BGH Falle Flashcards
B, 17 Jahre, flog mit einem entsprechendem Flugticket mit einer Linienmaschine der L von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit anderen Passagieren, dasselbe Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugtickets für diese Strecke gewesen wäre. Im Flugzeug waren noch etliche Plätze frei. In New York wurde B die Einreise in die USA verweigert, da er kein Visum besaß. Die L beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt nun von B unter anderem Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg - New York.
Lösungsskizze
Teil 1 - Der Flug Hamburg – New York
A. Zahlungsanspruch aus Werkvertrag, §§ 631, 632 II BGB
I. ausdrücklicher Vertragsschluss
II. konkludenter Vertragsschluss
III. Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten
IV. Ergebnis
B. Zahlungsanspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB
I. Geschäftsführung
II. für einen anderen
III. Ergebnis
C. Anspruch aus §§ 987, 990 BGB
D. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 823 I BGB
E. Anspruch auf Zahlung aus § 823II BGB iVm § 265a StGB
I. § 265 a StGB als Schutzgesetz
II. Prüfung des § 265 a StGB
- Tatbestandsmäßigkeit
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
IV. Rechtsfolge
- Differenzhypothese
- Normative Korrektur
V. Ergebnis
F. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB
I. etwas erlangt
II. durch Leistung
III. ohne Rechtsgrund
IV. Rechtsfolge
G. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 2 BGB
I. Etwas erlangt
II. in sonstiger Weise auf Kosten der L
III. ohne Rechtsgrund
IV. Rechtsfolge
H. Ergebnis
B, 17 Jahre, flog mit einem entsprechendem Flugticket mit einer Linienmaschine der L von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit anderen Passagieren, dasselbe Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugtickets für diese Strecke gewesen wäre. Im Flugzeug waren noch etliche Plätze frei. In New York wurde B die Einreise in die USA verweigert, da er kein Visum besaß. Die L beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt nun von B unter anderem Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg - New York.
Gutachten
Teil 1 - Der Flug Hamburg – New York
A. L könnte einen Zahlungsanspruch aus Werkvertrag, §§ 631, 632 II BGB haben.
I. Ausdrücklicher Vertragsschluss
Dann müsste ein ausdrücklicher Vertragsschluss vorliegen. Dieser ist nicht ersichtlich. Der B hat sich ohne Wissen der L in das Flugzeug geschlichen.
II. Konkludenter Vertragsschluss
Ein konkludenter Vertragsschluss durch Bereitstellen des Flugzeugs seitend des L und Einsteigen des B liegt ebenfalls nicht vor, da weder im Bereitstellen des Flugzeugs, noch im Einsteigen in das Flugzeug eine Willenserklärung gesehen werden kann: Zudem kommt ein Beförderungsvertrag im Flugverkehr erst durch den Erwerb des Tickets zustande.
III. Vertragsschluss durch solzialtypisches Verhalten
Ein Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten liegt ebenfalls nicht vor, da das Bereitstellen eines Flugzeugs keine anonyme Leistung der Daseinsvorsorge im Massenverkehr darstellt.
IV. Ergebnis
Ein Vertrag zwischen L und B wurde nicht geschlossen. Daher besteht kein Anspruch aus Werkvertrag gem. §§ 631, 632 II BGB.
B. L könnte einen Zahlungsanspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB haben.
I. Geschäftsführung
Dann müsste eine Geschäftsführung durch Luftbeförderung des B von Hamburg nach New York vorliegen. Dies ist hier der Fall.
II. Für einen anderen
Die Geschäftsführung müsste für einen anderen vorliegen. Der Wechsel des Aufenthaltsortes des B ist dem Interessenkreis des B zuzuordnen, daher handelt es sich um ein „auch-fremdes“ Geschäft. Allerdings fehlt der L vorliegend der Fremdgeschäftsführungswillen, da sie entweder mit der Beförderung des B gar kein Geschäft führen wollte, denn sie wusste davon nichts, ein genereller Geschäftsführungswille kann daher nicht angenommen werden, oder aber nur ein eigenes – nämlich durch Erfüllung eines vermeintlich bestehenden Luftbeförderungsvertrages.
III. Ergebnis
Damit liegt keine GoA vor. Somit hat L hat keinen Anspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB.
C. Ein Anspruch aus §§ 987, 990 BGB ist ebenfalls nicht gegeben, da L zwar Eigentümerin des Flugzeugs und damit des Sitzes des B war, dieser aber zumindest keinen Besitz daran hatte oder es nicht auf den Besitz ankommt, sondern auf das Erschleichen der Beförderungsleistung.
D. L könnte einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 823 I BGB haben.
Dann müsste jedoch ein von § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein. Es kommt allenfalls eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Sitzplatzes und dadurch des Flugzeugs durch Einwirkung auf eine Sache, die deren Gebrauch verhindert oder erschwert oder die sonst in die Disposition oder Dispositionsbefugnis des Eigentümers störend eingreift, in Frage. Die Nutzung des Flugzeugs wurde aber durch die Inanspruchnahme des einen Sitzplatzes nicht erschwert, so dass es hier an einer Eigentumsverletzung fehlt. Es fehlt darüber hinaus auch an einer Erheblichkeit des Eingriffs. Ein Anspruch aus § 823 I scheidet daher aus.
E. L könnte einen Anspruch auf Zahlung aus § 823IIi BGB iVm § 265 a StGB haben.
I. § 265 a StGB als Schutzgesetz
Dann müsste § 265 a StGB ein Schutzgesetz sein. Schutzgesetze sind Normen, die neben dem Schutz der Allgemeinheit auch dem Schutz eines bestimmten Personenkreises dienen. § 265 a I 3. Alt. StGB schützt nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die vermögensrechtlichen Interessen des Beförderungsunternehmens L. Damit ist § 265a StGB ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 II BGB.
II. Prüfung des § 265 a StGB
1. Tatbestandsmäßigkeit
Das Erschleichen der Beförderung gem. § 265 a StGB setzt ein Verhalten voraus, das entweder auf das Suggerieren von Ordnungsmäßigkeit abzielt oder die vorhandenen Kontrollmaßnahmen umgeht oder ausschaltet. B nimmt im Flugzeug Platz und suggeriert er sei im Besitz eines Tickets. B wusste, dass die Beförderung nur gegen Entgelt erfolgt und handelte in der Absicht, den Flugpreis nicht zu errichten.
- Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe zugunsten des B sind nicht ersichtlich, wodurch die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert.
- Schuld
Es müsste eine Verschuldensfähigkeit gemäß § 828 III BGB oder § 3 S. 1 JGG vorliegen, nach dem es nicht nur auf die Fähigkeit ankommt, das Unrecht zu erkennen, sondern auch auf die, nach dieser Einsicht zu handeln. Der 17-jährige B wusste, dass er die Maschine nicht ohne ein gültiges Ticket benutzen darf und hätte ohne weiteres nach dieser Einsicht auch handeln können.
IV. Rechtsfolge
Die L hat Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB. Es müsste zunächst festgestellt werden, ob ein Schaden überhaupt vorliegt.
- Differenzhypothese
Nach der Differenzhypothese gilt der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Vermögen und dem Vermögen, dass der Geschädigte hypothetisch gehabt hätte, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre, als Schaden. Vorliegend war die Maschine nicht ausgebucht, es musste als kein zahlender Fluggast abgewiesen werden und zudem wäre die Maschine auch ohne den B geflogen. Demnach liegt kein Schaden vor.
