119 II BGB nur erfolgen kann, wenn das schuld- rechtliche und das dingliche Geschäft in einem einheitlichen Willensakt zusammenfallen. Es ist vielmehr jedes Rechtsgeschäft – das schuldrechtliche Verpflichtungs- wie auch das dingliche Ver- fügungsgeschäft – jeweils für sich angreifbar. Dementsprechend muss der Fehler auch beim schuldrechtlichen wie beim dinglichen Rechtsgeschäft separat geprüft werden, unabhängig davon, ob die beiden Geschäfte in einem einheitlichen Willensakt zusammenfallen.
Vgl. zum Ganzen Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rn. 10; Hütte/Helbron, Sachenrecht, Rn. 84; sehr instruktiv ferner MünchKomm/Oechsler, § 929 Rn. 33.

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d) Ausschluss der Anfechtung
(1) Unzulässige Rechtsausübung, § 242 BGB?
Die Anfechtung dürfte nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB ausgeschlos- sen sein.

A

Eine unzulässige Rechtsausübung läge z.B. dann vor, wenn der Veräußerer sich durch eine Anfechtung nach §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB den Gewährleistungsrechten des Käufers ent- ziehen wollte. Dieser Ausschluss müsste dann auch für das dingliche Geschäft gelten, damit der Käufer wirksam vor der unzulässigen Rechtsausübung geschützt ist.
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. K will keine Gewährleistungsansprüche geltend machen, da dies nicht in seinem Interesse liegt, denn er hat statt einer Kopie ein Original erhalten.
Die Anfechtung ist nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.

Mit Blick darauf, dass es hier um die Anfechtung der dinglichen Einigung und nicht des Kaufvertrags geht, ist die Diskussion hier m.E. nicht zwingend, wenn nicht gar ein wenig „gefähr- lich“.
Man sollte jedenfalls klarstellen, dass man sich bewusst ist, dass es hier nicht um die Anfechtung des Kaufvertrags, sondern der dinglichen Einigung geht. Ferner muss klargestellt werden, warum der Ausschluss der Anfechtung auch für das dingliche Geschäft gelten sollte (wirksamer Schutz vor unzulässiger Rechtsausübung).

Hinweis: S ist hier Verkäufer und möchte in dieser Eigenschaft den Kaufvertrag nach § 119 II BGB anfechten.
Hier geht es also nicht um das Konkurrenzverhältnis zwischen den Gewährleistungsrechten des Käufers (K) und der Möglichkeit des Käufers nach § 119 II BGB anzufechten.
Auch das Konkurrenzverhältnis zwischen den Gewährleistungsrechten des Käufers und dem An- fechtungsrecht (des Käufers) nach § 119 II BGB ist allerdings umstritten. Grob skizziert gilt hier folgendes:
Vor Gefahrübergang (vgl. §§ 446, 447 BGB) soll eine Anfechtung nach § 119 II BGB zulässig sein (wohl h.M., aber str.). Nach Gefahrübergang soll die Anfechtung hingegen ausgeschlossen sein, jedenfalls sofern der Irrtum eine verkehrswesentliche Eigenschaft betrifft, die auch einen Sach-/ Rechtsmangel i.S.d. der §§ 434, 435 BGB darstellt.
Der Vorrang der Gewährleistungsrechte wird maßgeblich mit dem „Recht zur zweiten Andie- nung“ (= Nacherfüllung, vgl. § 439 BGB) begründet, das durch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 II BGB unterlaufen werden würde. Eine Anfechtung nach § 119 II BGB würde zudem zu einer Umgehung der Gewährleistungsverjährung (§ 438 BGB) und der in § 442 BGB enthaltenen Wer- tungen führen.
Der arglistig getäuschte Käufer wiederum hat ein Wahlrecht, ob er den Vertrag nach § 123 BGB anfechten möchte oder Gewährleistungsrechte geltend machen möchte. Hintergrund ist insofern, dass der arglistig täuschende Verkäufer nicht als schutzwürdig angesehen wird.
Vgl. zum Ganzen Palandt/Weidenkaff, § 437 Rn. 53 f.

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50
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(2) Vorrang des § 313 II BGB?
Die Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB ist vorliegend auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein beiderseitiger Eigenschaftsirrtum vorgelegen hätt

A

der nach den Regeln über den Wegfall der Ge- schäftsgrundlage gemäß § 313 II BGB zu behandeln wäre. Nur S irrte i.v.F. über die Echtheit des Bildes. In Fällen des einseitigen Irrtums ist § 119 II BGB anzuwenden.

Anmerkung: Bei einem beiderseitigen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Per- son oder Sache ist die Anwendbarkeit der §§ 119 ff. BGB umstritten.
Die (wohl) h.M. vertritt die die Auffassung, dass auf solche Fälle die §§ 119 ff. BGB keine Anwen- dung finden sollen, da es bei beidseitiger Anfechtungsberechtigung vom Zufall abhängen würde, wer die Anfechtung erklärt und damit auch, wer Schadenersatz nach § 122 BGB zu leisten hat. Die Fälle seien deshalb über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB als lex specialis) zu lösen. (so z.B. Schulze, BGB, § 313 Rn. 6; MünchKomm/Armbrüster, § 119 Rn. 116)
Nach anderer Ansicht seien die §§ 119 ff. BGB auch in diesen Fällen anzuwenden. Hierfür lässt sich anführen, dass es gerade nicht vom Zufall abhängt, wer anfechtet; anfechten wird vielmehr derjenige, der durch das Geschäft im Ergebnis benachteiligt wird.
Wieder andere vertreten, dass die Normen auch nebeneinander Anwendung finden könnten.
Zum Streitstand MünchKomm/Finkenauer, § 313 Rn. 146 ff. m.w.N.

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Q

Unabhängig vom Bestehen eines Gegenanspruchs des K gegen S ist jedoch umstritten, ob das Zu- rückbehaltungsrecht des § 273 BGB überhaupt ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB darstellt.

A

§ 273 BGB
Fraglich ist, ob K gegenüber S ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB herleiten könnte. Ein sol- ches Zurückbehaltungsrecht des K könnte sich nämlich daraus ergeben, dass er dem S den Kauf- preis in Höhe von 250 € gezahlt hat.
Unabhängig vom Bestehen eines Gegenanspruchs des K gegen S ist jedoch umstritten, ob das Zu- rückbehaltungsrecht des § 273 BGB überhaupt ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB darstellt.
- Gegen eine Qualifizierung als Recht zum Besitz spricht, dass die Rechtsfolgen des § 273 BGB nicht mit denen des § 986 BGB übereinstimmen: Ein Besitzrecht würde die Verurtei- lung zur Herausgabe schlechthin verhindern, da der Anspruch aus § 985 BGB nicht gege- ben wäre, solange das Besitzrecht besteht. § 273 I sieht jedoch kein endgültiges, sondern nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht vor. Die Leistungen sollen Zug um Zug ausgetauscht werden.
- § 273 BGB selbst setzt jedoch gerade zwei gegenseitige, konnexe Ansprüche voraus. Sähe man § 273 BGB als Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB an, würde dies den Anspruch aus § 985 BGB ausschalten. § 273 BGB wäre dann seiner eigenen Grundlage beraubt, d.h. § 273 BGB wäre gar nicht mehr anwendbar, da keine gegenseitigen Ansprüche mehr vorlägen (§ 985 (-) wegen § 273 BGB). Das ist widersprüchlich.
- Das Zurückbehaltungsrecht modifiziert vielmehr den Herausgabeanspruch nur inhaltlich, indem es eine Verknüpfung mit dem durch das Zurückbehaltungsrecht gesicherten eige- nen Anspruch des Vindikationsgegners (aus § 812 BGB) herstellt. § 273 BGB stellt also ein selbstständiges Gegenrecht dar, dessen Aufgabe darin besteht, die Gleichzeitigkeit der Er- füllung zu regeln, nicht aber die Besitzlage zu regeln.
- Zudem gewährt das Zurückbehaltungsrecht gerade kein Recht, den zurückgehaltenen Ge- genstand zu nutzen, was aber i.d.R. charakteristisch ist für ein Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB.
Ergebnis: Auch aus § 273 BGB kann K mithin kein Recht zum Besitz gegenüber S herleiten (so die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht (6. Auflage), § 7 Rn. 23; anders demgegenüber der BGH, vgl. Kasten)

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52
Q

Dieselbe Problematik stellt sich auch bei weiteren Zurückbehaltungsrechten (§§ 273, 1000 BGB)

Aus diesem Grund geht man bei § 1000 BGB allgemein davon aus, dass § 1000 BGB kein Besitzrecht i.S.d. § 986 BGB darstellt]

A

Wenn man Zurückbehaltungsrechte als Rechte zum Besitz qualifiziert, kann dies bei § 1000 BGB zu dem grotesken Ergebnis führen, dass mit Vornahme einer erstattungsfähigen Verwendung (vor allem § 994 BGB) das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 987 ff. beendet werden würde (Staudin- ger-BGB/Gursky, § 986 Rn. 28). Aus diesem Grund geht man bei § 1000 BGB allgemein davon aus, dass § 1000 BGB kein Besitzrecht i.S.d. § 986 BGB darstellt (vgl. Vieweg/Werner, Sachenrecht (6. Auflage) § 7 Rn. 23; anders für das Befriedigungsrecht des Besitzers aus § 1003 BGB, das unstreitig ein Recht zum Besitz darstellt).
Der BGH ordnet Zurückbehaltungsrechte regelmäßig als Recht(e) zum Besitz ein. Er nimmt jedoch zwei Modifikationen vor: Zum einen muss das Zurückbehaltungsrecht – entgegen dem Einwen- dungscharakter des § 986 BGB – einredeweise geltend gemacht werden. Zum anderen sei § 274 BGB anzuwenden, d.h. bei Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts wird die Herausgabeklage nicht abgewiesen, sondern es erfolgt eine Verurteilung Zug um Zug.
Bedeutsam ist der hier dargestellte Streit (Ausführungen unter 2. und dieser Kasten) im Hinblick auf die Ansprüche der §§ 987 ff. BGB. Eine strikte Einordnung als Recht zum Besitz müsste eigent- lich dazu führen, dass der BGH die §§ 987 ff. BGB nicht mehr anwenden kann, wenn der unrecht- mäßige Besitzer erstmals Verwendungen tätigt (vgl. vorherigen Absatz) und dem Verwender dann Gegenansprüche zustehen. Gleichwohl wendet der BGH die §§ 987 ff. BGB an. Das Zurückbehal- tungsrecht berechtigt den Besitzer nicht dazu, die Sache zu nutzen. Er sei auch nicht verpflichtet Verwendungen auf diese zu machen. Aus diesem Grund stehe der Anwendung der §§ 987 ff. BGB kein Hindernis entgegen (Soergel/Stadler, § 986 Rn. 9 Fn. 56).
Allgemein wendet der BGH die §§ 987 ff. BGB analog an, soweit das Rechtsverhältnis, aus dem das Besitzrecht folgt, Regelungen bzgl. Nutzungsherausgabe und Verwendungsersatz nicht enthält (BGH NJW 1995, 2627, 2628).
Insgesamt handelt es sich um einen komplizierten Streitstand, der gerade am Anfang (der Beschäf- tigung mit dem Sachenrecht) schwer zu verstehen ist. Es reicht daher zunächst aus, wenn Sie sich merken, dass §§ 273, 320, 1000 BGB nach der herrschenden Meinung in der Literatur kein Recht zum Besitz darstellen.

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53
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Die sog. Sicherungsübereignung ist der Hauptfall der Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB.

A

Die Sicherungsabrede ist Rechtsgrund der Sicherungsübereignung. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist grds. nicht erforderlich. Der Sicherungsvertrag begründet ein Treuhandverhältnis und re- gelt die im Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehenden schuldrecht- lichen Rechte und Pflichten. (Vgl. Bamberger/Roth/Kindl, § 930 Rn. 25)
Da es sich bei der Sicherungsübereignung um den Hauptfall des § 930 BGB handelt, ist für die Si- cherungsabrede/den Sicherungsvertrag als konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 868 BGB ausrei- chend, wenn die Parteien vereinbaren, die Sache werde „zur Sicherheit übereignet“. Die genauen Pflichten könnten dann der zur Sicherungsübereignung bisher entwickelten Rechtsprechung ent- nommen werden.Die Sicherungsabrede ist Rechtsgrund der Sicherungsübereignung. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist grds. nicht erforderlich. Der Sicherungsvertrag begründet ein Treuhandverhältnis und re- gelt die im Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehenden schuldrecht- lichen Rechte und Pflichten. (Vgl. Bamberger/Roth/Kindl, § 930 Rn. 25)
Da es sich bei der Sicherungsübereignung um den Hauptfall des § 930 BGB handelt, ist für die Si- cherungsabrede/den Sicherungsvertrag als konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 868 BGB ausrei- chend, wenn die Parteien vereinbaren, die Sache werde „zur Sicherheit übereignet“. Die genauen Pflichten könnten dann der zur Sicherungsübereignung bisher entwickelten Rechtsprechung ent- nommen werden.Die Sicherungsabrede ist Rechtsgrund der Sicherungsübereignung. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist grds. nicht erforderlich. Der Sicherungsvertrag begründet ein Treuhandverhältnis und re- gelt die im Verhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bestehenden schuldrecht- lichen Rechte und Pflichten. (Vgl. Bamberger/Roth/Kindl, § 930 Rn. 25)
Da es sich bei der Sicherungsübereignung um den Hauptfall des § 930 BGB handelt, ist für die Si- cherungsabrede/den Sicherungsvertrag als konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 868 BGB ausrei- chend, wenn die Parteien vereinbaren, die Sache werde „zur Sicherheit übereignet“. Die genauen Pflichten könnten dann der zur Sicherungsübereignung bisher entwickelten Rechtsprechung ent- nommen werden.

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Q

Dem S könnte ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zustehen.

A

Dies wäre nach § 47 S. 1 InsO der Fall, wenn dem S ein dingliches Recht an dem Gemälde zustün- de. Wie soeben geprüft, ist S Eigentümer des Gemäldes, weshalb ihm der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gegen K bzw. den Insolvenzverwalter zusteht.
Sobald S den Gegenanspruch des K auf Rückzahlung des Kaufpreises erfüllt hat, steht ihm daher ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu und er kann das Gemälde heraus verlangen.

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Die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB kann jedoch gemäß § 930 BGB durch die Vereinbarung eines sogenannten Besitzkonstituts, also durch ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB, ersetzt werden.

A

a. Veräußerer ist (unmittelbarer / mittelbarer) Besitzer der Sache
Nach § 930 BGB müsste der Veräußerer – H – Besitzer der Sache sein, die übereignet werden soll. Dies ist der Fall. H ist unmittelbarer Besitzer des Gemäldes (§ 854 I BGB).
b. Besitzmittlungsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber, § 868 BGB
H und R müssten zudem ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis vereinbart haben i.S.d. § 868 BGB, also ein Rechtsverhältnis, vermöge dessen der Besitzer einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt ist (bzw. ein Rechtsverhältnis, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt, vgl. Wortlaut § 930 BGB).
(1) Konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 868 BGB
Ein solches Besitzmittlungsverhältnis könnte vorliegend in der Sicherungsabrede zwischen H und R zu sehen sein.
\
Konkretes Rechtsverhältnis i.d.S. ist vorliegend also die Sicherungsabrede zwischen H und R.
(2) Herausgabeanspruch des R, § 868 BGB
Aus der Sicherungsabrede folgt die Besitzberechtigung des H auf Zeit; für den Fall, dass H das Darlehen nicht bedient bzw. nicht zurückzahlen kann, darf R das Gemälde zur Verwertung heraus verlangen.
(3) Besitzmittlungswillen des H, § 868 BGB
H müsste das Gemälde für R besitzen, also Fremdbesitzerwillen haben, indem er den Oberbesitz des R anerkennt und grundsätzlich bereit ist, das Gemälde bei Eintritt des Sicherungsfalles her- auszugeben. Durch die anlässlich des Darlehensvertrages vereinbarte Sicherungsübereignung hat H seinen Willen manifestiert fortan (zumindest auch) für R besitzen zu wollen.
(4) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 868 BGB liegen vor.

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  1. Übergabesurrogat, § 931 BGB
A

Eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB von R an F liegt nicht vor. Die Übergabe kann allerdings ge- mäß § 931 BGB durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt werden.
Die Voraussetzungen des § 931 BGB müssten vorliegen.
a. Besitz eines Dritten
Ein Dritter müsste im Besitz der Sache sein. Dies ist vorliegend der Fall, da sich noch immer H im unmittelbaren Besitz des Gemäldes befindet. H ist hinsichtlich der Veräußerung R an F Dritter.
b. Abtretung des Herausgabeanspruchs, § 398 BGB
Weiter müsste R als Veräußerer gegen den Dritten (H) ein Herausgabeanspruch zustehen, den er dem Erwerber abgetreten hat.
(1) Herausgabeanspruch R gegen H
Ein Herausgabeanspruch des R gegen H ergibt sich vorliegend aus der Sicherungsabrede. R und H haben für den Fall, dass H seine Raten nicht bedient, vereinbart, dass R das Gemälde von H heraus verlangen kann.
(2) Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß §§ 870, 398, 931 BGB
R und H müssten sich gemäß § 398 BGB über den Forderungsübergang geeinigt haben. Laut Sach- verhalt ist dies der Fall.
(3) Keine besondere Form erforderlich
Die Abtretung bedarf keiner besonderen Form.
(4) Kein Abtretungsverbot
Dafür, dass R und H ein Abtretungsverbot vereinbart hatten, ist aus dem Sachverhalt nichts er- sichtlich.
(5) Berechtigung des Zedenten
R ist Inhaber des Herausgabeanspruchs und damit zur Abtretung des Anspruchs an F berechtigt.
(6) Zwischenergebnis
Der Herausgabeanspruch des R gegen H wurde mithin wirksam von R an F abgetreten.
c. Zwischenergebnis
Ein wirksames Übergabesurrogat liegt mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB damit vor.
3. Einigsein bei Abtretung
Bei Abtretung des Herausgabeanspruchs waren sich R und F auch darüber einig, dass das Eigen- tum auf F übergehen sollte.
4. Berechtigung des R
Problematisch ist, das R wie oben geprüft nicht Eigentümer des Gemäldes war. R handelte daher als Nichtberechtigter.
5. Einwilligung des Berechtigten
Der wahre Eigentümer S hatte auch nicht in die Veräußerung durch R eingewilligt (§ 185 I BGB).
6. Ergebnis
Ein Eigentumserwerb des F gemäß §§ 929 S. 1, 931 BGB scheitert mithin an der fehlenden Verfü- gungsbefugnis des R.

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943 Alt 1 Verbesserer ist mittelbarer Besitzer

934 Alt 2 ist nicht mittelbarer, Erwerber erlangt Besitz vom Dritten

A

.

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58
Q

c. Veräußerer ist mittelbarer Besitzer der Sache, § 934 Alt. 1 BGB
Nach § 934 Alt. 1 BGB wird der Erwerber einer nach § 931 BGB veräußerten Sache, die nicht dem Veräußerer gehört, dann mit Abtretung des Herausgabeanspruchs Eigentümer, wenn der Veräu- ßerer mittelbarer Besitzer der Sache ist.

(1) Nichtigkeit des Besitzmittlungsverhältnisses R-H
(2) Lehre vom Nebenbesitz
3) Rspr. und Teile der Lit.

A

Nach § 934 Alt. 1 BGB wird der Erwerber einer nach § 931 BGB veräußerten Sache, die nicht dem Veräußerer gehört, dann mit Abtretung des Herausgabeanspruchs Eigentümer, wenn der Veräu- ßerer mittelbarer Besitzer der Sache ist.
Fraglich ist also, ob R vorliegend mittelbarer Besitzer des Gemäldes war, § 868 BGB.
Wie oben geprüft, hatten R und H grundsätzlich ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis gemäß § 868 BGB vereinbart und H hatte auch Fremdbesitzerwillen für R.
Problematisch ist allerdings, dass H das Gemälde zuvor vom Eigentümer S geliehen hatte. Auch bei diesem Leihvertrag handelt es sich um ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB. R spielt gewissermaßen ein „doppeltes Spiel“.
Wie diese Situation zu lösen ist, ist umstritten.
(1) Nichtigkeit des Besitzmittlungsverhältnisses R-H
Da die Sicherungsübereignung des H an R scheiterte, könnte man überlegen, ob nicht nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB auch das durch den Sicherungsvertrag (zunächst begründete) Besitzmittlungsverhältnis (zwischen R und H) nichtig ist (vgl. zu diesem Ansatz BGHZ 50, 45, 48 f.).
Dagegen spricht aber entscheidend, dass die Übereignung nicht nichtig, sondern lediglich nicht erfolgreich gewesen ist. Außerdem ist § 139 BGB auf Rechtsgeschäfte zugeschnitten, nicht auf tat- sächliche Besitzverhältnisse.
(2) Lehre vom Nebenbesitz
Einer Ansicht nach entsteht in einer Konstellation wie der vorliegenden sog. mittelbarer Nebenbesitz (des R), da der unmittelbare Besitzer (H) den Besitz an zwei mittelbare Besitzer (S und R) mittle, die untereinander in keiner Besitzbeziehung stehen. Der Nebenbesitz entstehe allein aufgrund des Willens des unmittelbaren Besitzers.
Zwar sei die Figur des Nebenbesitzes nicht gesetzlich geregelt; der Nebenbesitz widerspreche aber nicht derart der Besitzstruktur, dass er abgelehnt werden müsste.
Rechtspolitisch sei die Bejahung des Nebenbesitzes erforderlich, da der erste mittelbare Besitzer denselben Schutz wie der Erwerber verdiene (Prioritätsprinzip, vgl. hierzu Vieweg/Werner, § 2 Rn. 39 ff.; MünchKomm/Oechsler, § 934 Rn. 6 ff.).
Solange der Besitzmittler hiernach nicht wirklich gegenüber dem Eigentümer Farbe bekenne, könne nicht von einer Umstellung des Besitzmittlungswillen ausgegangen werden (Münch- Komm/Oechsler, § 934 Rn. 8).
18
Universität Mannheim Seite 19
Ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach § 934 Alt. 1 BGB schiede in diesem Fall aus, da der Ver- äußerer nicht mittelbarer (Allein-) Besitzer, sondern lediglich mittelbarer Nebenbesitzer und damit der Sache nicht näher sei als der erste mittelbare Besitzer.
Im vorliegenden Fall wäre R nach dieser Ansicht lediglich mittelbarer Nebenbesitzer; ein gutgläu- biger Eigentumserwerb des F nach § 934 Alt. 1 BGB käme nicht in Betracht.
(3) Rspr. und Teile der Lit.
Die Rechtsprechung und Teile der Literatur lehnen die Lehre vom Nebenbesitz ab.
Die Figur des mittelbaren Nebenbesitzes entbehre jeglicher rechtlicher Grundlage und auch die Gesetzessystematik stehe der Anerkennung einer weiteren Besitzform entgegen (numerus clausus der gespaltenen Besitzrechte). Die wenigen Fälle, in denen eine Besitzspaltung stattfinde, seien abschließend im Gesetz aufgezählt (§§ 866, 868, 871 BGB). §§ 937, 1006 III BGB würden zudem die Einheitlichkeit und Ausschließlichkeit des mittelbaren Besitzes voraussetzen.
Da sich oft nicht ermitteln lasse, ob der unmittelbare Besitzer den Besitz nur dem neuen oder auch dem alten Gläubiger vermitteln wolle, sei die Lehre auch aus Gründen der Rechtssicherheit abzu- lehnen.
In der Anerkennung der Herausgabepflicht gegenüber dem einen mittelbaren Besitzer müsse zu- gleich die Verneinung gegenüber dem anderen liegen.
Deshalb soll der mittelbare Besitz des ersten mittelbaren Besitzers nach dieser Ansicht automatisch enden, sobald der unmittelbare Besitzer bei Abschluss eines neuen Besitzmittlungsverhältnisses die Besitzlage nicht aufdecke.
Entscheidend sei der geänderte Wille des unmittelbaren Besitzers (also des Besitzmittlers), der sich im Abschluss des neuen Besitzmittlungsverhältnisses zeige: In der Sicherungsübereignung liege nämlich daher keine Begründung von Nebenbesitz, weil sich der unmittelbare Besitzer – i.v.F. H – mit Abschluss des Sicherungsvertrages als Eigenbesitzer (§ 872 BGB) geriere und damit den mit- telbaren Besitz des ersten mittelbaren Besitzers beende. Der Sicherungsgeber (vorliegend R) erhal- te damit ungeteilten mittelbaren Besitz, den er übertragen könnte – i.v.F. an F. Nach dieser Auffas- sung war R mithin mittelbarer (Allein-) Besitzer.
Die besseren Argumente sprechen wohl für die die Ansicht der Rechtsprechung (und von Teilen der Literatur).

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59
Q

Gutgläubiger Erwerb nach § 934 BGB

A

a) Veräußert der Vorbehaltskäufer bei noch bestehendem Eigentumsvorbehalt des Lieferanten die Sache gemäß §§ 929,930 BGB zur Sicherung an einen gutgläubigen Dritten, so wird dieser mittelbarer Besitzer.
b) Veräußert der mittelbare Besitzer dann die Sache gemäß §§ 929,931 BGB an einen gutgläubigen Vierten, so wird dieser Eigentümer schon mit dem Erwerb des mittelbaren Besitzes (§ 934 Halbsatz 1 BGB).

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60
Q

Da sich oft nicht ermitteln lasse, ob der unmittelbare Besitzer den Besitz nur dem neuen oder auch dem alten Gläubiger vermitteln wolle, sei die Lehre auch aus Gründen der Rechtssicherheit abzu- lehnen.
In der Anerkennung der Herausgabepflicht gegenüber dem einen mittelbaren Besitzer müsse zu- gleich die Verneinung gegenüber dem anderen liegen.

A

Deshalb soll der mittelbare Besitz des ersten mittelbaren Besitzers nach dieser Ansicht automatisch enden, sobald der unmittelbare Besitzer bei Abschluss eines neuen Besitzmittlungsverhältnisses die Besitzlage nicht aufdecke.

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61
Q

Aus diesem Grund wird diskutiert, die Voraussetzung “mittelbarer Besitz” in § 934 Alt. 1 BGB einschränkend auszulegen.

A

a.) Teile der Literatur

Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass der unmittelbare Besitzer (hier: K) gleichzeitig für zwei Personen besitze (hier: V und die B-Bank), ohne sich zwischen beiden zu entscheiden. Im Falle eines solchen “Doppelspiels” könne es keinen (alleinigen) mittelbares Besitz geben, sondern nur Nebenbesitz. Bei einem Nebenbesitz sei das Verhältnis zueinander nicht gestuft, sondern gleichberechtigt. Dies reiche aber für einen gutgläubigen Erwerb nicht aus, denn den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb liege die Wertung zugrunde, dass der Erwerber der Sache näher kommt als der Berechtigte.

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da V und die B-Bank im Bezug auf ihren Besitz an der Sache gleich nah bzw. gleich fern stünden. Folgt man dieser Ansicht, so scheidet ein gutgläubiger Erwerb des D aus.

b.) Herrschende Meinung

Die herrschende Meinung lehnt die Konstruktion des Nebenbesitzes ab. Das Gesetz sehe diese Figur nicht vor, es spreche nur vom “mittelbaren Besitz”, aber niemals vom “Nebenbesitz”. Zudem könne der Besitzmittler auch nicht gleichzeitig den Willen haben, die Sache für mehrere zu besitzen. Denn Inhalt der beiden Besitzmittlungsverhältnisse sei es ja gerade, die Sache im Sicherungsfall herauszugeben.

Dies ist überzeugend. Eine Korrektur des vermeintlichen Widerspruchs zwischen § 933 BGB und § 934 Alt. 1 BGB im Wege der Rechtsfortbildung kommt nicht in Betracht.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs gem. §§ 932 ff. BGB den mittelbaren Besitzer den unmittelbaren Besitzer gleichstellen wollen, sofern sich der mittelbare Besitzer bei der Veräußerung seines Besitzes ganz entledigt. Im Gegensatz zum Erwerb nach §§ 930, 933 BGB, bei dem der unmittelbare Besitz beim Veräußerer verbleibt, entledigt sich der Veräußerer bei §§ 931, 934 Alt. 1 BGB seines gesamten (mittelbaren) Besitzes. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung ist auch ein eventuell bestehender Widerspruch hinzunehmen und § 934 Alt.1 BGB uneingeschränkt anzuwenden. Ein gutgläubiger Erwerb des D ist damit möglich.

  1. Ergebnis

D ist nach §§ 929 S.1, 931, 934 Alt.1 BGB Eigentümer der Fräsmaschine geworden.

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62
Q

V hat allerdings erklärt, dass er sich das Eigentum an der Ledercouch bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises durch K vorbehalten wolle. Die dingliche Einigung stand mithin unter der Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung, §§ 929 S. 1, 158 I BGB.
Vor Zahlung der zweiten Rate durch K ist diese Bedingung noch nicht eingetreten.

A

II. Ergebnis

K ist vor Zahlung der zweiten Kaufpreisrate noch nicht Eigentümer der Ledercouch geworden. S ist Eigentümer geblieben.

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63
Q

B. Erwerb eines Anwartschaftsrechts der K von V analog § 929 S. 1 BGB
K könnte jedoch ein Anwartschaftsrecht an der gelben Ledercouch erworben haben.

A

Die Voraussetzungen für die Entstehung/den Ersterwerb des Anwartschaftsrechts durch K müss- ten vorliegen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Anwartschaftsrecht grundsätzlich keiner besonderen Eini- gung über seine Entstehung bedarf; es entsteht vielmehr ipso iure allein aufgrund der Rechtsposi- tion, die der Vorbehaltskäufer aufgrund der bedingten Übereignung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des jeweiligen Übereignungstatbestandes erlangt.
Für die Entstehung des Anwartschaftsrechts im vorliegenden Fall müssten mithin eine bedingte Einigung über den Eigentumsübergang gemäß § 929 S. 1, 158 I BGB sowie die übrigen Vorausset- zungen des § 929 S. 1 BGB vorliegen.
I. Bedingte Einigung über den Eigentumsübergang gem. §§ 929 S. 1, 158 I BGB
V und K haben sich gemäß §§ 929 S. 1, 158 I BGB aufschiebend bedingt durch die vollständige Kaufpreiszahlung auf den Übergang des Eigentums an der Couch geeinigt.

II. Übergabe, § 929 S. 1 BGB
V müsste K die Couch auch übergeben haben.
Hier hat K auf Veranlassung des V unmittelbaren Besitz an der Ledercouch erlangt, indem sie die Couch aus dem Geschäft des V zu sich nach Hause transportierte. Allerdings müsste V auch jegli- che besitzrechtliche Position verloren haben. Dies könnte problematisch sein: Der Vorbehaltsver- käufer will seine besitzrechtliche Position nicht vollständig aufgeben, solange der Kaufpreis noch nicht in Gänze bezahlt ist. Der Eigentumsvorbehaltskaufvertrag stellt deshalb nach h.M. ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB dar, sodass V mittelbarer Besitzer der Ledercouch ge- blieben ist.
Demnach wäre eine Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB nicht gegeben.
Allerdings ist anerkannt, dass bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ein vollständiger Be- sitzverlust auf Veräußererseite im Rahmen der Übergabe nach § 929 S. 1 BGB ausnahmsweise nicht erforderlich ist, da sonst die Einräumung eines Anwartschaftsrechts, welches im Interesse beider Parteien steht (s.o.), nicht möglich wäre (vgl. z.B. Hütte/Helbron, Rn. 848).
Die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB liegt somit vor.
III. Einigsein bei Übergabe
Im Zeitpunkt der Übergabe waren sich V und K auch darüber einig, dass das Eigentum bei Ein- tritt der Bedingung (§ 158 I BGB) auf K übergehen sollte.
IV. Berechtigung des V
V war als Eigentümer auch zur (bedingten) Übereignung der Ledercouch berechtigt.

V. Ergebnis
K hat mithin analog §§ 929 S. 1, 158 I BGB ein Anwartschaftsrecht an der Couch erworben.
Sobald K die zweite und letzte Rate an V zahlt und damit die Bedingung nach § 158 I BGB eintritt, erstarkt das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht und K würde Eigentümerin der Couch.
Da K die Rate vorliegend jedoch noch nicht bezahlt hat, bleibt es vorerst beim Anwartschaftsrecht der K.

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64
Q

Exkurs: (Einfacher) Eigentumsvorbehalt

A

Sieht sich der Käufer einer beweglichen Sache zur sofortigen Zahlung des Kaufpreises außerstan- de, so bietet sich den Parteien die Möglichkeit der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts: Verkäufer und Käufer schließen einen unbedingten Kaufvertrag und vereinbaren einen Eigen- tumsvorbehalt (§§ 433, 449 I BGB); die im Zuge der Erfüllung des Kaufvertrages vorzunehmende dingliche Einigung im Sinne des § 929 S. 1 BGB erfolgt sodann unter der aufschiebenden Be- dingung der vollständigen Kaufpreiszahlung durch den Käufer, § 158 I BGB.
Dem Vorbehaltskäufer steht in der Zeit zwischen Einigung/Übergabe und Bedingungseintritt (endgültiger Rechtserwerb) ein dingliches Anwartschaftsrecht zu (hierzu noch unten).
Merke allgemein zum Eigentumsvorbehalt:
Der Eigentumsvorbehalt ist ein selbständiges Sicherungsrecht und mithin nicht akzessorisch. Wird die zu sichernde Kaufpreisforderung abgetreten, geht das Vorbehaltseigentum des Zedenten nicht automatisch auf den Zessionar über. § 401 BGB ist nicht anwendbar.
Gegenstand des Eigentumsvorbehalts können nur bewegliche Sachen sein; bei unbeweglichen Sachen ist die dingliche Einigung (Auflassung, vgl. § 925 BGB) unter einer Bedingung unzulässig. Der Eigentumsvorbehalt entfaltet seine vollen schuld- wie sachenrechtlichen Wirkungen, wenn er sowohl im Kaufvertrag als auch bei der dinglichen Einigung wirksam vereinbart wird. Ist er im Kaufvertrag geregelt, wird seine Geltung bei der dinglichen Einigung vermutet (§ 449 I BGB).
(Vgl. zum Ganzen Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 1 ff.)

Vorteile des Eigentumsvorbehalts für den Käufer:
- Der Käufer kommt schon vor Aufbringung des Kaufpreises in den Besitz der Sache und kann diese nutzen.
- Die §§ 158 I, 161 BGB stellen sicher, dass der Käufer mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises tatsächlich auch Eigentümer der Sache wird; der Käufer ist nicht nur gegen Zwischenverfügungen des Verkäufers geschützt; ihm bleibt vielmehr auch erspart, den Verkäufer auf Übereignung in Anspruch zu nehmen, sodass er ohne jedes Risiko den Kaufpreis erbringen kann.
Vorteile des Eigentumsvorbehalts für den Verkäufer:
- Er kann dem Käufer Kredit gewähren (Ratenzahlung ist eine besondere Form der Stundung) und die Kaufsache als Kreditsicherheit einsetzen.
- Da der Verkäufer Inhaber des Vollrechts bleibt, kann er der Pfändung der Kaufsache durch ande- re Gläubiger des Käufers widersprechen und in der Insolvenz Aussonderung verlangen.
- Mit Zahlungsverzug des Käufers kann er vom Kaufvertrag zurücktreten (nach Fristsetzung) und die Herausgabe der Kaufsache verlangen (vgl. § 449 II BGB).
- Zudem liegt es im Interesse des Verkäufers, den Besitz an der Kaufsache alsbald zu verlieren, da er so seine Kosten der Lagerhaltung reduziert und zudem Konkretisierung und Übergang der Preisgefahr auf den Käufer herbeiführt (vgl. §§ 446 I, 447 BGB).
(Habersack, Ex-Rep. SachenR, § 12 Rn. 230 ff.)

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65
Q

Das Anwartschaftsrecht
Das Anwartschaftsrecht ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Begriff „Anwartschafts- recht“ dient an sich lediglich der vereinfachten Darstellung.