- Normative Korrektur
Vorliegend kann mittels der Differenzhypothese allein ein Schaden nicht hergeleitet werden. Daher ist unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm eine normative Korrektur vorzunehmen. Dann müsste L gleichwohl geltend machen, ihr sei ein Schaden in Höhe des gewöhnlichen Flugpreises entstanden. Vorliegend ist jedoch unter Berücksichtigung des § 106 BGB eine solche Korrektur abzulehnen, da hier auch keine gesetzliche Schadensverlagerung erfolgt.
V. Daher besteht mangels Schaden kein Anspruch aus § 823 II BGB iVm § 265 a StGB.
F. L könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB haben.
I. Dann müsste B etwas erlangt haben. „Etwas“ ist jeder vermögenswerte Vorteil. Bei unkörperlichen Leistungen ist umstritten, in welchen Fällen etwas „erlangt“ wird.
Nach einer Ansicht (BGH) hat B mit der unkörperlichen Leistung in Form der Flugbeförderung nicht „etwas“ erlangt. Wenn der Empfänger eine nichtgegenständliche Leistung erlangt, die er nicht mehr herausgeben kann. Auch eine Verpflichtung zum Wertersatz nach § 818 II BGB scheitert, weil keine ersparte Aufwendung vorliegt, sodass schon der Tatbestand des § 818 I BGB zu verneinen ist. In diesem Fall wendet der BGH jedoch § 819 BGB analog an. Danach könne sich der Bereicherte nicht auf ein Nichtvorhandensein der Bereicherung berufen, wenn er von vornherein weiß, dass kein Rechtsgrund vorliegt. Die h.L. erkennt dagegen auch nichtgegenständliche Leistungen als
„etwas“ an. Nach dieser Ansicht muss zwischen dem Begriff „etwas“ und der „Bereicherung“ nach § 818 BGB, die später herausgegeben werden muss, unterschieden werden.
Für die h.M. spricht, dass der Gesetzgeber zwischen der Frage, ob der Anspruchsgegner etwas erlangt hat auf der Tatbestandsseite und einer Bereicherung auf der Rechtsfolgenseite differenzieren wollte. B hat mit dem Flug von Hamburg nach New York also etwas erlangt.
II. Der B müsste etwas durch Leistung erlangt haben.
Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Fraglich ist, ob L bewusst geleistet hat. Dies bestimmt sich nach der objektiven Empfängersicht. Es genügt das rein tatsächliche Bewusstsein, das Empfängervermögen zu vermehren. Bei der Beurteilung kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Hätte B sich im Flugzeug versteckt und wäre er als blinder Passagier gereist, müsste das Leistungsbewusstsein verneint werden. Anders könnte es sein, wenn er das Flugzeug, wie die anderen Fluggäste auch, betreten und einen Platz eingenommen hat. Dann ließe sich angesichts des Systems der Bodenabfertigung und Zugangsgewährung, insbesondere der Kontrolle der Bordkarte, ein generelles Leistungsbewusstsein der Fluggesellschaft bzgl. aller Passagiere, die im Flugzeug Platz genommen haben, annehmen. Da der B sich in das Flugzeug geschlichen hat, ist er zumindest nicht als blinder Passagier geflogen. Die L als Fluggesellschaft will die Beförderungsleistung jedoch nur gegenüber denjenigen erbringen, die ein Flugticket haben. Denn diese Fluggäste haben mit ihr einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Anders als im öffentlichen Nahverkehr hat die L hier kein generelles Leistungsbewusstein. Es liegt damit keine Leistung vor.
III. Ergebnis
L hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB.
G. L könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 2 BGB haben.
I. Etwas erlangt
B hat die Beförderung von Hamburg nach New York erlangt.
II. Auf sonstige Weise
Diese Beförderung müsste B in sonstiger Weise auf Kosten der L erlangt haben. Da B den Flug nicht durch Leistung der L erlangt hat, kommt nur eine Bereicherung in sonstiger Weise in Betracht. Hier könnte ein Eingriff des B vorliegen. Eingriff bedeutet, nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt, die Nutzung von Gebrauchs-, Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung einem anderen zugewiesen ist. Zu denken ist zunächst an einen Eingriff in das Eigentum. Der L als Halterin des Flugzeugs steht es zu, die Plätze nach ihren Bedingungen mit Fluggästen zu besetzen ( § 906 BGB). B hat sich möglicherweise eigenmächtig die tatsächliche Herrschaft am Sitzplatz verschafft. Der Zuweisungsgehalt lässt sich hier als die Gesamtheit der mit der Beförderung zusammenhängenden Dienstleistungen verstehen. Inhaber der Rechtsposition der Beförderungsleistung war die L, der Eingriff erfolgte damit auch auf ihre Kosten.
III. Ohne Rechtsgrund
Der B müsste die Beförderung ohne Rechtsgrund erlangt haben. B hatte kein Recht zum Erhalten und auch nicht zum Behalten der Beförderungsleistung. Denn es lag keine Einwilligung seitens der L vor.
IV. Rechtsfolge
Damit hat der B die Beförderungsleistung herauszugeben.
Die Herausgabe des Erlangten, hier der Flugreise, ist jedoch nicht möglich. Es gibt auch kein Surrogat im Vermögen des B. Daher hat der B gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Die Wertbestimmung erfolgt hier nach dem objektiven Verkehrswert. Es kommt daher auf den Preis an, der für die Beförderung eines 17-jährigen von Hamburg nach New York üblicherweise zu zahlen ist.
a) Entreicherung gem. § 818 III BGB
Es könnte jedoch eine Entreicherung gem. § 818 III BGB vorliegen. Fraglich ist, ob dies überhaupt möglich ist bei nichtkörperlichen Leistungen, da sie schon durch die Entgegennahme endgültig ins Vermögen einverleibt sind. Dagegen spricht, dass etwa die Ortsveränderung als solche sich nicht zwangsläufig als Bereicherung darstellt; die Bereicherung muss vielmehr aus anderen Umständen geschlossen werden, nämlich danach, ob eine bleibende Vermögensmehrung eingetreten ist oder entsprechende Aufwendungen erspart werden. B hat nach der Beförderung keinen Vermögenszuwachs zu verzeichnen und da der Flug eine Luxusreise war, hat er auch keine Aufwendungen erspart, sodass sich B auf eine Entreicherung berufen kann.
b) Ausschluss gem. § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB
Möglicherweise liegt ein Ausschluss des § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB vor.Dann müsste B bösgläubig gewesen sein, gem. §§ 819 I, 818 IV BGB. B wusste genau, dass er die Beförderung nicht zu beanspruchen hatte. Er kannte daher den Mangel des rechtlichen Grundes. Es ist jedoch fraglich, ob hier auf diese Kenntnis des beschränkt geschäfts- bzw. deliktsfähigen B abzustellen ist.
(1) Eine Meinung stellt,in Entsprechung zu den §§ 106ff.BGB , allein auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ab. Der Minderjährige dürfe im Bereicherungsrecht nicht schlechter stehen bzw. bedürfe des gleichen Schutzes und der gleichen Kontrolle wie im Vertragsrecht. Damit dränge sich beim bösgläubigen Bereicherungsschuldner eine Parallele zu §687 II BGB auf, dessen Haftung jedoch gerade für beschränkt Geschäftsfähige gem. § 682 BGB nicht gelte. Allerdings verweist § 682 BGB explizit auch auf das Bereicherungsrecht; deshalb birgt die Ableitung aus § 682 BGB die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich. Allenfalls kann dieser Norm der Wille des Gesetzgebers zum besonderen Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen auch im Bereich der nicht-deliktischen gesetzlichen Schuldverhältnisse entnommen werden.
(2) Eine andere Meinung stellt demgegenüber allein auf die §§ 827 – 829 BGB ab. Sie zieht diese heran, da es sich bei §§ 818 IV, 819 I BGB um eine quasi- deliktische Haftung handele. Jedoch entsteht durch einen Eingriff oder die bewusst rechtsgrundlose Entgegennahme einer Leistung nicht notwendig ein Schaden, wie vorliegend, damit fehlt die Gefahr der Schadensentstehung. Jedoch erfordert der adäquate Minderjährigenschutz in bestimmten rechtsgeschäftsnahen Fällen eine Kontrolle durch den gesetzlichen Vertreter, zumal die Wertungen der §§ 106ff.BGB sonst durch das Bereicherungsrecht weithin umgangen werden können.
(3) Der BGH hat die genaue Abgrenzung offengelassen, will jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Minderjährige eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, insoweit jedenfalls die §§ 827ff. BGB anwenden, da der Minderjährige dann des Schutzes hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Folgen nicht bedürfe. Liegt ein vorsätzlicher deliktischer Eingriff in fremde Rechtsgüter vor, so kann die Kenntnis des Minderjährigen nicht mehr unbeachtlich sein. Allerdings ist das Kriterium der vorsätzlichen unerlaubten Handlung hochgradig beliebig; auch hier mag die Abgrenzung zudem im Einzelfall schwerfallen.
(4) Angesichts der Tatsache, dass der Bereicherungsgläubiger in Ermangelung eines Schadens nicht besonders schutzwürdig ist, verdient die erste, minderjährigenschützende Ansicht Zustimmung. Der B haftet daher nicht verschärft, er kann sich mangels Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters auf § 818 III BGB berufen.
Anmerkung: An dieser Stelle kann entweder die Ansicht gewählt werden die dem Minderjährigenschutz Rechnung trägt - wie oben gemacht, oder aber der Ansicht die auf die Busgläubigkeit und die Einsichtsfähigkeit des B abstellt. Mit 17 Jahren ist dieser einsichtsfähig und wusste, dass er den Flug nicht hätte antreten dürfen ohne ein gültiges Ticket zu haben. Folgt man dieser Ansicht, so hat die L einen Anspruch gem. § 812 I 1 Fall 2 BGB gegen den B!
H. Ergebnis: L hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung für den Hinflug.
b) Ausschluss gem. § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB
Möglicherweise liegt ein Ausschluss des § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB vor.Dann müsste B bösgläubig gewesen sein, gem. §§ 819 I, 818 IV BGB. B wusste genau, dass er die Beförderung nicht zu beanspruchen hatte. Er kannte daher den Mangel des rechtlichen Grundes. Es ist jedoch fraglich, ob hier auf diese Kenntnis des beschränkt geschäfts- bzw. deliktsfähigen B abzustellen ist.
(1) Eine Meinung stellt,in Entsprechung zu den §§ 106ff.BGB , allein auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ab. Der Minderjährige dürfe im Bereicherungsrecht nicht schlechter stehen bzw. bedürfe des gleichen Schutzes und der gleichen Kontrolle wie im Vertragsrecht. Damit dränge sich beim bösgläubigen Bereicherungsschuldner eine Parallele zu §687 II BGB auf, dessen Haftung jedoch gerade für beschränkt Geschäftsfähige gem. § 682 BGB nicht gelte. Allerdings verweist § 682 BGB explizit auch auf das Bereicherungsrecht; deshalb birgt die Ableitung aus § 682 BGB die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich. Allenfalls kann dieser Norm der Wille des Gesetzgebers zum besonderen Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen auch im Bereich der nicht-deliktischen gesetzlichen Schuldverhältnisse entnommen werden.
(2) Eine andere Meinung stellt demgegenüber allein auf die §§ 827 – 829 BGB ab. Sie zieht diese heran, da es sich bei §§ 818 IV, 819 I BGB um eine quasi- deliktische Haftung handele. Jedoch entsteht durch einen Eingriff oder die bewusst rechtsgrundlose Entgegennahme einer Leistung nicht notwendig ein Schaden, wie vorliegend, damit fehlt die Gefahr der Schadensentstehung. Jedoch erfordert der adäquate Minderjährigenschutz in bestimmten rechtsgeschäftsnahen Fällen eine Kontrolle durch den gesetzlichen Vertreter, zumal die Wertungen der §§ 106ff.BGB sonst durch das Bereicherungsrecht weithin umgangen werden können.
(3) Der BGH hat die genaue Abgrenzung offengelassen, will jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Minderjährige eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, insoweit jedenfalls die §§ 827ff. BGB anwenden, da der Minderjährige dann des Schutzes hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Folgen nicht bedürfe. Liegt ein vorsätzlicher deliktischer Eingriff in fremde Rechtsgüter vor, so kann die Kenntnis des Minderjährigen nicht mehr unbeachtlich sein. Allerdings ist das Kriterium der vorsätzlichen unerlaubten Handlung hochgradig beliebig; auch hier mag die Abgrenzung zudem im Einzelfall schwerfallen.
(4) Angesichts der Tatsache, dass der Bereicherungsgläubiger in Ermangelung eines Schadens nicht besonders schutzwürdig ist, verdient die erste, minderjährigenschützende Ansicht Zustimmung. Der B haftet daher nicht verschärft, er kann sich mangels Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters auf § 818 III BGB berufen.
Anmerkung: An dieser Stelle kann entweder die Ansicht gewählt werden die dem Minderjährigenschutz Rechnung trägt - wie oben gemacht, oder aber der Ansicht die auf die Busgläubigkeit und die Einsichtsfähigkeit des B abstellt. Mit 17 Jahren ist dieser einsichtsfähig und wusste, dass er den Flug nicht hätte antreten dürfen ohne ein gültiges Ticket zu haben. Folgt man dieser Ansicht, so hat die L einen Anspruch gem. § 812 I 1 Fall 2 BGB gegen den B!
Der in Trier ortsfremde A betritt eine Weinkellerei, in der gerade eine Versteigerung stattfindet. Er winkt einem lange nicht gesehenen Freund B zu. Das Winken mit der Hand wird vom Auktionator als Abgabe eines höheren Gebotes aufgefasst. Der A erhält daraufhin den Zuschlag. Der Weinversteigerer C verlangt nun von A die Abnahme und Bezahlung des Weines.
. Pflicht des K zur Abnahme u. Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
I. Anspruch entstanden
- Angebot des Weinversteigerers durch Versteigern des Weines
- Angebot des K durch Heben der Hand
a) Objektiver Tatbestand der Willenserklärung
b) Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
aa) Handlungswille
bb) Erklärungsbewusstsein
(1) Willenstheorie
(2) Erklärungstheorie
(3) Stellungnahme
cc) Ergebnis
c) Ergebnis Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung - Ergebnis Angebot des K durch Heben der Hand
II. Endergebnis
Der in Trier ortsfremde A betritt eine Weinkellerei, in der gerade eine Versteigerung stattfindet. Er winkt einem lange nicht gesehenen Freund B zu. Das Winken mit der Hand wird vom Auktionator als Abgabe eines höheren Gebotes aufgefasst. Der A erhält daraufhin den Zuschlag. Der Weinversteigerer C verlangt nun von A die Abnahme und Bezahlung des Weines.