A

Als „Anwartschaftsrecht“ wird die Rechtsposition bezeichnet, die bei einem mehrstufigen, insbe- sondere bedingten Rechtserwerb dem Erwerber vor Vollendung des Rechtserwerbs zusteht, so z.B. dem Käufer bei einer unter Eigentumsvorbehalt veräußerten Ware (vgl. § 449 BGB, §§ 929 S. 1, 158 I BGB).
Das Anwartschaftsrecht bedarf keiner besonderen Einigung über seine Begründung, sondern ent- steht ipso iure allein aufgrund der Rechtsposition, die der Vorbehaltskäufer aufgrund der beding- ten Übereignung erlangt.
Es unterscheidet sich von bloßen Erwerbsaussichten oder Chancen dadurch, dass der Erwerber bereits eine vom Willen des Veräußerers unabhängige Rechtsposition erlangt hat: Wenn bei der Über- tragung eines Rechts der volle Erwerbstatbestand (z.B. nach § 929 S. 1 BGB Einigung und Überga- be) vorliegt und alle übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind, hängt bei einer auf- schiebend bedingten Verfügung der Erwerb des Rechts nach § 158 I BGB nur noch vom Eintritt der Bedingung ab. Für denjenigen, zu dessen Gunsten der Eintritt der Bedingung wirkt, besteht also eine Anwartschaft (im Sinne einer gefestigten Rechtsposition) auf Erlangung des Rechts. Er selbst kann den Bedingungseintritt herbeiführen (beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch Zahlung des Kaufpreises); der Veräußerer kann ihm diese Rechtsposition nicht mehr einseitig nehmen. Im Fall einer treuwidrigen Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts gilt § 162 BGB. (Vgl. zum, Ganzen Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 34; Schulze u.a., BGB, § 929 Rn. 51 f

Die rechtliche Einordnung des Anwartschaftsrechts ist umstritten:
Der BGH bezeichnet es als „wesensgleiches Minus“ und als „Vorstufe zum Vollrecht“ (in der Regel ist das Vollrecht Eigentum), also als dingliches Recht (dieser Ansicht sollten Sie in der Klau- sur folgen).
Von anderen wird das Anwartschaftsrecht z.T. als schuldrechtlich-dingliches Recht, z.T. auch als subjektiv-dingliches Recht verstanden (vgl. Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 36 m.w.N.).

Wirkungsweise des Anwartschaftsrechts:
Der Übertragende (Veräußerer) bleibt zwar dinglich Vollrechtsinhaber (Eigentümer) und ist ledig- lich schuldrechtlich an der Ausübung seiner aus dem Vollrecht erwachsenden Rechte gehindert. Der Anwartschaftsberechtigte ist jedoch gegen zwischenzeitliche Verfügungen des Veräußerers gemäß § 161 I BGB geschützt: Als mittelbarer Eigenbesitzer kann der Vorbehaltsverkäufer zwar sein (auflösend bedingtes) Eigentum durch Abtretung seines Herausgabeanspruchs aus dem Besitzmittlungsverhältnis auf den Erwerber übertragen (§§ 929, 931 BGB). Der Zwischenerwerber erwirbt auf diese Weise auch zunächst wirksam das Eigentum vom Berechtigten. Er verliert es aber mit Bedingungseintritt sofort wieder (§ 161 I BGB), wenn das beim Vorbehaltskäufer verblie- bene Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarkt. Die Zwischenverfügung wird mit Bedingungs- eintritt absolut unwirksam (§ 161 I BGB wirkt also ggü. jedermann).
Zum gutgläubigen „Wegerwerb“ des Anwartschaftsrechts, vgl. unbedingt den Exkurs zu § 936 BGB am Ende der Falllösung.
(Vgl. zum Ganzen Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 37 ff.)

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66
Q

ANWARTSCHAFTSRECHT

A. Eigentumserwerb der N durch Übereignung von K an N, § 929 S. 1 BGB
N könnte durch Übereignung von K Eigentümerin der Couch geworden sein gemäß § 929 S. 1 BGB.

B. Gutgläubiger Eigentumserwerb der N gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB
Fraglich ist, ob N gutgläubig Eigentum von der Nichtberechtigten K gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB erworben haben könnte.
Ein gutgläubiger Eigentumserwerb der N von K scheitert vorliegend jedoch bereits an der fehlen- den Gutgläubigkeit der N. Da N laut Sachverhalt ihre gesamte Einrichtung bei V erworben hat, ist ihr dessen Praxis, nur unter Eigentumsvorbehalt zu veräußern, durchaus bekannt.
Da K der N offenlegt, dass sie die Couch bei V noch nicht vollständig bezahlt hat, handelte N zu- mindest grob fahrlässig i.S.d. § 932 II BGB, als sie sich nicht näher nach den eigentumsrechtlichen Verhältnissen an der Couch erkundigte.

C. Eigentumserwerb der N durch (Zweit-)Erwerb des AWR von K analog § 929 S. 1 BGB und Erstarken des AWR zum Vollrecht
N könnte jedoch Inhaberin des Anwartschaftsrechts an der Couch geworden sein durch Übertra- gung von K analog § 929 S. 1 BGB.
Mit Zahlung der zweiten Rate am 01.10.2017 wäre N dann durch Erstarken des Anwartschafts- rechts zum Vollrecht Eigentümerin der Couch geworden.

+Moglichkeit des Bedingungseintritts(Bedingung, deren Eintritt herbeigeführt werden kann)
-»» Erlischt der Anspruch hingegen durch Erfüllung (§ 362 I BGB), erstarkt das Anwartschaftsrecht in der Person des Inhabers zum Vollrecht, wobei kein Durchgangserwerb stattfindet.

A

I. Dingliche Einigung, § 929 S. 1 BGB
Eine dingliche Einigung zwischen K und N über den Eigentumsübergang gemäß § 929 S. 1 BGB liegt vor. K hat der N ausdrücklich angeboten, dass sie ihr „das Eigentum“ übertragen würde.
II. Übergabe, § 929 S. 1 BGB
Indem K der N geholfen hat, die Couch in das Wohnzimmer der N zu transportieren, hat K der N die Couch auch übergeben; die Voraussetzungen einer Übergabe nach § 929 S. 1 BGB – Verlust jeglichen Besitzes beim Veräußerer, Besitzerlangung des Erwerbers auf Veranlassung des Veräu- ßerers – liegen vor.
III. Einigsein bei Übergabe
K und N waren sich bei Übergabe auch darüber einig, dass das Eigentum auf N übergehen sollte.
IV. Berechtigung des K
Problematisch ist, ob K zur Eigentumsübertragung an der Couch berechtigt war.
Wie oben geprüft, ist K bis zur Zahlung der zweiten Rate des Kaufpreises noch nicht Eigentümerin der Couch. Ihr Eigentumserwerb ist aufschiebend bedingt durch die vollständige Kaufpreiszah- lung. Dementsprechend ist vor Zahlung der letzten Rate noch der V Eigentümer der Couch, wobei sein Eigentum auflösend bedingt ist durch die Zahlung der zweiten Rate durch K.
V hatte die K auch nicht zur Weiterveräußerung der Couch ermächtigt, § 185 I BGB.
K war somit zur Eigentumsübertragung an N nicht berechtigt.
V. Ergebnis
Ein Eigentumserwerb des N nach § 929 S. 1 BGB scheidet mithin aus.

B. Gutgläubiger Eigentumserwerb der N gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB
Fraglich ist, ob N gutgläubig Eigentum von der Nichtberechtigten K gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB erworben haben könnte.
Ein gutgläubiger Eigentumserwerb der N von K scheitert vorliegend jedoch bereits an der fehlen- den Gutgläubigkeit der N. Da N laut Sachverhalt ihre gesamte Einrichtung bei V erworben hat, ist ihr dessen Praxis, nur unter Eigentumsvorbehalt zu veräußern, durchaus bekannt.
Da K der N offenlegt, dass sie die Couch bei V noch nicht vollständig bezahlt hat, handelte N zu- mindest grob fahrlässig i.S.d. § 932 II BGB, als sie sich nicht näher nach den eigentumsrechtlichen Verhältnissen an der Couch erkundigte.
C. Eigentumserwerb der N durch (Zweit-)Erwerb des AWR von K analog § 929 S. 1 BGB und Erstarken des AWR zum Vollrecht
N könnte jedoch Inhaberin des Anwartschaftsrechts an der Couch geworden sein durch Übertra- gung von K analog § 929 S. 1 BGB.
Mit Zahlung der zweiten Rate am 01.10.2017 wäre N dann durch Erstarken des Anwartschafts- rechts zum Vollrecht Eigentümerin der Couch geworden.
I. Einigung zwischen N und K über Übertragung des AWR, §§ 929 S. 1 BGB analog
N und K haben sich zwar „nur“ über den Übergang des Eigentums gem. § 929 S. 1 BGB wirksam geeinigt.

Diese Einigung könnte als „Minus“ jedoch auch eine Einigung über die Übertragung des Anwart- schaftsrechts enthalten:
Nach Ansicht des BGH lässt sich die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Einigung über die Eigentumsübertragung entnehmen. Nach a. A. kann die dingliche Einigung nach § 929 S. 1 BGB in eine Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts umgedeutet werden, § 140 BGB (vgl. Vieweg/Werner, § 11 Rn. 50).
Nach beiden Ansichten ist mithin die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts in der dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB enthalten. Eine Einigung nach § 929 S. 1 BGB analog über den Übergang des AWR liegt mithin vor.
II. Übergabe, § 929 S. 1 BGB analog
K hat N die Ledercouch auch analog § 929 S. 1 BGB übergeben.
III. Einigsein bei Übergabe
Im Zeitpunkt der Übergabe waren sich K und N auch darüber einig, dass das Anwartschaftsrecht auf N übergehen sollte.
IV. Berechtigung der K
Als Inhaberin des Anwartschaftsrechts war K auch zur Übertragung desselben berechtigt.
V. Möglichkeit des Bedingungseintritts
Der Kaufvertrag zwischen V und K besteht, sodass die im Rahmen der dinglichen Einigung ver- einbarte Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung noch eintreten kann. Das Anwartschafts- recht kann also noch zum Vollrecht Eigentum erstarken.

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67
Q

Diese Einigung könnte als „Minus“ jedoch auch eine Einigung über die Übertragung des Anwart- schaftsrechts enthalten:
Nach Ansicht des BGH lässt sich die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Einigung über die Eigentumsübertragung entnehmen. Nach a. A. kann die dingliche Einigung nach § 929 S. 1 BGB in eine Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts umgedeutet werden, § 140 BGB (vgl. Vieweg/Werner, § 11 Rn. 50).

A

Nach beiden Ansichten ist mithin die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts in der dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB enthalten. Eine Einigung nach § 929 S. 1 BGB analog über den Übergang des AWR liegt mithin vor.

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68
Q

VI. Bedingungseintritt
Am 01.10.2017 hat N die zweite und letzte Rate des Kaufpreises an V bezahlt. Damit ist die Bedin- gung gemäß §§ 929 S. 1, 158 I BGB eingetreten.

A

Das Anwartschaftsrecht erstarkt bei Bedingungseintritt zum Vollrecht, und zwar in der Person desjenigen, der zu diesem Zeitpunkt Inhaber des Anwartschaftsrechts ist. Derjenige, der im Zeitpunkt des Bedingungseintritts Inhaber des Anwartschaftsrechts ist, erwirbt mithin Eigentum im Wege des Direkterwerbs (kein Durchgangserwerb des Ersterwerbers, hier der K) (vgl. Vie- weg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 53).

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69
Q

Wichtiger Exkurs: § 936 BGB

A

§ 936 BGB ist eine sehr wichtige Vorschrift, deren genaue Lektüre im Gesetz und im Lehr- buch/Kommentar sich definitiv lohnt.
- § 936 BGB regelt den lastenfreien Erwerb einer mit (dinglichen) Rechten Dritter belasteten Sache. Z.B.: Vertragliche und gesetzliche Pfandrechte (§§ 1204, 562, 647 BGB), Nießbrauch (§ 1030 BGB), Pfändungspfandrecht (§ 804 I ZPO), aber auch das Anwartschaftsrecht.
- § 936 BGB ist sowohl auf den Erwerb vom Berechtigten (§§ 929 – 931 BGB) als auch auf den Er- werb vom Nichtberechtigten (§§ 929 – 931 i.V.m. §§ 932 – 935 BGB) anwendbar.
Die erste Konstellation (Erwerb vom Berechtigten) erfasst z.B. Fälle, in denen der Veräußerer Ei- gentümer ist, aber das Eigentum mit Rechten Dritter belastet ist. Dann ermöglicht § 936 BGB den gutgläubig lastenfreien Erwerb (auch) vom Berechtigten.
Wird § 936 BGB im Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten angewendet, muss die Gutgläubig- keit und das Abhandenkommen (§ 935 BGB) streng genommen zweimal geprüft werden, einmal in Bezug auf das Eigentum (an der Sache) und ein zweites Mal im Hinblick auf das Bestehen von Rechten Dritter (an der Sache).
Zum Verständnis: Regelmäßig werden sich die Ergebnisse (gutgläubiger Eigentums- und lasten- freier Erwerb) decken. Es ist jedoch logisch nicht ausgeschlossen, dass jemand hinsichtlich des Ei- gentums gutgläubig ist, nicht aber hinsichtlich der Rechte Dritter an diesem, was die doppelte Prü- fung (streng genommen) erforderlich macht.
Man muss sich zunächst die Regelungssystematik des § 936 I 1 BGB klarmachen: § 936 I 1 BGB -> §§ 929 S. 1, 931, 932 I 1, 934 Alt. 1 BGB

70
Q

Warum ist es so wichtig, ob ein Durchgangs- oder Direkterwerb stattfindet?

A

Der Grund liegt darin, dass das Eigentum bei einem Durchgangserwerb mit den Rechten Dritten (z.B. und insbesondere mit Pfandrechten) belastet werden kann. Beim Erstarken des Anwart- schaftsrechts zum Vollrecht „Eigentum“ soll daher kein Durchgangserwerb stattfinden (vgl. Vie- weg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 53).
Aber: Zu beachten ist, dass ggf. auch Rechte Dritter am Anwartschaftsrecht selbst bestehen kön- nen. So können an dem Anwartschaftsrecht selbst auch Pfandrechte bestehen, z.B. das (wichtige) Vermieterpfandrecht gemäß § 562 BGB. Das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht verwandelt sich nach Bedingungseintritt dann analog § 1287 BGB in ein Pfandrecht am Eigentum (vgl. nur Vie- weg/Werner, 6. Auflage, § 11 Rn. 59).
Das schließt aber nicht aus, dass der Eigentümer nach Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht Eigentum doch noch lastenfreies Eigentum erwirbt.
Zu denken ist in einem nächsten Schritt nämlich an einen gutgläubigen Wegerwerb des Pfand- rechts (am Eigentum) nach § 936 BGB (sehr wichtige Vorschrift, dazu noch ein Exkurs am Ende!), was voraussetzt, dass der Erwerber im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs (= Zeitpunkt des Bedin- gungseintritts) hinsichtlich des Bestehens der Rechte Dritter gutgläubig gewesen ist.

Es handelt sich um eine komplexe Materie, die Sie in Gänze erst verstehen werden, wenn Sie mit den Grundlagen des Sachenrechts insgesamt vertraut sind.
Am Anfang Ihrer Vorbereitung reicht es aus, wenn Sie sich folgende Punkte vergegenwärtigen:
- Das Vollrecht Eigentum entsteht direkt in der Person desjenigen, der im Zeitpunkt des Bedin- gungseintritts Inhaber des Anwartschaftsrechts ist. Ein Durchgangserwerb findet (bezogen auf das Eigentum!!!) nicht statt (Stichwort: kein (!) Durchgangserwerb).
- Das Anwartschaftsrecht selbst wird analog §§ 929 ff. BGB übertragen. Es kann als „wesensglei- ches Minus“ oder als „Vorstufe zum Vollrecht (=Eigentum)“ in der Übereignungsektte ohne weite- res selbst mit Rechten Dritter belastet werden, die dann analog § 1287 BGB am Eigentum fortbe- stehen.
- In Betracht kommt ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb (des Eigentums, des Anwartschafts- rechts) nach § 936 BGB.

71
Q

Wichtig ist schließlich auch die Vorschrift des § 936 III BGB, gerade in Bezug auf das Anwart- schaftsrecht.
Bsp.: K erwirbt unter Eigentumsvorbehalt eine Sache von V. V veräußert die Sache unter Abtre- tung seines (latent bestehenden) Herausgabeanspruchs (§ 449 II, 346 I BGB) (= Übereignung nach § 931 BGB) an den hinsichtlich des Eigentums als auch der Lastenfreiheit gutgläubigen E.

A

Das Anwartschaftsrecht erlischt trotz der „doppelten“ Gutgläubigkeit und des Vorliegens der Vo- raussetzungen des § 936 I 1 BGB nicht. Das ergibt sich aus § 936 III BGB. Dasselbe gilt übrigens auch, wenn die Übereignung nach § 930 BGB erfolgt wäre, unter Abschluss eines (neuen, zusätzli- chen) Besitzmittlungsverhältnisses zwischen V und E, denn nach § 936 I 3 BGB hätte E unmittelba- ren Besitz erwerben müssen oder zumindest hätte V jegliche Besitzposition aufgeben müssen, da für § 936 I 3 BGB eine Übergabe zu fordern ist (vgl. MüKo/Oechsler, § 936 Rn. 16). Eine solche Übergabe liegt jedoch gerade nicht vor, denn V mittelt den Besitz im Falle einer Übereignung nach § 930 BGB ja gerade für E, d.h. V bleibt (hier) selbst noch mittelbarer (Fremd-)Besitzer (1. Grades). E wird dadurch zum mittelbaren (Eigen-)Besitzer (2. Grades).
Es handelt sich bei § 936 BGB um eine sehr wichtige Vorschrift. Der hier dargestellte (nicht ab- schießende oder vollständige) Exkurs ist in seinen Einzelheiten vor allem wieder für Ihre weitere Examensvorbereitung relevant.
Bei der Lösungsskizze handelt es sich um einen Lösungsvorschlag; sie beansprucht nicht, all- umfassend oder einzig zutreffend zu sein.

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Q

b. Erwerb eines AWR des K von H nach §§ 929 S. 1, 158 I, 932 BGB
K könnte das Anwartschaftsrecht von H nach §§ 929 S.1, 158 I, 932 BGB analog gutgläubig erwor- ben haben.

A

Nach h.M. ist auch der gutgläubige Ersterwerb eines Anwartschaftsrechts vom Nichtberechtigten möglich, da das Anwartschaftsrecht ein wesensgleiches Minus zum Eigentum darstellt, auf das die Vorschriften über den Eigentumserwerb an beweglichen Sachen (entsprechende) Anwendung fin- den (vgl. hierzu insb. BGH NJW 1953, 1099).
(1) Voraussetzungen des Grundtatbestandes
Wie oben geprüft, liegen die Voraussetzungen des Grundtatbestandes nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB vor.
Ferner besteht der Kaufvertrag zwischen H und K, sodass die im Rahmen der dinglichen Einigung vereinbarte Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung noch eintreten kann, jedenfalls im hier relevanten Zeitpunkt (= 23.08.) der Begründung des Anwartschaftsrechts (= Prüfungspunkt: Mög- lichkeit des Bedingungseintritts).

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Q

Hinweis: Beim Zweiterwerb eines Anwartschaftsrechts ist bezüglich der Möglichkeit des Bedin- gungseintritts auf das schuldrechtliche Verhältnis zwischen Verkäufer (hier H) und Ersterwerber (hier K) abzustellen.

A

Der Kaufvertrag H-K ist dabei deshalb für den Bedingungseintritt (bzw. die Möglichkeit des Be- dingungseintritts = vollständige Kaufpreiszahlung) entscheidend, da H und K in diesem Vertrag die vollständige Erfüllung der Kaufpreisforderung (des Kaufvertrags H-K) im Rahmen der dingli- chen Einigung (mindestens konkludent) zur Bedingung des vollständigen Eigentumsübergangs und damit auch zur Bedingung für das Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Eigentum gemacht haben.
Grundsätzlich bestimmen also die Parteien darüber, welche Bedingung erfüllt sein muss, damit das Eigentum vollständig übergeht bzw. das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht Eigentum erstarkt. Dieses Anwartschaftsrecht (mit der von H und K definierten Bedingung für das Erstarken zum Vollrecht Eigentum) kann dann im Rahmen eines Zweiterwerbs übertragen werden.
Dabei muss man sich klarmachen, dass durch die Übertragung des Anwartschaftsrechts (von K auf N) die N dabei nicht ohne weiteres durch Schuldbeitritt Partei des Kaufvertrags (H-K) wird oder diesen von K auch nicht im Wege einer Schuldübernahme übernimmt.
Das wäre nur dann der Fall, wenn die Parteien (H, K, N) entsprechendes vereinbaren würden, wofür es eindeutiger Anhaltspunkte im Sachverhalt bedarf, die hier nicht vorliegen.
Anmerkung: Entstehung und Untergang des Anwartschaftsrechts hängen von dem ihm zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ab. Es besteht zwar keine (strenge) Akzessorietät wie beispielsweise zwischen Hypothek und Forderung (vgl. § 1153 BGB), allerdings stehen Anwartschaft und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis auch nicht beziehungslos nebeneinander. Das zeigt sich mit- unter daran, dass die Übertragung eines Anwartschaftsrechts voraussetzt, dass überhaupt eine Bedingung besteht, deren Eintritt herbeigeführt werden kann (MükO-BGB/Oechsler. § 929 Rn. 19). Besteht die Möglichkeit zur Herbeiführung der Bedingung von Anfang an nicht (z.B. wegen §§ 134, 138, 142 I BGB) bzw. fällt sie später weg (z.B. wegen § 275 BGB oder § 346 I, Rücktritt) entsteht das Anwartschaftsrecht nicht oder geht unter (MüKo-BGB/Oechsler, § 929 Rn. 19).
Erlischt der Anspruch hingegen durch Erfüllung (§ 362 I BGB), erstarkt das Anwartschaftsrecht in der Person des Inhabers zum Vollrecht, wobei kein Durchgangserwerb stattfindet.

74
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Bedingungseintritt noch möglich
Allerdings müsste der Bedingungseintritt noch möglich sein. Zweifel hieran bestehen vorliegend deshalb, weil H am 02.09.2014 gegenüber K den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat. Der Beingungseintritt wäre bei wirksamem Rücktritt des H vom Kaufvertrag mit K (§§ 346 I, 323 I BGB) nicht mehr möglich, da beide Parteien von ihren Leistungspflichten befreit würden.

A

Das Anwart- schaftsrecht würde in diesem Fall untergehen, unabhängig davon, dass K selbst nicht mehr Inha- ber des Anwartschaftsrechts war.
Zu prüfen ist also, ob H wirksam vom Kaufvertrag mit K zurücktreten konnte. Für einen wirksa- men Rücktritt vom Kaufvertrag bedürfte es einer Rücktrittserklärung sowie eines Rücktrittsgrun- des.
(a) Rücktrittserklärung, § 349 BGB
H hat nach § 349 BGB gegenüber K den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
(b) Rücktrittsgrund, § 323 I BGB
Fraglich ist, ob zugunsten des H auch ein Rücktrittsgrund bestand.
Zwischen H und K besteht mit dem Kaufvertrag ein gegenseitiger Vertrag i.S.d. § 320 BGB; die jeweiligen Leistungen der Parteien stehen im Synallagma.
(aa) Nichterbringung einer fälligen Leistung
K müsste seine im Vertrag vereinbarte fällige Leistung nicht erbracht haben.
K hatte nur die erste Rate des Kaufpreises bezahlt, mit der zweiten ist er (bzw. der N) in Zah- lungsverzug geraten. Er hat somit eine fällige Leistung i.S.d. § 323 I BGB nicht erbracht.
(bb) Fristsetzung
H müsste dem K jedoch auch eine Frist gesetzt haben. An einer solchen Fristsetzung durch H fehlt es vorliegend.
(cc) Entbehrlichkeit der Frist, § 323 II BGB
Fraglich ist, ob die Fristsetzung hier entbehrlich sein könnte gemäß § 323 II BGB. Allerdings kommt keiner der dort aufgezählten Entbehrlichkeitsgründe vorliegend in Betracht.
Insbesondere greift vorliegend auch nicht § 323 II Nr. 2 BGB. Das Vorliegen eines sog. relativen Fixgeschäfts setzt nicht nur eine Termin- oder Fristbestimmung voraus, sondern verlangt zusätz- lich, dass der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitig- keit der Leistung gebunden hat (vgl. z.B. Bamberger/Roth, § 323 Rn. 23). Mit der zeitgerechten Leistung soll das Geschäft stehen und fallen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 323 Rn. 20).

Ob ein relatives Fixgeschäft vereinbart wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln. Da es sich bei § 323 II Nr. 2 BGB um eine Ausnahme von der Regel der Fristsetzung in § 323 I BGB handelt, ist da- bei Zurückhaltung geboten. I.v.F. gibt es keine Anhaltspunkte für die Vereinbarung eines sog. rela- tiven Fixgeschäfts; es lag vielmehr nur eine einfache Terminbestimmung vor.
Die Fristsetzung war daher nicht entbehrlich.

Hinweis: Vom einfachen bzw. sog. relativen Fixgeschäft ist das absolute Fixgeschäft zu unter- scheiden. Beim absoluten Fixgeschäft begründet die Nichteinhaltung der Leistungszeit dauernde Unmöglichkeit.
Ein absolutes Fixgeschäft liegt vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Zweck des Vertrag derart wesentlich ist, dass eine verspätete Leistungszeit keine Erfüllung mehr darstellt; nicht § 323 BGB, sondern §§ 275 ff. BGB und § 326 I BGB sind anwendbar, vgl. Palandt/Grüneberg, § 323 Rn. 19).
Bsp. für ein absolutes Fixgeschäft: Eine Hochzeitstorte, die nicht zum Hochzeitstag geliefert wird.
(c) Zwischenergebnis
Mangels Fristsetzung und da eine solche vorliegend auch nicht entbehrlich war, konnte H nicht wirksam vom Kaufvertrag mit K zurücktreten.

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III. Recht zum Besitz des N, § 986 I 1 BGB
Fraglich ist, ob N gegenüber E ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB zusteht.
Aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse folgt ein solches (schuldrechtliches) Recht zum Besitz des N gegenüber E nicht aus dem Kaufvertrag zwischen N und K.
Ein (dingliches) Recht zum Besitz zugunsten des N könnte sich jedoch aus dem Anwartschafts- recht ergeben.
Wie oben geprüft, hat N im Wege des Zweiterwerbs von K ein Anwartschaftsrecht am Fernseher erworben.
Ob das Anwartschaftsrecht seinem Inhaber gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB vermittelt, ist umstritten.

A
  1. Ansicht der Rspr. und teilw. Lit.
    Der Rechtsprechung sowie Teilen der Literatur zufolge handelt es sich beim Anwartschaftsrecht nicht um ein Recht zum Besitz (vgl. z.B. Staudinger, § 986 BGB Rn. 13 m.w.N.).
    Der Verkäufer, welcher einen Eigentumsvorbehalt vereinbart, will sich gerade sein Eigentum und die damit verbundenen Rechte erhalten. Lässt man das Anwartschaftsrecht als Recht zum Besitz genügen, wird hierdurch der Eigentumsvorbehalt entwertet.
    Ebenso würde ein Vindikationsanspruch des Eigentümers selbst dann scheitern, wenn der Veräu- ßerer nicht zur Weitergabe der Sache berechtigt war. Dies würde ein unbilliges Ergebnis darstel- len.
    Der Anwartschaftsrechtsinhaber kann sich dem Vindikationsanspruch des Eigentümers entziehen, indem er den restlichen Kaufpreis zahlt. Es greift dann oftmals auch die „dolo-agit-Einrede“. Zahlt er den Restkaufpreis nicht, muss er die Sache bis zum Bedingungseintritt an den Eigentümer her- ausgeben.
  2. Ansicht der Literatur
    In der Literatur wird vertreten, dass das Anwartschaftsrecht ein (dingliches) Recht zum Besitz (auch) gegenüber dem Eigentümer gewähre.
    Das Anwartschaftsrecht sei ein wesensgleiches Minus zum Eigentum (soweit auch der BGH). Das Eigentum berechtige zum Besitz. Für das Anwartschaftsrecht müsse dies ebenfalls gelten.
    Wenn der Anwartschaftsrechtsinhaber die Sache herausgeben müsste, würde der gutgläubige Er- werb des Anwartschaftsrechts entwertet. Lässt man diesen aber zu (was die h.M. tut), wäre es wi- dersprüchlich, das Anwartschaftsrecht nicht als Recht zum Besitz gelten zu lassen.
    Zudem hat der Eigentümer den gutgläubigen Erwerb des Anwartschaftsrechts durch die freiwilli- ge Weggabe der Sache erst ermöglicht.
    Außerdem gestehe das Gesetz auch sonst dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Nutzungs- und Verwertungsrecht die Befugnisse des Eigentümers „entsprechend“ zu (z.B. § 1227 BGB), es sei daher nicht ersichtlich, warum dies hier anders sein sollte.
    Es bestehe zudem oft ein praktisches Bedürfnis des Anwartschaftsrechtsinhabers, die Sache zu behalten, da er diese häufig für seine Arbeit brauche und damit das Geld erwirtschaften kann, um den restlichen Kaufpreis zu bezahlen (Bsp.: Eigentumsvorbehalt an Baumaschinen).

Anhang: Zum besseren Verständnis hier die Ausführungen von Baldus aus dem Münchener Kommentar, § 986 BGB Rn. 11 f.: „Str. ist, ob auch das Anwartschaftsrecht des Erwerbers unter Eigentumsvorbehalt ein dingliches Besitzrecht gewährt. Darauf kommt es freilich nicht schon ge- genüber dem Veräußerer an: Im Verhältnis zu ihm besteht ohnehin das (obligatorische) Besitz- recht, das aus dem der Veräußerung zugrunde liegenden Kausalgeschäft (Kauf) folgt. Dieses Be- sitzrecht genügt nach § 986 Abs. 2 auch gegenüber einem Dritten, der das Eigentum nach § 931 erworben hat.
In diesen Fällen ist es folglich problematisch, wenn das Recht zum Besitz nicht im Gesetz (§ 986), sondern in einem dogmatischen Konstrukt gesucht wird. Generell sprechen die besseren Gründe gegen die Herleitung eines Rechts zum Besitz aus dem Anwartschaftsrecht.
Die Frage nach einem dinglichen Besitzrecht aus dem Anwartschaftsrecht wird erheblich, wenn derjenige, der vom Nichtberechtigten gutgläubig ein Anwartschaftsrecht erworben hat, seinen Besitz gegen den dritten Eigentümer verteidigen will. Hier hat der BGH mit § 242 (dolo facit . . ., vgl. § 242 RdNr. 373 ff.) helfen wollen, also aus dem künftigen Eigentum des Anwartschaftsberech- tigten. Der Rückgriff auf § 242 ist im Anwendungsbereich des § 985 aber grundsätzlich angreifbar (Vor § 985 RdNr. 24 bis 28), und jedenfalls versagte dieser Schutz dann, wenn der Eigentumser- werb noch nicht nahe bevorsteht. Für einen solchen Fall erkennt eine Stimme aus der älteren Rechtsprechung das Anwartschaftsrecht selbst als Besitzrecht an. Die Meinungen in der Literatur
Klausurtipp: Man hat hier mit entsprechender Argumentation freie Wahl und sollte die klausur- taktisch beste Entscheidung wählen.
14
Universität Mannheim Seite 15
sind geteilt (wobei oft übersehen wird, dass das genannte BGH-Urteil über ein Besitzrecht aus dem Anwartschaftsrecht nicht zu entscheiden brauchte). Ein Besitzrecht aus dem Anwartschaftsrecht ist wohl jedenfalls unnötig: Das Anwartschaftsrecht soll den Eigentumserwerb sichern. Dieser kann sich aber bei Bedingungseintritt auch dann noch vollenden, wenn der Anwärter keinen Besitz mehr hat. Daher besteht keine Notwendigkeit, das Eigentum eines Dritten schon vor dem Bedin- gungseintritt hinter das Anwartschaftsrecht zurücktreten zu lassen. Wenn der Eigentumserwerb des Dritten sicher ist und nahe bevorsteht, mag freilich der Arglisteinwand (dolo petit) helfen. Da- gegen gibt es insbesondere bei Unsicherheit baldigen Eigentumserwerbs durch den Dritten (so kann fraglich sein, ob der Restkaufpreis gezahlt wird) jedenfalls keinen ausreichenden Grund, das gegenwärtige Besitzinteresse des Eigentümers gänzlich zu missachten. Im Übrigen ist nicht einzu- sehen, warum es dem Vindikanten schaden soll, wenn der ursprüngliche Besitzer die Sache ab- redewidrig weitergegeben hat.“
Bei der Lösungsskizze handelt es sich um einen Lösungsvorschlag; sie beansprucht nicht, allum- fassend oder einzig zutreffend zu sein.

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a) Einfacher Eigentumsvorbehalt

A

Der Vorbehaltskäufer behält die Sache in seinem Besitz und erwirbt das Eigentum mit der Bezahlung der letzten Kauf- preisrate. Hauptanwendungsfall ist der Vorbehaltsverkauf an den Endverbraucher. In der Praxis wird der Eigentumsvorbehalt üblicherweise formularmäßig vereinbart. Eine einfache Vor- behaltsklausel in den AGB des Verkäufers begegnet auch dann keinen Bedenken im Hinblick auf § 307 BGB, wenn der Käufer V erbraucher ist.5

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b) V erlängerter Eigentumsvorbehalt

A

Die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts liegt nahe, wenn der Vorbehaltskäufer selbst Gewerbetreibender ist und die Sache erworben hat, um sie – ggf. nach einer Weiter- verarbeitung – an seine Kunden weiterzuveräußern. Der Vor- behaltsverkäufer muss in derartigen Fällen befürchten, dass er sein Eigentum gem. § 950 BGB an den Vorbehaltskäufer oder nach §§ 932 ff. BGB, 366 Abs. 1 HGB an dessen gut- gläubige Abnehmer verliert. Es liegt allerdings nicht im Inte- resse des Vorbehaltsverkäufers, dem Vorbehaltskäufer den Weiterverkauf und die Verarbeitung der Sache zu verbieten. Der Vorbehaltskäufer muss ja mit der Sache wirtschaften kön- nen, um sich die Mittel zur Begleichung des Kaufpreises zu beschaffen. Die Lösung suchen die Parteien in der Verlänge- rung – die Rede ist auch von einer vertikalen Erweiterung6 – des Eigentumsvorbehalts: Der Vorbehaltsverkäufer ermäch- tigt gem. § 185 Abs. 1 BGB den Vorbehaltskäufer zur Wei- terveräußerung der Sache, lässt sich aber die aus dem Wei- terverkauf resultierenden Forderungen des Vorbehaltskäufers gegen seine Abnehmer im Voraus abtreten und sichert sich somit den Zugriff auf das Surrogat aus der Weiterveräuße- rung.7 Zugleich ermächtigt der Vorbehaltsverkäufer den Vor- behaltskäufer nach § 185 Abs. 1 BGB zur Einziehung der im Voraus abgetretenen Forderungen, damit dieser die Abtretung gegenüber seinen Abnehmern nicht offenlegen muss. Der Vorbehaltskäufer darf die Vorbehaltsware nur im ordnungs- gemäßen Geschäftsbetrieb weiterveräußern; ein Weiterver- kauf unter dem Einstandspreis ist z.B. von der Ermächtigung
nicht gedeckt.8 Darüber hinaus gilt die Ermächtigung zur Weiterveräußerung nicht in dem Fall, dass der Vorbehalts- käufer und sein Abnehmer ein Abtretungsverbot i.S.d. § 399 Alt. 2 BGB vereinbaren.9 Gegen die Wirksamkeit von Wei- terveräußerungsklauseln und V orausabtretungsklauseln mit Einziehungsermächtigung in den AGB des Verkäufers beste- hen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn der Käufer zu dem in § 310 Abs. 1 S. 1 BGB bezeichneten Personenkreis gehört, also ein Unternehmer, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sonder- vermögen ist.10

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c) Der erweiterte Eigentumsvorbehalt

A

davon abhängig macht, dass die Forderungen Dritter erfüllt werden; soweit der Vorbehalt dagegen die Forderungen des Lieferanten betrifft, ist er wirksam.14 Der Zweck des mit der Insolvenzrechtsreform am 1.1.1999 in Kraft getretenen § 449 Abs. 3 BGB besteht zum einen darin, den Käufer vor einer unangemessenen Beschränkung seiner wirtschaftlichen Be- wegungsfreiheit zu schützen,15 zum anderen darin, im Falle einer Insolvenz des Käufers eine Schmälerung der Masse durch Absonderungsrechte zu verhindern.16 Von diesem Zweck her liegt eine analoge Anwendung des § 449 Abs. 3 BGB auf den so genannten umgekehrten Konzernvorbehalt nahe, bei dem der Eigentumserwerb durch den Käufer davon abhängt, dass die mit dem Käufer verbundenen Unternehmen ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Lieferanten erfüllen.17 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist jedenfalls die formularmäßige Vereinbarung eines umgekehrten Konzern- vorbehalts.18

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Nach § 985 BGB herausverlangen kann der Vorbehaltsver- käufer die Sache aber, nachdem er das Besitzrecht des Käufers durch einen Rücktritt vom Kaufvertrag beseitigt hat. Hierzu benötigt der Verkäufer einen Rücktrittsgrund nach den all- gemeinen Vorschriften der §§ 323 f. BGB.

A

Da der Fristsetzung aber eine wesentliche Warnfunktion für den Vorbehaltskäufer zukommt, verstößt ein
formularmäßiger Verzicht auf die Fristsetzung auch im un- ternehmerischen Geschäftsverkehr gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB und ist daher unwirksam.34 Ein Rücktrittsrecht des Vorbehaltsverkäufers kann sich auch aus § 324 BGB erge- ben, etwa in dem Fall, dass der Käufer mit der Sache nicht sorgfältig umgeht oder sie pflichtwidrig weiterveräußert. Die Verjährung des Kaufpreisanspruchs hindert den Verkäufer nicht daran, vom Vertrag zurückzutreten und die Vorbehaltsware herauszuverlangen. Dies bestimmt § 216 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich, der für den Eigentumsvorbehalt eine Ausnahme zu der in § 218 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen allgemeinen Regelung macht,35 auf die in § 218 Abs. 1 S. 3 BGB hinge- wiesen ist.

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Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 wurde die in § 449 Abs. 2 BGB enthaltene Regelung ins BGB eingefügt, der zufolge der Verkäufer die Sache auf Grund des Eigentumsvorbehalts nur herausverlangen kann, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist. Die Kodifizierung des – von der h.M.36 i.Ü. schon vor Inkrafttreten des § 449 Abs. 2 BGB am 1.1.2002 vertretenen – Grundsatzes „Keine Rücknahme ohne Rücktritt“ stellt klar, dass der Vorbehaltsverkäufer bei pflichtwidrigem Verhalten des Käufers nicht berechtigt ist, die Sache unter Berufung auf sein Vorbehaltseigentum vorü- bergehend zurückzunehmen, um Druck auf den Käufer aus- zuüben und ihn zur Zahlung zu bewegen. Solange der Vorbe- haltsverkäufer vom Vertrag nicht zurücktritt, muss er dem Käufer die Sache also belassen. Dadurch wird verhindert, dass der Käufer den Besitz der Sache verliert, aber weiterhin zur Zahlung verpflichtet bleibt.37 Ist der Vorbehaltsverkäufer zurückgetreten, dann kann er die Sache nach § 985 BGB und nach § 346 Abs. 1 BGB herausverlangen. Ferner ist ihm der Vorbehaltskäufer nach § 346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet. Auf der anderen Seite muss der Vorbehaltskäufer keine Raten mehr bezahlen und erhält die geleisteten Anzahlungen nach§ 346 Abs. 1 BGB zurück.38 Der Nutzungsersatzanspruch des V erkäufers kann mit dem Rückzahlungsanspruch des Käufers verrechnet wer- den. § 449 Abs. 2 BGB ist dispositives Recht, von dem durch Individualvereinbarung abgewichen werden kann. Eine for- mularmäßige Abbedingung der Bestimmung dürfte allerdings auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen. Da der Gesetzgeber durch die

A

Festschreibung des Grundsatzes „Keine Rücknahme ohne Rücktritt“ einem wesentlichen Schutzbedürfnis des Käufers Rechnung tragen wollte,39 spricht viel dafür, dass er diesen Grundsatz als wesentlichen Grundgedanken einer gesetzli- chen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB angesehen hat.40

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  1. Abwehr- und Schadensersatzansprüche
    Der Anwärter hat Besitzschutzansprüche aus §§ 858 ff., 1007 BGB72 und kann neben dem Eigentümer die Ansprüche aus §§ 985, 1004 BGB geltend machen
A

Darüber hinaus ist an- erkannt, dass die Anwartschaft ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist.74 Einigkeit besteht darüber, dass An- sprüche auf Ersatz des Nutzungsschadens, die z.B. aus einer Besitzentziehung oder Beschädigung der Sache resultieren können, allein dem V orbehaltskäufer gebühren.75 Unsicher- heit herrscht dagegen im Hinblick auf die rechtliche Behand- lung des Substanzschadens. Insoweit gilt es zu berücksichti- gen, dass der Käufer bereits einen – von der Höhe der geleis- teten Anzahlung abhängigen – wirtschaftlichen Wert geschaf- fen hat und dass er wegen § 446 S. 1 BGB zur Bezahlung des Restkaufpreises verpflichtet bleibt. Auf der anderen Seite muss auf das Sicherungsinteresse des Verkäufers Rücksicht genommen werden. Dieser Interessenlage wird am ehesten die Auffassung76 gerecht, die für eine entsprechende Anwen- dung des § 432 BGB plädiert.77 Demnach können Käufer und Verkäufer nur Leistung an beide gemeinsam fordern. Leistet der Schädiger in Unkenntnis des Vorbehaltseigentums an den Anwärter, der die Sache in seinem Besitz hatte, dann wird er nach Maßgabe des § 851 BGB von seiner Verpflichtung frei.

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A. Anspruch F-AG gegen LV-AG auf Herausgabe der Limousine aus §§ 546 II BGB
Ein Herausgabeanspruch der F-AG gegen die LV-AG kann sich aus § 546 II BGB ergeben. § 546 II BGB setzt voraus, dass der Mieter den Gebrauch der Sache einem Dritten überlassen hat.

A

Zwischen H und der F-AG besteht ein Mietvertrag, der durch die Kündigung vom 03. September auch beendet wurde.
Die LV-AG ist im Verhältnis zur F-AG unproblematisch Dritte. Fraglich ist jedoch weiter, ob im Verhältnis zwischen H und der LV-AG eine Gebrauchsüberlassung vorliegt (vgl. zur Gebrauchs- überlassung Staudinger/Rolfs, § 546 Rn. 67 f.; Müko/Bieber, § 546 Rn. 22). Eine Gebrauchsüberlas- sung kann hier mit dem Argument verneint werden, dass H der LV-AG die Sache nicht (allein) zum Gebrauch überlassen hat, sondern zwecks Übergabe bzw. zur Erfüllung des zwischen beiden Parteien bestehenden Kaufvertrags.
Mangels (primärer) Gebrauchsüberlassung scheidet ein Anspruch aus § 546 II BGB damit aus.

Eine andere Auffassung ist aber wohl vertretbar.
Fraglich bliebe bei gegenteiliger Auffassung jedenfalls die Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Dem Anspruch kann möglicherweise die „dolo-agit“-Einrede aus § 242 BGB entgegenstehen; das wäre der Fall, wenn die LV-AG ihrerseits Herausgabeansprüche gegen die F-AG hätte. Ein solcher An- spruch kann sich aus § 985 BGB ergeben. Die nachfolgende Prüfung wäre dann streng genommen schon an dieser Stelle (inzident im Rahmen des Anspruchs aus § 546 II BGB) vorzunehmen.

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Q

Hinweis: Der Besitz der Organe (z.B. Vorstand (AG), Geschäftsführer (GmbH) einer juristischen Person wird dieser unmittelbar zugerechnet. Die juristische Person erwirbt selbst Besitz, den sie durch ihre Organe ausübt (sog. Organbesitz).

A

Die Organe sind dabei weder Besitzdiener noch Besitzmittler. Das Vorliegen von Organbesitz ist an zwei Voraussetzungen geknüpft:

1) Wille des Organs für die Gesellschaft zu besitzen
2) Ausübung der Sachherrschaft im Organisationsbereich der Gesellschaft

Mitarbeiter unterhalb der Organebene sind entsprechend § 855 BGB regelmäßig als Besitzdiener der juristischen Person anzusehen.
Bei Personengesellschaften ist die Besitzlage ähnlich:
- rechtsfähige Personengesellschaften (z.B. OHG, KG, Außen-GbR): Organbesitz der geschäftsfüh- renden Gesellschafter; für die übrigen Gesellschafter gilt im Einzelfall (Weisungsabhängigkeit) § 855 BGB.
- nicht rechtsfähige Personengesellschaften: Die Mitglieder sind selbst als Besitzer anzusehen (Mit- besitz).
- Ähnliches gilt auch für andere Gesamthandsgemeinschaften (z.B. Erbengemeinschaft): Miterben werden mit dem Erbfall Mitbesitzer der Gegenstände des Nachlasses.
(vgl. zum Ganzen: MüKo/Joost, § 854 Rn. 17 ff.)
Im vorliegenden Fall müssen Sie nicht zwingend auf die genauen Besitzverhältnisse eingehen, da keine konkreten Personen genannt sind. Möglich erscheint jedoch ein kurzer Hinweis darauf, dass der juristischen Person der Besitz ihrer Organe (Organbesitz) oder ihrer Mitarbeiter (Besitzdiener, § 855 BGB) zugerechnet wird.

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(a) Besitzerlangung der F-AG in Form von mittelbarem Besitz
Fraglich ist, ob die F-AG mittelbaren Besitz an der Limousine erlangt hat.
In Betracht kommt eine mittelbare Besitzerlangung der F-AG aufgrund eines mit H vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses in Form des geschlossenen Mietvertrages,

A

§ 535 BGB. Zudem müss- ten die weiteren Voraussetzungen des § 868 BGB vorliegen. Da H allerdings von vornherein ge- plant hatte, die Limousine an die LV-AG zu veräußern, fehlt es für § 868 BGB jedenfalls am Besitzmittlungswillen (Fremdbesitzerwillen) des H für die F-AG. H hatte vielmehr von Anfang an nur Eigenbesitzerwillen (vgl. § 872 BGB).
Die F-AG hat daher auch keinen mittelbaren Besitz an der Limousine erlangt.
(b) Besitzerlangung der F-AG durch Geheißbefolgung
Möglicherweise hat die F-AG jedoch Besitz durch Geheißbefolgung erlangt. Indem die BMW-AG der Anweisung der F-AG Folge leistete, die Limousine statt an die F-AG direkt an H auszuliefern, ist sie dem Geheiß der F-AG gefolgt.

Dass die Lieferung dann wiederum – auf Wunsch des H – direkt an die LV-AG erfolgte, ist inso- weit unschädlich (sog. Streckengeschäft); die „Durchlieferung“ ändert nichts an der Tatsache, dass die BMW-AG sich zunächst dem Geheiß der F-AG unterworfen hat. H war Geheißperson auf Erwerberseite für die F-AG. Die F-AG hatte sog. Besitzverschaffungsmacht.

Diese Art der Besitzerlangung ist nach h.M. für die Übergabe i.R.d. § 929 S. 1 BGB ausreichend (vgl. Vieweg, Sachenrecht, § 4 Rn. 31).

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Q

Der Geheiß kann unmittelbar vom ersten, jedem weiteren oder dem letzten Zwischener- werber gegenüber dem unmittelbaren Besitzer der zu übereignenden Sache erklärt werden.
Bsp. einer Veräußerungskette: X – G – H – K

A

G und H können unmittelbar X anweisen, den (unmittelbaren) Besitz an den nächsten in der Kette (H) bzw. an den Letztkäufer (K) zu übertragen.
Alternativ kann der Geheiß auch von jedem Erwerber in der Kette unmittelbar gegenüber dem vorherigen Veräußerer in der Kette erklärt werden, in diesem Fall entsteht eine Kette von Ausliefe- rungsanweisungen.
Bsp.: G kann unmittelbar X anweisen an H bzw. K zu liefern; H kann unmittelbar G anweisen an K zu liefern. Es entsteht dann eine Kette von Auslieferungsanweisungen.
Der jeweilige Erwerber, der die Sache weiterveräußern will (G und H) muss von „seinem“ Veräu- ßerer zur Weiterveräußerung ermächtigt sein (sog. Weiterleitungsbefugnis), sich selbst mit der Form der Besitzübertragung (durch Geheiß) einverstanden erklären und den Letzterwerber zur Inbesitznahme anweisen bzw. anweisen lassen.
(vgl. Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 4 Rn. 32)

Hinweis für „Experten“: Man könnte in Erwägung ziehen, der F-AG keine Besitzverschaffungs- macht zuzuerkennen mit dem Argument, die BMW-AG beuge sich im Ergebnis nur dem (späte- ren) Geheiß des H, nicht aber dem Geheiß der F-AG.
Dem ist aber m.E. nicht so, d.h. die BMW-AG ordnet sich auch dem Geheiß der F-AG unter und weist daher diese wegen der bestehenden Besitzverschaffungsmacht als „Herrin der Sache“ aus. Dies kann man damit begründen, dass der nachfolgende Geheiß des H den Geheiß der F-AG le- diglich konkretisiert (Auslieferung statt an H direkt an LV-AG) und neben diesen tritt. Das ist bei Veräußerungsketten typisch.
Dafür spricht im konkreten Fall auch der Umstand, dass die F-AG wusste, dass H die Sache wei- tergeben würde (vgl. Sachverhalt). Dass H die Limo absprachewidrig veräußerte statt zu vermie- ten, ist eine davon zu trennende Frage (vgl. nachfolgendes Problem „Scheingeheißperson“).

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Q

Exkurs 1: Geheißerwerb
Der Geheißerwerb bezeichnet einen besonderen Fall des Eigentumserwerbs nach § 929 S. 1 BGB, bei dem ein Dritter in den Übereignungsvorgang eingeschaltet wird, der zunächst noch in gar keiner besitzrechtlichen Beziehung zum Veräußerer oder Erwerber steht, also weder Besitzmittler noch Besitzdiener ist (vgl. Hütte/Helbron, SachenR, Rn. 392).

A

Ist der Dritte bereit, dem Geheiß zu folgen, weist dies denjenigen, auf dessen Geheiß gehandelt wird, ebenso als „Herrn der Sache“ aus, als wenn er selbst Besitzer wäre (vgl. Vieweg/Werner, SachenR, Rn. 31).
Geheißpersonen können sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite oder auf beiden Seiten eingeschaltet sein:
Geheißperson auf Veräußererseite ist der unmittelbare Besitzer der zu übereignenden Sache, die er auf Weisung des Veräußerers zu übergeben hat, wobei er weder Besitzdiener noch Besitzmittler des Veräußerers ist.
Geheißperson auf Erwerberseite ist eine Person, auf die auf Weisung des Veräußerers der Besitz übertragen wird (i.v.F. also H für die F-AG), wobei diese Person weder Besitzdiener noch Besitz- mittler des Veräußerers ist.
(vgl. zum Ganzen Vieweg, SachenR, § 4 Rn. 31)
Beispiel: Der Anweisende (Veräußerer) übereignet an den Anweisungsempfänger (Erwerber) eine Sache, die er selbst nicht besitzt, sondern beim Angewiesenen (Lieferanten) ordert und von diesem an die Adresse des Erwerbers befördern lässt. Im Rahmen der Verfügung des Veräußerers gegen- über dem Erwerber agiert der Lieferant als Geheißperson des Veräußerers; denn er verschafft dem Erwerber den nach § 929 S. 1 erforderlichen Besitz an der Sache (MünchKomm BGB/Oechsler, § 929 BGB Rn. 67 f.). Im Rahmen der Übereignung des Lieferanten an den Veräußerer tritt hinge- gen der Erwerber als Geheißperson des Veräußerers auf, denn der Erwerber erlangt auf Weisung des Veräußerers Besitz vom Lieferanten (MünchKomm BGB/Oechsler, § 929 BGB Rn. 67 f.)
Wegen der Einschaltung zweier Geheißpersonen wird diese Konstellation sachenrechtlich auch als doppelter Geheißerwerb bezeichnet (vgl. MünchKomm BGB/ Oechsler, § 929 BGB Rn. 67 f.) (Staudinger/Wiegand, § 932 Rn. 21).

87
Q

Geheißerwerb beim Streckengeschäft
(nach Vieweg, SachenR, § 4 Rn. 32)
Im heutigen Warenverkehr kommt es regelmäßig zu Veräußerungsketten (sog. Streckengeschäf- ten): Der Hersteller liefert über verschiedene Zwischenhändler direkt an den Endabnehmer, insb. bei großen Warenmengen (z.B. Öl, Getreide u.ä.).

A

Für die Eigentumsübertragung bieten sich folgende drei Möglichkeiten an:

1) Direkterwerb des Kunden vom Hersteller (unwahrscheinlich; nur in unproblematischen Fällen, da der Hersteller i.d.R. nicht weiß, ob sein Zwischenhändler bspw. mit dem Endkunden einen Ei- gentumsvorbehalt vereinbart hat o.ä.).
2) Übereignung vom Händler auf den Kunden unter Zustimmung des Herstellers (§ 185 BGB)
3) Geheißerwerb, bei dem durch eine einzige Übergabe – vom Hersteller an den Endabnehmer – ein Eigentumserwerb jeweils zwischen allen Zwischenabnehmern untereinander vollzogen wird. Für den Geheißerwerb spricht das wirtschaftliche Interesse sowohl des Herstellers als auch des Händlers: Der Hersteller will einen mit dem Händler vereinbarten Eigentumsvorbehalt nicht

durch eine Eigentumsübertragung auf Dritte verlieren; der Händler will seinerseits Eigentum er- werben, weil er u.U. einen Eigentumsvorbehalt mit dem Kunden vereinbart hat.
Der Eigentumserwerb zwischen den einzelnen Gliedern der Veräußerungskette wird hier durch eine meist konkludent mit dem Kaufvertrag geschlossene antizipierte Einigung und die „Überga- be-Anweisung“ an den unmittelbaren Besitzer als Übergabe vollzogen.
Mit der Besitzverschaffung an den Letzterwerber oder dessen Geheißperson wird zugleich der vorübergehende Eigentumserwerb aller Beteiligten nacheinander in der Reihenfolge der Veräuße- rungskette bewirkt, d.h. das Eigentum geht von jedem Glied der Kette auf das nächste über (Durchgangserwerb).
Achtung: Wurde nur das Anwartschaftsrecht jeweils übertragen, findet kein Durchgangserwerb des Eigentums statt (sondern nur im Hinblick auf das Anwartschaftsrecht)!

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Q

(1) Jeglicher Besitzverlust auf Veräußererseite

H selbst hatte nie Besitz an dem Auto; er hatte jedoch Besitzverschaffungsm

A

Für die Übergabe an den Erwerber in § 929 S. 1 BGB ist dies ausreichend, da nämlich § 929 S. 1 BGB nach h.M. nicht voraussetzt, dass der Veräußerer jemals selbst Besitzer war (= Konstellation des „Geheißerwerbs“). Ausreichend ist, dass der Veräußerer tatsächlich in der Lage war, dem Er- werber den Besitz zu verschaffen (vgl. MünchKomm BGB/Oechsler § 932 Rn. 17).
Unerheblich ist hier ferner, dass H seine Besitzverschaffungsmacht im Grunde von der F-AG abge- leitet hat (Die BMW-AG wollte zu nächst auf Anweisung ihres Vertragspartners F-AG an H lie- fern; H bat sodann um Lieferung an die LV-AG). Entscheidend ist, dass die BMW-AG dem Geheiß des H gefolgt ist. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Besitzverschaffungsmacht (Vie- weg/Werner, § 4 Rn. 31).
Die Besitzverschaffungsmacht des H ist mit Auslieferung an die LV-AG auch untergegangen.

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Q

(1) Jeglicher Besitzverlust auf Veräußererseite

H selbst hatte nie Besitz an dem Auto; er hatte jedoch Besitzverschaffungsm

A

Für die Übergabe an den Erwerber in § 929 S. 1 BGB ist dies ausreichend, da nämlich § 929 S. 1 BGB nach h.M. nicht voraussetzt, dass der Veräußerer jemals selbst Besitzer war (= Konstellation des „Geheißerwerbs“). Ausreichend ist, dass der Veräußerer tatsächlich in der Lage war, dem Er- werber den Besitz zu verschaffen (vgl. MünchKomm BGB/Oechsler § 932 Rn. 17).
Unerheblich ist hier ferner, dass H seine Besitzverschaffungsmacht im Grunde von der F-AG abge- leitet hat (Die BMW-AG wollte zu nächst auf Anweisung ihres Vertragspartners F-AG an H lie- fern; H bat sodann um Lieferung an die LV-AG). Entscheidend ist, dass die BMW-AG dem Geheiß des H gefolgt ist. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Besitzverschaffungsmacht (Vie- weg/Werner, § 4 Rn. 31).
Die Besitzverschaffungsmacht des H ist mit Auslieferung an die LV-AG auch untergegangen.

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Q

Von der Konstellation der „Scheingeheißperson“ würden in diesem Fall höchstens die Vertreter in der Literatur (sog. modifi- zierte Unterwerfungstheorie, vgl. unten bei Prüfungspunkt Rechtsschein/Rechtsscheinsträger) ausgehen, die für eine Veranlassung bzw. für das Bestehen von Besitzverschaffungsmacht fordern, dass die Geheißperson (hier: BMW-AG) positiv wusste, sie übergibt die Sache in Vollziehung einer dinglichen Einigung (zwischen H-LV-AG).

A

Das Problem der „Scheingeheißperson“ kann an unterschiedlichen Stellen verortet werden. Re- gelmäßig tritt die hier vorliegende Konstellation beim Erwerb vom Nichtberechtigten auf. Es stellt sich dann die Frage, ob die durch Täuschung erschlichene Besitzverschaffungsmacht noch eine ausreichende Rechtsscheinsbasis für einen gutgläubigen Erwerb darstellt oder nicht (Prüfungs- punkt: Rechtsschein/Rechtsscheinsträger). Man könnte aber auch schon daran zweifeln, ob eine Übergabe „auf Veranlassung des Veräußerers“ vorliegt. Man kann nämlich argumentieren, dass die „Veranlassung“ voraussetzt, dass der Veräußerer tatsächlich Besitzverschaffungsmacht hatte. Das Merkmal der Veranlassung wird dann nicht mehr rein faktisch ausgelegt.
Man könnt hier, die Besitzverschaffungsmacht des H ablehnen, da die BMW-AG sich den Anwei- sungen des H nicht deshalb unterwirft, weil H oder die LV-AG Eigentümer werden sollte; auch die F-AG, von der H seine Besitzverschaffungsmacht im Ergebnis ableitet, sollte nicht Eigentum, sondern zunächst lediglich ein AWR an der Limousine erwerben.

91
Q

Das so aufgeworfene Problem ist aber eng verknüpft mit der Frage, ob ein gutgläubiger Geheiß- erwerb auch bei fehlender oder durch Täuschung erlangter Besitzverschaffungsmacht denkbar ist.

A

Aus diesem Grund sollte man das Problem der möglicherweise nicht bestehenden Besitzverschaf- fungsmacht (im rechtlichen Sinn) schwerpunktmäßig im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs erör- tern (Prüfungspunkt: Rechtsschein/Rechtsscheinsträger).
In der Klausur sollte man die Frage kurz an dieser Stelle („Auf Veranlassung des Veräußerers“) aufwerfen und sich unter Hinweis auf die besondere Relevanz beim gutgläubigen Erwerb zu- nächst „aus der Affäre“ ziehen, um es dann später dort zu prüfen. Damit baut man zugleich beim Korrektor die nötige „Spannung“ auf.
10
Universität Mannheim Seite 11

Aber nochmal: Auf der sicheren Seite ist man wohl, wenn man das Problem bereits an dieser Stelle anreißt! Hinsichtlich der konkreten Ausführungen kann man sich an den hier unterstrichenen Passagen orientieren, die man in der Klausur noch etwas ausbauen sollte.

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Q
  1. Eigentumserwerb der LV-AG von H gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB i.V.m. § 366 HGB
    In Betracht kommt ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB i.V.m. § 366 HGB.
A

c. Rechtsschein/Rechtsscheinsträger
Problematisch ist, dass hier H niemals eine Besitzposition innehatte, vgl. oben 3. b. (1).
Allerdings nimmt die h.M. an, dass auch das Vorliegen von Besitzverschaffungsmacht eine taugliche Grundlage für § 932 BGB sein kann („gutgläubiger Geheißerwerb“ (siehe Arg. oben und vgl. MüKo/Oechsler, § 932 Rn. 16 f.).

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Q

Zum besseren Verständnis hier die Ausführungen aus Staudinger/Wiegand, § 932 Rn. 20: „Erlangt der Erwerber (oder der von ihm benannte Dritte) den Besitz auf Veranlassung des Veräuße- rers, ohne dass dieser selbst zuvor in irgendeiner Form Besitz gehabt hat, so genügt das für die Anwendbarkeit des § 932 I 1 BGB;

A

denn die Tatsache, dass der Veräußerer in der Lage war, dem Erwerber den Besitz zu verschaffen, ist durchaus geeignet, Rechtsschein zu begründen. Die Gleichsetzung dieser sog “Besitzverschaffungsmacht“ mit tatsächlich vor
gerechtfertigt: Der Gutglaubensschutz basiert nicht auf dem allgemeinen in § 1006 BGB gesetzlich verankerten Schluss vom Besitz auf das Eigentum schlechthin, sondern knüpft an bestimmte (diese generelle Vermutung konkretisierende) Vorgänge an. In § 932 geschieht dieses durch die Bezug- nahme auf die Übergabe, durch die sich der Veräußerer legitimiert. […]“ (m.w.N.)

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Q

STREIT
(3) Auf Veranlassung des Veräußerers
Die LV-AG hat ihren (unmittelbaren) Besitz ferner auch auf Veranlassung des H erlangt (BMW- AG als Geheißperson auf Veräußererseite).

(Umstritten ist allerdings der Fall, in denen die Besitzverschaffung zwar durch den Veräußerer (H) veranlasst wird, dieser dabei aber den besitzenden Dritten (hier BMW-AG) durch Täuschung oder andere Manipulationen zur Herausgabe verleitet oder aber es liegt überhaupt keine Weisung vor und die Weisungsgebundenheit scheint nur aus Sicht des Letztempfängers gegeben zu sein.)

A

Der BGH und ein Teil der Lit. wollen den Erwerber auch in diesem Glauben schützen (BGH NJW 1974, 1132, 1133 = BGH JZ 1975, 27 ff [Hemdenfall], BGHZ 36, 56 f [Koksfall]; Münch- Komm/Oechsler Rn 16 f. (vgl. Staudinger/Wiegand, § 932 Rn. 21).
Die Gegenansicht, die in der Lit. überwiegt, lehnt einen gutgläubigen Erwerb ab, wenn keine wirklich vorhandene Weisungsbefugnis vorliegt, weil nur die darauf gegründete “Unterwerfung“ des Angewiesenen als rechtsscheinbegründend angesehen werden könne (sog. „Unterwerfungs- theorie“; Jauernig § 932 Rn 15; Palandt/Bassenge Rn 4). Es fehlt nach dieser Ansicht mangels Wei- sungsbefugnis die Rechtsscheinbasis, sodass es auf die subjektiven Elemente auf Seiten des Erwer- bers gar nicht ankommt. Bezieht sich jedoch die Täuschung des Veräußerers nur auf den Zweck der Herausgabe an den Erwerber (so wenn etwa der Eigentümer die Sache auf Geheiß seines Mie- ters [= nichtberechtigter Veräußerer] an den Erwerber herausgibt in der irrtümlichen Annahme, der Erwerber wolle von ihm selber mieten), bejaht diese Auffassung eine für § 932 I 1 BGB genü- gende Übergabe, da dann eine Weisungsbefugnis des Veräußerers bestehe (Staudinger/Wiegand, § 932 Rn. 21) („Sonderfall“ innerhalb der Gegenansicht).
Manche sind demgegenüber noch strenger und fordern im Hinblick auf die Unterwerfung, dass der unmittelbare Besitzer die Sache gerade in Kenntnis und im Hinblick auf eine dingliche Eini- gung zwischen Veräußerer und Erwerber übergibt. Es fehle sonst an dem erforderlichen finalen Bezug der Besitzverschaffung zur dinglichen Einigung (sog. modifizierte Unterwerfungstheorie; Von Cammerer, JZ 1963, 586, 587; Martinek, ACP 188 (1988, 573 (582 f. 629 ff.; 646 ff.)).
Der BGH und ein Teil der Literatur würden hier das Vorhandensein eines tauglichen Rechts- scheinsträgers (= tatsächliche Besitzverschaffungsmacht) genügen lassen, sodass ein gutgläubiger Erwerb von der „Scheingeheißperson“ in Betracht käme. Zu diesem Ergebnis käme zum Teil auch die Gegenansicht, da der Sonderfall einer nur auf den Zweck der Übergabe bezogenen Täuschung vorliegt („Kauf- statt Mietvertrag“). Die Anhänger der modifizierten Unterwerfungstheorie wür- den jedoch einen gutgläubigen Erwerb ablehnen.
Es ist ein Streitentscheid erforderlich. Auch wenn die Überlegung der Gegenansicht richtig ist, dass der gute Glaube an einen tatsächlich nicht bestehenden Rechtsscheinsträger auch sonst im Rechtsverkehr nicht geschützt wird und somit im Fall fehlender Besitzverschaffungsmacht keine Ausnahme gelten kann, vermag die Ansicht nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr die Frage, ob nicht die durch Täuschung veranlasste Besitzverschaffung ebenfalls als Rechtsscheinsträger für das Eigentum des Veräußerers anzuerkennen ist. Dafür spricht entscheidend, dass für den Erwer-
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Universität Mannheim Seite 13
ber nicht erkennbar ist, aus welcher Motivation heraus die Besitzverschaffung erfolgt. Mangels Erkennbarkeit ist der Erwerber daher schutzwürdig. Dem trägt die Ansicht des BGH (und Teilen der Literatur) Rechnung.

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Q

Beachte: Einer Gesellschaft wird das entsprechende Wissen ihrer Vertretungsorgane oder zustän- digen Mitarbeiter nach § 31 BGB analog oder § 166 I BGB zugerechnet. Die Gesellschaft selbst kann ja nicht gut- oder bösgläubig sein (ausführlich Aden, NJW 1999, 3098).

d. Gutgläubigkeit der LV-AG
(1) Hinsichtlich des Eigentums
Fraglich ist jedoch, ob die LV-AG gutgläubig war hinsichtlich der Eigentüm

(2) Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis, §§ 366 HGB, 932 BGB
Möglicherweise war die LV-AG jedoch im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis gutgläubig, was gemäß § 366 HGB i.V.m. § 932 ebenfalls zu einem gutgläubigen Erwerb führe

A

d. Gutgläubigkeit der LV-AG
(1) Hinsichtlich des Eigentums
Fraglich ist jedoch, ob die LV-AG gutgläubig war hinsichtlich der Eigentümerstellung des H.
Gemäß § 932 II BGB ist nicht in gutem Glauben, wem bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
Für eine Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit der LV-AG spricht bereits, dass es sich bei der Limousine um ein neu hergestelltes Fahrzeug handelte. Die LV-AG erwarb die Limousine nicht direkt vom Hersteller (BMW-AG), sondern von H. Selbst wenn es sich bei H um einen gewerbs- mäßigen Händler mit entsprechenden Fahrzeugen handeln würde, müsste die LV-AG wegen des hohen Wertes der Stretchlimousine davon ausgehen, dass diese – wie im Geschäftsverkehr üblich – unter Eigentumsvorbehalt (des Herstellers = BMW-AG) veräußert wurde. Das gilt v.a., weil die LV-AG bereits zuvor Limousinen von H gemietet hatte und auch von der geringen Größe seines Geschäftsbetriebes Kenntnis haben musste.
Zudem tritt H im Geschäftsverkehr als „H Limousinenvermietung“ auf und betreibt daher schon aufgrund seiner Geschäftsbezeichnung keinen Handel mit neuen Limousinen; die Veräußerung bewegte sich damit außerhalb seines gewöhnlichen Geschäftsbetriebs.
Es ist daher davon auszugehen, dass eine Unkenntnis der LV-AG von der Nichtberechtigung des H (Nicht-Eigentümerstellung) zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB scheidet daher zunächst aus.
(2) Hinsichtlich der Verfügungsbefugnis, §§ 366 HGB, 932 BGB
Möglicherweise war die LV-AG jedoch im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis gutgläubig, was gemäß § 366 HGB i.V.m. § 932 ebenfalls zu einem gutgläubigen Erwerb führen k

§ 366 HGB müsste anwendbar sein.
Gemäß § 366 I HGB (lesen!) finden bei der Veräußerung einer beweglichen Sache durch einen Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes die Vorschriften des BGB zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.
(a) Veräußerung einer beweglichen Sache
Bei der Limousine handelt es sich um eine bewegliche Sache; diese sollte auch veräußert werden.
(b) Kaufmannseigenschaft des H
H ist Kaufmann i.S.v. §§ 1 I, 2 S. 1 HGB.
(c) Veräußerung i.R. seines Handelsgeschäfts
Zweifel könnten jedoch dahingehend bestehen, ob H die Veräußerung im Rahmen seines Han- delsgewerbes vorgenommen hat, da er eine Limousinenvermietung betreibt.
Allerdings ist nach h.M. überwiegend auch ein nur mittelbarer Zusammenhang mit dem Gewer- bebetrieb an dieser Stelle ausreichend (vgl. Koller/Roth/Morck, § 343 Rn. 4).
Die Veräußerung einer Limousine, wo ansonsten nur Limousinen vermietet werden, steht inso- weit noch in einem hinreichenden Zusammenhang mit dem entsprechenden Gewerbe und kann daher als Handelsgeschäft qualifiziert werden (a.A. wohl vertretbar).
(d) Nichtberechtigung des H
Wie bereits festgestellt, war H zur Veräußerung der Limousine nicht berechtigt.
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Universität Mannheim Seite 15
(e) Guter Glaube der LV-AG an Verfügungsbefugnis des H
Problematisch ist allerdings auch hier die Gutgläubigkeit der LV-AG, dieses Mal im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des H (Unterschied zu § 932 BGB, der nur den guten Glauben an die Ei- gentümerstellung schützt).
Gegen die Annahme der Gutgläubigkeit spricht wieder, dass H als „H-Limousinenvermietung“ auftritt. Es ist im Geschäftsverkehr grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Limousinen- vermietung ihre Fahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt erwirbt. Nicht angenommen werden kann dabei ohne weiteres, dass ein Vermietungsunternehmen von dem Vorbehaltsverkäufer im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zur Veräußerung fabrikneuer Fahrzeuge ermächtigt wird. Es ist aber zu bedenken, dass grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist. Der Erwerber handelt in der Regel grob fahrlässig, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, d.h. wenn er das nicht beachtet, was jedem im konkreten Fall hätte einleuchten müssen. Eine allgemeine Nachforschungsobliegenheit trifft den Erwerber nicht. Nur im Einzelfall, bei ei- nem „Anfangsverdacht“, können Nachforschungsobliegenheiten im Einzelfall zu bejahen sein.
Es gilt ein objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab (Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 15). Dabei ist auch der Verkehrskreis des Erwerbers zu berücksichtigen.
Die Annahme grober Fahrlässigkeit ist damit eine klassische Tatfrage.
Im kaufmännischen Rechtsverkehr sind durchaus höhere Anforderungen an die nötige Sorgfalt zu stellen. Die Annahme grober Fahrlässigkeit erscheint daher durchaus mit der obigen Argumenta- tion vertretbar.
Andererseits gab es außer der Firmierung als „H-Limousinenvermietung“ keine weiteren An- haltspunkte dafür, dass H nicht verfügungsbefugt gewesen ist. Ebenso ist nicht zwingend ausge- schlossen, dass ein Vermietungsunternehmen auch mal ein fabrikneues Fahrzeug veräußert.
Der LV-AG kann auf jeden Fall fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden. Die fehlende Verfü- gungsbefugnis hat sich der LV-AG jedoch nicht förmlich aufgedrängt. Die Annahme grober Fahr- lässigkeit ist damit (eher) zu verneinen.
(f) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 366 I HGB i.V.m. § 932 BGB liegen vor.