A. Pflicht des K zur Abnahme u. Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
C könnte gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung und Abnahme des Weins aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag gem. § 433 II BGB haben. Dazu müsste ein wirksamer Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB zwischen den Vertragsparteien zustande gekommen sein.
I. Anspruch entstanden
Der Anspruch des C gegen A müsste wirksam entstanden sein. Dies wäre der Fall, wenn C und A einen wirksamen Kaufvertrag mit dem Inhalt geschlossen haben, dass A zur Bezahlung und Abnahme des Weins verpflichtet ist. Ein solcher Vertragsschluss liegt dann vor, wenn zwei sich entsprechende Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme, vorliegen.
- Angebot des Weinversteigerers durch Versteigern des Weines
Das Angebot könnte darin zu sehen sein, dass C den Wein versteigern wollte. Dazu müsste es sich dabei um eine wirksame Willenserklärung handeln. Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, welche unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Der Weinversteigerer hat seinen Willen den Wein zu verkaufen, zumindest konkludent, auf die Herbeiführung eines Kaufvertrages gerichtet. Eine wirksame Willenserklärung liegt vor.
Ferner müsste ein wirksames Angebot vorliegen. Ein Angebot muss inhaltlich so bestimmt sein, dass die Annahme durch ein einfaches „Ja“ des Annehmenden erfolgen kann. A hat seine Hand während der Versteigerung gehoben und daraufhin den Zuschlag erhalten. Ein bestimmbares Angebot durch C liegt insoweit also vor.
Jedoch könnte es an dem erforderlichen Willen zur rechtlichen Bindung fehlen und so eine sog. invitatio ad offerendum, eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vorliegen. Die Abgrenzung erfolgt durch die Auslegung der Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB), die sich nach dem Empfängerhorizont richtet. Es ist somit zu fragen, wie der Auktionator die Erklärung des A verstehen durfte.
Bei einer Versteigerung wird in der Regel das höchste abgegebene „Kaufangebot“ angenommen. Eine Verlautbarung an die Allgemeinheit durch die der Verkäufer durch eine Überzahl von Verträgen in Schwierigkeiten kommen könnte, liegt nicht vor. Demzufolge wäre ein wirksames Kaufangebot von dem Weinversteigerer abgegeben worden.
Dagegen spricht jedoch der Gesetzeswortlaut des § 156 BGB. Demnach ist das Gebot des Bieters der Vertragsantrag und der Zuschlag des Versteigerers die Annahmeerklärung. Dadurch soll verhindert werden, dass der Bieter einen Anspruch auf den Zuschlag erhält. Ein Gebot erlischt daher mit einem Übergebot.
Beachte: Anders verhält es sich mit Versteigerungen im Internet. Dort ist schon das Einstellen des Versteigerungsobjektes eine Angebotserklärung des Versteigerers, denn der Versteigernde möchte den Vertrag nur mit dem Höchstbietenden abschließen. (BGH NJW 2002, 363).
Demzufolge hat der Weinversteigerer kein wirksames Kaufangebot, sondern nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes abgegeben.
- Angebot des K durch Heben der Hand
A könnte durch das Heben seiner Hand ein wirksames Angebot abgegeben haben. Dazu müsste eine wirksame Willenserklärung vorliegen. Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, welche unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. A hat die Hand wie zum Gebot gehoben, wollte in Wirklichkeit jedoch nur einem Freund zu winken. Ob diese Handlung die Anforderungen an eine wirksame Willenserklärung erfüllt, muss anhand einer Betrachtung des objektiven und subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung ermittelt werden.
a) Objektiver Tatbestand der Willenserklärung
Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt vor, wenn sich das Verhalten des Erklärenden (A) für den objektiven Beobachter als die Äußerung eines Rechtsfolgewillens darstellt. Das Heben der Hand während einer Versteigerung gilt gemeinhin als Abgabe eines Angebotes. Ein objektiver Beobachter durfte durch das Heben der Hand davon ausgehen, dass A einen entsprechenden Rechtsfolgewillen besitzt. Folglich liegt der objektive Tatbestand der Willenserklärung des A vor.
b) Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
Der subjektive (innere) Tatbestand einer Willenserklärung besteht aus drei Bestandteilen: Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen. Dabei ist der Handlungswille konstitutiver Bestandteil einer wirksamen Willenserklärung. Der Geschäftswille ist keine zwingende Voraussetzung. Welche Anforderungen an das Erklärungsbewusstsein zu stellen sind, wird nicht einheitlich beantwortet.
aa) Handlungswille
A müsste Handlungswille gehabt haben. Handlungswille ist der Wille überhaupt ein als Erklärung deutbares Verhalten vorzunehmen. Er fehlt nur bei nicht willensgesteuerten Handlungen (z.B. Bewegungen im Schlaf). A hat seinem Freund bewusst gewunken. Er besaß den notwendigen Handlungswillen.
bb) Erklärungsbewusstsein
A müsste Erklärungsbewusstsein gehabt haben. Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein etwas rechtlich Erhebliches zu äußern. A wollte nur seinem Freund zu winken, aber nichts rechtlich Erhebliches erklären. Dass an dieses Verhalten rechtliche Folgen geknüpft sind, war ihm nicht bewusst. Das Erklärungsbewusstsein liegt bei A folglich nicht vor.
Fraglich ist, welche Folgen das Fehlen des Erklärungsbewusstseins hat:
(1) Willenstheorie
Nach der sog. Willenstheorie ist das Erklärungsbewusstsein stets notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt das Erklärungsbewusstsein wird analog § 118 BGB die Nichtigkeit der Willenserklärung angenommen, da es sich um eine Verletzung der Privatautonomie handle, wertete man die ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung als Willenserklärung. Der Erklärende muss danach den Erklärungstatbestand mit aktuellem Erklärungsbewusstsein gesetzt haben. A müsste also das Bewusstsein gehabt haben, eine Willenserklärung abzugeben.
A war sich hier nicht bewusst eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Danach wäre die „Willenserklärung“ des A nichtig. Der Vertrag wäre somit nicht zustande gekommen und A müsste daher den Kaufpreis nicht zahlen und den Wein nicht abnehmen.
(2) Erklärungstheorie
Die Erklärungstheorie geht dagegen vom Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus. Dem Erklärenden soll sein Verhalten als Willenserklärung grundsätzlich zuzurechnen sein. Auch dann, wenn das Erklärungsbewusstsein fehlt. Schließlich wurde die Erklärung von ihm bewusst abgegeben. Dass dabei das Bewusstsein fehlt etwas rechtlich Erhebliches zu erklären, weiß der Erklärungsempfänger (C) nicht.
Hinweis: Wenn der Empfänger den Mangel des Erklärungsbewusstseins kannte, gilt jedoch etwas anderes. Der Empfänger ist dann nicht schützenswert, kann sich also nicht auf die Zurechnung der Willenserklärung zum Erklärenden berufen.
Dem Erklärenden soll demnach das Erklärungsrisiko zugerechnet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung zu deuten ist („sog. potentielles Erklärungsbewusstsein“).
Der BGH (BGHZ. 91, 324) führt dazu aus:
„Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.“
Demnach ist das Erklärungsbewusstsein kein notweniger Bestandteil einer Willenserklärung. Als Ausgleich zum Verkehrsschutz, welcher den Empfänger schützt, kann der Erklärende analog § 119 I 2. Alt. BGB seine Erklärung anfechten, muss sich jedoch dann den einen möglichen Vertrauensschaden gemäß § 122 BGB zurechnen lassen. Dieses ergibt sich daraus, dass wenn schon bei einem Erklärungsirrtum, also in dem Fall, in dem nur der Geschäftswille fehlt, wo der Wille von dem objektiv erklärtem abweicht, eine Anfechtung möglich ist, dann muss diese Möglichkeit erst Recht dann bestehen, wenn das Bewusstsein einer rechtsgeschäftlichen Erklärung ganz fehlt.
Das A ortsfremd war, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass allgemein bekannt ist, dass das Heben der Hand auf einer Versteigerung als Gebot bewertet wird. Danach wäre die Willenserklärung des A wirksam und der Vertrag wäre somit zustande gekommen und A müsste daher den Kaufpreis zahlen und den Wein abnehmen.
(3) Stellungnahme
Durch die Erklärungstheorie wird dem Prinzip des Vertrauensschutzes umfassend Rechnung getragen. Jedoch lässt sie auch Ausnahmen bei fehlender Schutzwürdigkeit des Erklärungsempfängers zu. Auch für den Fall, dass ein ohne Erklärungsbewusstsein zustande gekommenes Rechtsgeschäft für den Erklärenden günstig ist, kann der Erklärende das Geschäft gelten lassen (Wahlfreiheit zwischen Anfechtung des Vertrages, § 119 I BGB und Erfüllung des Vertrages, § 362 BGB). Diese Möglichkeit besteht bei der Willenstheorie nicht.
Die Vertreter der Willenstheorie führen an, dass die Situation des fehlenden Erklärungsbewusstseins mit der des § 118 BGB vergleichbar ist. Jedoch wird dabei übersehen, dass der Erklärende bei § 118 BGB im Unterschied zum fehlenden Erklärungsbewusstsein die Nichtigkeit seiner Erklärung gewollt hat. Beim fehlenden Erklärungsbewusstsein ist dies aber gerade nicht der Fall. Es ist somit der Erklärungstheorie zu folgen.
cc) Ergebnis
Erklärungsbewusstsein A handelte mit dem potentiellen Erklärungsbewusstsein. Dieses Erklärungsbewusstsein ist für die Bejahung einer zurechenbaren Willenserklärung ausreichend.
c) Ergebnis Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
A hat trotz des nur potentiellen Erklärungsbewusstseins eine wirksame Willenserklärung abgegeben, welche ihm auch zuzurechnen ist. Auch konnte A leicht erkennen, dass das Heben seiner Hand auf einer Auktion „fehl gedeutet“ werden kann. C hat auch nicht arglistig gehandelt bzw. Kenntnis vom mangelnden Erklärungsbewusstsein des A besessen.
- Ergebnis Angebot des K durch Heben der Hand
A hat durch das Heben der Hand ein ihm zurechenbares Angebot auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Weins von W abgegeben.
II. Endergebnis
Damit liegt eine wirksame, auf den Vertragsabschluss über den Kauf des Weines gerichtete, Willenserklärung des A vor. A hat somit eine Zahlungs-und Abnahmeverpflichtung. Jedoch besteht für A eine Möglichkeit seine Willenserklärung analog § 119 I 2. Alt. BGB anzufechten. Dies müsste jedoch unverzüglich erfolgen (§ 121 I BGB). Falls er noch rechtzeitig anfechten sollte, muss er nach § 122 I BGB den Vertrauensschaden des C ersetzen.
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Vielen Dank an Dominik Kreke (Dipl.iur., Osnabrück) für die Zusendung dieses Falls!
Sachverhalt
S ist Schulleiterin der Privatschule P. Anfang Oktober wird sie von dem Vertreter V aufgesucht, der ihr den Kauf von „25 Gros Rollen Toilettenpapier“ vorschlägt. Bei einer Bestellung in diesem Umfang könne er der S einen Mengenrabatt von 10 % einräumen. S ist damit ein-verstanden. V legt der S daraufhin ein Bestellformular über „25 Gros Rollen Toilettenpapier, die Rolle zu 1000 Blatt“ vor, das S unterzeichnet.
Als zwei Wochen später vom Lieferanten L 3.600 Rollen Toilettenpapier angeliefert werden, verweigert S die Abnahme und Bezahlung der Rollen bis auf 25 Stück mit der Begründung, sie habe nur 25 große Rollen bestellt. L weist sie hingegen darauf hin, dass die Bezeichnung „Gros“ 12 Dutzend Stück bedeute. Dies hätte S wissen müssen. Im Übrigen seien ihm durch die Lieferung bereits Transportkosten i.H.v. 50 € entstanden. Des Weiteren führt der L an, dass ihm das Geschäft mit der Privatschule einen Nettogewinn von 250 € eingebracht hätte.
Frage 1: Hat L Anspruch auf Zahlung des vollen Kaufpreises?
Frage 2: Kann er anderenfalls seine Schäden von der Privatschule P ersetzt verlangen?
Lösungsskizze
A. Frage 1: Anspruch L gegen P auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB
I. Vertragsschluss zwischen L und P
- Einigung zwischen L und P
- Einigung zwischen V und S
a) Angebot durch V im Namen des L
b) Annahme durch S im Namen der P - Zwischenergebnis
II. Wirksamkeit des Vertragsschlusses
- Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
a) Vorliegen eines Irrtums bei S
b) Beachtlichkeit des Irrtums der S
c) Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung
d) Ergebnis für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes - Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
- Anfechtungsfrist, § 121 I BGB
- Ergebnis der Voraussetzungen der Anfechtung
III. Endergebnis des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung
B. Frage 2: Anspruch des L gegen P auf Schadensersatz aus § 122 I BGB
I. Vertrauensschaden des L
- Transportkosten i.H.v. 50 €
- Entgangener Gewinn aus dem angefochtenen Kaufvertrag i.H.v. 250 €
- Zwischenergebnis
II. Ausschluss der Ersatzpflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, § 122 II BGB
III. Endergebnis
Gutachten
A. Frage 1: Anspruch L gegen P auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB
Der Lieferant L könnte gegen die Privatschule P einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die von ihm gelieferten 3.600 Rollen Toilettenpapier aus einem zwischen den beiden Vertragsparteien gem. § 433 II BGB geschlossenen Kaufvertrag haben.
I. Vertragsschluss zwischen L und P
Dann müsste es zum Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages zwischen L und P gekommen sein.
- Einigung zwischen L und P
Zu einer Einigung unmittelbar zwischen L und P kam es vorliegend nicht. Allerdings handelte der V im Namen des L und die Schulleiterin S im Namen der P, § 164 I BGB. Es könnte hier zu einer Einigung zwischen den jeweiligen Vertretern im Namen der von ihnen vertretenen Personen gekommen sein. Eine Einigung setzt das Vorliegen zweier inhaltlich korrespondierender Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus.
Beachte: Aufgrund fehlender weiterer Angaben im Sachverhalt ist von einer wirksamen Stellvertre-tung auf beiden Vertragsseiten auszugehen.