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Q

inweis: § 366 I HGB modifiziert die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs. § 366 I HGB schützt den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis, während die §§ 932 ff. BGB nur den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft (regelmäßig Eigentum) des Veräußerers schützen. Modifiziert zu prüfen ist damit im Wesentlichen der gute Glaube.
Umstritten ist hingegen, ob § 366 I HGB auch den guten Glauben an die Vertretungsmacht schützt (vgl. Vieweg/Werner, § 5 Rn. 27). Zur Verdeutlichung: § 366 I HGB meint unmittelbar nur den Fall, dass der Veräußerer selbst in eigenem Namen verfügt. § 366 I HGB schützt dann den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers.

A

Denkbar ist aber auch der Fall, dass jemand eine Sache in fremdem Namen veräußert. Die dingli- che Einigung muss dann zwischen dem Erwerber und dem Vertretenen zustande kommen. Achtung: Im Rahmen der Berechtigung ist dann auf den Vertretenen abzustellen, da dieser Verfü- gender ist, wobei er sich bei der dinglichen Einigung eben vertreten lässt; es ist also zu fragen, ob der Vertretene Berechtigter ist (i.d.R. Eigentümer).
Mit anderen Worten: Im Rahmen der Berechtigung kommt es auf den Verfügenden an. Das ist bei der Verfügung im eigenen Namen die handelnde Person, bei der Verfügung in fremdem Namen der Vertretene (als der eigentlich Verfügende).
Diskutiert wird, ob man § 366 I HGB entsprechend anwenden kann, wenn eine Sache in fremdem Namen, aber ohne Vertretungsmacht veräußert wird. Die entsprechende Anwendung führt dann dazu, dass bei einem guten Glauben des Erwerbers an die Vertretungsmacht, eine dingliche Eini- gung zwischen Erwerber und Vertretenem (kraft guten Glaubens) fingiert wird.
Vorsicht: Das gilt aber nur für die dingliche Einigung, nicht aber für den schuldrechtlichen Ver- trag, der regelmäßig mangels tatsächlich nicht bestehender Vertretungsmacht unwirksam sein dürfte. Der Vertretene kann dann regelmäßig sein Eigentum kondizieren (§ 812 I 1 BGB). Er erhält es im Ergebnis damit wieder zurück. Dies kann auch als Argument dafür verwendet werden, § 366 I HGB nicht entsprechend anzuwenden.

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Q

Gemäß § 366 I HGB (lesen!) finden bei der Veräußerung einer beweglichen Sache durch einen Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes die Vorschriften des BGB zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.

A

(a) Veräußerung einer beweglichen Sache
Bei der Limousine handelt es sich um eine bewegliche Sache; diese sollte auch veräußert werden.
(b) Kaufmannseigenschaft des H
H ist Kaufmann i.S.v. §§ 1 I, 2 S. 1 HGB.
(c) Veräußerung i.R. seines Handelsgeschäfts
Zweifel könnten jedoch dahingehend bestehen, ob H die Veräußerung im Rahmen seines Han- delsgewerbes vorgenommen hat, da er eine Limousinenvermietung betreibt.
Allerdings ist nach h.M. überwiegend auch ein nur mittelbarer Zusammenhang mit dem Gewer- bebetrieb an dieser Stelle ausreichend (vgl. Koller/Roth/Morck, § 343 Rn. 4).
Die Veräußerung einer Limousine, wo ansonsten nur Limousinen vermietet werden, steht inso- weit noch in einem hinreichenden Zusammenhang mit dem entsprechenden Gewerbe und kann daher als Handelsgeschäft qualifiziert werden (a.A. wohl vertretbar).
(d) Nichtberechtigung des H
Wie bereits festgestellt, war H zur Veräußerung der Limousine nicht berechtigt.
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Universität Mannheim Seite 15
(e) Guter Glaube der LV-AG an Verfügungsbefugnis des H
Problematisch ist allerdings auch hier die Gutgläubigkeit der LV-AG, dieses Mal im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des H (Unterschied zu § 932 BGB, der nur den guten Glauben an die Ei- gentümerstellung schützt).
Gegen die Annahme der Gutgläubigkeit spricht wieder, dass H als „H-Limousinenvermietung“ auftritt. Es ist im Geschäftsverkehr grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Limousinen- vermietung ihre Fahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt erwirbt. Nicht angenommen werden kann dabei ohne weiteres, dass ein Vermietungsunternehmen von dem Vorbehaltsverkäufer im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zur Veräußerung fabrikneuer Fahrzeuge ermächtigt wird. Es ist aber zu bedenken, dass grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist. Der Erwerber handelt in der Regel grob fahrlässig, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, d.h. wenn er das nicht beachtet, was jedem im konkreten Fall hätte einleuchten müssen. Eine allgemeine Nachforschungsobliegenheit trifft den Erwerber nicht. Nur im Einzelfall, bei ei- nem „Anfangsverdacht“, können Nachforschungsobliegenheiten im Einzelfall zu bejahen sein.
Es gilt ein objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab (Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 15). Dabei ist auch der Verkehrskreis des Erwerbers zu berücksichtigen.
Die Annahme grober Fahrlässigkeit ist damit eine klassische Tatfrage.
Im kaufmännischen Rechtsverkehr sind durchaus höhere Anforderungen an die nötige Sorgfalt zu stellen. Die Annahme grober Fahrlässigkeit erscheint daher durchaus mit der obigen Argumenta- tion vertretbar.
Andererseits gab es außer der Firmierung als „H-Limousinenvermietung“ keine weiteren An- haltspunkte dafür, dass H nicht verfügungsbefugt gewesen ist. Ebenso ist nicht zwingend ausge- schlossen, dass ein Vermietungsunternehmen auch mal ein fabrikneues Fahrzeug veräußert.
Der LV-AG kann auf jeden Fall fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden. Die fehlende Verfü- gungsbefugnis hat sich der LV-AG jedoch nicht förmlich aufgedrängt. Die Annahme grober Fahr- lässigkeit ist damit (eher) zu verneinen.
(f) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 366 I HGB i.V.m. § 932 BGB liegen vor.

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Q

g. Erwerb von lastenfreiem Eigentum, § 936 BGB
Fraglich ist jedoch, ob die LV-AG auch lastenfreies Eigentum erworben hat. Das Eigentum war hier mit dem Anwartschaftsrecht der F-AG, vgl. oben, belastet.
Dieses Anwartschaftsrechts des Vorbehaltskäufers stellt nach h.M. eine Belastung der Sache i.S.d. § 936 BGB dar (vgl. Staudinger/Wiegand, § 936 Rn. 2). Es kommt damit ein gutgläubiger lasten- freier Erwerb nach § 161 III BGB i.V.m. § 936 BGB in Betracht.

A

Liegen die Grundvoraussetzungen für einen gutgläubigen Eigentumserwerb vor (vgl. oben), ist entscheidend, ob der Erwerber (auch) hinsichtlich der bestehenden Belastung (hier das Anwart- schaftsrecht) gutgläubig gewesen ist, § 936 II BGB.
Es ist entsprechend der oben ausgeführten Argumentation gut vertretbar, auch hinsichtlich des Bestehens der Rechte Dritter grobe Fahrlässigkeit zu verneinen, also von Gutgläubigkeit auch in- soweit, auszugehen.
Es ist daher von lastenfreiem Erwerb auszugehen.

  1. Erwerb der F-AG durch Zahlung des Kaufpreises
    Fraglich ist, ob die F-AG durch vollständige Zahlung des Kaufpreises Eigentum erworben hat. Das würde jedoch voraussetzen, dass sie noch Inhaberin des Anwartschaftsrechts ist. Das ist aber ge- rade nicht der Fall, da – wie soeben geprüft – die LV-AG lastenfreies Eigentum erworben hat, das also Anwartschaftsrecht quasi „wegerworben“ hat.
    III. Ergebnis
    Die LV-AG hat das Eigentum an der Limousine erworben; die F-AG hat hingegen kein Eigentum und damit auch keinen Anspruch aus § 985 BGB.
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Q

Hier von grober Fahrlässigkeit auszugehen, wäre in Bezug auf die obige Argumentation etwas widersprüchlich, aber nicht ausgeschlossen. Man kann argumentieren, dass mit Eigentums- vorbehalten und damit etwaigen Anwartschaftsrechten im Wirtschaftsverkehr, insbesondere bei wertvollen und damit vorfinanzierten Wirtschaftsgütern, zu rechnen ist.
Der scheinbare Widerspruch zur Argumentation oben lässt sich mit dem Argument auflösen, dass ein Eigentumsvorbehalt die Verfügungsbefugnis nicht ausschließen muss (sog. „verlängerter Ei- gentumsvorbehalt“).

A

Hier von grober Fahrlässigkeit auszugehen, wäre in Bezug auf die obige Argumentation etwas widersprüchlich, aber nicht ausgeschlossen. Man kann argumentieren, dass mit Eigentums- vorbehalten und damit etwaigen Anwartschaftsrechten im Wirtschaftsverkehr, insbesondere bei wertvollen und damit vorfinanzierten Wirtschaftsgütern, zu rechnen ist.
Der scheinbare Widerspruch zur Argumentation oben lässt sich mit dem Argument auflösen, dass ein Eigentumsvorbehalt die Verfügungsbefugnis nicht ausschließen muss (sog. „verlängerter Ei- gentumsvorbehalt“).

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Q
  • § 936 BGB ist sowohl auf den Erwerb vom Berechtigten (§§ 929 – 931 BGB) als auch auf den Er- werb vom Nichtberechtigten (§§ 929 – 931 i.V.m. §§ 932 – 935 BGB) anwendbar.
    Die erste Konstellation (Erwerb vom Berechtigten) erfasst z.B. Fälle, in denen der Veräußerer Ei- gentümer ist, aber das Eigentum mit Rechten Dritter belastet ist. Dann ermöglicht § 936 BGB den gutgläubig lastenfreien Erwerb (auch) vom Berechtigten.
    Wird § 936 BGB im Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten angewendet, muss die Gutgläubigkeit und das Abhandenkommen (§ 935 BGB) streng genommen zweimal geprüft werden, einmal in Bezug auf das Eigentum (an der Sache) und ein zweites Mal im Hinblick auf das Bestehen von Rechten Dritter (an der Sache).
A

Zum Verständnis: Regelmäßig werden sich die Ergebnisse (gutgläubiger Eigentums- und lasten- freier Erwerb) decken. Es ist jedoch logisch nicht ausgeschlossen, dass jemand hinsichtlich des Ei- gentums gutgläubig ist, nicht aber hinsichtlich der Rechte Dritter an diesem, was die doppelte Prü- fung (streng genommen) erforderlich macht.
Man muss sich zunächst die Regelungssystematik des § 936 I 1 BGB klarmachen:
§ 936 I 1 BGB bezieht sich auf §§ 929 S. 1, 931, 932 I 1, 934 Alt. 1 BGB
§ 936 I 2, 3 BGB (= Modifikation) bezieht sich auf §§ 929 S. 2, 929a, 930, 932 I 2, 933, 934 Alt. 2 BGB
(§ 934 Alt. 2 BGB regelt genau den Fall, den § 936 I 3 BGB umschreibt mit „oder war die nach § 931 BGB veräußerte Sache nicht im mittelbaren Besitz des Veräußerers […]“)
§ 936 I 1 BGB enthält die Aussage, dass ein lastenfreier Erwerb grundsätzlich dann eintritt, wenn das Eigentum, sei es vom Berechtigten oder gutgläubig vom Nichtberechtigten, erworben wurde. Die Fälle des § 936 I 1 BGB zeichnen sich dadurch aus, dass der Veräußerer jeden Besitz an der Sache aufgibt. Zusätzlich normiert § 936 II BGB dabei, dass der Erwerber hinsichtlich der Lasten- freiheit gutgläubig gewesen sein muss.
Es bietet sich daher an, § 936 BGB im Anschluss an den Eigentumserwerb zu prüfen. In diesem Fall wird man sich oft auf die Prüfung beschränken können, ob der Erwerber auch hinsichtlich der Rechte Dritter gutgläubig gewesen ist (§ 936 II BGB).
§ 936 I 2, 3 BGB modifizieren 936 I 1 BGB. Regelungstechnisch werden dabei (erhöhte) Anforde- rungen an die Übereignungstatbestände gestellt, wobei sich diese Modifikationen nur auf den las- tenfreien Erwerb beziehen (!):
- Bei § 936 I 2 BGB kommt es darauf an, dass der Erwerber den Besitz an der Sache vom Veräuße- rer erlangt hat. Das ist unspektakulär, da es sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt (Staudin- ger/Wiegand, § 936 Rn. 14, einschränkend MüKo/Oechsler, § 936 Rn. 7, der § 936 I 2 nur bei Erwerb durch den Eigenbesitzer anwenden will.). Die Modifikation im Verhältnis zu § 936 I 1 BGB liegt darin begründet, dass § 929 S. 2 BGB keine Besitzerlangung durch den Veräußerer voraussetzt, diese Voraussetzung findet sich erst beim gutgläubigen Erwerb nach § 932 I 2 BGB. § 936 I 2 BGB stellt damit in Bezug auf den las-

    tenfreien gutgläubigen Erwerb so eine Wertungseinheit her. Das ist auch gerechtfertigt, da § 936 BGB insgesamt Fälle gutgläubigen lastenfreien Erwerbs regelt. - Eine weiter Modifikation ergibt sich bei § 936 I 3 BGB aus dem Erfordernis der Besitzerlangung („den Besitz der Sache erlangt“, § 936 I 3 BGB a.E.). Welche Modifikationen sich aus § 936 I 3 BGB konkret ergeben, wird unterschiedlich beurteilt. → Modifikationen bzgl. §§ 930, 933 BGB E.A. (Staudinger/Wiegand, § 936 Rn. 14): Wenn die Eigentumsübertragung gemäß § 930 BGB er- folgt, tritt Lastenfreiheit gemäß § 936 I 3 BGB erst ein, wenn der Erwerber nachträglich den unmit- telbaren Besitz an der Sache erlangt (Mögliche) Begründung: § 936 I 3 BGB hat den Regelungszweck die Anforderungen an den lasten- freien Erwerb im Vergleich zu § 936 I 1 BGB zu modifizieren (vgl. oben). Gemäß dieser Prämisse wäre die Vorschrift aber sinnlos, wenn man für einen lastenfreien Erwerb gemäß § 936 I 3 BGB auch den Erwerb mittelbaren Besitzes genügen lassen würde, denn der Erwerb mittelbaren Besitz wird ja von § 930 BGB beim Eigentumserwerb (vom Berechtigten) schon vorausgesetzt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Erwerb mittelbaren Besitz auch für lastenfreien Erwerb ausreicht, dann hätte er aber auf die Aufnahme des § 930 BGB in § 936 I 3 BGB verzichten können, denn dann wäre § 936 I 1 BGB anwendbar und entscheidend wäre allein gewesen, dass ein Eigentumserwerb stattfindet, für den der Erwerb mittelbaren Besitzes (des Erwerbers) ausgereicht hätte. Aus der Existenz des § 936 I 3 BGB kann man damit im Umkehrschluss schließen, dass durch § 936 I 3 BGB die Anforderungen an den lastenfreien Erwerb im Vergleich zu § 936 I 1 BGB erhöht, zumindest aber modifiziert werden sollten. Zu fordern ist daher der Erwerb unmittelbaren Besitzes. A.A. (MüKo/Oechsler, § 936 Rn. 8): Erforderlich ist eine Übergabe, d.h. (für Oechsler, aaO) vor allem, dass der Veräußerer jeglichen Besitz verliert. Begründung: § 936 I 3 BGB soll die Voraussetzungen modifizieren, vgl. die obige Begründung der vorhergehenden Ansicht. Im Übrigen wird eine Wertungseinheit mit § 933 BGB hergestellt, da § 933 BGB ebenfalls eine Übergabe (mit jeglichem Besitzverlust des Veräußerers) erfordert. → Modifikationen bzgl. §§ 931, 934 Alt. 2 BGB (Alt. 1 von § 936 I 1 BGB erfasst, vgl. oben) (wohl h.M.): Lastenfreiheit kann eintreten, wenn der Erwerber unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an der Sache erlangt. Begründung(/Kritik): Es ist nicht ohne weiteres einleuchtend, dass jetzt im Vergleich zu § 930 BGB der Erwerb mittelbaren Besitzes genügen soll. Denn auch in diesem Fall ist § 936 I 3 BGB hinsicht- lich der Einbeziehung von § 931 BGB eigentlich überflüssig, da keine Modifikation im Verhältnis zu § 936 I 1 BGB vorliegt. Dennoch scheint die Literatur hier davon auszugehen, dass der Erwerb mittelbaren Besitzes ausreicht (Staudinger/Wiegand, § 936 Rn. 14; nicht deutlich MüKo/Oechsler, § 936 Rn. 8). Richtig überzeugend ist das zumindest dann nicht, wenn man für § 936 I 3 BGB i.V.m. § 930 BGB den Erwerb unmittelbaren Besitzes fordert. Logisch kann das nur die Meinung begründen, die die Modifikation des § 936 I 3 BGB lediglich in dem Erfordernis einer Übergabe sieht (e.A. MüKo/Oechsler, vgl. oben). Argumentiert man paral- lel zu § 936 I 3 BGB i.V.m. § 930 BGB (vgl. oben) lässt sich nämlich feststellen, dass der Erwerb mit- telbaren Besitzes auch für § 934 Alt. 2 BGB als ausreichend angesehen wird (Palandt/Bassenge,
                                                                            18 Universität Mannheim Seite 19    § 934 Rn. 4). § 936 I 3 BGB und § 934 Alt. 2 BGB werden damit im Ergebnis wieder einheitlich aus- gelegt. M.E. kann man sich folgendes merken: „In den Fällen des § 936 I 2, 3 muss der Erwerber diesel- be Besitzposition erlangen wie beim Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 932 – 934 BGB.“ (so wörtlich Staudinger/Wiegand, § 936 Rn. 13: widersprüchlich ist dann aber, dass er bei § 930 BGB wie oben ausge- führt, den Erwerb unmittelbaren Besitzes verlangt (Rn. 14))
101
Q

Wichtig ist schließlich auch die Vorschrift des § 936 III BGB, gerade in Bezug auf das Anwart- schaftsrecht.

A

Bsp.: K erwirbt unter Eigentumsvorbehalt eine Sache von V. V veräußert die Sache unter Abtre- tung seines (latent bestehenden) Herausgabeanspruchs (§ 449 II, 346 I BGB) (= Übereignung nach § 931 BGB) an den hinsichtlich des Eigentums als auch der Lastenfreiheit gutgläubigen E.
Das Anwartschaftsrecht erlischt trotz der „doppelten“ Gutgläubigkeit und des Vorliegens der Vo- raussetzungen des § 936 I 1 BGB nicht. Das ergibt sich aus § 936 III BGB.
Dasselbe gilt übrigens auch, wenn die Übereignung nach § 930 BGB erfolgt wäre, unter Abschluss eines (neuen, zusätzlichen) Besitzmittlungsverhältnisses zwischen V und E, denn nach § 936 I 3 BGB hätte E unmittelbaren Besitz erwerben müssen oder zumindest hätte V jegliche Besitzposition aufgeben müssen, da für § 936 I 3 BGB eine Übergabe zu fordern ist (vgl. MüKo/Oechsler, § 936 Rn. 16). Eine solche Übergabe liegt jedoch gerade nicht vor, denn V mittelt den Besitz im Falle ei- ner Übereignung nach § 930 BGB ja gerade für E, d.h. V bleibt (hier) selbst noch mittelbarer (Fremd-)Besitzer (1. Grades). E wird zum mittelbaren (Eigen-)Besitzer (2. Grades).
Es handelt sich bei § 936 BGB um eine sehr wichtige Vorschrift. Der hier dargestellte (nicht ab- schießende oder vollständige) Exkurs ist in seinen Einzelheiten vor allem wieder für Ihre weitere Examensvorbereitung relevant. Am Anfang genügt es, wenn Sie sich einen groben Überblick über § 936 BGB anhand des Gesetzes machen.

102
Q

C. Anspruch F-AG gegen LV-AG auf Herausgabe der Limousine aus § 1007 I BGB
Der F-AG könnte gegen die LV-AG einen Herausgabeanspruch aus § 1007 I BGB haben. Gemäß § 1007 I BGB kann, wer eine bewegliche Sache im Besitz gehabt hat, von dem Besitzer die Heraus- gabe der Sache verlangen, wenn dieser bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Problematisch ist hier aber schon, ob die Besitzposition, die die F-AG i.R.d. Geheißerwerbs erlangt hatte (Besitzverschaffungsmacht), für den Schutz des § 1007 I BGB ausreichend ist. Dies ist zwei- felhaft.

A

Darüber hinaus, war die LV-AG jedenfalls gutgläubig hinsichtlich eines etwaigen Besitzrechtes gegenüber der F-AG. Der gute Glaube muss sich auf die Besitzberechtigung im Verhältnis zum Anspruchsteller (F-AG) beziehen; es kommt also darauf an, ob die gegenwärtige Besitzerin (LV- AG) beim Besitzerwerb positiv wusste oder grob fahrlässig nicht wusste (vgl. § 932 II BGB), dass ihr gegenüber der früheren Besitzerin (F-AG) kein Recht zum Besitz zusteht.
Ein Besitzrecht kann sich aus einer schuldrechtlichen Abrede oder einer dinglichen Rechtsstellung ergeben (Staudinger-BGB/Gursky, § 1007 Rn. 18; MüKo-BGB/Baldus, § 986 Rn. 23). Das Besitzrecht der LV-AG kann hier aus dem Eigentum folgen. Das Eigentum an einer Sache umfasst neben der Befugnis andere von der Einwirkung auszuschließen (negative Komponente) auch das Recht nach Belieben mit ihr zu verfahren, schließt also ein Recht zum Besitz bzw. zur Nutzung ein (positive Komponente). Die LV-AG hat gutgläubig Eigentum erworben und war auch im Hinblick auf das daraus folgende Besitzrecht (positive Komponente) gutgläubig.
Der F-AG hat somit gegen die LV-AG keinen Herausgabeanspruch aus § 1007 I BGB.

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D. Anspruch F-AG gegen LV-AG auf Herausgabe der Limousine aus §§ 861 I, 869 S. 1 BGB

A

Weiter käme ein Herausgabeanspruch der F-AG aus §§ 861 I, 869 S. 1 BGB in Betracht.
Die F-AG selbst war niemals unmittelbare Besitzerin der Limousine. Allenfalls könnte man über- legen, die Besitzlage beim Geheißerwerb i.R.d. Besitzschutzes einem mittelbaren Besitz gleichzu- stellen (i.S.d. § 869 BGB).
Auch in diesem Fall scheitert ein Anspruch der F-AG jedoch schon am (fehlenden) Vorliegen ver- botener Eigenmacht gegen die unmittelbare Besitzerin (BMW-AG).
Ein Anspruch der F-AG gegen die LV-AG aus §§ 861 I, 869 S. 1 BGB ist mithin zu verneinen.
Hinweis: Vergessen Sie nicht, auch weitere Anspruchsgrundlagen kurz anzudenken und ggf. auch anzusprechen (z.B. eine Eingriffkondiktion, § 816 BGB oder § 823 I BGB (ggf. auch wg. Beein- trächtigung des Anwartschaftsrechts).
Bei der Lösungsskizze handelt es sich um einen Lösungsvorschlag; sie beansprucht nicht, all- umfassend oder einzig zutreffend zu sein.

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Schema zum Schadensersatzanspruch nach §§ 990 I, 989 BGB

A

I. Vindikationslage im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses

Hier Prüfung eines EBVs iSd § 985 BGB

II. Verklagter (§ 989 BGB) oder bösgläubiger (§ 990 I BGB) Besitzer

Bösgläubigkeit richtet sich nach § 932 II BGB in Bezug zum Besitzrecht

Erhebung einer Klag richtet sich nach § 253 I ZPO (mit Zustellung der Klageschrift)

III. Verschlechterung der Sache i.S.d. § 989 BGB

IV. Verschulden § 989 BGB, § 276 I BGB

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§§ 951, 812 I 1 Alt. 2 BGB

A

I. Rechtsverlust infolge der §§ 946 ff. BGB
1. Ursprüngliche Eigentumslage

  1. Rechtsgeschäftlicher Eigentumsverlust des E an K, § 929 S. 1 BGB
    a) Einigung, § 929 S. 1 BGB
    b) Zwischenergebnis: § 929 S. 1 BGB (-)
  2. Gesetzlicher Eigentumsverlust des E an K, § 950 I 1, II BGB
    a) Verarbeitung beweglicher Sachen
    b) Entstehung neuer beweglicher Sache c) Verarbeitungswert/Rohstoffwert
    d) Hersteller, § 950 I 1 BGB
    (1) P.: Herstellerklausel
    (2) Zwischenergebnis: Beschränkt dispositiv
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Q

Die sog. Verarbeitungs- oder Herstellerklausel bedeutet die Erklärung des Auftraggebers, die Verarbeitung i.S.d. § 950 BGB “für” den Auftragnehmer vornehmen zu wollen.

A

Die Verarbeitungsklausel trägt dem berechtigten Interesse des Auftragnehmers an dem Aufrechterhalten seiner Sicherheit Rechnung, wenn dem Auftraggeber die Verarbeitung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache zugestanden wird. Für § 307 BGB bedeutet dies, dass eine solche Klausel nicht unangemessen ist, soweit sich in dem – infolge der Verarbeitungsklausel erstreckten – Eigentum des Auftragnehmers der Wert der Vorbehaltsware widerspiegelt. Verwendet der Auftragnehmer eine Verarbeitungsklausel, so erwirbt er Alleineigentum an der neuen Sache; ihm fließt der gesamte Vergütungsanspruch zu, obwohl auch noch Waren anderer Lieferanten eingeflossen sind. Das kann problematisch sein. Daher ist zu berücksichtigen, ob typischerweise auch andere Waren mitverarbeitet werden, ob die anderen Lieferanten des Auftraggebers ihrerseits einen verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbaren und in welchem Wertverhältnis der Warenwert des Auftragnehmers typischerweise zum Wert der anderen Waren und der Arbeit des Auftraggebers steht. Um einen Unangemessenheitsvorwurf zu vermeiden, sollte dem Verwender das Eigentum an der neuen Sache nur in dem Verhältnis des Rechnungswertes seiner Vorbehaltsware zu den anderen verarbeiteten Waren eingeräumt werden. Aus Gründen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebots muss dabei das Verhältnis des Miteigentumsanteils bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.

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Q
  1. Vоraussеtzungen dess §950 I BGB

V hat ursprunglich schlichte Holzbretter an geliefert. Erst durch dessen Verarbeitungsleistung sind Mobel entstanden, die hinsichtich ihrer Form und Funktion eine hohere Stufe der Verarbeitung darstellen. Die Voraussetzungen des S 950 IBGB sind somit erfullt. Die Verarbeitung erfoigte auch mit Genеhmigung der V gem. § 185 I ВGB.

Dem Gesetz nach hatte v folglich das Eigentum an den Brettern verloren.

A
  1. Auswirkungen der Verarbeitungsklausel

Etwas anderes kоnnte jеdoch aufgrund der Verarbeitungsklausele in Nr 2 der wirksam einbezogenen Allgemeinen Geschaftsbestimmungen gelten. Die rechtliсhe Einordnung einer solchen Klausel ist nicht еindeutig. Es werden unterschiedliche Losungsаnsatze vertreten:

a) § 950BGB dispоnibel
Einer Ansiсht nach sei 950 BGB dispоnibel und damit durch eine Verarbeitungsklausel abbedingbar. Denn Grundlage fur S950 BGB sei ein Interessenkonflikt zwischen dem Leferanten und dem Verarbeiter, der durch S950 BGBiVm dem Entschädigungsanspruch aus s 951 BGB beigelegt werde.

Ein solcher Interessenkonflikt müsse vor dem Hintergrund der Privatautonomie dann aber auch durch eine vertragliche Regelung ausgeräumt werden können. Liege eine solche vertragliche Abrede vor, so entfalte S 950 BGB keine Wirkung.

Im vorliegenden Fall wäre 950 I BGB dann wirk sam abbedungen worden und würde nicht greifen. V wäre Eigentümerin der Bretter geblieben.

b) S 950 BGB zwingend, aber Festlegung des Herrstellers möglich von anderen wird vertreten, dass S 950 BGB eine zwingende Norm seis Dann lässt sich durch eine noch) definieren, Verarbeitungsklausel” wer “Hersteller” des verarbeiteten Produkts i.S.d. S 950 I BGB sein soll. Nr. 2 der AGB wäre dann hier lediglich eine ver tragliche Abrede dahingehend, dass v Herstellerin der Möbel sein soll. V wäre Eigentümer der B geblieben. c) 950 BGB zwingend, ohne Festlegung des Herrstellers aber mit antipierten Besitzmittlungs verhältnis Weiterhin wird auch noch vertreten, dass S 950 BGB eine zwingende Norm sei, ohne außerdem einer erarbeitungsklausel die oben genannte Wirkung zuzugestehen. Aufgrund der Klausel ist dann aber bei der Auslegung des Vertrages davon auszugehen, dass in Form einer antizipierten Einigung und einem antizipierten Besitzmittlungsverhältnis gem. SS 929 930 BGB eine Rückübereignung der Möbel gewollt ist hier als Miteigentum an die V-GmbH und an die D-GmbH. So wäre dann auch hier von einer antizipierten Ei nigung mit einem antizipierten Besitzkonstitut aus zugehen. Dann läge das Eigentum an den Brettern weiterhin bei V

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Kollisionen mit Blick auf zukünftig entstehende Gegenstände

Das Bild ändert sich, wenn Vermögenswerte zu Sicherungszwecken übertragen werden, die es im Zeitpunkt des Übertragungsgeschäfts noch gar nicht gegeben hat. Dann prallen im Zeitpunkt der Entstehung des Gegenstands mehrere Erwerbsabsichten aufeinander. Das kann sowohl mit Blick auf bewegliche Sachen wie mit Blick auf Forderungen geschehen.

A

Bewegliche Sachen

Ein immer wieder auftretendes Beispiel für eine Sicherungskollision bei beweglichen Sachen bietet das Aufeinandertreffen unbeschränkter Verarbeitungsklauseln und unbeschränkter antezipierter Sicherungsübereignungen in verlängerten Eigentumsvorbehalten. Wenn das Material unterschiedlicher Lieferanten von dem verarbeitenden Unternehmen (U) zu einer neuen Sache verarbeitet wird und beide Lieferanten mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt arbeiten, wie wir ihn früher kennengelernt haben, so stellt sich die Frage, wer nach der Verarbeitung, die zum Untergang der Eigentumsrechte an dem verarbeiteten Material führt (§ 950 Abs. 2 BGB), Eigentümer der neuen Sache ist.

Hält man eine rechtsgeschäftliche Disposition über den Hersteller in § 950 BGB für möglich, so muß die Frage für den originären Erwerbstatbestand des § 950 BGB bei dann kollidierenden “Herstellern” entschieden werden. § 950 BGB enthält keine Lösung. Allerdings ist bei einem anderen originären Erwerbstatbestand das Zusammentreffen und Untergehen verschiedener Eigentumsrechte in der Weise geregelt worden, daß an der neuen Sache Miteigentum im Verhältnis des Wertes der eingebrachten Sachen zueinander entsteht (§ 947 BGB). Diese Regelung läßt sich für die in § 950 BGB nicht beantwortete Frage heranziehen. Hält man also Verarbeitungsklauseln für rechtswirksam, führen die §§ 950, 947 BGB zu Miteigentum der Lieferanten, deren Stoffe in das neue Produkt eingegangen sind. Die Lieferanten teilen sich zugleich den Verarbeitungsgewinn. Die Werterhöhung, die in die neugeschaffene Sache durch die Arbeit des verarbeitenden Unternehmens eingegangen ist, wird bei der Aufteilung nicht zu Gunsten des verarbeitenden Unternehmens bzw. der übrigen Gläubiger dieses Unternehmens berücksichtigt. Sie fällt den Lieferanten zu.

Wer Verarbeitungsklauseln nicht zuläßt, für den stellt sich die Frage nach einer Lösung für die kollidierenden antezipierten Sicherungsübereignungen der neu geschaffenen Sache, die wenigstens für eine juristische Sekunde Eigentum des verarbeitenden Unternehmens nach § 950 BGB gewesen sein muß. Die Frage ist, ob sich diese Sekunde zu einer kleinen Ewigkeit ausweitet. Das könnte dann der Fall sein, wenn die miteinander kollidierenden antezipierten Übereignungen sich gegenseitig blockierten.

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  1. Verlust des Eigentums L an X, § 1242 I 1 BGB
    L könnte sein Eigentum am Traktor jedoch nach § 1242 I 1 BGB an X verloren haben. Voraussetzung dafür ist, dass der Traktor von W als Pfand gemäß § 1243 BGB ordnungsgemäß versteigert wurde.
A

a. Pfandreife, §§ 1243 I, 1228 II BGB
Es müsste Pfandreife gegeben sein. Gemäß § 1228 II 1 BGB ist der Pfandgläubiger zum Verkauf berechtigt, sobald die Forderung ganz oder zum Teil fällig ist.
Die Werklohnforderung des W müsste also fällig gewesen sein.
Bei dem zwischen W und N zustande gekommenen Vertrag handelte es sich um einen Werkver- trag, § 631 BGB. Der Werklohn aus dem Werkvertrag wird nach § 641 I 1 BGB grundsätzlich mit Abnahme des Werkes (§ 640 BGB) fällig.
Zwar wurde das Werk vorliegend nicht abgenommen. W hat dem N jedoch als Abnahmesurrogat eine Frist gemäß § 640 I 3 BGB gesetzt. Diese ist verstrichen, sodass ein der Abnahme gleichste- hendes wirksames Abnahmesurrogat vorliegt.
b. Öffentlichkeit, §§ 1243 I, 1235, 1237 S. 1, 1240 I BGB
Die Vorschriften über die Öffentlichkeit (= Verfahrensvorschriften, vgl. Sachverhalt) wurden ein- gehalten.

c. Bestehen eines Pfandrechts
Zugunsten des W müsste auch tatsächlich ein Pfandrecht an der Sache bestanden haben. Fraglich ist also, ob W am Traktor ein Pfandrecht zustand.
(1) Gesetzliches Pfandrecht
W könnte am Traktor ein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 647 BGB erworben haben.
(a) Erwerb vom Berechtigten, § 647 BGB
Dazu müssten die Voraussetzungen des § 647 BGB vorliegen.
(aa) Besitz aufgrund Werkvertrages
W müsste den Traktor aufgrund eines Werkvertrages besitzen (vgl. Wortlaut § 647 BGB: „für seine Forderungen aus dem Vertrag“). Das ist vorliegend der Fall.
(bb) Forderung des W aus dem Werkvertrag
W ist ferner Inhaber des Anspruchs gegen N aus dem Werkvertrag.
(cc) Bewegliche Sache des Bestellers
Bei dem Traktor handelt es sich auch um eine bewegliche Sache.
Allerdings müsste es sich bei dem Traktor nach § 647 BGB auch um eine Sache des Bestellers han- deln. „Besteller“ des Werkes ist vorliegend N. Dieser ist jedoch nicht Eigentümer des Traktors.
(dd) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 647 BGB liegen mithin nicht vor.

(b) Erwerb analog § 185 BGB
W könnte das Unternehmerpfandrecht möglicherweise analog § 185 BGB erworben haben.
P: § 185 BGB direkt?
§ 185 BGB regelt in direkter Anwendung die Ermächtigung zu einer Verfügung. Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Veränderung, Belastung, Aufhebung oder Übertragung eines bestehenden Rechtes gerichtet ist.

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Q

Abnahme

A

Abnahme wird definiert als die körperliche Entgegennahme des vom Unternehmer herge- stellten Werkes und die damit verbundene Erklärung des Bestellers, dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgerecht erbracht anerkenne (sog. zweigliedriger Abnahmebegriff), vgl. MünchKommBGB/Busche, § 640 Rn. 3).