2. Einigung zwischen V und S
V könnte aber im Namen der L ein wirksames Angebot abgegeben haben und S könnte dieses Angebot im Namen der P angenommen haben.
a) Angebot durch V im Namen des L
Das Angebot könnte hier der V im Namen des L gemacht haben. Ein Angebot ist eine emp-fangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen der Vertragsschluss in der Weise angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt. V schlägt der S den Kauf von 25 Gros Toilettenpapier vor. Dabei räumt er einen Mengenrabatt von 10 % ein, so dass davon auszugehen ist, dass er auch einen konkreten Preis genannt hat. Die Erklärung des V enthält damit bereits alle wesentlichen Vertragsbestandteile, so dass das Zustandekommen des Kaufvertrages nur noch vom Einverständnis auf Seiten der P abhängt. Folglich hat V im Namen des L ein Angebot abgegeben.
b) Annahme durch S im Namen der P
Dieses Angebot könnte S im Namen der P angenommen haben. Eine Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger sein vorbehaltsloses Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zum Ausdruck bringt. S erklärt, mit dem Angebot des V einverstanden zu sein und unterschreibt die Bestellung. Damit bringt sie ihr Einverständnis mit dem von V angebotenen Vertragsschluss zum Ausdruck.
Jedoch ging S davon aus eine Bestellung über 25 große Rollen Toilettenpapier zu unterschrei-ben, wohingegen ihr V den Verkauf von 25 Gros, d.h. 3.600 Stück, angeboten hat. Bei der Auslegung einer Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) kommt es jedoch auf den objektiven Empfängerhorizont an. Die Vorstellungen der S spielen hier keine Rolle. Entscheidend ist allein der objektive Erklärungswert der Willenserklärung der S. Das Einverständnis mit dem Kauf von 25 Gros enthält objektiv das Einverständnis mit dem Kauf von 3.600 Stück. Die S hat folglich das von V gemachte Angebot über den Verkauf von 3.600 Rollen im Namen der P angenommen.
- Zwischenergebnis
V im Namen der L und S in Namen der P haben sich über den Verkauf von 3.600 Rollen Toilettenpapier geeinigt. Demnach wurde zwischen L und P ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen.
II. Wirksamkeit des Vertragsschlusses
Der Kaufvertrag müsste des Weiteren auch wirksam sein. Der Vertrag könnte durch eine An-fechtung auf Seiten der P ex tunc vernichtet worden sein, § 142 I BGB. Dann müsste P den Kaufvertrag wirksam angefochten haben. Dazu müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen und die Anfechtung erklärt worden sein.
- Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
Für eine wirksame Anfechtung müsste zunächst ein Anfechtungsgrund bestehen. Hier könnte eine Anfechtung aufgrund des Irrtums der S über die Mengenbezeichnung „Gros“ in Betracht kommen. Dabei kommt es hinsichtlich von Willensmängeln auf die Person des Vertreters – hier also der S – an.
a) Vorliegen eines Irrtums bei S
Die S müsste sich bei Vertragsschluss in einem Irrtum befunden haben. Ein Irrtum liegt vor bei einem unbewussten Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem. Vorliegend erklärte S objektiv die Annahme des Kaufs von 3.600 Rollen Toilettenpapier, ging subjektiv aber vom Kauf von nur 25 Stück aus. Die objektive Erklärung weicht also von ihrer subjektiven Vorstellung ab, so dass sie sich in einem Irrtum befand.
b) Beachtlichkeit des Irrtums der S
Der Irrtum der S müsste beachtlich gewesen sein. Vorliegend könnte es sich um einen Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt. 1 BGB handeln. Ein solcher Inhaltsirrtum ist gegeben, wenn sich der Erklärende in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befindet, indem er über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung irrt. S erklärt hier, 25 Gros Rollen Toilettenpapier kaufen zu wollen und geht dabei davon aus, 25 große Rollen zu kaufen, während 25 Gros tatsächlich 12 Dutzend meint. Sie irrt also über die Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ und damit über die Bedeutung ihrer Erklärung, befindet sich folglich in einem Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt. 1. BGB.
Unterscheidung zwischen Inhalts- und Erklärungsirrtum: Bei einem Erklärungsirrtum will die Person nicht die Willenserklärung abgeben, die sie tatsächlich in die Welt gesetzt hat. Die Person verschreibt, vertippt oder verspricht sich. Ein Inhaltsirrtum ist gegeben, wenn sich der Erklärende in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befindet, indem er über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung irrt. Die Person sagt genau das, was sie auch wollte, jedoch verbindet sie mit den gewählten Worten einen anderen Inhalt.
c) Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung
Weiterhin dürfte der Erklärende seine Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben. Der Irrtum muss kausal für die Abgabe der Willenserklärung gewesen sein. Vorliegend ist im Hinblick auf die mit der Lagerhaltung einer derart großen Menge Toilettenpapier verbundenen Probleme anzunehmen, dass S bei Kenntnis von der tatsächlichen Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ und bei verständiger Würdigung die Erklärung über den Kauf von 3.600 Rollen nicht abgegeben hätte. Der Irrtum der S war damit kausal für die im Namen der P abgegebene Annahmeerklärung.
Hinweis: Die Notwendigkeit der Kausalität ergibt sich aus dem Wortlaut des § 119 I 1 BGB am Ende: „wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.“.
d) Ergebnis für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
Es besteht ein Anfechtungsgrund der P.
- Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
Nach § 143 I BGB hat die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner zu erfolgen. Vorliegend könnte S als Vertreterin der P die Anfechtung im Namen der Privatschule erklärt haben. S verweigerte bei Lieferung des Toilettenpapiers die Annahme mit Ausnahme von 25 Rollen. Mit diesem Verhalten erklärte sie konkludent die Anfechtung des mit L geschlossenen Vertrages. L als Vertragspartner war der nach § 143 II BGB richtige Anfechtungsgegner.
- Anfechtungsfrist, § 121 I BGB
Die Anfechtung durch S wäre nur dann wirksam, wenn sie innerhalb des von § 121 BGB gesetzten Zeitrahmens erfolgt wäre. Nach § 121 I BGB hat die Anfechtung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund zu erfolgen.
Im vorliegenden Fall erkannte S mit der Lieferung der 3.600 Rollen Toilettenpapier und den in diesem Zusammenhang durch L erfolgten Äußerungen, dass sie sich im Irrtum über die Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ befunden hatte und erklärte umgehend, die Annahme zu verweigern. Damit erfolgte die Anfechtung unmittelbar nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund und demnach ohne schuldhaftes Zögern. Die Anfechtungsfrist des § 121 BGB wurde von S eingehalten.
- Ergebnis der Voraussetzungen der Anfechtung
Die S hat den Vertrag wirksam im Namen der P angefochten, so dass der Kaufvertrag nach § 142 I BGB ex tunc nichtig ist.
III. Endergebnis des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung L hat gegen P keinen Anspruch auf Zahlung des vollen Kaufpreises für die 3.600 Rollen Toilettenpapier.
B. Frage 2: Anspruch des L gegen P auf Schadensersatz aus § 122 I BGB
L könnte jedoch gegen P einen Anspruch auf Ersatz der bei ihm entstandenen Schäden aus § 122 I BGB haben. § 122 I BGB gibt dem Anfechtungsgegner einen Anspruch gegen den Anfechtenden auf Ersatz der ihm im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Erklärung entstandenen Schäden.
I. Vertrauensschaden des L Dem L müsste also dadurch ein Schaden entstanden sein, dass er auf die Wirksamkeit der durch S erklärten Annahme und damit auf die Wirksamkeit des mit P geschlossenen Kaufvertrages vertraut hat.
- Transportkosten i.H.v. 50 €
Durch die Lieferung der 3.600 Toilettenpapierrollen entstanden dem L Transportkosten i.H.v. 40 €. Wäre L nicht davon ausgegangen, einen wirksamen Kaufvertrag mit P geschlossen zu haben, hätte er die Rollen nicht an P geliefert. Bei den Transportkosten handelt es sich folglich um einen nach § 122 I BGB ersatzfähigen Vertrauensschaden.