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Hinweis: Wenn der Pfandgläubiger nicht weiß, dass Verpfänder und Eigentümer nicht identisch sind, hilft ihm § 1248 BGB.

A

Es reicht dann aus, dass der Pfandgläubiger die jeweilige (Ord- nungs)Vorschrift gegenüber dem Verpfänder einhält, z.B. die Androhung oder Benachrichtigung nach §§ 1234, 1237 S. 2 BGB.
Eine Verletzung von Ordnungsvorschriften (z.B. § 1234 BGB) hat zudem nicht die Rechtswidrig- keit der Versteigerung zur Folge, vgl. MünchKommBGB/Damrau, § 1234 Rn. 7. Das gilt nur für die in § 1243 I BGB genannten Vorschriften, vgl. § 1243 II BGB.

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PFANDRECHT(NUR ANALOG, da Pfandrecht kommt nicht durch Verfügung sondern per Gesetz)
(b) Erwerb analog § 185 BGB
W könnte das Unternehmerpfandrecht möglicherweise analog § 185 BGB erworben haben.
P: § 185 BGB direkt?
§ 185 BGB regelt in direkter Anwendung die Ermächtigung zu einer Verfügung. Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Veränderung, Belastung, Aufhebung oder Übertragung eines bestehenden Rechtes gerichtet ist.

A

(b) Erwerb analog § 185 BGB
W könnte das Unternehmerpfandrecht möglicherweise analog § 185 BGB erworben haben.
P: § 185 BGB direkt?
§ 185 BGB regelt in direkter Anwendung die Ermächtigung zu einer Verfügung. Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Veränderung, Belastung, Aufhebung oder Übertragung eines bestehenden Rechtes gerichtet ist.

Das Werkunternehmerpfandrecht entsteht jedoch nicht auf Grund einer Verfügung des Bestellers, es entsteht qua Gesetz. Eine direkte Anwendung des § 185 BGB kommt also nicht in Betracht.
P: § 185 BGB analog?
Einer Ansicht in der Lit. zufolge ist der Besitzer vom Eigentümer regelmäßig konkludent zur Vor- nahme von Reparaturen ermächtigt, sodass ein Pfandrecht analog § 185 BGB entstehe (ausführlich zum Streitstand Staudinger/Gursky, § 185 BGB Rn. 93, Rn. 108 ff.; lesenswert zur Gesamtproble- matik auch Staudinger/Peters/Jacoby, § 647 Rn. 10 ff.).
Dagegen spricht allerdings – mit dem BGH –, dass diese Annahme auf eine unzulässige Ver- pflichtungsermächtigung hinauslaufen würde (vgl. BGHZ 34, 122, 125). Das Offenkundigkeits- prinzip im Rahmen der Stellvertretung, §§ 164 ff. BGB würde umgangen. Ferner handelt es sich nach dem BGH bei § 647 BGB gerade nicht um einen rechtsgeschäftlichen Pfandrechtserwerb, so- dass es systemwidrig wäre, § 185 BGB anzuwenden.
Zwar lässt sich dem BGH entgegenhalten, dass § 647 BGB nur regelt, was die Parteien ansonsten privatautonom vereinbart hätten, sodass das gesetzliche Pfandrecht sich nicht grundlegend von einem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht unterscheidet. Auch würde eine analoge Anwendung des § 185 BGB einer Verpflichtungsermächtigung nicht gleichkommen, da der Eigentümer gerade nicht in den Werkvertrag einbezogen werden soll.
Schlussendlich muss der Streit jedoch an dieser Stelle nicht entschieden werden, da L dem N die Reparaturen ohne vorherige Absprache ausdrücklich untersagt hatte.
Das Entstehen eines Pfandrechts analog § 185 BGB kommt vorliegend also ohnehin nicht in Be- tracht.
(c) Erwerb vom Nichtberechtigten
W könnte das Unternehmerpfandrecht jedoch auch gutgläubig gemäß §§ 647, 1257, 1207, 932 BGB erworben haben.
P: Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts
Fraglich ist, ob ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts überhaupt möglich ist. Dagegen spricht – so die h.M. – schon der Wortlaut des § 1257 BGB: Danach seien die Vorschriften über das vertragliche Pfandrecht nur auf ein bereits entstandenes gesetzliches Pfandrecht an- wendbar. § 1207 BGB sei jedoch gerade die Norm, welche die Entstehung eines Pfandrechts regelt. Sie könne daher beim gesetzlichen Pfandrecht keine Anwendung finden.
Zudem zeige § 366 III HGB, dass ein gutgläubiger Erwerb von gesetzlichen Pfandrechten nur im Handelsverkehr möglich sein solle.
Die h.M. lehnt den gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte somit ab.
Nach a.A. ist der gutgläubige Erwerb (auch) eines gesetzlichen Pfandrechts möglich.
Hierfür spricht, dass § 366 III HGB einen Erwerb des gesetzlichen Pfandrechts im guten Glauben an das Eigentum als selbstverständlich voraussetzt, da es in § 366 I HGB den gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte auch dann erlaubt, wenn es an der Verfügungsmacht mangelt.

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(c) Erwerb vom Nichtberechtigten
W könnte das Unternehmerpfandrecht jedoch auch gutgläubig gemäß §§ 647, 1257, 1207, 932 BGB erworben haben.
P: Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts

A

Umstritten ist der gutgläubige Erwerb von gesetzlichen Pfandrechten nur bei solchen, die mit dem Besitz der Sache einhergehen. Bei den besitzlosen gesetzlichen Pfandrechten (z.B. beim Vermieterpfandrecht vgl. §§ 562 und 578 I BGB), ist es allgemeine Meinung, dass ein gutgläubiger Erwerb nicht in Betracht kommt (vgl. Staudinger/Emmerich, Eckpfeiler des Zivilrechts, Kapitel O. Miete, Rn. 65 ff.).

P: Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts
Fraglich ist, ob ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts überhaupt möglich ist. Dagegen spricht – so die h.M. – schon der Wortlaut des § 1257 BGB: Danach seien die Vorschriften über das vertragliche Pfandrecht nur auf ein bereits entstandenes gesetzliches Pfandrecht an- wendbar. § 1207 BGB sei jedoch gerade die Norm, welche die Entstehung eines Pfandrechts regelt. Sie könne daher beim gesetzlichen Pfandrecht keine Anwendung finden.
Zudem zeige § 366 III HGB, dass ein gutgläubiger Erwerb von gesetzlichen Pfandrechten nur im Handelsverkehr möglich sein solle.
Die h.M. lehnt den gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte somit ab.
Nach a.A. ist der gutgläubige Erwerb (auch) eines gesetzlichen Pfandrechts möglich.
Hierfür spricht, dass § 366 III HGB einen Erwerb des gesetzlichen Pfandrechts im guten Glauben an das Eigentum als selbstverständlich voraussetzt, da es in § 366 I HGB den gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte auch dann erlaubt, wenn es an der Verfügungsmacht mangelt.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die gesetzlichen Pfandrechte geregelt, weil er davon ausging, dass in diesen Fällen die Parteien immer vertraglich ein Pfandrecht vereinbaren würden. Wenn man nun mit der h.M. davon ausgeht, dass ein gutgläubiger Erwerb nur bei rechtsgeschäftlichen Pfandrechten möglich ist, wird dieser Regelungszweck konterkariert. Die Parteien werden nun doch wieder rechtsgeschäftlich Pfandrechte vereinbaren müssen, um einen Gutglaubenserwerb zu ermöglichen. Dies geschieht in der Praxis in der Regel durch entsprechende Klauseln in AGB.
Die analoge Anwendung des § 1207 BGB kann auch mit dem Schutzbedürfnis des Werkunterneh- mers begründet werden. Dieser ist bezüglich der Erstellung des Werkes vorleistungspflichtig (vgl. § 641 BGB) und wäre ohne das Pfandrecht hinsichtlich seines Werklohnanspruches ungesi- chert.

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nweis: Im Zusammenhang mit den § 994 ff. BGB stellen sich schwierige Konkurrenzfragen (in- struktiv MüKo-BGB/Baldus, § 994 Rn. 26 ff.). Die § 994 ff. BGB treten hier in Konkurrenz zu werk- vertraglichen Ansprüchen zwischen W und N (§ 631 BGB).

A

Man muss zunächst differenzieren zwischen Verwendungen des berechtigten (1.) und des unberechtigten (2.) Besitzers.
(1.) Macht der berechtigte Besitzer Verwendungen sind die § 994 ff. BGB grundsätzlich unan- wendbar.
Achtung: Der BGH lässt jedoch genügen, dass die Vindikationslage später entstanden ist. Er ar- gumentiert, dass der nicht mehr berechtigte Besitzer sonst schlechter stünde als der ursprünglich nicht berechtigte Besitzer (BGH NJW 2002, 2875).
(2.) Im Falle von Verwendungen des unberechtigten Besitzers scheinen die §§ 994 ff. BGB wegen des Bestehens einer Vindikationslage ohne weiteres anwendbar. Die Probleme liegen jedoch tiefer. Wer ist Verwender - (nur) der Besteller oder (auch) der Unternehmer?
Zum Teil wird vertreten, dass nur derjenige Verwender sei, der den Verwendungsvorgang auf eigene Rechnung veranlasst habe und ihn steuere. Nur der Besteller (der Reparatur) sei Verwen- der.

Die wohl h.M. behandelt hingegen den (Werk-)Unternehmer als Verwender.
Fraglich ist aber, ob dies wertungsmäßig überzeugen kann. Der Werkunternehmer erhält so einen „Quasi-Vertragspartner“ neben dem Besteller, den er sich jedoch ausgewählt hat und dessen In- solvenzrisiko er grundsätzlich tragen muss. Die §§ 994 ff. BGB fungieren dann auf gewisse Weise als eine dingliche Absicherung des werkvertraglichen Vergütungsanspruch, obwohl sie hierfür nicht vorgesehen sind, was sich daran zeigt, dass sie zum Vergütungsanspruch nicht kongruent sein müssen, also höher oder niedriger ausfallen können.

115
Q

(2) Pfandrechtsgleiches Befriedigungsrecht, § 1003 BGB
Dem W könnte allerdings auch ein sogenanntes pfandrechtsgleiches Befriedigungsrecht nach § 1003 BGB zustehen.

AGB Klausel -> kann Pfandrecht dadurch entstanden?

A

(2) Pfandrechtsgleiches Befriedigungsrecht, § 1003 BGB
Dem W könnte allerdings auch ein sogenanntes pfandrechtsgleiches Befriedigungsrecht nach § 1003 BGB zustehen.
(a) § 1003 I 2 BGB
Nach § 1003 I 2 BGB ist der Besitzer, der einen Verwendungsersatzanspruch gemäß §§ 994, 996 BGB gegen den Eigentümer hat, berechtigt, Befriedigung aus der Sache nach den Vorschriften über den Pfandverkauf zu suchen, wenn er dem Eigentümer zuvor gemäß § 1003 I 1 BGB eine angemes- sene Frist zur Genehmigung der Verwendungen gesetzt hat, die Frist abgelaufen ist und die Ge- nehmigung nicht rechtzeitig erfolgt.
W könnte vorliegend gegen L einen Verwendungsersatzanspruch nach § 994 I BGB in Höhe von 6.000 € haben.
Ob W dieser Anspruch tatsächlich zusteht, kann allerdings dahinstehen, da es jedenfalls an der nach § 1003 I 1 BGB erforderlichen Fristsetzung fehlt. W hatte nur N gegenüber eine Frist hinsicht- lich der Bezahlung seiner Werklohnforderung gesetzt.

(b) § 1003 II BGB
Bestreitet der Eigentümer den Anspruch vor Ablauf der Frist, so kann der Besitzer nach § 1003 II BGB sofortige Befriedigung nur auf Grundlage eines rechtskräftigen Feststellungsurteils hinsicht- lich der Höhe des Verwendungsersatzanspruches vorgehen. Auch in diesem Fall müsste er dem Eigentümer allerdings zunächst noch eine Erklärungsfrist setzen, sodass die Voraussetzungen des § 1003 II BGB ebenfalls nicht vorliegen.
(c) Zwischenergebnis
Dem W steht mithin kein pfandrechtsgleiches Befriedigungsrecht nach § 1003 BGB zu.
(3) Vertragliches Pfandrecht
W könnte jedoch von N rechtsgeschäftlich ein Pfandrecht erworben haben.
(a) Erwerb vom Berechtigten
Das Pfandrecht müsste wirksam bestellt worden sein gemäß § 1205 BGB. Dies setzt neben Eini- gung und Übergabe eine bestehende Forderung voraus.
(aa) Einigung, § 1205 I 1 BGB
Fraglich ist, ob W und N sich wirksam über die Bestellung des Pfandrechts geeinigt haben.
Eine entsprechende Einigung könnte durch die AGB-Klausel des W und deren Unterzeichnung durch N zustande gekommen sein, §§ 145 ff. BGB.
Dem Wortlaut nach bezieht sich die AGB-Klausel von vornherein nicht nur auf Sachen des Bestel- lers, sondern auch auf Sachen Dritter, die aufgrund des Werkvertrages in den Besitz des Unter- nehmers gelangt sind.
Demnach läge eine wirksame Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts vor, wenn die AGB- Klausel wirksam wäre. Die Wirksamkeit von AGB richtet sich nach den §§ 305 ff. BGB.
(i) AGB im Sinne des § 305 I 1 BGB
Bei der Klausel des W handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 I 1 BGB, nämlich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Die §§ 305 ff. BGB sind somit anwendbar.
(ii) Einbeziehungskontrolle
Die AGB müsste wirksam in den Vertrag zwischen N und W mit einbezogen worden sein.
Die Einbeziehung könnte an § 305c BGB scheitern, wenn die Klausel überraschend wäre.
Für die Annahme, es handele sich um eine überraschende Klausel, könnte man anführen, dass die Klausel von vornherein nur den Zweck haben kann, ein Pfandrecht an schuldnerfremden Sachen zu

begründen. An den Sachen, die im Eigentum des Schuldners stehen, entsteht ja ohnehin bereits das gesetzliche Pfandrecht nach § 647 BGB. Man könnte also vertreten, dass der Besteller nicht damit rechnen muss, dass ihm nicht gehörende Sachen als Sicherheiten herangezogen werden, da er ansonsten durch die Klausel zum Vertragsbruch gegenüber dem Eigentümer veranlasst würde. Die Klausel wäre nach dieser Argumentation im Sinne des § 305c BGB überraschend.
Dagegen spricht jedoch, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Unternehmer für seine Arbeit Sicherheit benötigt und sich dementsprechend ein Pfandrecht einräumen lässt. Das Sicherungsin- teresse des Unternehmers ist deshalb höher zu bewerten als das Interesse des Bestellers, gegenüber dem Eigentümer vertragstreu zu bleiben.
Es handelt sich mithin nicht um eine überraschende Klausel (a.A. vertretbar).
(iii) Inhaltskontrolle
Die Klausel müsste auch einer Inhaltskontrolle standhalten.
Diese ist nach § 307 III 1 BGB auch eröffnet. Die Klausel kann als Umgehung des Gesetzes (vgl. § 306a BGB) dahingehend angesehen werden, als sie den gutgläubigen Erwerb eines Pfandrechts ermöglicht, der nach dem Gesetz gerade nicht möglich sein soll (s.o. zum gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts aus § 647 BGB).
Fraglich ist, ob die Klausel des W seinen Vertragspartner unangemessen benachteiligt, § 307 I, II BGB.
Unangemessen ist die Benachteiligung in der Regel dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzu- setzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 12).
Eine unangemessene Benachteiligung kann jedenfalls nicht darin gesehen werden, dass der Bestel- ler unter Umständen gegenüber dem Eigentümer vertragsbrüchig werden muss (s.o.). Insoweit sind die Interessen des Unternehmers an der Sicherung seiner Werklohnforderung höherwertig einzustufen.
Eine unangemessene Benachteiligung kann ferner nicht darin begründet sein, dass der Eigentümer der Sache benachteiligt wird. Schon aus dem Wortlaut des § 307 I 1 BGB folgt, dass Drittinteressen bei der Frage nach einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders un- berücksichtigt bleiben müssen.
Die Klausel ist damit nicht im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligend.
(iv) Nichtigkeit gemäß § 138 I BGB
Die Klausel könnte jedoch auch gemäß § 138 I BGB sittenwidrig sein. Im Gegensatz zu § 307 BGB ist es bei § 138 I BGB zulässig, auch die Interessen Dritter in die Beurteilung mit einzubeziehen. Man könnte der Ansicht sein, die Klausel sei sittenwidrig, weil sie von vornherein nur den pri- mären Zweck verfolgt, im Falle fehlenden Eigentums des Bestellers die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts – zulasten des Eigentümers – zu schaffen. (für Sittenwidrig- keit deshalb Staudinger/Peters/Jacoby, § 647 Rn. 14).
Der BGH hält eine entsprechende Klausel indes für unbedenklich (und behandelt die Frage der Sittenwidrigkeit in diesem Zusammenhang gar nicht, vgl. BGHZ 68, 323; BGH NJW 1981, 227; 1983, 2140; ferner Ulmer/Brandner/Hensen § 305c Rn. 53).
Die Ansicht des BGH vermag zu überzeugen, da es nicht dem Anstandsgefühl aller billig und ge- recht Denkenden entgegensteht, wenn der Unternehmer sich eine Sicherheit für seine Werklohn-
Universität Mannheim Seite 9
forderung schaffen will. Eine wirksame Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts liegt daher – angesichts der Wirksamkeit der Klausel – vor.

116
Q

Die Probleme liegen jedoch tiefer. Wer ist Verwender - (nur) der Besteller oder (auch) der Unternehmer?
Zum Teil wird vertreten, dass nur derjenige Verwender sei

A

der den Verwendungsvorgang auf eigene Rechnung veranlasst habe und ihn steuere. Nur der Besteller (der Reparatur) sei Verwen- der.

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Q

Fraglich ist, ob die Klausel des W seinen Vertragspartner unangemessen benachteiligt, § 307 I, II BGB.
Unangemessen ist die Benachteiligung in der Regel dann,

A

wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzu- setzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 12).

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Q

dd) Bestehen der Forderung bei Pfandrecht

A

Beachte: Die zu sichernde Forderung muss noch nicht vollständig entstanden und wirksam sein. Nach § 1204 II BGB kann das Pfandrecht auch für eine künftige oder bedingte Forderung bestellt werden. Sie muss allerdings nach ihrem Entstehungsgrund (nicht nach der konkreten Höhe) be- stimmbar sein, vgl. Hütte/Helbron, Rn. 805.

Als akzessorische Sicherheit setzt das Pfandrecht ferner das Bestehen einer Forderung voraus, vgl. § 1252 BGB. Diese muss auf eine Geldforderung gerichtet sein oder jedenfalls in eine Geldforde- rung übergehen können und durchsetzbar sein (vgl. Vieweg/Werner, § 10 Rn. 21; Hütte/Helbron Rn. 803).
Dem W steht gegen N ein Anspruch auf Werklohn in Höhe von 6.000 € aus dem Werkvertrag zu. Diese Forderung des W ist auf Geld gerichtet und auch im Übrigen wirksam und durchsetzbar.

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Q

Gutgläubigkeit, §§ 1207, 932 I 1, II BGB

A

Man könnte hier erwägen, die Gutgläubigkeit des W dennoch mit dem Argument abzu- lehnen, dass W durch die Aufnahme der soeben geprüften Klausel in seinen Werkvertrag genau weiß, dass diese ihm nur nützt, wenn eine Sache nicht dem Besteller gehört. Dagegen spricht al- lerdings, dass es bei der Gutgläubigkeit eher um eine Frage des Tatsächlichen geht. Eine Art „typi- sierte“ Bösgläubigkeit durch Verwendung einer AGB ist daher eher abzulehnen.

120
Q

Im Ergebnis ergibt sich vorliegend nichts anderes, wenn man davon ausgeht, W hätte kein Pfandrecht erworben (wg. Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 BGB, alternativ wegen Sit- tenwidrigkeit der Klausel nach § 138 BGB oder wegen Bösgläubigkeit des W).

A

In diesem Fall läge keine rechtmäßige Veräußerung des Pfandes nach § 1242 BGB vor. Nach § 1244 BGB könnte X den Traktor in diesem Fall aber dennoch gutgläubig ersteigert haben.
Nach § 1244 BGB finden die §§ 932 ff. BGB entsprechende Anwendung auf die Veräußerung einer Sache als Pfand, ohne dass dem Veräußerer ein Pfandrecht zusteht, wenn entweder die Veräuße- rung nach § 1233 II erfolgt ist oder die Vorschriften des § 1235 oder des § 1240 II BGB beobachtet worden sind.
Vorliegend wurde § 1235 BGB beachtet. X war auch gutgläubig (wird entsprechend § 932 II BGB vermutet).
Da in § 1244 BGB nicht auf § 935 BGB verwiesen wird, kann auch an abhanden gekommenen Sa- chen gutgläubig Eigentum im Wege der Pfandversteigerung erworben werden (unabhängig da- von, dass die Sache im vorliegenden Fall nicht abhanden gekommen war).
Die Voraussetzungen lägen also vor.
Vertiefend zu den Rechtsfolgen bei unrechtsmäßiger Pfandveräußerung Vieweg/Werner, 6. Auf- lage, § 10 Rn. 43.

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Q

Frage 2: Anspruch des L gegen W auf Herausgabe der 10.000 € Versteigerungserlös
A. Anspruch aus §§ 985, 1247 S.2 BGB
L könnte gegen W einen Anspruch auf Herausgabe des Versteigerungserlöses gemäß §§ 985, 1247 S. 2 BGB haben.

A

I. Besitz des W
W ist unmittelbarer Besitzer der Geldscheine, § 854 I BGB (er hat sie in seinem Safe deponiert, d.h. die Geldscheine sind als Sache noch vorhanden).
II. Eigentum des L
Fraglich ist, ob L Eigentümer der Geldscheine ist.
1. Ursprüngliche Rechtslage
Ursprünglich war der Ersteigerer X Eigentümer der Geldscheine.
2. Eigentumsverhältnisse nach Auskehrung
Fraglich ist jedoch, wie sich die Eigentumsverhältnisse an dem Geld durch die Auskehrung des Geldes als Erlös nach der Versteigerung an W verändert haben.
a) Eigentumserwerb des W von X, § 929 S. 1 BGB
Einerseits könnte X dem W die Geldscheine nach § 929 S. 1 BGB übereignet haben.
Auf der anderen Seite enthält § 1247 BGB Regelungen hinsichtlich des Erlöses nach der Versteige- rung einer Pfandsache.

(1) Regelungsgehalt des § 1247 BGB
Von der h.M. wird § 1247 BGB wie folgt interpretiert: § 1247 S.1 BGB regele lediglich die schuld- rechtlichen Konsequenzen der Befriedigung aus dem Pfand. Über die sachenrechtliche Wirkung der Aushändigung des Erlöses an den Pfandgläubiger sagt die Vorschrift nichts. Daraus wird ge- schlossen, dass es, soweit S. 1 Befriedigungswirkung festlegt, weil der Erlös dem Gläubiger ge- bührt, bei den allgemeinen Regeln verbleibt. D.h. der Pfandgläubiger (im vorliegenden Fall W) erwirbt nach § 929 S. 1 BGB (Allein-)Eigentum am Erlös, soweit ihm dieser zur Befriedigung seiner Forderung gebührt (vgl. Staudinger/Wiegand, § 1247 Rn. 2; Vieweg/Werner, § 10 Rn. 42).

Soweit dem Pfandgläubiger der Erlös zusteht, gilt seine Forderung dann gemäß § 1247 S. 1 BGB als vom Eigentümer erfüllt (soweit der Regelungsgehalt des § 1247 S. 1 BGB; vgl. Bamber- ger/Roth/Sosnitza, § 1247 Rn. 3).
Soweit der Erlös allerdings nicht dem Pfandgläubiger – hier also W – gebührt (z.B. bei einem Überschuss über die Forderung des Gläubigers), tritt er nach § 1247 S. 2 BGB an die Stelle des Pfandes (sog. dingliche Surrogation). § 1247 S. 2 BGB trifft mithin eine Regelung mit dinglicher Wirkung, sodass es des Rückgriffs auf § 929 S. 1 BGB nicht bedarf.

(2) Anwendung auf den vorliegenden Fall
Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass W, soweit ihm der Erlös zur Befriedigung gebührt, nach § 929 S. 1 BGB von X Eigentum am Geld erworben hat.
(aa) Vertragliches Pfandrecht des W
Wie bereits geprüft, hatte W ein vertragliches Pfandrecht am Traktor (gutgläubig) erworben.
(bb) Höhe der gesicherten Forderung
Das Pfand haftet nach § 1210 I 1 BGB für die Forderung in deren jeweiligem Bestand, insbesonde- re auch für Zinsen.
Der Erlös gebührt dem W also insoweit, als er zur Befriedigung der gesicherten Forderung nebst Zinsen und Kosten (§ 1210 BGB) nötig ist, mithin in Höhe von 6.000 € (der Sachverhalt enthält keine Angaben zu Zinsen).
(3) Zwischenergebnis
Demnach steht W ein Befriedigungsrecht am Erlös in Höhe von 6.000 € zu. Nach §§ 1247 S. 1, 929 S. 1 BGB hat W daher von X Eigentum am Erlös in Höhe von 6.000 € erlangt.
b) Eigentumserwerb des L in Höhe von 4.000 € gemäß § 1247 S. 2 BGB
Da die Forderung des W nur in Höhe von 6.000 € bestand, tritt für den Rest des Erlöses in Höhe von 4.000 € die Folge des § 1247 S. 2 BGB ein, d.h. der (Rest-) Erlös in Höhe von 4.000 € tritt an die Stelle des Pfandes und steht daher L als ursprünglichem Eigentümer des Traktors zu. Voraussetzung ist insoweit aber, dass der Eigentümer sein Eigentum an der Sache durch den Pfandverkauf auch tatsächlich verloren hat.
Dies ist vorliegend der Fall, da X gemäß § 1242 BGB Eigentum an dem Traktor erworben und L damit sein Eigentum verloren hat (s.o.)
Universität Mannheim Seite 13
L hat daher durch dingliche Surrogation gemäß § 1247 S. 2 BGB Eigentum am Erlös in Höhe von 4.000 € erworben.
c) Zwischenergebnis
Der Erlös steht somit W in Höhe von 6.000 €, L in Höhe von 4.000 € zu. W und L sind daher Mitei- gentümer (§ 1008 BGB).

122
Q

(1) Regelungsgehalt des § 1247 BGB

DINGLICHE SURROGATION

A

Von der h.M. wird § 1247 BGB wie folgt interpretiert: § 1247 S.1 BGB regele lediglich die schuld- rechtlichen Konsequenzen der Befriedigung aus dem Pfand. Über die sachenrechtliche Wirkung der Aushändigung des Erlöses an den Pfandgläubiger sagt die Vorschrift nichts. Daraus wird ge- schlossen, dass es, soweit S. 1 Befriedigungswirkung festlegt, weil der Erlös dem Gläubiger ge- bührt, bei den allgemeinen Regeln verbleibt. D.h. der Pfandgläubiger (im vorliegenden Fall W) erwirbt nach § 929 S. 1 BGB (Allein-)Eigentum am Erlös, soweit ihm dieser zur Befriedigung seiner Forderung gebührt (vgl. Staudinger/Wiegand, § 1247 Rn. 2; Vieweg/Werner, § 10 Rn. 42).

§ 1247 S. 2 BGB wird demgemäß als Abweichung von den sachenrechtlichen Übereig- nungsvorschriften verstanden, weil die Rechtslage am Erlös unabhängig vom Willen der Parteien nach dem Surrogationsprinzip geregelt wird.
Dies führt dazu, dass in allen Fällen, in denen der Erlös die zu sichernde Forderung übersteigt, zwei Vermögensmassen entstehen, die teils dem Pfandgläubiger, teils dem Eigentümer (unter Fortbestand von Drittrechten) zugeordnet sind.
Zwischen beiden Vermögensmassen wird vor der Teilung Miteigentum (§§ 1008, 741 ff. BGB) ange- nommen.
Der Pfandgläubiger ist kraft seines Befriedigungsrechts berechtigt, sich den ihm zustehenden Teil anzueignen und Alleineigentum daran zu begründen. Der verbleibende Teil fällt dann – eventuell belastet mit den Rechten Dritter – in das Alleineigentum des Pfandeigentümers (so übereinstim- mend die h.M., vgl. Staudinger/ Wiegand, § 1247 Rn. 2 m.w.N.).

123
Q

D. Anspruch aus § 816 I 1 BGB

Ein Anspruch des L gegen W auf Herausgabe des Erlöses nach § 816 I 1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.

A

Zwar handelt es sich bei der öffentlichen Versteigerung um eine Verfügung des W als Pfandgläu- biger über die Sache.
Hinweis: Zwar hat W die 10.000 € in den Safe gelegt, gesondert im Hinblick auf seinen Miteigen- tumsanteil (6.000 €) liegt jedoch keine Aneignungshandlung vor.

Beachte: Dagegen handelt es sich bei einer Versteigerung im Rahmen der der Zwangsvollstre- ckung nicht um eine Verfügung des Vollstreckungsgläubigers, da in diesem Fall. der Gerichtsvoll- zieher (hoheitlich) verfügt.

Neben dem Anspruch aus §§ 985, 1247 S. 2 BGB kommt jedoch der Anspruch aus § 816 I 1 BGB nicht in Betracht, er wird durch § 1247 S. 2 BGB verdrängt. Da der Erlös an die Stelle des Pfandes tritt (§ 1247 BGB), bleibt für § 816 BGB kein Platz; der Surrogationsgedanke gehe vor. Erst die Vermischung des Erlöses mit anderem Geld kann zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen führen (vgl. MünchKommBGB/Damrau, § 1244 Rn. 17).

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Q

Anhang: Zweiterwerb des rechtsgeschäftlichen Pfandrechts
Ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht kann nach § 1250 I BGB übertragen werden durch Übertra- gung (= Abtretung, §§ 398 ff. BGB) der Forderung. Zwar ergibt sich der Übergang des Pfandrechts durch Forderungsabtretung bereits aus § 401 I BGB; in § 1250 I 1 BGB wird er jedoch noch einmal ausdrücklich klargestellt.

A

Gemäß § 1207 BGB ist ein gutgläubiger Ersterwerb unproblematisch möglich, wenn eine Forde- rung besteht.
Achtung: § 1207 verweist auf die §§ 932, 934 BGB und diese helfen nur über die Nichtberechtigung hinweg, die sonstigen Voraussetzungen (dingliche Einigung, Übergabe, Bestehen einer zu si- chernden Forderung) müssen vorliegen.
Eine zu beachtende Feinheit ergibt sich bei § 932 I 2 BGB. In dem Fall, in dem das Pfandrecht durch bloße Einigung bestellt wird, kommt ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb nur dann zustan- de, wenn der Gläubiger den Besitz von dem verpfändenden Nichteigentümer erhalten hat. Erfasst wird damit also die Pfandbestellung gemäß § 1205 I 2 BGB.
Das gutgläubig erworbene Pfandrecht kann weiter übertragen werden durch Abtretung der For- derung (§§ 1250 I, 398 BGB). Der neue Inhaber der Forderung kann das Pfandrecht auch dann er- werben, wenn er weiß, dass der Verpfänder nicht Eigentümer war (MüKo-BGB/Damrau, Rn. 3). Das ergibt sich zwanglos daraus, dass der Zedent (= erster Pfändungsgläubiger) nach gutgläubi- gem Erwerb des Pfandrechts nunmehr als Berechtigter über dieses verfügt.
Umstritten ist, ob ein gutgläubiger Zweiterwerb eines Pfandrechts möglich ist (MüKo- BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3). Von der Konstellation im vorherigen Absatz unterscheidet sich die Situation dadurch, dass gerade kein wirksamer gutgläubiger Ersterwerb stattgefunden hat.
Zwei Grundfälle sind zu unterscheiden:
(1.) Es besteht kein Pfandrecht, aber eine Forderung.
Ein gutgläubiger Zweiterwerb des Pfandrechts über §§ 1250 I, 398 BGB scheidet aus. Das gilt je- denfalls dann, wenn keine (spätere) Übergabe der Sache stattfindet. Grund: Es fehlt dann an einem Rechtsscheinsträger für einen gutgläubigen Erwerb.
Aber auch im Fall einer späteren Übergabe wird ein gutgläubiger Erwerb überwiegend abgelehnt. Begründung: Rechtsgeschäftlich wird nur die Forderung übertragen, das Pfandrecht folgt qua Ge- setz (§ 1250 I BGB) nach. Einen gutgläubigen Erwerb kraft Gesetzes gibt es jedoch nicht (MüKo- BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3).
(2.) Es besteht weder ein Pfandrecht, noch eine Forderung.
Da es grundsätzlich keinen gutgläubigen Forderungserwerb gibt und das Pfandrecht streng ak- zessorisch ist, scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus.

Ausnahme: Ist ein gutgläubiger Forderungserwerb (z.B. § 405 BGB) ausnahmsweise möglich, so kann sich nach tvA ein gutgläubiger Pfandrechtswerb anschließen (MüKo-BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3; aA Westermann/Gursky § 132 I 1 b; Soergel/Habersack Rn. 6.)
Weiterführender Hinweis: Pfandrechte – wie beispielsweise das Werkunternehmerpfandrecht des § 647 BGB – können auch an einem Anwartschaftsrecht bestehen oder bestellt werden.
Ein Anwartschaftsrecht ist begrifflich die Vorstufe zum Vollrecht oder anders formuliert wesens- gleiches Minus zu diesem. Es kann also in gleicher Weise übertragen und belastet werden wie das Vollrecht selbst.
Ein Pfandrecht am Anwartschaftsrecht bzgl. des Eigentums wird nach den Regeln über das Pfand- recht am Eigentum, also nach §§ 1204 ff. (vgl. BGHZ 35, 85, 93) erworben (nicht nach §§ 1273 ff. BGB). Das Anwartschaftsrecht unterliegt ferner auch dem Vermieterpfandrecht (BGH NJW 1965, 1475) u.a. gesetzl. Pfandrechten (vgl. Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 81). Ferner erstreckt sich auch die Hypothek auf das Anwartschaftsrecht am Zubehör des Grundstücks (vgl. BGHZ 35, 85 = NJW 1961, 1349).
Mit Bedingungseintritt verwandelt sich das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht in ein Pfandrecht am Vollrecht (vgl. zum Ganzen Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 81 m.w.N).

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Q

Umstritten ist, ob ein gutgläubiger Zweiterwerb eines Pfandrechts möglich ist (MüKo- BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3). Von der Konstellation im vorherigen Absatz unterscheidet sich die Situation dadurch, dass gerade kein wirksamer gutgläubiger Ersterwerb stattgefunden hat.

1.есть долг но вещь не предана или передана позже -> пфандрехт нет так как рехстшайн провалился ведь он только с передачей

  1. ни то ни то
    никакого права

405 исключение с Urkundevorlegung, так как бумажка решает все и к фордерунгу прилипает пфандрехт

A

Zwei Grundfälle sind zu unterscheiden:
(1.) Es besteht kein Pfandrecht, aber eine Forderung.
Ein gutgläubiger Zweiterwerb des Pfandrechts über §§ 1250 I, 398 BGB scheidet aus. Das gilt je- denfalls dann, wenn keine (spätere) Übergabe der Sache stattfindet. Grund: Es fehlt dann an einem Rechtsscheinsträger für einen gutgläubigen Erwerb.
Aber auch im Fall einer späteren Übergabe wird ein gutgläubiger Erwerb überwiegend abgelehnt. Begründung: Rechtsgeschäftlich wird nur die Forderung übertragen, das Pfandrecht folgt qua Ge- setz (§ 1250 I BGB) nach. Einen gutgläubigen Erwerb kraft Gesetzes gibt es jedoch nicht (MüKo- BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3).
(2.) Es besteht weder ein Pfandrecht, noch eine Forderung.
Da es grundsätzlich keinen gutgläubigen Forderungserwerb gibt und das Pfandrecht streng ak- zessorisch ist, scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus.

Ausnahme: Ist ein gutgläubiger Forderungserwerb (z.B. § 405 BGB) ausnahmsweise möglich, so kann sich nach tvA ein gutgläubiger Pfandrechtswerb anschließen (MüKo-BGB/Damrau, § 1250 Rn. 3; aA Westermann/Gursky § 132 I 1 b; Soergel/Habersack Rn. 6.)

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Pfandrechte – wie beispielsweise das Werkunternehmerpfandrecht des § 647 BGB – können auch an einem Anwartschaftsrecht bestehen oder bestellt werden.

A

Ein Pfandrecht am Anwartschaftsrecht bzgl. des Eigentums wird nach den Regeln über das Pfand- recht am Eigentum, also nach §§ 1204 ff. (vgl. BGHZ 35, 85, 93) erworben (nicht nach §§ 1273 ff. BGB). Das Anwartschaftsrecht unterliegt ferner auch dem Vermieterpfandrecht (BGH NJW 1965, 1475) u.a. gesetzl. Pfandrechten (vgl. Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 81). Ferner erstreckt sich auch die Hypothek auf das Anwartschaftsrecht am Zubehör des Grundstücks (vgl. BGHZ 35, 85 = NJW 1961, 1349).
Mit Bedingungseintritt verwandelt sich das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht in ein Pfandrecht am Vollrecht (vgl. zum Ganzen Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 81 m.w.N).

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Q
  1. Vоraussеtzungen des §950 I BGB
A

V hat ursprünglich schlichte Holzbretter an K geliefert. Erst durch dessen Verarbeitungsleistung sind Möbel entstanden, die hinsichtlich ihrer Form und Funktion eine höhere Stufe der Verarbeitung darstellen. Die Voraussetzungen des § 950 I BGB sind somit erfüllt. Die Verarbeitung erfolgte auch mit Genеhmigung der V gem. § 185 I ВGB. Dem Gesetz nach hätte V folglich das Eigentum an den Brettern verloren.

  1. Auswirkungen der Verarbeitungsklausel

Etwas anderes könnte jеdoch aufgrund der Verarbeitungsklausel in Nr 2 der wirksam einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbestimmungen gelten. Die rechtliсhe Einordnung einer solchen Klausel ist nicht еindeutig. Es werden unterschiedliche Lösungsаnsätze vertreten:

a) § 950 BGB dispоnibel

Einer Ansiсht nach sei §950 BGB dispоnibel und damit durch eine «Verarbeitungsklausel» abbedingbar.*4 Denn Grundlage für §950 BGB sei ein Interessenkonflikt zwischen dem Lieferanten und dem Verarbeiter, der durch §950 BGB i.V.m dem Entschädigungsanspruch aus § 951 BGB beigelegt werde.
Ein solcher Interessenkonflikt müsse vor dem Hintergrund der Privatautonomie dann aber auch durch eine vertragliche Regelung ausgeräumt werden können. Liege eine solche vertragliche Abrede vor, so entfalte § 950 BGB keine Wirkung.

Im vorliegenden Fall wäre §950 I BGB dann wirksam abbedungen worden und würde nicht greifen. V wäre Eigentümerin der Bretter geblieben.

b) § 950 BGB zwingend, aber Festlegung des Herrstellers möglich

Von anderen wird vertreten, dass § 950 BGB eine zwingende Norm sei.*5 Dann lässt sich durch eine «Verarbeitungsklausel” (nur noch) definieren, wer “Hersteller” des verarbeiteten Produkts i.S.d. § 950 I BGB sein soll.

Nr. 2 der AGB wäre dann hier lediglich eine vertragliche Abrede dahingehend, dass V Herstellerin der Möbel sein soll. V wäre Eigentümer der Bretter geblieben.

c) § 950 BGB zwingend, ohne Festlegung des Herrstellers aber mit antipierten Besitzmittlungsverhältnis
Weiterhin wird auch noch vertreten, dass “ § 950 BGB eine zwingende Norm sei, ohne außerdem einer “Verarbeitungsklausel” die oben genannte Wirkung zuzugestehen. Aufgrund der Klausel ist dann aber bei der Auslegung des Vertrages davon auszugehen, dass in Form einer antizipierten Einigung und einem antizipierten Besitzmittlungsverhältnis gem. § § 929, 930 BGB eine Rückübereignung der Möbel gewollt ist - hier als Miteigentum an die V-GmbH und an die D-GmbH. *6

So wäre dann auch hier von einer antizipierten Einigung mit einem antizipierten Besitzkonstitut auszugehen. Dann läge das Eigentum an den Brettern weiterhin bei V.

d) Streitentscheid entbehrlich

V ist nach allen Ansichten Eigentümer der Bretter geblieben. Ein Streitentscheid ist somit entbehrlich.

Der konstruktive Unterschied (Durchgangserwerb nach der Lösung III. 2. c., kein Durchgangserwerb nach III. 2. spielt für die hier gewählte Ausgangsfrage keine Rolle. Es ist im Rahmen einer Klausurlösung daher verfehlt, an dieser Stelle den Streit weiter zu erörtern, solche Ausführungen wären für das Ergebnis der Fallfrage überflüssig.

Nur der Vollständigkeit halber seien hier Argumente für einen Streitentscheid erwähnt: Die Lösung III. 2. c., dürfte dogmatisch wohl am besten zu vertreten sein. Gegen die erste Auffassung unter III. 2. spricht ein gewichtiges systematisches Argument: Normen im Sachenrecht sind aus Verkehrsschutz- gründen zwingend. Diesen Ansatz verfolgt zwar auch die h.M. unter III. 2 b). das vermittelnde Ergebnis ist jedoch dogmatisch nicht konsequent. § 950 BGB soll einerseits zwingend sein, andererseits soll der Hersteller vereinbart werden können. Dies passt dogmatisch nicht zusammen.

Es entspricht in jedem Fall der ganz h.M., dass im Ergebnis durch die Verarbeitungsklausel das Eigentum an den Möbeln bei der V-GmbH erhalten oder wieder zurück übertragen wird.

128
Q

§ 894 BGB

L könnte gegen C einen Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches gemäß § 894 BGB haben.

A

I. Unrichtigkeit des Grundbuches
Dafür müsste das Grundbuch unrichtig sein. Das Grundbuch ist unrichtig, wenn die formelle Rechtslage nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt.
Nach der formellen Rechtslage – also der Eintragung im Grundbuch – ist im vorliegenden Fall C Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstückes.
Zu prüfen ist also, ob diese formelle Rechtslage mit der materiellen Rechtlage übereinstimmt. Dies wäre dann der Fall, wenn C auch tatsächlich Eigentümer des Grundstücks geworden wäre.
1. Ursprüngliche Eigentumslage am Grundstück
Ursprünglich stand das Grundstück im Eigentum des L. Insoweit greift die Vermutungsregelung des § 891 I BGB.
2. Übereignung des Grundstücks von L an B, §§ 873 I, 925 I BGB
L könnte sein Eigentum an dem Grundstück jedoch im Wege des rechtsgeschäftlichen Eigen- tumserwerbs nach §§ 873 I, 925 I BGB am 14.01.2017 an B verloren haben.

129
Q
  1. Ursprüngliche Eigentumslage am Grundstück

Ursprünglich stand das Grundstück im Eigentum des L. Insoweit greift die Vermutungsregelung des § 891 I BGB.

A

Unzutreffend wäre es, hier auf § 1006 I BGB abzustellen; dieser gilt nur für bewegliche Sachen.
§ 891 I BGB ist gewissermaßen die Parallelvorschrift für das Immobiliarsachenrecht. Ein wesentli- cher Unterschied besteht allerdings darin, dass die Vermutung des § 1006 I BGB nur „zu Gunsten“ (Wortlaut!) des Besitzers gilt. Diese Einschränkung kennt § 891 I BGB nicht. Die Vermutungsrege- lung kann sich also auch zu Lasten des Eingetragenen auswirken.

130
Q

SACHENRECHTLICHE / SCHULDRECHTLICHE EBENE VON AUFLASSUNG + Auflassung ist unwiderruflich
Übereignung des Grundstücks von L an B, §§ 873 I, 925 I BGB
L könnte sein Eigentum an dem Grundstück jedoch im Wege des rechtsgeschäftlichen Eigen- tumserwerbs nach §§ 873 I, 925 I BGB am 14.01.2017 an B verloren haben.

A

Auf schuldrechtlicher Ebene bedarf das Kausalgeschäft – hier der Kaufvertrag – zur Über- tragung bzw. zum Erwerb eines Grundstücks der Beurkundung gemäß § 311 b I 1 BGB.
Auf sachenrechtlicher Ebene bestimmt § 873 I BGB, dass zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück die Einigung der Parteien sowie die Eintragung der Rechtsänderung in das Grund- buch erforderlich sind.
Die Einigung der Parteien wird hier als Auflassung bezeichnet, § 925 BGB. Sie muss gemäß § 925 I 1 BGB bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor einer zuständigen Stelle – in der Regel vor einem Notar, § 925 I 2 BGB – erklärt werden. Da § 925 BGB nicht von persönlicher Anwesenheit spricht, ist Stellvertretung zulässig (Palandt/Bassenge, § 925 Rn. 5). Botenschaft dürfte hingegen nicht ausreichen.
Abgesehen vom Formerfordernis des § 925 BGB bestehen jedoch keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Auflassung und der Einigung nach § 929 S. 1 BGB im Mobiliarsachenrecht.

131
Q

a) Auflassung, § 925 I BGB

A

(1) Dingliche Einigung
Erste Voraussetzung des Eigentumserwerbs ist eine dingliche Einigung zwischen L und B über den Eigentumsübergang, § 925 I 1 BGB.
Bei dieser handelt es sich um ein dingliches Rechtsgeschäft, welches nach den §§ 145 ff. BGB durch zwei kongruente, korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zu Stande kommt.
Laut Sachverhalt haben sich L und B über den Eigentumsübergang am Grundstück geeinigt.
(2) Form des § 925 I 1 BGB
Die Auflassung müsste gemäß § 925 I 1 BGB formgültig sein. Wäre sie das nicht, würde die Rechts- folge des § 125 BGB eintreten, die Einigung wäre demnach nichtig.
Vorliegend bestehen allerdings hinsichtlich der Form der dinglichen Einigung keine Bedenken, da die Auflassung hier sogar vom Notar beurkundet wurde. Eine Beurkundung der dinglichen Eini- gung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Es reicht nach § 925 S. 1 BGB aus, wenn die dingliche Einigung vor der zuständigen Stelle erklärt wird (vgl. Rolf Schmidt, Sachenrecht II, Rn. 208). Dies ist vorliegend geschehen.

Die Einigung zwischen A und B entspricht also den Formerfordernissen des § 925 I BGB und ist damit nicht nach § 125 BGB nichtig.
(3) Nichtigkeit der Auflassung nach § 117 I BGB
Die Erklärung der Auflassung könnte jedoch nach § 117 I BGB nichtig sein. Fraglich ist nämlich, wie es sich auswirkt, dass L und B sich über einen Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 2.000.000 € geeinigt haben, vor dem Notar jedoch nur einen Kaufpreis von 1.500.000 € beurkunden haben lassen.
Aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist allerdings streng zwischen schuldrechtli- chem und dinglichem Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Die Höhe des Kaufpreises ist nur für den Kaufvertrag nach § 433 BGB relevant.
Zwar wurde die Auflassung von den Parteien in Bezug auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft erklärt. Die dingliche Einigung (Auflassung) selbst wurde jedoch nicht zum Schein vorgenommen; sie entsprach vielmehr dem tatsächlichen Willen der Parteien.

132
Q

a) Auflassung, § 925 I BGB

A

(1) Dingliche Einigung
Erste Voraussetzung des Eigentumserwerbs ist eine dingliche Einigung zwischen L und B über den Eigentumsübergang, § 925 I 1 BGB.
Bei dieser handelt es sich um ein dingliches Rechtsgeschäft, welches nach den §§ 145 ff. BGB durch zwei kongruente, korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zu Stande kommt.
Laut Sachverhalt haben sich L und B über den Eigentumsübergang am Grundstück geeinigt.
(2) Form des § 925 I 1 BGB
Die Auflassung müsste gemäß § 925 I 1 BGB formgültig sein. Wäre sie das nicht, würde die Rechts- folge des § 125 BGB eintreten, die Einigung wäre demnach nichtig.
Vorliegend bestehen allerdings hinsichtlich der Form der dinglichen Einigung keine Bedenken, da die Auflassung hier sogar vom Notar beurkundet wurde. Eine Beurkundung der dinglichen Eini- gung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Es reicht nach § 925 S. 1 BGB aus, wenn die dingliche Einigung vor der zuständigen Stelle erklärt wird (vgl. Rolf Schmidt, Sachenrecht II, Rn. 208). Dies ist vorliegend geschehen.

Die Einigung zwischen A und B entspricht also den Formerfordernissen des § 925 I BGB und ist damit nicht nach § 125 BGB nichtig.
(3) Nichtigkeit der Auflassung nach § 117 I BGB
Die Erklärung der Auflassung könnte jedoch nach § 117 I BGB nichtig sein. Fraglich ist nämlich, wie es sich auswirkt, dass L und B sich über einen Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 2.000.000 € geeinigt haben, vor dem Notar jedoch nur einen Kaufpreis von 1.500.000 € beurkunden haben lassen.
Aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist allerdings streng zwischen schuldrechtli- chem und dinglichem Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Die Höhe des Kaufpreises ist nur für den Kaufvertrag nach § 433 BGB relevant.
Zwar wurde die Auflassung von den Parteien in Bezug auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft erklärt. Die dingliche Einigung (Auflassung) selbst wurde jedoch nicht zum Schein vorgenommen; sie entsprach vielmehr dem tatsächlichen Willen der Parteien.

(4) Nichtigkeit der Auflassung, §§ 134, 138 I BGB
Die Auflassung könnte hier jedoch auch nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder nach § 138 I BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein, da die Parteien den Notar um seine Gebühren bringen und im Übrigen Steuern sparen wollen.
Die Rechtsprechung lehnt in solchen Fällen die Annahme einer Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB jedoch ab. Bei der Absicht einer Steuerhinterziehung sei ein Vertrag nur dann nichtig, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist. So verhalte es sich bei feh- lerhaften Angaben in einem Kaufvertrag über ein Grundstück gerade nicht, jedenfalls sofern die Begründung der Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks sowie die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises ernstlich gewollt sind (so BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. NJW- RR 2002, 1527 m.w.N.; vgl. schon BGH NJW 1954, 1401; Schwabe, Lernen mit Fällen, 6. Aufl. 2010, Fall 19, S. 212). Dies ist vorliegend der Fall. L wollte das Grundstück tatsächlich an B veräußern und B wollte es auch erwerben.

133
Q

Nichtigkeit der Auflassung nach § 117 I BGB

A

Die Erklärung der Auflassung könnte jedoch nach § 117 I BGB nichtig sein. Fraglich ist nämlich, wie es sich auswirkt, dass L und B sich über einen Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von 2.000.000 € geeinigt haben, vor dem Notar jedoch nur einen Kaufpreis von 1.500.000 € beurkunden haben lassen.
Aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist allerdings streng zwischen schuldrechtli- chem und dinglichem Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Die Höhe des Kaufpreises ist nur für den Kaufvertrag nach § 433 BGB relevant.
Zwar wurde die Auflassung von den Parteien in Bezug auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft erklärt. Die dingliche Einigung (Auflassung) selbst wurde jedoch nicht zum Schein vorgenommen; sie entsprach vielmehr dem tatsächlichen Willen der Parteien.
Ein Scheingeschäft liegt hinsichtlich der dinglichen Einigung mithin nicht vor.

Zur Wiederholung: Wie bereits oben gesagt, bedarf ein Vertrag über die Übertragung oder den Erwerb eines Grundstücks nach § 311 b I 1 BGB notarieller Beurkundung.
Vorliegend haben wir es schuldrechtlich mit zwei vertraglichen Absprachen zu tun. Einerseits ha- ben sich L und B über einen Kaufpreis in Höhe von 2.000.000 € geeinigt; diese Einigung wurde jedoch nicht beurkundet. Andererseits haben L und B vor dem Notar die entsprechenden Erklä- rungen nur über den Kaufpreis in Höhe von 1.500.000 € abgegeben.
Da die Erklärung über 1.500.000 € vor dem Notar allerdings nur zum Schein erfolgte, ist diese nichtig nach § 117 I BGB. Darüber hinaus fehlt es aber bezüglich der vertraglichen Abrede über den Verkauf des Grundstücks zum Preis von 2.000.000 € an der notariellen Beurkundung nach § 311 b I 1 BGB. – Wird eine vom Gesetz vorgeschriebene Form nicht eingehalten, hat dies nach § 125 S. 1 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge.
Ein wirksamer Kaufvertrag über das Grundstück lag mithin nicht vor. Allerdings: Nach § 311 b I 2 BGB wird ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gül- tig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen (Heilung des Formman- gels). Für die Falllösung ist dieser Punkt hier aber nicht relevant.

134
Q

(4) Nichtigkeit der Auflassung, §§ 134, 138 I BGB

sei ein Vertrag nur dann nichtig, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist.

A

(4) Nichtigkeit der Auflassung, §§ 134, 138 I BGB
Die Auflassung könnte hier jedoch auch nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder nach § 138 I BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein, da die Parteien den Notar um seine Gebühren bringen und im Übrigen Steuern sparen wollen.
Die Rechtsprechung lehnt in solchen Fällen die Annahme einer Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB jedoch ab. Bei der Absicht einer Steuerhinterziehung sei ein Vertrag nur dann nichtig, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist. So verhalte es sich bei feh- lerhaften Angaben in einem Kaufvertrag über ein Grundstück gerade nicht, jedenfalls sofern die Begründung der Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks sowie die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises ernstlich gewollt sind (so BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. NJW- RR 2002, 1527 m.w.N.; vgl. schon BGH NJW 1954, 1401; Schwabe, Lernen mit Fällen, 6. Aufl. 2010, Fall 19, S. 212). Dies ist vorliegend der Fall. L wollte das Grundstück tatsächlich an B veräußern und B wollte es auch erwerben.

135
Q

Das Grundbuch dient dazu, Klarheit über den Rechtszustand an Grundstücken zu schaffen. Es hat damit im Grundstücksrecht dieselbe Funktion, die im Recht der beweglichen Sachen dem Besitz zukommt: Es tritt an die Stelle des Besitzes als Mittel der Publizität, indem es Rechte an Grundstü- cken und deren Veränderungen äußerlich erkennbar macht.
Diese Publizität liegt aber erst mit der Eintragung einer Verfügung über Grundstücke oder Grund- stücksrechte im Grundbuch vor. Deshalb werden Rechtsänderungen aufgrund Rechtsgeschäfts im

A

Grundstücksrecht grundsätzlich nur dadurch wirksam, dass sie ins Grundbuch eingetragen wer- den. Dieses Erfordernis ergibt sich aus § 873 I BGB, also aus dem materiellen Grundstücksrecht. Dagegen regelt das formelle Grundbuchrecht das Verfahren für Grundbucheintragungen, also Voraussetzungen und Form der Eintragung.
B hat im vorliegenden Fall zwar gemäß § 13 I GBO den Antrag auf Eintragung ins Grundbuch ge- stellt. Er wurde jedoch nie als Eigentümer eingetragen.

Achtung:
Für die materielle Wirksamkeit des Eigentumsübergangs ist nur die tatsächliche Eintragung maß- geblich, nicht dagegen die Frage, ob das Grundbuchamt die Eintragung vornehmen durfte. Die formell-rechtlichen Eintragungsvoraussetzungen, insbesondere §§ 12, 13, 19, 20, 29, 39 GBO, sind in der Klausur jedenfalls nicht beim materiell-rechtlichen Eigentumserwerb des Grundstücks zu prüfen. So deutlich Vieweg/Werner, Sachenrecht (6. Auflage, 2013), S. 441 Rn. 25
Verstöße des Grundbuchamts gegen grundbuchrechtliche Vorschriften können jedoch Grundlage für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen den Träger des Grund- buchamtes sein, z.B. das Land Baden-Württemberg.
Zu beachten ist, dass es sich zum Teil um Sollvorschriften handelt, die Ausnahmen zulassen, vgl. z.B. § 39 GBO und näher sogleich im nächsten Kasten.

136
Q

Nach § 39 GBO hätte eigentlich zunächst der B eingetragen werden sollen.

A

Sinn und Zweck des § 39 GBO ist es, die Entwicklungsstufen von Rechten an Grundstücken klar und ver- ständlich widerzuspiegeln. Bei einer sog. Kettenauflassung (dazu unten näher) wird eine solche Zwischeneintragung jedoch nicht als erforderlich angesehen (vgl. nur Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 126 a.E.; BeckOK GBO/Hügel Rn. 26). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Zwischenerwer- ber (hier B) lediglich als Verfügungsberechtigter gemäß § 185 BGB handle (BeckOK GBO/Hügel Rn. 26).

137
Q

d) Berechtigung des B

A

Weiterhin müsste B auch zur Verfügung über das Grundstück berechtigt gewesen sein. Berechtigter hierzu ist grundsätzlich der in seiner Verfügungsbefugnis nicht eingeschränkte Eigen- tümer des Grundstücks. Wie oben schon geprüft, war B hier nicht Eigentümer des Grundstücks, sodass er hieraus keine Berechtigung herleiten kann.
Fraglich ist aber, ob der B vom wirklichen Eigentümer nach § 185 I BGB zur Veräußerung des Grundstücks ermächtigt wurde. Eine solche Ermächtigung von L wurde B hier ausdrücklich nicht erteilt. L hat B vielmehr untersagt, das Grundstück an einen ortsfremden Dritten zu veräußern.

Eine Ermächtigung des B aus § 185 I BGB liegt damit ausnahmsweise nicht vor. B handelte folglich als Nichtberechtigter.

138
Q

Nach h.M. enthält die rechtswirksame Auflassung (nach z.T. vertretener Auffassung erst i.V.m. der Eintragungsbewilligung) regelmäßig die konkludente Ermächtigung des Auflassungs- empfängers (§ 185 I BGB) zur Weiterveräußerung des Grundstücks an einen Dritten (vgl. näher Vieweg/Werner, Sachenrecht (6. Auflage, 2013), § 13 Rn. 30) .

KETTENAUFLASSUNG

A

Der Eigentümer gibt mit der Auflassung zu erkennen, dass er sein Eigentum an dem Grundstück an den Erwerber übertragen will. Ob und inwiefern der Erwerber das Grundstück auch vor dem Abschluss des Eintragungsvorganges beim Grundbuchamt weiterveräußern will, ist dem Erstver- äußerer bei dieser sogenannten Kettenauflassung in der Regel gleichgültig. Daher ist in diesen Konstellationen nach h.M. üblicherweise in der Auflassung die Ermächtigung des Erwerbers zu sehen, das Grundstück weiter zu veräußern (vgl. ausführlich Staudinger/Gursky, § 185 BGB Rn. 42 m.w.N. und Ausnahmen).
In der Auflassung kann aber nicht ohne weiteres eine Ermächtigung zur Belastung des Grund- stücks gesehen werden. Jedenfalls dann nicht, wenn der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt wurde. Aber auch bei Bezahlung des Kaufpreises kann von einer konkludenten Einwilligung nicht ausgegangen werden, da dem Grundstückseigentümer bei zwischenzeitlicher Eintragung von Grundpfandgläubigern eine über die Sachhaftung hinausgehende Haftung droht (z.B. aus § 1134 BGB, vgl. zum ganzen Staudinger/Gursky, a.a.O.).
Anders aber hier, da L dem B eine Weiterveräußerung an einen ortsansässigen Dritten ausdrück- lich untersagt hat. Zu weiteren Ausnahmen vgl. Staudinger/Gursky a.a.O.

139
Q

Gutgläubiger Erwerb C von B, §§ 873 I, 925 I, 892 BGB

a) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäftes b) Rechtsschein durch Grundbuch
c) Zwischenergebnis: §§ 873 I, 925 I, 892 (-)

A

Gutgläubiger Erwerb C von B, §§ 873 I, 925 I, 892 I 1, II BGB
Fraglich ist, ob C das Grundstück von B gutgläubig nach den §§ 873 I, 925 I, 892 I 1, II BGB erwor- ben haben könnte.
a) Rechtsgeschäft im Sinne eins Verkehrsgeschäftes
Zunächst müsste ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts vorliegen.
Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb nach §§ 925 I, 873 I BGB liegt hier zwischen B und C vor, der Ei- gentumserwerb soll weder gesetzlicher noch hoheitlicher Natur sein. Da sich mit B und C auch zwei unterschiedliche natürliche Personen gegenüberstehen, liegt hier mangels wirtschaftlicher Identität von Erwerber und Veräußerer auch ein Verkehrsgeschäft vor.

b) Rechtsschein durch Grundbuch
Weiterhin müsste – wie auch beim gutgläubigen Erwerb im Mobiliarsachenrecht – ein Rechts- schein bestehen, der den Veräußerer als Eigentümer des veräußerten Grundstückes ausweist. Träger des Rechtsscheins im Immobiliarsachenrecht ist das Grundbuch.
§ 891 BGB stellt die Vermutung auf, dass derjenige, der als Berechtigter ins Grundbuch eingetra- gen ist, auch wirklich der Berechtigte ist.
Voraussetzung für die Annahme eines Rechtsscheins ist damit zunächst die Unrichtigkeit des Grundbuchs sowie die (vermeintlich gegebene) Legitimation des Verfügenden aus dem Grund- buch.
Es müsste also zunächst das Grundbuch unrichtig sein, dessen Inhalt also von der tatsächlichen (materiellen) Rechtslage abweichen.
Im Grundbuch war zum Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstückes an C L als Eigentümer eingetragen. Zur Eintragung des B war es (noch) nicht gekommen. Wie oben geprüft, war zum Zeitpunkt der Veräußerung von B an C auch L noch Eigentümer des Grundstückes.
Die formelle Rechtslage nach dem Grundbuch stimmte also mit der materiellen Rechtslage über- ein. Auch ergab sich aus dem Grundbuch keine Legitimation des B zur Veräußerung des Grund- stücks.
Es fehlt mithin bereits an einem Rechtschein, der einen gutgläubigen Erwerb des C vom Nicht- Berechtigten B ermöglichen würde.
c) Zwischenergebnis
C hat das Eigentum am Grundstück also nicht gutgläubig im Wege des rechtsgeschäftlichen Er- werbs von B als Nichtberechtigtem nach §§ 873 I, 925 I, 892 I 1, II BGB erworben.

140
Q

Eigentumsübergang L auf C durch Er- werb eines AWR durch C und Erstarken des AWR zum Vollrecht
a) (Erst-) Erwerb des AWR bei B (1) P: AWR bei Grundstücken
(a) Mindermeinung
(b) Kritik an der Mindermeinung (c) H.M.
Lösungsskizze zu Fall 9
(2) P: Entstehungszeitpunkt des AWR
(a) Mindermeinung (b) H.M.
(c) Weitere Auffassung (d) Zwischenergebnis
(3) Entstehen des AWR bei B
(4) Zwischenergebnis: AWR (+)
b) Übertragung des AWR von B auf C
(Zweiterwerb)
(1) Auflassung, § 925 I 1 BGB analog (2) Keine Eintragung erforderlich
(3) Berechtigung
(4) Zwischenergebnis: Übertragung (+)
c) Erstarken des AWR zum Vollrecht
d) Zwischenergebnis: Eigentum des C (+)
6. Zwischenergebnis: Unrichtigkeit (-) II. Ergebnis: § 894 BGB (-)

A

Eigentumsübergang von L auf C durch Erwerb eines Anwartschaftsrechts durch C und Er- starken des Anwartschaftsrechtes zum Vollrecht
C könnte das Eigentum an dem Grundstück dadurch erlangt haben, dass er von B ein Anwart- schaftsrecht am Grundstück erlangte und dieses bei ihm zum Vollrecht erstarkte.
Dafür wäre zunächst erforderlich, dass B Inhaber eines Anwartschaftsrechts am Grundstück war. Sodann müsste B sein Anwartschaftsrecht wirksam auf C übertragen haben.
a) (Erst-) Erwerb des Anwartschaftsrechts bei B
B müsste von L ein Anwartschaftsrecht am Grundstück erworben haben.
(1) P: Anwartschaftsrecht an Grundstücken
Fraglich ist, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein Anwartschaftsrecht (auch) an einem Grundstück bestehen kann.
Nach h.M. liegt ein Anwartschaftsrecht dann vor, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbe- stand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposi- tion des Erwerbers gesprochen werden kann, die vom Veräußerer nicht mehr einseitig zerstört werden kann (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 60; Rolf Schmidt, Sachenrecht II, Rn. 218).

Ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück bestehen kann, ist umstritten.
(a) Mindermeinung
Einerseits könnte man die Existenz eines Anwartschaftsrechts am Immobilieneigentum bereits mit dem Argument ablehnen, dass nach dem Grundgedanken des § 873 BGB die Begründung von Rechten an einem Grundstück neben der dinglichen Einigung immer auch die Eintragung ins Grundbuch voraussetzt.
Würde man dem Erwerber bereits vor dessen Eintragung ins Grundbuch als Eigentümer eine sa- chenrechtliche Rechtsposition in Form eines Anwartschaftsrechts zubilligen, so würde ein Recht am Grundstück begründet, welches sich im Grundbuch nicht widerspiegele.
(b) Kritik an der Mindermeinung
Diese Sichtweise ist jedoch mit Blick auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs zu eng und deshalb abzulehnen.
Bei der Veräußerung von Grundstücken müssen vielfach behördliche Genehmigungen eingeholt werden. Das Eintragungsverfahren beim Grundbuchamt kann sich deshalb unter Umständen über Wochen und Monate hinziehen. Würde man dem Erwerber für den Zeitraum vor der Eintragung keine gesicherte Rechtsposition zugestehen, so wäre dieser vor Zwischenverfügungen des Veräu- ßerers komplett ungeschützt und könnte sein Grundstück nicht wirtschaftlich nutzen (denken Sie beispielsweise auch an § 946 BGB).
(c) H.M.
Das Anwartschaftsrecht am Immobilieneigentum ist deshalb nach h.M. als Notwendigkeit des Rechtsverkehrs und der Verkehrsfähigkeit von Grundstücken sowie unter wirtschaftlichen Ge- sichtspunkten grundsätzlich anzuerkennen.
(2) Entstehungszeitpunkt des Anwartschaftsrechts an Grundstücken
Innerhalb der h.M. ist jedoch umstritten, ab welchem Zeitpunkt das Anwartschaftsrecht an Grund- stücken entsteht. Für die Argumentation relevant ist die Definition des Anwartschaftsrechts (s.o.).

(a) Mindermeinung
Einer Mindermeinung zufolge entsteht das Anwartschaftsrecht bereits mit der Erklärung der Auflassung. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Auflassung notariell beurkundet wurde und daher wegen § 873 II BGB nicht mehr vom Veräußerer widerrufen werden kann, habe der Erwer- ber nach dieser Ansicht eine hinreichend starke Rechtsstellung erlangt.
Problematisch an dieser Sichtweise ist jedoch, dass der Erwerber zu diesem Zeitpunkt noch keinen Schutz vor Zwischenverfügungen genießt.
Vor der Eintragung des Ersterwerbers ist der Veräußernde nach wie vor Eigentümer, kann also noch als Berechtigter über das Grundstück verfügen. Lässt also der Eigentümer nach der ersten Auflassung das Grundstück noch an einen Zweiterwerber auf, kann dieser durch Eintragung ins Grundbuch Eigentümer werden, ohne dass der Ersterwerber dies verhindern könnte.
Zudem könnten Gläubiger des Veräußerers aufgrund eines vollstreckbaren Titels nach wie vor die Eintragung einer Zwangshypothek erwirken (§§ 866 I, 867 I ZPO), die dann im Grundbuch vorab eingetragen werden müsste.
Eine Entstehung des Anwartschaftsrechts bereits mit der Beurkundung der Auflassung ist also abzulehnen.
(b) H.M.
Zu fordern ist für die Entstehung eines Anwartschaftsrechts nach h.M. vielmehr, dass über die Erklärung der Auflassung und deren Bindungswirkung nach § 873 II BGB hinaus auch der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt bereits gestellt wurde.
Das Grundbuchamt ist nach § 17 GBO an den Prioritätsgrundsatz gebunden. Ist also der Antrag auf Eintragung des Ersterwerbers gestellt und der Veräußerer lässt das Grundstück an den Zwei- terwerber auf, so würde dessen Antrag auf Eintragung zeitlich später liegen und daher erst nach dem Antrag des Ersterwerbers bearbeitet werden.
Zu dem Zeitpunkt, in dem das Grundbuchamt sich dem Antrag des Zweiterwerbers zuwenden würde, wäre damit bereits der Antrag des Ersterwerbers bearbeitet und dieser als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden. Der Veräußernde wäre ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Berech- tigter und der Zweiterwerber könnte kein Eigentum an dem Grundstück mehr erwerben.
Darüber hinaus muss der Antrag beim Grundbuchamt nach h.M. zudem vom Erwerber des Grundstücks selbst gestellt worden sein.
In dem Fall, in dem nämlich der Veräußernde den Antrag auf Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch stellt, hätte dieser es in der Hand, durch Rücknahme des Antrags die Eintragung des Ersterwerbers wieder zu verhindern. Eine gesicherte Rechtsposition läge also gerade nicht vor. Ausreichend gesichert ist der Erwerber nach h.M. somit nur dann, wenn er den Antrag auf Eintra- gung ins Grundbuch selbst gestellt hat. In diesem Fall kann der Veräußernde den Antrag nicht beeinflussen und somit die Eintragung des Ersterwerbers ins Grundbuch und damit den Erwerb des Vollrechts nicht mehr verhindern.
Zum Teil wird für die Entstehung des Anwartschaftsrechts zusätzlich gefordert, dass auch die Erteilung der Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer bereits erfolgt sein müsse (vgl. z.B. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62 mit Fn. 342). In diesem Rahmen kann die Bewilligung aber der Auf- lassungserklärung des Veräußerers durch Auslegung entnommen werden (Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 134 i.V.m. Rn. 101).

(c) Weitere Auffassung
Die weitere Ansicht, die auch bei Stellung des Eintragungsantrags durch den Erwerber selbst eine hinreichend gesicherte Rechtsposition und damit das Entstehen des Anwartschaftsrechts verneint, ist abzulehnen.
Diese Ansicht meint, dass das Grundbuchamt sich über sein formelles Verfahrensrecht – und da- mit über den in §§ 17, 45 GBO festgelegten Prioritätsgrundsatz – hinwegsetzen und den Zweiter- werber vor dem Ersterwerber eintragen könne. In diesem Fall würde der Zweiterwerber Eigentum am Grundstück erwerben. Eine gesicherte Rechtsposition des Ersterwerbers könne es daher prak- tisch nie gegeben.
Der Ersterwerber wäre in diesem Fall auf einen Schadensersatzanspruch gegen das Land Baden- Württemberg, beschränkt, könnte aber kein Eigentum mehr erwerben. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass es absolute Sicherheiten nicht geben kann.
Das vorgenannte Argumentation ist deshalb nicht geeignet, eine gesicherte Rechtsposition des Ersterwerbers per se auszuschließen. Auch das Anwartschaftsrecht an Mobilien kann letztlich nach § 936 BGB gutgläubig wegerworben werden.
Es ist daher nach h.M. nicht notwendig, dass die Rechtsstellung des Erwerbenden absolut vor je- der Zwischenverfügung schützt, um als sicher gelten zu können. Ausreichend ist vielmehr eine weitestgehend gesicherte Rechtsstellung, auch wenn diese nicht vor allen Eventualitäten schützt.
(d) Zwischenergebnis
Ein Anwartschaftsrecht an Grundstücken entsteht mithin mit bindender (also notariell beurkunde- ter) Auflassung nach § 873 II BGB und Stellung des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt durch den Erwerber selbst, wobei der Antrag nicht vom Grundbuchamt zurückgewiesen worden sein darf (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). Darüber hinaus ist die Erteilung der Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer erforderlich (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). In diesem Rahmen kann die Bewilligung aber der Auflassungserklärung des Veräußerers durch Auslegung entnommen wer- den (Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 134 i.V.m. Rn. 101).

141
Q

Das Anwartschaftsrecht ist im Grundstücksrecht aufgrund des zeitlich gestreckten Eigen- tumserwerbs (dieser ist erst mit der tatsächlichen Eintragung im Grundbuch vollendet, s.o.) und des damit verbundenen erheblichen Sicherungsbedürfnisses von erheblicher Bedeutung.