- Entgangener Gewinn aus dem angefochtenen Kaufvertrag i.H.v. 250 €
Des Weiteren führt L an, dass ihm das Geschäft mit P einen Nettogewinn von 250 € eingebracht hätte. Jedoch handelt es sich bei dem Wert von 250 € um das sog. Erfüllungsinteresse, also dem Interesse, dass der L an der Durchführung des Vertrages hat. § 122 I BGB gibt hingegen ausschließlich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Der entgangene Gewinn stellt also keinen nach § 122 I BGB ersatzfähigen Schaden dar.
Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse: Negatives Interesse (= Vertrauensschaden): Der Verletzte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bzw. der Erklärung vertraut hätte.
Positives Interesse (= Erfüllungsinteresse): Der Verletzte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß vollzogen worden wäre. 3. Zwischenergebnis
Ersatzfähig nach § 122 I BGB sind hier allein die dem L entstandenen Transportkosten i.H.v. 50 €.
II. Ausschluss der Ersatzpflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, § 122 II BGB
Die Ersatzpflicht der P wäre ausgeschlossen bei Kenntnis bzw. Kennenmüssen von der An-fechtbarkeit des Vertrages (vgl. § 122 II). Es ist dabei auf die Kenntnis der S als Vertreterin der P abzustellen (§ 166 I BGB). Eine solche Kenntnis oder fahrlässig Unkenntnis der S ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Ausschlussgrund des § 122 II BGB greift nicht ein.
III. Endergebnis
L hat gegen P somit einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Transportkosten i.H.v. 50 € aus § 122 I BGB.
Die Aliud- und Mankolieferung (§ 434 Abs. 3 BGB)
§ 434 Abs. 3 unterstellt auch die Aliud- und die Mankolieferung, also die Lieferung einer anderen als der gekauften Sache und die Lieferung einer geringeren als der vereinbarten Menge, dem Sachmängelgewährleistungsrecht.
v§ 434 Abs. 3 BGB stellt ein aliud dem Sachmangel gleich. Auch die Lieferung einer anderen Sache bewirkt also den Übergang des Erfüllungsanspruches zum Nacherfüllungsanspruch eine für den Verkäufer durchaus günstige Veränderung der Rechtslage, denn in diesem Moment beginnt die kürzere und vor allem objektive Verjährungsfrist von § 438 BGB zu laufen und dem Verkäufer kommt die gegenüber § 275 Abs. 2 BGB wesentlich günstigere Einrede des § 439 Abs. 3 S. 3 zugute. Der Gesetzgeber wollte mit der Gleichstellung die Probleme beheben, die sich beim Gattungskauf aus der überaus schwierigen Frage ergaben, ob eine Sache nun mangelhaft war (peius) oder ob sie schon einer anderen Gattung angehörte (aliud). Werden zum Beispiel statt der bestellten Kacheln mit einer Größe von 30 cm2 Kacheln mit 35 cm2 geliefert, so fragt sich, ob dies nun einfach andere oder zu große Kacheln sind. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich jedoch nicht zwingend, warum ein aliud auch beim Stückkauf (Identitätsaliud) dem Sachmangel gleich stehen soll. Haben sich die Parteien auf eine bestimmte Sache geeinigt und wird eine andere geliefert, so ist dies eindeutig ein aliud und kein Sachmangel. Man kann sich also fragen, ob es sich bei der weiten Fassung von § 434 Abs. 3 BGB um ein Redaktionsversehen handelt. Die Gesetzesmaterialien geben in dieser Hinsicht wenig Aufschluss. Dort heißt es: Wird beim Stückkauf ein Identitätsaliud geliefert, so kommt neben dem Erfüllungsanspruch auf Lieferung ein davon verschiedener Nacherfüllungsanspruch nicht in Betracht (BT-Drucks. 14/6040, S. 216). Hieraus kann man nun entweder lesen, dass das Identitätsaliud nicht einbezogen werden sollte oder dass der Nacherfüllungsanspruch den gleichen Inhalt hat wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (siehe zur ersten Interpretation: Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 114 und zur zweiten: Lorenz, JuS 2003, 38). Entscheidend dürfte jedoch Folgendes sein. Beim Gattungskauf rechtfertigt das Bedürfnis nach Rechtssicherheit die Gleichstellung von aliud und peius. Die Situation beim Stückkauf ist hingegen völlig anders. Verdeutlichen lässt sich dies an folgendem Beispiel. V verkauft K ein Bild, von dem es zwei Versionen gibt, und liefert eine der Versionen. Anschließend streiten die Parteien darum, ob V nun die richtige Version geliefert hat. Dieser Streit kann zwei Gründe haben. Zum einen ist es möglich, dass aus dem Vertrag nicht klar hervorgeht, welche Version gemeint war. Zum anderen könnte es sein, dass die zwei Versionen derartig schwer zu unterscheiden sind, dass eine Verwechslung stattgefunden hat. Eine Rechtunsicherheit besteht in solchen Fällen nicht. Wir haben es vielmehr mit Beweisschwierigkeiten entweder hinsichtlich des Inhaltes des Vertrages oder der Identität der Sache selbst (wobei letzteres sehr schwer vorstellbar ist) zu tun. Es kann hier keine Unsicherheit im Recht geben, die es rechtfertigen würde, den Käufer auf den für ihn ungünstigeren Nacherfüllungsanspruch zu verweisen. Demzufolge ist eine teleologische Reduktion von § 434 Abs. 3 BGB dahingehend vorzunehmen, dass dieser auf die Stückschuld keine Anwendung findet, sondern nur auf die Gattungsschuld.
Doch auch wenn man § 434 Abs. 3 BGB nur auf die Gattungsschuld anwendet, so verwundert doch die sehr weite Fassung dieser Norm. Sind etwa Legosteine, die anstatt der bestellten Kacheln geliefert werden, mangelhafte Kacheln? So überspitzt diese Frage scheinen mag, beim ersten Lesen des Gesetzestextes ist man versucht, sie zu bejahen. Dies erscheint jedoch schon deshalb bedenklich, weil der Verkäufer mit der Lieferung einer beliebigen Sache die Anwendung der für ihn günstigen kaufvertraglichen Gewährleistungsregeln auslösen könnte. Der Übergang vom Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Verkäufer einen Erfüllungsversuch vorgenommen hat. Ob ein solcher Erfüllungsversuch vorliegt, richtet sich nach der Erfüllungs- bzw. Tilgungsbestimmung. Diese ist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Von einem Erfüllungsversuch kann somit nur dort ausgegangen werden, wo das Handeln des Verkäufers aus der Sicht des objektiven Empfängers auch als solcher zu verstehen ist (Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 107). Liefert der Verkäufer Legosteine statt Kacheln, wird ein objektiver Empfänger hierin entweder einen Scherz oder ein Versehen erblicken, keinesfalls aber einen ernsthaften Erfüllungsversuch. Der Erfüllungsanspruch bleibt in einem solchen Fall bestehen.
Anwendung findet § 434 Abs. 3 BGB also nur, wenn der Verkäufer eine andere Gattungssache liefert und diese Lieferung für den Käufer auch als Erfüllungsversuch erkennbar ist. Auf ein aliud finden in diesem Fall die Regeln der §§ 437 ff. BGB Anwendung. Der Käufer kann also den Nacherfüllungsanspruch geltend machen und, wenn der Verkäufer die Nacherfüllungsfrist verstreichen lässt, die übrigen Rechtsbehelfe.