A

Wenn Sie sich beispielsweise vorstellen, dass jemand ein Grundstück erwirbt, die Eintragung ins Grundbuch aber erst 3 Monate später erfolgt, so könnte das Grundstück ohne weiteren Schutz des

Erwerbs durch das Anwartschaftsrecht in diesem Zeitraum nicht genutzt werden und würde brach liegen (und damit keine wirtschaftlichen Werte schaffen).
Exkurs zum Anwartschaftsrecht: Im Mobiliarsachenrecht wird das Anwartschaftsrecht ausgehend von § 161 BGB begründet. § 161 BGB stellt auf eine Verfügung unter einer Bedingung ab (§ 158 BGB, Bedingung die vollständige Zahlung des Kaufpreises).
Die Auflassung nach § 925 BGB ist aber grundsätzlich bedingungs- und befristungsfeindlich. Sie kann mithin nur unbedingt erklärt werden (zwar können Rechtsgeschäfte nach §§ 158 ff. BGB grundsätzlich unter einer Bedingung geschlossen oder befristet werden; nicht aber, wenn eine Vorschrift es verbietet – wie z.B. § 925 II BGB. Nach dieser Vorschrift ist eine unter einer Bedin- gung oder Befristung vorgenommene Auflassung unwirksam). Grund dafür ist, dass bei Grund- stücken Schwebezustände oder Unsicherheiten hinsichtlich der Eigentumslage vermieden werden müssen; das Grundbuch gibt definitive Auskunft.
§ 925 II BGB schließt also einen Kauf unter Eigentumsvorbehalt – der bei beweglichen Sachen ger- ne zur Kreditsicherung genutzt wird – aus.
Das Anwartschaftsrecht an Grundstücken wird demnach nicht unter Bezugnahme auf § 161 BGB begründet.

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Q

STREIT BEI ANWENDUNG DES ANWARTSCHAFTSRECHTS AM IMMOBILIEN

A

(a) Mindermeinung
Einerseits könnte man die Existenz eines Anwartschaftsrechts am Immobilieneigentum bereits mit dem Argument ablehnen, dass nach dem Grundgedanken des § 873 BGB die Begründung von Rechten an einem Grundstück neben der dinglichen Einigung immer auch die Eintragung ins Grundbuch voraussetzt.
Würde man dem Erwerber bereits vor dessen Eintragung ins Grundbuch als Eigentümer eine sa- chenrechtliche Rechtsposition in Form eines Anwartschaftsrechts zubilligen, so würde ein Recht am Grundstück begründet, welches sich im Grundbuch nicht widerspiegele.
(b) Kritik an der Mindermeinung
Diese Sichtweise ist jedoch mit Blick auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs zu eng und deshalb abzulehnen.
Bei der Veräußerung von Grundstücken müssen vielfach behördliche Genehmigungen eingeholt werden. Das Eintragungsverfahren beim Grundbuchamt kann sich deshalb unter Umständen über Wochen und Monate hinziehen. Würde man dem Erwerber für den Zeitraum vor der Eintragung keine gesicherte Rechtsposition zugestehen, so wäre dieser vor Zwischenverfügungen des Veräu- ßerers komplett ungeschützt und könnte sein Grundstück nicht wirtschaftlich nutzen (denken Sie beispielsweise auch an § 946 BGB).
(c) H.M.
Das Anwartschaftsrecht am Immobilieneigentum ist deshalb nach h.M. als Notwendigkeit des Rechtsverkehrs und der Verkehrsfähigkeit von Grundstücken sowie unter wirtschaftlichen Ge- sichtspunkten grundsätzlich anzuerkennen.

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Q

(2) Entstehungszeitpunkt des Anwartschaftsrechts an Grundstücken
Innerhalb der h.M. ist jedoch umstritten, ab welchem Zeitpunkt das Anwartschaftsrecht an Grund- stücken entsteht. Für die Argumentation relevant ist die Definition des Anwartschaftsrechts (s.o.).

(Ein Anwartschaftsrecht an Grundstücken entsteht mithin mit bindender (also notariell beurkunde- ter) Auflassung nach § 873 II BGB und Stellung des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt durch den Erwerber selbst, wobei der Antrag nicht vom Grundbuchamt zurückgewiesen worden sein darf (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). Darüber hinaus ist die Erteilung der Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer erforderlich (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). In diesem Rahmen kann die Bewilligung aber der Auflassungserklärung des Veräußerers durch Auslegung entnommen wer- den (Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 134 i.V.m. Rn. 101).)

A

(a) Mindermeinung
Einer Mindermeinung zufolge entsteht das Anwartschaftsrecht bereits mit der Erklärung der Auflassung. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Auflassung notariell beurkundet wurde und daher wegen § 873 II BGB nicht mehr vom Veräußerer widerrufen werden kann, habe der Erwer- ber nach dieser Ansicht eine hinreichend starke Rechtsstellung erlangt.
Problematisch an dieser Sichtweise ist jedoch, dass de r Erwerber zu diesem Zeitpunkt noch keinen Schutz vor Zwischenverfügungen genießt.
Vor der Eintragung des Ersterwerbers ist der Veräußernde nach wie vor Eigentümer, kann also noch als Berechtigter über das Grundstück verfügen. Lässt also der Eigentümer nach der ersten Auflassung das Grundstück noch an einen Zweiterwerber auf, kann dieser durch Eintragung ins Grundbuch Eigentümer werden, ohne dass der Ersterwerber dies verhindern könnte.
Zudem könnten Gläubiger des Veräußerers aufgrund eines vollstreckbaren Titels nach wie vor die Eintragung einer Zwangshypothek erwirken (§§ 866 I, 867 I ZPO), die dann im Grundbuch vorab eingetragen werden müsste.
Eine Entstehung des Anwartschaftsrechts bereits mit der Beurkundung der Auflassung ist also abzulehnen.
(b) H.M.
Zu fordern ist für die Entstehung eines Anwartschaftsrechts nach h.M. vielmehr, dass über die Erklärung der Auflassung und deren Bindungswirkung nach § 873 II BGB hinaus auch der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt bereits gestellt wurde.
Das Grundbuchamt ist nach § 17 GBO an den Prioritätsgrundsatz gebunden. Ist also der Antrag auf Eintragung des Ersterwerbers gestellt und der Veräußerer lässt das Grundstück an den Zwei- terwerber auf, so würde dessen Antrag auf Eintragung zeitlich später liegen und daher erst nach dem Antrag des Ersterwerbers bearbeitet werden.
Zu dem Zeitpunkt, in dem das Grundbuchamt sich dem Antrag des Zweiterwerbers zuwenden würde, wäre damit bereits der Antrag des Ersterwerbers bearbeitet und dieser als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden. Der Veräußernde wäre ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Berech- tigter und der Zweiterwerber könnte kein Eigentum an dem Grundstück mehr erwerben.
Darüber hinaus muss der Antrag beim Grundbuchamt nach h.M. zudem vom Erwerber des Grundstücks selbst gestellt worden sein.
In dem Fall, in dem nämlich der Veräußernde den Antrag auf Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch stellt, hätte dieser es in der Hand, durch Rücknahme des Antrags die Eintragung des Ersterwerbers wieder zu verhindern. Eine gesicherte Rechtsposition läge also gerade nicht vor. Ausreichend gesichert ist der Erwerber nach h.M. somit nur dann, wenn er den Antrag auf Eintra- gung ins Grundbuch selbst gestellt hat. In diesem Fall kann der Veräußernde den Antrag nicht beeinflussen und somit die Eintragung des Ersterwerbers ins Grundbuch und damit den Erwerb des Vollrechts nicht mehr verhindern.
Zum Teil wird für die Entstehung des Anwartschaftsrechts zusätzlich gefordert, dass auch die Erteilung der Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer bereits erfolgt sein müsse (vgl. z.B. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62 mit Fn. 342). In diesem Rahmen kann die Bewilligung aber der Auf- lassungserklärung des Veräußerers durch Auslegung entnommen werden (Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 134 i.V.m. Rn. 101).

(c) Weitere Auffassung
Die weitere Ansicht, die auch bei Stellung des Eintragungsantrags durch den Erwerber selbst eine hinreichend gesicherte Rechtsposition und damit das Entstehen des Anwartschaftsrechts verneint, ist abzulehnen.
Diese Ansicht meint, dass das Grundbuchamt sich über sein formelles Verfahrensrecht – und da- mit über den in §§ 17, 45 GBO festgelegten Prioritätsgrundsatz – hinwegsetzen und den Zweiter- werber vor dem Ersterwerber eintragen könne. In diesem Fall würde der Zweiterwerber Eigentum am Grundstück erwerben. Eine gesicherte Rechtsposition des Ersterwerbers könne es daher prak- tisch nie gegeben.
Der Ersterwerber wäre in diesem Fall auf einen Schadensersatzanspruch gegen das Land Baden- Württemberg, beschränkt, könnte aber kein Eigentum mehr erwerben. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass es absolute Sicherheiten nicht geben kann.
Das vorgenannte Argumentation ist deshalb nicht geeignet, eine gesicherte Rechtsposition des Ersterwerbers per se auszuschließen. Auch das Anwartschaftsrecht an Mobilien kann letztlich nach § 936 BGB gutgläubig wegerworben werden.
Es ist daher nach h.M. nicht notwendig, dass die Rechtsstellung des Erwerbenden absolut vor je- der Zwischenverfügung schützt, um als sicher gelten zu können. Ausreichend ist vielmehr eine weitestgehend gesicherte Rechtsstellung, auch wenn diese nicht vor allen Eventualitäten schützt.
(d) Zwischenergebnis
Ein Anwartschaftsrecht an Grundstücken entsteht mithin mit bindender (also notariell beurkunde- ter) Auflassung nach § 873 II BGB und Stellung des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt durch den Erwerber selbst, wobei der Antrag nicht vom Grundbuchamt zurückgewiesen worden sein darf (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). Darüber hinaus ist die Erteilung der Eintragungsbewilligung durch den Veräußerer erforderlich (vgl. Vieweg/Werner, § 13 Rn. 62). In diesem Rahmen kann die Bewilligung aber der Auflassungserklärung des Veräußerers durch Auslegung entnommen wer- den (Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 134 i.V.m. Rn. 101).

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Q

Die Rechtsposition des Erwerbers wird von Stufe zu Stufe immer „stärker“:

A
  1. Stufe: Bindende Auflassung gemäß § 873 II BGB → Schutz gegen einen Widerruf der Einigung durch den Veräußerer
  2. Stufe: Stellen des Eintragungsantrags (durch den Erwerber) und Erteilung der Eintragungsbe- willigung → Schutz gegen nachträgliche Verfügungsbeschränkungen (§ 878 BGB) und Geltung des formellen Prioritätsprinzips (§ 17 GBO).
    Hinweis: Im Recht der beweglichen Sachen ist die Existenz des Anwartschaftsrechtes allgemein anerkannt, dieses muss daher in der Klausur nicht ausschweifend diskutiert werden, ein kurzer Verweis auf die zu Grunde liegenden Rechtsnormen (§§ 161 I, III, 936 I, III, 986 II BGB) reicht aus. Im Rahmen des Immobiliarsachenrechts ist das Anwartschaftsrecht zwar auch anerkannt, wegen der weniger eindeutigen Rechtslage wird in der Klausur jedoch die Erörterung des oben aufge- zeigten Streitstandes erwartet.
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(3) Entstehen des Anwartschaftsrechts bei B
L und B hatten sich vorliegend wirksam über den Eigentumsübergang am Grundstück geeinigt (§ 925 I 1 BGB). Die Einigung war aufgrund der notariellen Beurkundung auch bindend, vgl. § 873 II BGB. B hatte auch den Antrag auf Eintragung ins Grundbuch selbst gestellt und dieser wurde nicht vor dem Grundbuchamt zurückgewiesen.

A

Auch die weiteren Voraussetzungen des Erwerbstatbestandes – mit Ausnahme der Eintragung – lagen vor. L war als Eigentümer des Grundstücks insbesondere auch zur Veräußerung desselben berechtigt.
(4) Zwischenergebnis
Mit dem von ihm gestellten Antrag auf Eintragung ins Grundbuch ist für B somit ein Anwart- schaftsrecht auf Eigentumserwerb am Grundstück des L entstanden.

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Q

Kurzer Überblick zum Schutz des Anwartschaftsberechtigten:

A

Kurzer Überblick zum Schutz des Anwartschaftsberechtigten:
- Aufhebung des Kaufvertrags bedarf notarieller Beurkundung
- Schutz durch Prioritätsprinzip gemäß § 17 GBO
- Schadensersatzansprüche (§§ 823 I, 826, Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB)
Das Anwartschaftsrecht (an Grundstücken) begründet nach h.M. kein Recht zum Besitz (str.). Vgl. zum Ganzen Vieweg/Werner, § 13 Rn. 64

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Q

b) Übertragung des Anwartschaftsrechts des B auf C (Zweiterwerb durch C)
Weiterhin müsste das Anwartschaftsrecht im Wege des Zweiterwerbs von B auf C übertragen worden sein.
Die Übertragung eines Anwartschaftsrechts folgt den Regeln der Übertragung des Vollrechts, da das Anwartschaftsrecht nach h.M. ein wesensgleiches Minus zum Vollrecht darstellt.
Die Übertragung des Anwartschaftsrechts an Grundstücken richtet sich also nach §§ 873 I, 925 I 1 BGB analog.

(Man könnte sich allerdings die Frage stellen, ob der Wille des L, der B ausdrücklich untersagte, das Grundstück an einen nicht Ortsansässigen zu veräußern, der Berechtigung des B entgegen- steht.
Eine solche Abrede hat jedoch wegen § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung.)

A

(1) Auflassung, § 925 I 1 BGB analog
Zunächst müsste die Auflassung zwischen B und C, also die dingliche Einigung über den Über- gang des Anwartschaftsrechts, vorliegen.
Hier einigten sich B und C am 24.01.2017 in der durch § 925 I BGB gebotenen Form, allerdings war diese Einigung auf die Übertragung des Eigentums, nicht die Übertragung des Anwartschafts- rechts gerichtet.Diese Einigung könnte als „Minus“ jedoch auch eine Einigung über die Übertra- gung des Anwartschaftsrechts enthalten.
Nach Ansicht des BGH lässt sich die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Einigung über die Eigentumsübertragung entnehmen. Nach a. A. kann die Einigung nach § 873 I BGB in eine Einigung über die Übertragung des An- wartschaftsrechts umgedeutet werden, § 140 BGB.
Nach beiden Ansichten ist mithin die Einigung über die Übertragung des Anwartschaftsrechts in der dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang enthalten.
Eine Einigung analog §§ 873 I, 925 I BGB über den Übergang des Anwartschaftrechts liegt mithin vor.
(2) Keine Eintragung erforderlich
Im Gegensatz zum Vollrecht Eigentum bedarf das Anwartschaftsrecht weder zu seiner Entstehung noch zu seiner Übertragung der Eintragung ins Grundbuch. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur eintragungsfähige Umstände und Rechte ins Grundbuch eingetragen werden können. Zu diesen gehört das Anwartschaftsrecht jedoch nicht (h.M., str. vgl. Staudinger/Pfeifer § 925 Rn. 129 zur Eintragungsfähigkeit der Eigentumsanwartschaft).
(3) Berechtigung des B
Weiterhin müsste B bezüglich der Übertragung des Anwartschaftsrechts berechtigt sein.
Berechtigt ist grundsätzlich der in seiner Verfügungsbefugnis nicht eingeschränkte Inhaber eines Rechts. Wie oben geprüft, hatte B ein Anwartschaftsrecht erworben. Grundsätzlich wäre er somit als Berechtigter anzusehen.
Man könnte sich allerdings die Frage stellen, ob der Wille des L, der B ausdrücklich untersagte, das Grundstück an einen nicht Ortsansässigen zu veräußern, der Berechtigung des B entgegen- steht.
Eine solche Abrede hat jedoch wegen § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung.
B könnte nach seiner Eintragung ins Grundbuch und damit dem Erwerb der Eigentümerstellung frei über das Grundstück verfügen. Ebenso kann B vor der Eintragung frei über sein Anwart- schaftsrecht verfügen.
Da allerdings nach § 137 S. 2 BGB das Veräußerungsverbot als rein schuldrechtliche Verpflichtung wirksam ist, könnte sich B durch die Weiterveräußerung eventuell L gegenüber schadenersatz- pflichtig gemacht haben (was hier jedoch nicht zu prüfen ist, da die Fallfrage dies nicht umfasst).

B handelte bezüglich der Übertragung des Anwartschaftsrechts an C mithin als Berechtigter.
(4) Zwischenergebnis
C hat somit im Wege des Zweiterwerbs ein Anwartschaftsrecht am Grundstück des L von B ana- log §§ 873 I, 925 BGB erworben.

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Q

Im vorliegenden Fall war L offensichtlich in rechtlicher Hinsicht schlecht beraten. Hätte etwa der Notar von dem Ansinnen des L, die Weiterveräußerung des Grundstücks zu ver- hindern, gewusst, hätte er ihm folgende rechtliche Gestaltungsmöglichkeit vorschlagen können:

A

Im Kaufvertrag mit B hätte sich L ein vertragliches Rücktrittsrecht für den Fall der durch L nicht genehmigten Weiterveräußerung des Grundstückes durch B ausbedingen müssen. Hierdurch ent- stünde ein durch die Weiterveräußerung durch B und die Ausübung des Rücktrittsrechtes doppelt aufschiebend bedingter Rückauflassungsanspruch des L gegen B aus § 346 I BGB.
Um diesen Anspruch auch dinglich abzusichern – andernfalls würde durch die wirksame Weiter- veräußerung an einen Dritten der Anspruch nach § 275 I BGB wegen rechtlicher Unmöglichkeit untergehen – wäre zu dessen Sicherung sodann eine Rückauflassungsvormerkung zugunsten des L zu bewilligen und einzutragen gewesen.

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Q

Erstarken des AWR zum Vollrecht
BEI IMMOBILIEN
Im Gegensatz zum Mobiliarsachenrecht ist im Immobiliarsachenrecht die Kaufpreiszah- lung für Entstehung des Anwartschaftrecht und dessen Erstarken zum Vollrecht irrelevant.

A

c) Erstarken des AWR zum Vollrecht
Weiterhin müsste das Anwartschaftsrecht bei C zum Vollrecht erstarkt sein. Dies ist dann der Fall, wenn die noch ausstehenden Einzelbestandteile des Erwerbstatbestandes des Vollrechts vorlie- gen.
Sobald C als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird, erstarkt daher das Anwartschaftsrecht bei ihm zum Vollrecht, ohne dass es zu einem Durchgangserwerb bei B kommt
d) Zwischenergebnis
Mit Eintragung ins Grundbuch ist das Anwartschaftsrecht des C Mitte April 2017 zum Vollrecht erstarkt und C hat Eigentum an dem Grundstück des L erworben.
6. Zwischenergebnis
Da C Eigentümer des Grundstücks geworden ist und als solcher auch im Grundbuch eingetragen ist, steht die formelle Rechtslage nicht im Widerspruch zur materiellen Rechtslage. Das Grundbuch ist somit nicht unrichtig.
III. Ergebnis
L hat gegen C folglich keinen Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs aus § 894 BGB.

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Q

Frage 2: Anspruch des L gegen C auf Unterlassung des Hausbaus bzw. Bordellbetriebs
A. Anspruch aus § 1004 I 2 BGB (analog)
L könnte gegen B einen Anspruch auf Unterlassung des Hausbaus, hilfsweise des Bordellbetriebs, aus § 1004 I 2 BGB (analog) zustehen.

A

I. Beeinträchtigung des L in seinem Eigentum
Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der bevorstehende Bau des Hauses oder aber der Betrieb des Bordells eine Beeinträchtigung des Eigentums des L in anderer Weise als durch Entzie- hung oder Vorenthaltung des Besitzes gemäß § 1004 I 1 BGB darstellt.
Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I 1 BGB liegt beispielsweise bei Eingriffen in die Sach- substanz, bei Immissionen oder bei der unberechtigten Benutzung der Sache vor.
Fraglich ist also, ob L dergestalt in seinem Eigentum am Haus bzw. an seinem Grundstück beein- trächtigt ist.
1. Durch den Entzug des Sonnenlichts und die verbaute Sicht
Fraglich ist, ob in dem Entzug des Sonnenlichts und darin, dass L die Sicht auf den Baggersee ver- baut würde, eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I 1 BGB zu sehen ist.
Eine Eigentumsbeeinträchtigung durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes des L (an sei- nem Wohnhaus) liegt nicht vor.
Bei dem Entzug des Sonnenlichts und der verbauten Sicht handelt es sich um sogenannte negative Einwirkungen. Negative Einwirkungen liegen dann vor, wenn ein Eigentümer (hier C) sein Grundstück innerhalb seiner Befugnisse nutzt (also z.B. ein Haus darauf erbaut), wodurch einem anderen jedoch immaterielle Vorteile seines Grundstücks entzogen werden (wie L die schöne Aus- sicht bzw. das Sonnenlicht).
Ob derartige negative Einwirkungen eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I 1 BGB darstellen, ist umstritten. In diesem Zusammenhang fraglich ist vor allem, ob als Ansatzpunkt für den Beein- trächtigungsbegriff allein auf § 903 BGB abzustellen ist oder ob auch § 906 BGB herangezogen werden kann

a) Mindermeinung
Einer Mindermeinung zufolge fallen auch die negativen Beeinträchtigungen unter § 903 BGB und sind damit durch § 1004 I 1 BGB geschützt. Ein Rückgriff auf den Begriff der „Zuführung“ in § 906 BGB sei nicht möglich; die Eigentumsrechte seien vielmehr nur in § 903 BGB benannt.
Zum Schutz des Eigentums gehöre auch die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit desselben. § 1004 I 1 BGB schütze daher auch vor negativen Einwirkungen.
b) H.M.
Nach h.M. stellen die sogennanten negativen Einwirkungen jedoch keine Beeinträchtigung im Sin- ne des § 1004 I 1 BGB dar (Palandt/Bassenge, § 906 Rn. 5). Dies ergebe sich vor allem aus dem ge- setzgeberischen Willen, der in § 906 BGB dokumentiert sei. Wenn das Gesetz in § 906 BGB die möglichen zu duldenden Einwirkungen zum einen ausdrücklich benennt und im Übrigen auf „ähnliche“ Einwirkungen verweist, müssen diese „ähnlichen“ Einwirkungen ebenso positiver Na- tur und vor allem auch zuführbar sein, also die Grundstücksgrenze tatsächlich positiv überschrei- ten. Es muss es sich somit stets um sinnlich wahrnehmbare Einwirkungen handeln.
Der alleinige Entzug etwa von Licht oder Aussicht genüge nicht, denn hier werde nichts im Sinne des § 906 I BGB „zugeführt“, sondern nur entzogen. Der Eigentümer des betreffenden Grund- stücks überschreite also nicht die ihm zustehenden Befugnisse und könne folglich auch nicht aus § 1004 I BGB in Anspruch genommen werden.
Die negativen Einwirkungen sind daher nicht vom Schutz des § 1004 I 1 BGB erfasst. Etwaige Un- billigkeiten sind über § 242 BGB zu lösen.
c) Zwischenergebnis
Eine Eigentumsbeeinträchtigung des L durch den Hausbau wegen des Entzugs des Sonnenlichts und der verbauten Aussicht liegt mithin nicht vor.
Die sogenannten negativen Einwirkungen werden vom Tatbestand des § 1004 I 1 BGB mithin nicht geschützt. Ein Unterlassungsanspruch steht L insoweit nicht zu.
2. Durch die Errichtung des Bordells
Fraglich ist, ob eine Beeinträchtigung von Ls Eigentums nach § 1004 I 1 BGB in der Errichtung ei- nes Bordellbetriebs zu sehen sein könnte, sodass L wenigstens insoweit ein Unterlassungsan- spruch zustünde.
Bei der Errichtung eines Bordellbetriebs auf dem Nachbargrundstück handelt es sich um eine so- genannte ideelle Einwirkung (auch als “immaterielle“, “psychische“ oder “moralische“ Immissi- onen bezeichnet). Hierunter versteht man Vorgänge oder Zustände auf einem Grundstück, die das seelische Empfinden des Nachbarn beeinträchtigen, insbesondere also die Darbietung abstoßen- der, unästhetischer oder das Schamgefühl verletzender Anblicke (ausführlich Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 76).
a) Teilweise Literatur
Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung unterliegen solche ideellen Einwirkungen dem Eigentumsschutz des § 1004 BGB und können entsprechend mit einer Beseitigungs- oder Unterlas- sungsklage erfolgreich angegriffen bzw. abgewehrt werden.
Begründet wird dies damit, dass die Beurteilung der Eigentumsbeeinträchtigung sich nicht maß- geblich an § 906 BGB ausrichte, sondern auf Grundlage des § 903 BGB erfolgen müsse. Die Aner-.

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. Negative Einwirkungen liegen dann vor, wenn ein Eigentümer (hier C) sein Grundstück innerhalb seiner Befugnisse nutzt (also z.B. ein Haus darauf erbaut), wodurch einem anderen jedoch immaterielle Vorteile seines Grundstücks entzogen werden (wie L die schöne Aus- sicht bzw. das Sonnenlicht).

A

Ob derartige negative Einwirkungen eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 I 1 BGB darstellen, ist umstritten. In diesem Zusammenhang fraglich ist vor allem, ob als Ansatzpunkt für den Beein- trächtigungsbegriff allein auf § 903 BGB abzustellen ist oder ob auch § 906 BGB herangezogen werden kann.

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Bei der Errichtung eines Bordellbetriebs auf dem Nachbargrundstück handelt es sich um eine so- genannte ideelle Einwirkung (auch als “immaterielle“, “psychische“ oder “moralische“ Immissi- onen bezeichnet)

A

Hierunter versteht man Vorgänge oder Zustände auf einem Grundstück, die das seelische Empfinden des Nachbarn beeinträchtigen, insbesondere also die Darbietung abstoßen- der, unästhetischer oder das Schamgefühl verletzender Anblicke (ausführlich Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 76).

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  1. Durch die Errichtung des Bordells
    Fraglich ist, ob eine Beeinträchtigung von Ls Eigentums nach § 1004 I 1 BGB in der Errichtung ei- nes Bordellbetriebs zu sehen sein könnte, sodass L wenigstens insoweit ein Unterlassungsan- spruch zustünde.
A

Bei der Errichtung eines Bordellbetriebs auf dem Nachbargrundstück handelt es sich um eine so- genannte ideelle Einwirkung (auch als “immaterielle“, “psychische“ oder “moralische“ Immissi- onen bezeichnet). Hierunter versteht man Vorgänge oder Zustände auf einem Grundstück, die das seelische Empfinden des Nachbarn beeinträchtigen, insbesondere also die Darbietung abstoßen- der, unästhetischer oder das Schamgefühl verletzender Anblicke (ausführlich Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 76).
a) Teilweise Literatur
Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung unterliegen solche ideellen Einwirkungen dem Eigentumsschutz des § 1004 BGB und können entsprechend mit einer Beseitigungs- oder Unterlas- sungsklage erfolgreich angegriffen bzw. abgewehrt werden.
Begründet wird dies damit, dass die Beurteilung der Eigentumsbeeinträchtigung sich nicht maß- geblich an § 906 BGB ausrichte, sondern auf Grundlage des § 903 BGB erfolgen müsse. Die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Rechtsprechung könne den Schutz des Eigentums nun auch ins Ideelle erweitern.
Der § 903 BGB müsse demnach die Messlatte für Eigentumsbeeinträchtigungen sein, und nicht ausschließlich § 906 BGB, der nur von materiellen Beeinträchtigungen ausgehen. § 906 BGB gebe nur den Hinweis darauf, unter welchen Umständen ein an sich vorliegender Anspruch aus § 1004 BGB wegen Ortsüblichkeit oder eingehaltener Rechtsvorschriften eingeschränkt bzw. ausgeschlos- sen werden müsse.
Eine analoge Anwendung des § 906 BGB könne hier neben § 903 BGB auch die ideelle Beeinträch- tigung erfassen, da der Eigentümer sonst schutzlos dastehe.
b) H.M./Rspr.
Dagegen hat die Rechtsprechung schon früh den Standpunkt eingenommen, dass solche durch optische Wahrnehmungen vermittelten Einwirkungen auf das Gefühlsleben des Grundstücks- nachbarn keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 I 1 BGB darstellen. Nach der grundlegenden Entscheidung RGZ 76, 130 ff. kann der Anblick schamverletzender Vorgänge auf einem benachbarten Grundstück (im entschiedenen Fall des RG: nackt herumlaufende Besucher in einem an das Grundstück des Klägers angrenzenden Freibad) nicht als Eigentumsbeeinträchtigung anerkannt werden.
Ebenso wenig kann nach RGZ 57, 239, 240 ein Grundstückseigentümer nach §§ 1004, 906 die Ein- stellung eines im Nachbarhaus betriebenen Bordells verlangen, solange von diesem nicht zusätz- lich noch Lärmbelästigungen oder andere unter den Katalog des § 906 BGB fallende Immissionen ausgehen.
Die Ansicht der Literatur übersehe, dass bei den ideellen Beeinträchtigungen der vorliegenden Art der sachliche Bezug zum Grundstück und damit zum Eigentum, das allein Gegenstand der Beur- teilung ist, fehlt. Würde man ideelle Beeinträchtigungen unter § 1004 I BGB als Beeinträchtigung des Eigentums anerkennen, drohe eine uferlose Ausweitung der Norm.
Die Verletzung des sittlichen Befindens der Nachbarschaft stellt damit keine Eigentumsverletzung am Grundstück dar und kann allenfalls über die Regeln des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtlich angegriffen werden.
Daher begründen ideelle Beeinträchtigungen keine Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche aus § 1004 I BGB; es fehlt an der Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne der Norm.
c) Zwischenergebnis
Es liegt keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 I BGB vor.
3. Zwischenergebnis
L kann weder die Errichtung des Hauses noch den Bordellbetrieb mit einer Unterlassungsklage aus § 1004 I 2 BGB verhindern.

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Q

Nachbarschutz, §§ 906 ff. BGB

A

Interessenkonflikte ergeben sich typischerweise zwischen Grundstücksnachbarn. Grundgedanke des BGB ist hier, dass ein Grundstück nicht losgelöst von seiner Umgebung betrachtet werden kann und gegebenenfalls Rücksichtnahmepflichten bestehen müssen. Es besteht ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ist aber kein (!) Schuldver- hältnis, d.h. die §§ 280, 278 BGB sind nicht anwendbar.
§§ 906 ff. BGB sehen insoweit verschiedene gesetzliche Duldungspflichten vor. Vielen Übungsfäl- len liegt hier die Konstellation zu Grunde, dass bei Bestehen nachbarlicher Duldungspflichten nach §§ 906 ff. BGB die petitorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Eigen- tum (v.a. § 1004 BGB) tatbestandlich ausgeschlossen sind (vertiefend hierzu beispielsweise Rolf Schmidt, Sachenrecht II, Rn. 90 ff.).
Eine wichtige Anspruchsgrundlage für einen Ausgleichsanspruch enthält § 906 II 2 BGB. Die Vor- schrift war in den vergangenen Jahren häufiger Gegenstand von Examensklausuren.
Anmerkung: Prüfungsaufbau § 1004 BGB (analog) - Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch
I. Voraussetzungen
1) Beeinträchtigung des Eigentums oder eines sonstigen von § 1004 BGB (ggf. analog) geschützten Rechts
2) Fortdauer der Beeinträchtigung (bei Beseitigungsanspruch) oder drohende Beeinträchtigung (bei Unterlassungsanspruch)
3) Keine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 II BGB
4) Anspruchsgegner ist Störer.
Handlungsstörer:
Handlungsstörer ist, wer durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung die Beeinträch- tigung adäquat kausal bewirkt hat.
Zustandsstörer:
Zustandsstörer ist der Eigentümer/Besitzer/Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beein- trächtigung ausgeht, nicht schon alleine aufgrund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. (vgl. Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 16, 19)
II. Rechtsfolgen
Beseitigung der Beeinträchtigung oder künftige Unterlassung
Bei der Lösungsskizze handelt es sich um einen Lösungsvorschlag. Sie beansprucht nicht, all- umfassend oder einzig zutreffend zu sein.

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Anmerkung: Prüfungsaufbau § 1004 BGB (analog) - Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch

A

I. Voraussetzungen
1) Beeinträchtigung des Eigentums oder eines sonstigen von § 1004 BGB (ggf. analog) geschützten Rechts
2) Fortdauer der Beeinträchtigung (bei Beseitigungsanspruch) oder drohende Beeinträchtigung (bei Unterlassungsanspruch)
3) Keine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 II BGB
4) Anspruchsgegner ist Störer.
Handlungsstörer:
Handlungsstörer ist, wer durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung die Beeinträch- tigung adäquat kausal bewirkt hat.
Zustandsstörer:
Zustandsstörer ist der Eigentümer/Besitzer/Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beein- trächtigung ausgeht, nicht schon alleine aufgrund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. (vgl. Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 16, 19)
II. Rechtsfolgen
Beseitigung der Beeinträchtigung oder künftige Unterlassung

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Q

Frage 1: Ansprüche des V gegen S und B
Teil 1: Ansprüche des V gegen S
A. Anspruch des V gegen S aus § 311 I BGB
V könnte gegen S ein Anspruch auf (Rück-)Auflassung des Grundstücks am Neckar aus der Ver- einbarung im Zusammenhang mit dem notariellen Schenkungsvertrag zustehen (§ 311 I BGB).

I. Anspruch entstanden
1. Einigung über Rückübertragung 2. Eintritt der Bedingung
3. Zwischenergebnis
II. Anspruch erloschen
1. Subjektive Unmöglichkeit 2. Wirkung der Vormerkung
a. Vormerkung für V, §§ 883, 885 BGB
(1) Vormerkungsfähiger Anspruch,
§ 883 I BGB
(2) Vormerkungsbewilligung, § 885 I
BGB
(3) Eintragung ins Grundbuch, § 885 I 1
BGB
(4) Berechtigung des S
(5) Zwischenergebnis
b. Vormerkungswidrige Verfügung nach Eintragung
(1) Vormerkungswidrige Verfügung (2) Nach Eintragung der Vormerkung (3) Zwischenergebnis
c. Rechtsfolge
3. Zwischenergebnis
III. Anspruch durchsetzbar IV. Ergebnis
A

I. Anspruch entstanden
Der Anspruch müsste wirksam entstanden sein.
1. Einigung über Rückübertragung
V und S müssten sich entsprechend geeinigt haben, §§ 145 ff. BGB.
Im Zusammenhang mit dem notariellen Schenkungsvertrag haben sich V und S dahingehend ge- einigt, dass V für den Fall, dass S sich mit B verloben würde (Bedingung), ein Anspruch auf Rück- übertragung des Grundstücks zustehen solle. Bei einer solchen Vereinbarung handelt es sich um einen sogenannten atypischen Vertrag, der nicht unter die im BGB näher definierten Verträge fällt, gemäß § 311 I BGB aber dennoch wirksam geschlossen werden kann.

Die Einigung zwischen V und S war auch wirksam, insbesondere formwirksam, § 311 b I 1 BGB.
2. Eintritt der Bedingung
Die Bedingung für die Entstehung des Anspruchs auf Rückübertragung im Sinne des § 158 I BGB – die Verlobung des S mit der B – ist eingetreten.

II. Anspruch erloschen
Der Anspruch dürfte nicht wieder untergegangen sein. Fraglich ist, ob der Anspruch des V gegen S auf Rückübereignung des Grundstücks gemäß § 275 I Alt. 1 BGB erloschen ist, weil S das Grund- stück an B weiterveräußert hat.
Durch die Veräußerung an B könnte S die Rückübereignung an V subjektiv unmöglich geworden sein, § 275 I Alt. 1 BGB.
1. Subjektive Unmöglichkeit, § 275 I Alt. 1 BGB
Fraglich ist also, ob die Rückübereignung an V für S subjektiv unmöglich geworden ist, § 275 I Alt. 1 BGB. Diese Situation wäre dann gegeben, wenn S zur Erfüllung des Anspruchs des V der Mit- wirkung eines Dritten – hier der B – bedürfte, diese aber verweigert wird.
So scheint der Fall vorliegend zu liegen, da S das Grundstück an die B veräußert hat und B eine Rückübertragung (Herausgabe) des Grundstücks verweigert (s. o. zum formellen Konsensprinzip).
2. Wirkung der (Rückauflassungs-)Vormerkung
Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn zugunsten des V eine wirksame Vormerkung bestellt worden wäre. Die Veräußerung des S an B wäre dann nach § 883 II 1 BGB V gegenüber relativ unwirksam.
Zu prüfen ist also, ob für V wirksam eine (Rückauflassungs-)Vormerkung bestellt wurde.
a. Vormerkung für V, §§ 883, 885 BGB
Die Bestellung der Vormerkung richtet sich nach §§ 883 I, 885 BGB (Ersterwerb der Vormerkung).
(1) Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB
V müsste einen sicherungsfähigen Anspruch im Sinne des § 883 I 1 BGB gegen S haben.

157
Q

Exkurs: Atypischer Vertrag

A

Die Vertragsinhaltsfreiheit ermöglicht es den Parteien, beliebige Leistungspflichten im Rahmen der durch die §§ 134, 138 BGB gezogenen Grenzen zu begründen und auszugestalten (§ 311 I BGB). So kann es zu Vertragsgestaltungen kommen, die von den gesetzlich (insb. im BGB und HGB) geregelten Vertragstypen zum Teil erheblich abweichen. Man kann zwischen atypischen und gemischten Verträgen unterscheiden, je nachdem, ob die Parteien in ihrem Vertrag Elemente gesetzlich geregelter Verträge kombinieren (sogenannte gemischte Verträge) oder ob sie eine Rege- lung wählen, die auch nicht partiell unter einen der gesetzlich geregelten Verträge subsumiert werden kann. Es handelt sich dann um sogenannte atypische Verträge (Münch- KommBGB/Emmerich, § 311 Rn. 24).

Der Anspruch auf Rückübertagung erinnert an einen Rücktritt nach §§ 323, 346 BGB. Gegen die Konstruktion eines vertraglichen Rücktrittsrechts spricht jedoch, dass S und V den (ur- sprünglichen) Schenkungsvertrag nicht mit den Rechtsfolgen des § 346 I BGB (auch Herausgabe der gezogenen Nutzungen) rückabwickeln wollten, sondern vielmehr einen eigenständigen Rück- übertragungsanspruch begründen wollten.

158
Q

II. Anspruch erloschen
Der Anspruch dürfte nicht wieder untergegangen sein. Fraglich ist, ob der Anspruch des V gegen S auf Rückübereignung des Grundstücks gemäß § 275 I Alt. 1 BGB erloschen ist, weil S das Grund- stück an B weiterveräußert hat.
Durch die Veräußerung an B könnte S die Rückübereignung an V subjektiv unmöglich geworden sein, § 275 I Alt. 1 BGB.

(Da B ins Grundbuch eingetragen worden ist, ist S laut Grundbuch nicht mehr Eigentü- mer des Grundstücks. S wäre auch grundbuchrechtlich nicht mehr in der Lage, die für den (Rück-) Erwerb des V notwendige Erklärung abzugeben (sogenanntes formelles Konsensprinzip, §§ 19, 39 GBO; vgl. Vieweg/Werner, § 14 Rn. 18).)

A

II. Anspruch erloschen
Der Anspruch dürfte nicht wieder untergegangen sein. Fraglich ist, ob der Anspruch des V gegen S auf Rückübereignung des Grundstücks gemäß § 275 I Alt. 1 BGB erloschen ist, weil S das Grund- stück an B weiterveräußert hat.
Durch die Veräußerung an B könnte S die Rückübereignung an V subjektiv unmöglich geworden sein, § 275 I Alt. 1 BGB.

  1. Subjektive Unmöglichkeit, § 275 I Alt. 1 BGB
    Fraglich ist also, ob die Rückübereignung an V für S subjektiv unmöglich geworden ist, § 275 I Alt. 1 BGB. Diese Situation wäre dann gegeben, wenn S zur Erfüllung des Anspruchs des V der Mit- wirkung eines Dritten – hier der B – bedürfte, diese aber verweigert wird.
    So scheint der Fall vorliegend zu liegen, da S das Grundstück an die B veräußert hat und B eine Rückübertragung (Herausgabe) des Grundstücks verweigert (s. o. zum formellen Konsensprinzip).
  2. Wirkung der (Rückauflassungs-)Vormerkung
    Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn zugunsten des V eine wirksame Vormerkung bestellt worden wäre. Die Veräußerung des S an B wäre dann nach § 883 II 1 BGB V gegenüber relativ unwirksam.
    Zu prüfen ist also, ob für V wirksam eine (Rückauflassungs-)Vormerkung bestellt wurde.
    a. Vormerkung für V, §§ 883, 885 BGB
    Die Bestellung der Vormerkung richtet sich nach §§ 883 I, 885 BGB (Ersterwerb der Vormerkung).
    (1) Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB
    V müsste einen sicherungsfähigen Anspruch im Sinne des § 883 I 1 BGB gegen S haben.
159
Q

(1) Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB
V müsste einen sicherungsfähigen Anspruch im Sinne des § 883 I 1 BGB gegen S haben.

(Merke: Als sicherungsfähige Ansprüche im Sinne des § 883 I 1 BGB kommen nur solche Ansprü- che in Betracht, die auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechte oder auf Änderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechtes gerichtet sind, d.h. nur solche Ansprüche, die auf eine dingliche und im Grund- buch eintragungsfähige Rechtsänderung gerichtet sind (vgl. Staudinger/Gursky, § 883 Rn. 27).)

1 ein schuldrechtlicher Anspruch
2 künftige und bedingte Ansprüche
3 Bedingung bestimmbar sein/ auf einer festen Grundlage (auf einem sicheren Rechtsboden) ste- hen (
4. Nicht ausreichend ist, wenn die Anspruchsentstehung alleine vom Willen des Schuldners abhängt.

A

(1) Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB
V müsste einen sicherungsfähigen Anspruch im Sinne des § 883 I 1 BGB gegen S haben.

a. Vormerkung für V, §§ 883, 885 BGB
Die Bestellung der Vormerkung richtet sich nach §§ 883 I, 885 BGB (Ersterwerb der Vormerkung).

Als solcher kommt nur ein schuldrechtlicher Anspruch in Betracht, der auf eine dingliche, im Grundbuch eintragungsfähige Rechtsänderung gerichtet ist (s.o.).
Ein solcher Anspruch des V könnte aus dem atypischen Vertrag mit S folgen, wonach V im Falle einer Verlobung des S mit der B ein Anspruch auf Rückübereignung des Grundstücks zustehen sollte. Es handelt sich hierbei um einen Anspruch, der eine dingliche und eintragungsfähige Rechtsänderung beinhaltet.
Fraglich ist jedoch, ob auch ein aufschiebend bedingter Anspruch als Anspruch im Sinne von § 883 I BGB anzusehen sein kann. Grundsätzlich bezieht § 883 I 2 BGB in den Kreis der vormer- kungsfähigen Ansprüche auch künftige und bedingte Ansprüche mit ein.
Bei bedingten Ansprüchen muss aber zunächst die Bedingung bestimmbar sein (Müko- BGB/Kohler, § 883 Rn. 26). Dies ist vorliegend der Fall, da anhand objektiver Umstände beurteilt werden kann, ob S mit B verheiratet ist oder nicht.
Nach h.M. können desweiteren nur solche Ansprüche als sicherungsfähig gemäß § 883 I 2 BGB angesehen werden, die bereits auf einer festen Grundlage (auf einem sicheren Rechtsboden) ste- hen (vgl. MünchKommBGB/Kohler, § 883 Rn. 28). Das wird vor allem bei künftigen Ansprüchen relevant, die nicht zur (Unter-)Gruppe der bedingten Ansprüche zählen.
Um das Grundbuch nicht zu überfrachten, ist ein solcher Rechtsboden nach h.M. nur dann anzu- nehmen, wenn der Schuldner die Entstehung des Anspruchs nicht mehr einseitig verhindern kann. Anders formuliert: Nicht ausreichend ist, wenn die Anspruchsentstehung alleine vom Willen des Schuldners abhängt. Nicht erforderlich ist aber andererseits, dass der Anspruch nur noch vom Willen des Gläubigers abhängt (Palandt/Bassenge, § 883 Rn. 15, 16, MünchKommBGB/Kohler, § 883 Rn. 28; streitig. So verlangt der BGH beispielweise, dass die Anspruchsentstehung nur noch vom Willen des Berechtigten abhängt, vgl. etwa BGHZ 166, 319 (324)).
Bei der aufschiebenden Bedingung – der Verlobung des S mit B – handelt es sich um eine sog. Po- testativbedingung, d.h. die Bedingung hängt von einer Handlung oder Erklärung einer der Par- teien ab.

Bei bedingten Ansprüchen geht man in aller Regel von einem sicheren Rechtsboden aus (Staudin- ger/Gursky, § 883 Rn. 176).
Nimmt die eine Partei – hier der S – die der Bedingung zugrunde liegende Handlung vor (verlobt sich S also mit B), kann S als Schuldner die Entstehung des Anspruchs nicht mehr einseitig verhin- dern (zur Potestativbedingung vgl. Staudinger/Gursky, § 883 Rn. 177). Aber auch vor dem Eintritt dieser Bedingung liegt der „sichere Rechtsboden“ gleichsam in der Vereinbarung eines bedingten Rückübertragungsanspruchs als solchem, der bereits ab diesem Zeitpunkt latent vorhanden ist. Ein sicherungsfähiger Anspruch des V gegen S ist mithin gegeben.

160
Q

Bei der aufschiebenden Bedingung – der Verlobung des S mit B – handelt es sich um eine sog. Po- testativbedingung, d.h. die Bedingung hängt von einer Handlung oder Erklärung einer der Par- teien ab.

A

Vormerkbar sind nach Abs. 1 S. 1 nur Ansprüche auf eine zumindest eintragungsfähige Rechtsänderung an einem Grundstück oder Grundstücksrecht, die durch Einräumung oder Auf- hebung eines Rechts an einem Grundstück oder an einem dieses belastenden Recht oder durch Inhalts- oder Rangänderung der genannten Rechte zu erfüllen sind. Dass nur auf Eintragung ge- richtete Ansprüche vormerkungsfähig sind, folgt aus der Zweckbestimmung der Vormerkung, den Gläubiger nur bis zur Eintragung der angestrebten dinglichen Rechtsänderung zu schützen. Die beabsichtigte Rechtsänderung muss nicht eintragungsbedürftig, aber eintragungsfähig sein, sonst ist die dafür eingetragene Vormerkung gegenstandslos und löschungsreif. […] Ein Anspruch auf Erwerb eines Anwartschaftsrechts ist wegen wesensgemäßer Eintragungsunfähigkeit dieser Rechtsposition ebenfalls nicht vormerkbar. Unterlassungspflichten, insbesondere rechtsgeschäftli- che Verfügungsverbote, die gemäß § 137 S. 2 bloß obligatorische Ansprüche erzeugen, sind nicht vormerkbar [da nicht auf eine eintragungsfähige Rechtsänderung gerichtet, Anm. d. Verf.], wohl aber grundsätzlich ein durch Verstoß gegen das Verfügungsverbot bedingter Rückübertragungs- anspruch. Mangels eintragbarer sachenrechtlicher Natur sind auch Miete und Pacht sowie sonstige
Beispiele für einen gesicherten Rechtsboden: Unwiderrufliches Grundstückskaufangebot; Vorver- trag, der Schuldner zum Abschluss des Hauptvertrags verpflichtet (→ gesicherter Rechtsboden dann bezüglich der Ansprüche aus dem Hauptvertrag)

schuldrechtliche Nutzungsrechte nicht vormerkbar. Da nicht unmittelbar auf einen sachenrechtli- chen Erfolg zielend, sind Ansprüche auf Abschluss eines Vertrags nicht vormerkungsfähig; wohl aber der daraus resultierende künftige schuldrechtliche Anspruch auf Einräumung des Eigentums. Auch Ansprüche auf Abgabe einer Zustimmungserklärung nach den §§ 876, 877, 880 Abs. 2 S. 2, 1183 sind nicht vormerkbar, da das Ziel dieser Ansprüche als solches nicht selbst eintragungsfähig ist, sondern die Anspruchsdurchsetzung lediglich Wirksamkeitsvoraussetzung für eine ihrerseits eintragungsfähige Rechtsänderung ist. Scheinbestandteile (§ 95) gelten als bewegliche Sachen; da- rauf bezogene Ansprüche sind nicht vormerkbar.“ (aus MünchKommBGB/Kohler, § 883 Rn. 16 ff.)

161
Q

a. Vormerkung für V, §§ 883, 885 BGB
Die Bestellung der Vormerkung richtet sich nach §§ 883 I, 885 BGB (Ersterwerb der Vormerkung).
(1) Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB

(2) Vormerkungsbewilligung durch S, § 885 I BGB
(3) Eintragung ins Grundbuch, § 885 I 1 BGB
(4) Berechtigung des S

(5) Zwischenergebnis
Eine wirksame Rückauflassungsvormerkung gemäß §§ 883, 885 BGB zugunsten des V ist mithin bestellt worden.
b. Vormerkungswidrige Verfügung des S nach Eintragung der Vormerkung

(1) Vormerkungswidrige Verfügung
(2) Nach Eintragung der Vormerkung

(3) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 883 II BGB liegen mithin vor.

A

Bei bedingten Ansprüchen geht man in aller Regel von einem sicheren Rechtsboden aus (Staudin- ger/Gursky, § 883 Rn. 176).
Nimmt die eine Partei – hier der S – die der Bedingung zugrunde liegende Handlung vor (verlobt sich S also mit B), kann S als Schuldner die Entstehung des Anspruchs nicht mehr einseitig verhin- dern (zur Potestativbedingung vgl. Staudinger/Gursky, § 883 Rn. 177). Aber auch vor dem Eintritt dieser Bedingung liegt der „sichere Rechtsboden“ gleichsam in der Vereinbarung eines bedingten Rückübertragungsanspruchs als solchem, der bereits ab diesem Zeitpunkt latent vorhanden ist. Ein sicherungsfähiger Anspruch des V gegen S ist mithin gegeben.
(2) Vormerkungsbewilligung durch S, § 885 I BGB
S hat die Eintragung der Rückauflassungsvormerkung zugunsten des V auch bewilligt.
(3) Eintragung ins Grundbuch, § 885 I 1 BGB
Am 03.02.2017 wurde die Vormerkung zugunsten des V gleichzeitig mit der Eintragung des S als neuem Eigentümer des Grundstücks ins Grundbuch eingetragen.
(4) Berechtigung des S
S müsste zur Bewilligung der Vormerkung berechtigt gewesen sein.
Zur Bewilligung einer Vormerkung berechtigt, ist gemäß § 885 I 1 BGB der wahre Inhaber des Rechts, welches durch die Vormerkung betroffen ist. Da S als Eigentümer des Grundstücks unmit- telbar von der Vormerkung Betroffener ist, war er zur Bewilligung der Vormerkung berechtigt.
(5) Zwischenergebnis
Eine wirksame Rückauflassungsvormerkung gemäß §§ 883, 885 BGB zugunsten des V ist mithin bestellt worden.

b. Vormerkungswidrige Verfügung des S nach Eintragung der Vormerkung
Zu prüfen ist nun, ob die Übereignung des Grundstücks von S an B eine vormerkungswidrige Ver- fügung darstellt, die nach Eintragung der Vormerkung ins Grundbuch vorgenommen wurde.

(1) Vormerkungswidrige Verfügung
Die Verfügung des S durch die Übereignung des Grundstücks an B gemäß §§ 873 I, 925 I BGB müsste als vormerkungswidrige Verfügung anzusehen sein. Dies wäre der Fall, wenn sie den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch des V auf Rückauflassung beeinträchtigt oder gar vereitelt würde.
Vorliegend ist B am 01.05.2017 als neue Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen worden. Zuvor hatten sich S und B formgültig (notariell) über die Übertragung des Grundstücks geeinigt und S war als (vorheriger) Eigentümer des Grundstücks zur Übereignung an B auch berechtigt (zur Ver- fügungsbefugnis in diesem Fall vgl. Vieweg/Werner, 6. Auflage, § 14 Rn. 2). B ist also auch mate- riell-rechtlich neue Eigentümerin des Grundstücks geworden. Die Vormerkung bewirkt zudem keine Grundbuchsperre, d.h. das Grundbuchamt war verpflichtet, B als neue Eigentümerin ins Grundbuch einzutragen (vgl. z.B. Bamberger/Roth, § 888 Rn. 1).
Ohne die Vormerkung könnte V seinen Anspruch gegen S auf Rückübertragung des Grundstücks mithin nicht mehr verwirklichen.
Die Übereignung an einen Dritten – hier B – stellt also eine Vereitelung des zugunsten des V vor- gemerkten Anspruchs dar, da sie grundsätzlich dazu führen würde, dass S als Schuldner des An- spruchs dessen Erfüllung subjektiv unmöglich würde gemäß § 275 I Alt. 1 BGB.
Sinn und Zweck des § 883 II BGB ist es aber gerade, den Vormerkungsberechtigten vor solchen Zwischenverfügungen des Veräußerers zu schützen. Eine vormerkungswidrige Verfügung des S liegt mithin vor.
(2) Nach Eintragung der Vormerkung
Die Verfügung des S an B ist auch nach Eintragung der Vormerkung ins Grundbuch erfolgt.
(3) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 883 II BGB liegen mithin vor.

c. Rechtsfolge
Nach § 883 II BGB ist daher die Verfügung des S insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des V beeinträchtigen oder vereiteln würde.
Im Verhältnis zu V ist die Übereignung (Verfügung) des S an B somit relativ unwirksam. D.h. im Verhältnis zu V bleibt S weiterhin verfügungsbefugt und kann ihm das dingliche Recht (im vorlie- genden Fall das Eigentum) am Grundstück verschaffen (vgl. Vieweg/Werner, § 14 Rn. 17). Festzuhalten bleibt aber, dass B im Verhältnis zu jedem Dritten (mit Ausnahme des Vormerkungs- berechtigten V) wirksam Eigentum am Grundstück erworben hat.

Anmerkung: Die Vormerkung sichert also nur den schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb, Auf- hebung oder Änderung eines dinglichen Rechts. Sie wandelt sich nicht wie das Anwartschaftsrecht automatisch in das Vollrecht um. Zur Erfüllung des gesicherten Anspruchs bleibt also eine Verfü- gung des Schuldners erforderlich. (vgl. Vieweg/Werner, § 14 Rn. 17)

  1. Zwischenergebnis
    Wegen § 883 II BGB ist daher der Anspruch des V gegen S auf Rückauflassung für S auch nicht im Sinne des § 275 I Alt. 1 BGB subjektiv unmöglich.

III. Anspruch durchsetzbar
Der Anspruch ist auch durchsetzbar.
IV. Ergebnis
V hat gegen S einen Anspruch auf Rückauflassung des Grundstücks aus Vertrag, § 311 I BGB.

162
Q

c. Rechtsfolge
Nach § 883 II BGB ist daher die Verfügung des S insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des V beeinträchtigen oder vereiteln würde.
Im Verhältnis zu V ist die Übereignung (Verfügung) des S an B somit relativ unwirksam. D.h. im Verhältnis zu V bleibt S weiterhin verfügungsbefugt und kann ihm das dingliche Recht (im vorlie- genden Fall das Eigentum) am Grundstück verschaffen (vgl. Vieweg/Werner, § 14 Rn. 17). Festzuhalten bleibt aber, dass B im Verhältnis zu jedem Dritten (mit Ausnahme des Vormerkungs- berechtigten V) wirksam Eigentum am Grundstück erworben hat.

A

III. Anspruch durchsetzbar
Der Anspruch ist auch durchsetzbar.
IV. Ergebnis
V hat gegen S einen Anspruch auf Rückauflassung des Grundstücks aus Vertrag, § 311 I BGB.

163
Q

A. Anspruch des V gegen B aus § 985 BGB
V könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks (auf Rückübereignung) aus § 985 BGB haben. Allerdings fehlt es hierfür bereits an einer Vindikationslage zwischen V und B.
V war zwar ursprünglich Eigentümer des Grundstücks gewesen. Er hat sein Eigentum jedoch durch die Übereignung an S verloren. An dieser Tatsache ändert auch die Vormerkung nichts. Die Vormerkung bewirkt insbesondere nicht, dass das Eigentum automatisch an V zurückfällt.
Ein Anspruch auf Rückübereignung aus § 985 BGB besteht daher zugunsten des V nicht.

B. Grundbuchberichtigungsanspruch des V, § 894 BGB
V könnte gegen B aber einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB haben.

A
  1. Formelle Rechtslage
    Im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen ist B.
  2. Materielle Rechtslage
    Damit eine Unrichtigkeit des Grundbuches besteht, dürfte B nicht tatsächlich die Eigentümerin des Grundstücks sein. B hat aber wirksam Eigentum von S erworben und ist also auch zu Recht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
    § 883 II BGB hat lediglich relative Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge, sodass die Verfügung lediglich im Verhältnis zum Vormerkungsberechtigten – im vorliegenden Fall also V – unwirksam ist.
    Somit ändert sich durch die Vormerkung nichts an der gegenüber dem (übrigen) Rechtsverkehr wirksamen Eigentumsübertragung von S auf B.
  3. Zwischenergebnis
    Die wirkliche Rechtslage steht somit im Einklang mit der formellen Rechtslage (im Grundbuch).
    II. Ergebnis
    Ein Anspruch aus § 894 BGB ist mangels Unrichtigkeit des Grundbuchs ebenfalls nicht gegeben.
164
Q

Die h.M. geht davon aus, dass die vormerkungswidrige Verfügung dem Vormerkungs- inhaber gegenüber (relativ) unwirksam ist (Palandt/Bassenge, § 883 Rn. 21). Der Dritterwerber wird für alle Teilnehmer am Rechtsverkehr Eigentümer außer dem Vormerkungsinhaber gegen- über. Für diesen hingegen bleibe der Veräußerer Eigentümer.

A

Kritik: Die h.M. sieht sich dem Einwand der Unvereinbarkeit mit dem Verständnis des Eigentums als absolutem Recht ausgesetzt.
Widersprüchlich erscheint auch, dass dem Vormerkungsinhaber gegenüber dem Dritterwerber ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung schon aus § 894 BGB zustehen müsste, da das Grundbuch diesem gegenüber (relativ) unrichtig ist. § 888 BGB wäre dann überflüssig. Diese Widersprüch- lichkeit vermag die h.M. nicht zu erklären.
Lit.: Lehre von der verbleibenden Verfügungsbefugnis (vgl. Löhnig/Gietl, JuS 2008, 102 f. (m.w.N.) Dogmatisch überzeugender ist daher die Lehre von der verbleibenden Verfügungsbefugnis. Nach dieser Lehre ist die Übereignung des Veräußerers an den Dritterwerber auch gegenüber dem Vormerkungsinhaber wirksam. Der Veräußerer ist aber gegenüber dem Vormerkungsinhaber noch verfügungsbefugt. Diese Verfügungsbefugnis ist durch die Vormerkung nicht auf den Drit- terwerber übergegangen. Der Veräußerer besitzt also gleichsam die Befugnis über das Eigentum des Dritterwerbers zu verfügen.
Die beiden „Ansichten“ kommen regelmäßig zum gleichen Ergebnis; die Lehre vermag lediglich besser zu erklären, wieso ein Anspruch aus § 894 BGB nicht besteht. In der Klausur ist eine Dis- kussion nur selten angezeigt. Man sollte in aller Regel (ohne große Erörterung) der Lehre von der relativen Unwirksamkeit folgen. Wenn man die erforderliche Zeit hat, kann man die Bedenken aber kurz „anklingen“ lassen.

165
Q

C. Anspruch des V gegen B aus § 888 I BGB
V könnte einen Anspruch gegen B auf Zustimmung zur Eintragung der dinglichen Rechtsände- rung aus § 888 I BGB haben.
Soweit der Erwerb eines eingetragenen Rechts gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten eine Vormerkung besteht, unwirksam ist, kann der Vormerkungsberechtigte nach § 888 I BGB von dem Erwerber (hier also V von B) die Zustimmung zu der Eintragung oder der Löschung verlangen, die zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist.

A

I. Voraussetzungen des § 888 I BGB
Voraussetzung des Anspruchs aus § 888 I BGB ist also, dass zum einen eine wirksame Vormer- kung für den Vormerkungsberechtigten besteht und zum anderen eine vormerkungswidrige Ver- fügung Eingang ins Grundbuch gefunden hat.
Beide Voraussetzungen sind vorliegend – wie oben ausführlich geprüft – gegeben. V Inhaber einer wirksamen Rückauflassungsvormerkung. Der Vormerkungsschuldner S hat in Form der Eigentumsübertragung an B eine vormerkungswidrige Verfügung vorgenommen. Diese wirkt sich zu Ungunsten des V aus.
Die Voraussetzungen des grundbuchrechtlichen Hilfsanspruchs aus § 888 I BGB liegen mithin vor.
II. Ergebnis
V hat gegen B somit einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchänderung nach § 888 I BGB verlangen.

166
Q

1 Teil
II. Anspruch erloschen
Der Anspruch könnte jedoch gemäß § 275 I Alt. 1 BGB aufgrund subjektiver Unmöglichkeit wieder erloschen sein.

(D könnte jedoch im Wege des Zweiterwerbs die Vormerkung des K erworben haben. Hierfür müsste zunächst zugunsten des K eine wirksame Vormerkung bestellt worden sein, die D dann im Wege des Zweiterwerbs von K erworben hat.)

a. Ersterwerb der Vormerkung durch K
Zugunsten des K müsste wirksam eine Vormerkung bestellt worden sein, §§ 883 I, 885 BGB.

A
  1. Subjektive Unmöglichkeit, § 275 I Alt. 1 BGB
    Durch die Eintragung des A als neuen Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch ist eine Eigen- tumsübertragung nur noch mit dessen Mitwirkung möglich. Es ist nicht davon auszugehen, dass A bereit ist, das Eigentum an D zu übertragen.
    Die Erfüllung des Anspruchs auf Übergabe und Übereignung könnte daher für S subjektiv un- möglich (§ 275 I Alt. 1 BGB) geworden sein.
  2. Auflassungsvormerkung zugunsten des D
    Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn zugunsten des D eine wirksame Vormerkung zur Sicherung des Auflassungsanspruchs bestünde. Die Übereignung des Grundstücks an A wäre dann dem D gegenüber (relativ) unwirksam gemäß § 883 II 1 BGB.
    D hat keine Vormerkung im Wege des Ersterwerbs von S erworben. D könnte jedoch im Wege des Zweiterwerbs die Vormerkung des K erworben haben. Hierfür müsste zunächst zugunsten des K eine wirksame Vormerkung bestellt worden sein, die D dann im Wege des Zweiterwerbs von K erworben hat.

a. Ersterwerb der Vormerkung durch K
Zugunsten des K müsste wirksam eine Vormerkung bestellt worden sein, §§ 883 I, 885 BGB.
(1) Sicherungsfähiger Anspruch, § 883 I BGB
Ein sicherungsfähiger Anspruch ist mit dem Anspruch auf Übergabe und Übereignung (Auflas- sung) aus dem (form-) wirksamen Grundstückskaufvertrag mit S gegeben.
(2) Vormerkungsbewilligung durch S, § 885 I BGB
S hat die Eintragung der Vormerkung zugunsten des K auch bewilligt.
(3) Eintragung ins Grundbuch, § 885 I 1 BGB
Die Vormerkung wurde zudem am 30.06.2017 in das Grundbuch eingetragen.
(4) Berechtigung des S
Zum Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung war S Eigentümer des Grundstücks und somit zur Bewilligung der Vormerkung auch berechtigt.
(5) Zwischenergebnis
Zugunsten des K wurde mithin wirksam eine Vormerkung bestellt (Ersterwerb).

167
Q

2Teil
b. Zweiterwerb der Vormerkung analog § 398 in Verbindung mit § 401 BGB

ERWRB DER VORMERKUNG 883. 885

Dass D nicht als Inhaber der Vormerkung ins Grundbuch eingetragen ist, ist insoweit unschädlich, da sich der Zweiterwerb der Vormerkung insgesamt außerhalb des Grund- buch vollzieht (vgl. z.B. Staudinger/Gursky, § 892 Rn. 60; die Frage ist vor allem für den – sehr streitigen – gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung relevant). Allerdings kann die Übertra- gung der Vormerkung und damit der gesicherte Anspruch ins Grundbuch eingetragen werden; das Grundbuch wird dadurch berichtigt, vgl. Vieweg/Werner, § 14 Rn. 14 a.E.

A

Fraglich ist, ob K diese Vormerkung wirksam an D übertragen hat, D also Inhaber der Vormer- kung im Wege des Zweiterwerbs geworden ist analog § 398 in Verbindung mit § 401 BGB.
Bei der Vormerkung handelt es sich um ein streng akzessorisches Sicherungsmittel, weshalb eine gesonderte Übertragung – also eine Übertragung ohne die zu sichernde Forderung – nicht möglich ist. Die Übertragung der Vormerkung erfolgt vielmehr durch Übertragung der gesicherten Forde- rung, der die Vormerkung dann gemäß § 401 BGB analog nachfolgt.
Für den Zweiterwerb der Vormerkung bei D ist somit erforderlich, dass die gesicherte Forderung des K gegen S aus dem Grundstückskaufvertrag wirksam an D abgetreten wurde.
Wie oben geprüft, ist dies der Fall. Eine wirksame Abtretung der Forderung liegt vor.
K war auch zur Übertragung der Vormerkung berechtigt im Sinne der §§ 883, 885 BGB. Demzufol- ge konnte K als Berechtigter die Vormerkung seinerseits wieder auf D übertragen.
c. Zwischenergebnis
D hat somit im Wege des Zweiterwerbs von K wirksam eine Vormerkung zur Sicherung seines Auflassungsanspruchs aus §§ 433 I 1, 311 b I, 398 ff. BGB erworben.

  1. Wirkung der Vormerkung, § 883 II BGB
    Rechtsfolge des Bestehens einer wirksamen Auflassungsvormerkung zugunsten des D ist nach § 883 II BGB, dass vormerkungswidrige Verfügungen im Verhältnis zum Vormerkungsberechtig- ten D relativ unwirksam sind.
    Bei der Übereignung des S an A handelt es sich um eine vormerkungswidrige Verfügung. Diese wurde auch nach Eintragung der Vormerkung im Grundbuch vorgenommen.
    Im Verhältnis zu D ist die Verfügung des S an A mithin relativ unwirksam im Sinne des § 883 II BGB.
  2. Zwischenergebnis
    Der Anspruch des D gegen S aus §§ 433 I 1, 398 ff. BGB ist somit nicht nach § 275 I Alt. 1 BGB we- gen subjektiver Unmöglichkeit untergegangen.
168
Q

Ansprüche des D gegen A
A. Anspruch D gegen A auf Zustimmung zur Eintragung der dinglichen Rechtsänderung ge- mäß § 888 I BGB
D könnte gegen A einen Anspruch auf Zustimmung zur Eintragung der dinglichen Rechtsände- rung gemäß § 888 I BGB haben.
I. Wirksame Vormerkung des Vormerkungsberechtigten
Wie soeben geprüft besteht eine wirksame Auflassungsvormerkung zugunsten des D.
II. Vormerkungswidrige Verfügung
Indem S das Eigentum am Grundstück an A übertragen hat, nachdem die Vormerkung schon im Grundbuch eingetragen war, liegt eine vormerkungswidrige Verfügung vor.
III. Ergebnis
Die Voraussetzungen des Anspruchs sind also gegeben. D steht gegen A ein Anspruch auf Zu- stimmung zur dinglichen Rechtsänderung aus § 888 I BGB zu.

A
B. Weitere Anspruchsgrundlagen
Weitere Anspruchsgrundlagen (§§ 985, 894 BGB) kommen nicht in Betracht (vgl. oben Frage 1, Teil 2).
169
Q

I. Überblick und Wirkungsweise der Vormerkung
Die Vormerkung ist in den §§ 883 ff. BGB geregelt. Sie dient der vorläufigen grundbuchmäßigen Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf dingliche Rechtsänderung.

A

Der Erwerber des dinglichen Rechts wird durch die Vormerkung vor zwischenzeitlichen Verfügungen des Veräuße- rers, die seinen schuldrechtlichen Anspruch gefährden könnten, geschützt, und zwar indem
1) eine Verfügung, die nach Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, gegenüber dem Vormerkungsberechtigten – also relativ – unwirksam ist, § 883 II BGB und zudem
2) durch die Vormerkung der Rang des geschuldeten Rechts gesichert wird, § 883 III BGB.
Von besonderer Bedeutung ist die sog. Auflassungsvormerkung. Sie sichert den Anspruch des Käufers auf Übereignung des Grundstücks aus § 433 I 1 BGB. Es handelt sich insoweit jedoch um eine „normale“ Vormerkung; lediglich die Bezeichnung ist dem Inhalt des Anspruchs auf Auflas- sung angepasst.

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I. Die Rechtsnatur der Vormerkung
Die Rechtsnatur der Vormerkung ist umstritten. Die Frage hat vor allem im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb der Vormerkung sowie für die Frage nach der analogen Anwendbarkeit der §§ 823 I, 1004, 894 BGB Bedeutung (ausführlich Vieweg/Werner, § 14 Rn. 4).

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Nach h.M. handelt es sich bei der Vormerkung um Sicherungsmittel eigener Art (sui generis), das mit bestimmten dinglichen Wirkungen ausgestattet ist („Zwitterstellung“ der Vormerkung). Die §§ 823 I, 1004, 894 BGB sollen daher analog anwendbar sein.
Nach a.A. ist die Vormerkung mit einem dinglichen Recht gleichzusetzen (u.a.).

III. Akzessorietät der Vormerkung
Die Vormerkung ist als Sicherungsmittel streng akzessorisch; ihr Bestehen ist also von der Existenz eines zu sichernden Anspruchs abhängig.
IV. Erwerb der Vormerkung
Auch beim Erwerb der Vormerkung ist zu unterscheiden, ob es sich um eine erstmalige Bestellung einer Vormerkung, also um einen Ersterwerb handelt, oder ob eine bestehende Vormerkung über- tragen wird, mithin ein Zweiterwerb vorliegt.
Zudem besteht sowohl beim Ersterwerb wie auch beim Zweiterwerb der Vormerkung die Mög- lichkeit des Erwerbs vom Nichtberechtigten kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (jeweils str.! – vgl. §§ 892, 893 BGB – lesen!).

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Ersterwerb (§§ 883, 885 BGB)

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Übersicht Prüfungspunkte Vormerkung (§§ 883 ff. BGB)
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit (im Wesentlichen aus Vieweg/Werner, § 14 Rn. 1 ff.)
1. Vormerkungsfähiger Anspruch gemäß § 883 I BGB
2. Bewilligung des Betroffenen oder einstweilige Verfügung (§ 885 BGB)
- Bewilligung (= einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung) oder
- Einstweilige Verfügung (vgl. §§ 935 ff. ZPO)
3. Eintragung der Vormerkung ins Grundbuch (§ 883 I BGB)
4. Berechtigung/Verfügungsbefugnis des Bestellers

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Zweiterwerb (§§ 398, 401 BGB analog)

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Die Übertragung der Vormerkung ist gesetzlich nicht geregelt. Diese Lücke wird durch analoge Anwendung des § 401 BGB geschlossen: Der Zweiterwerb (die Übertragung) der Vormerkung vom Berechtigten erfolgt also durch Abtretung des gesicherten Anspruchs gem. §§ 398 ff. BGB und Übergang der Vormerkung nach § 401 BGB analog auf den Abtretungsempfänger (Zessionar) „quasi als Annex“(Vieweg/Werner, § 14 Rn. 14).
Voraussetzungen:
1. Bestehen der gesicherten Forderung
2. Abtretung des Anspruchs nach §§ 398 ff. BGB
3. Berechtigung
Ersterwerb (§§ 883, 885 BGB)
Zweiterwerb (§§ 398, 401 BGB analog)
Gutgläubiger Ersterwerb (h.M.: §§ 892, 893 Alt. 2 BGB analog)
Gutgläubiger Zweiterwerb (sehr str.)