Was aber geschieht, wenn der Verkäufer eine wertvollere Sache liefert? Man stelle sich vor, Käufer K habe Kacheln à 30 cm2 bestellt. V verwechselt die Bestellung des K mit der des B und liefert ihm Kacheln à 35 cm2. K bemerkt dies zunächst nicht. Als er den Fehler sieht, ist er hoch zufrieden, denn die gelieferten Kacheln sind ein wenig teurer. V hat den Fehler inzwischen auch bemerkt und verlangt die Kacheln von K heraus. Das Problem dieses Beispielsfalles wird unter dem Schlagwort besseres aliud diskutiert. Das in den §§ 437 ff. BGB normierte Sachmängelgewährleistungsrecht gibt nur dem Käufer Rechte nicht aber dem Verkäufer. Zwar wird manchmal von einem Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung gesprochen, dies ist indes terminologisch nicht korrekt. Es ist der Käufer der zunächst Nacherfüllung verlangen muss, bevor er andere Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Folglich handelt es sich bei der Nacherfüllung nicht um ein Recht des Verkäufers im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um eine Begrenzung der Käuferrechte, die dem Verkäufer zu Gute kommt. Solange der Käufer die Nacherfüllung nicht verlangt, kann sie ihm vom Verkäufer nicht aufgedrängt werden. Das Gewährleistungsrecht kommt dem Verkäufer daher nicht zur Hilfe.
Aber gibt der Kaufvertrag dem Käufer tatsächlich auch das Recht, die bessere Sache zu behalten, oder ist die Lieferung einer anderen Sache vielmehr ein indebitum, das der Verkäufer gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB herausfordern kann? Das aliud war jedenfalls zunächst nicht die Sache, die geschuldet wurde. Hieraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass es ohne Rechtsgrund erlangt wurde. Eine mangelhafte Sache darf der Käufer grundsätzlich behalten, denn es steht in seinem Belieben, ob er den Nacherfüllungsanspruch geltend macht oder nicht. Auch die Leistung einer mangelhaften Sache erfolgt daher nicht ohne Rechtsgrund, das Gewährleistungsrecht vermittelt in diesem Fall den Rechtsgrund (Musielak, NJW 2003, 90; anders Lorenz, JuS 2003, 38). Aufgrund der Gleichstellung von aliud und Sachmangel durch § 434 Abs. 3 BGB muss dies auch für die Lieferung einer anderen Sache gelten. Auch die Leistung eines aliud ist demzufolge zunächst nicht rechtsgrundlos. Es scheint, als wäre dem Verkäufer auch der Weg über die condictio indebiti versperrt. Hat also der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die in ihrer strikten Anwendung zu einem völlig untragbaren Ergebnis führt (so Musielak, NJW 2003, 92)?
Man kann die Problematik des besseren aliud jedoch nicht rein abstrakt, losgelöst von der Situation, in der sie auftritt, betrachten. Tatsächlich wird die Lieferung einer anderen besseren Sache immer auf einen Irrtum des Verkäufers zurückzuführen sein. Entweder wird er wie in unserem Beispiel zwei Kunden verwechselt haben oder er hat die zu liefernde Sache selbst mit einer anderen verwechselt. Dieser Irrtum haftet dann der Tilgungsbestimmung an. Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist die Tilgungsbestimmung den allgemeinen Regeln unterworfen und demzufolge auch analog §§ 119 Abs. 2, 142 BGB anfechtbar. Die Anwendung von § 119 Abs. 2 BGB auf einen Irrtum des Verkäufers wird durch das Gewährleistungsrecht schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil dieses keine Rechte des Verkäufers, sondern nur Rechte des Käufers regelt. Die Lieferung eines aliud berechtigt den Verkäufer daher regelmäßig zur Anfechtung der Tilgungsbestimmung. Durch die Anfechtung entfällt der Rechtsgrund seiner Leistung ex tunc und der Weg für die condictio indebiti ist frei. Das bessere aliud stellt den Rechtsanwender also keineswegs vor ein unlösbares Problem.
Bei § 434 Abs. 3 2. Alt BGB ist zu beachten, dass diese Vorschrift trotz ihres umfassenden Wortlauts nur den Fall erfasst, dass der Verkäufer nach dem Empfängerhorizont des Käufers die zu geringe Menge zum Zwecke der Erfüllung seiner ganzen Verbindlichkeit liefert und dabei ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Lieferung in der Absicht erfolgt, die Verbindlichkeit vollständig zu erfüllen. Demgegenüber erfasst sie nicht auch den Fall der bewusst als solcher erbrachten Teilleistung, die der Käufer regelmäßig nach § 266 BGB zurückweisen darf und bei der er gemäß § 323 BGB vom ganzen Vertrag zurücktreten oder gemäß §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung oder gem. gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB Verzugsschaden geltend machen kann. Mit anderen Worten: § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst nur den Fall der verdeckten oder unbewussten Mankolieferung und nicht auch den Fall der offenen oder bewussten Mankolieferung (BT-Drucks. 14/6040, S.216; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496). Im Gegensatz zur Zuweniglieferung (Mankolieferung) wird die Zuviellieferung nicht von § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst. Im Fall der Lieferung einer zu großen Menge kann der Verkäufer das zuviel Geleistete im Wege der Leistungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, 818 Abs. 1 BGB herausverlangen. Ist die Herausgabe nicht möglich, so hat er einen Anspruch auf Wertersatz § 818 Abs. 2 BGB. Ein vertraglicher Anspruch auf Kaufpreiszahlung für das zuviel Geleistete wird dagegen, auch beim bewussten Schweigen des Käufers auf die Zuvielleistung, nicht begründet (Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496; Putzo, in: Palandt, § 434 Rdnr. 53).
Der Haakjöringsköd - Fall (RGZ. 99, 147)
Lösungsskizze
A. Anspruch F gegen G auf Nacherfüllung aus §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB
I. Kaufvertrag zwischen F und G
- Einigung zwischen F und G
- Ergebnis der Einigung
II. Mangel der Kaufsache, § 434 BGB
III. Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang
IV. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte
- Anwendbarkeit des HGB
- Ablieferung der Ware
- Untersuchung
- Rüge
- Rechtzeitigkeit der Rüge
- Schutzwürdigkeit des Verkäufers
- Rechtsfolge
V. Ergebnis des Anspruchs
Gutachten
A. Anspruch F gegen G auf Nacherfüllung aus §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB
F könnte gegen G einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB haben.
I. Kaufvertrag zwischen F und G
Dazu müsste zuallererst ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sein. Dazu müssten sich die Parteien über die wesentlichen Vertragsinhalte geeinigt haben.
- Einigung zwischen F und G
F und G waren sich einig, dass „Haakjöringsköd“ geliefert wird, worunter beide Walfleisch verstanden. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass „Haakjöringsköd“ in Wirklichkeit Haifischfleisch ist. Dazu muss gefragt werden, was genau Vertragsinhalt zwischen den Parteien geworden ist. Dies ist durch Auslegung der Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
Hinweis: Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind grundsätzlich nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen, d.h. danach, wie ein sorgfältiger Dritter in der Rolle des Erklärungsempfängers die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Umstände des Einzelfalles verstehen durfte, §§ 133, 157 BGB
Die Erklärungen von F und G sind somit danach auszulegen, wie ein objektiver Dritter den Inhalt verstehen durfte. Aufgrund der objektiven Wortbedeutung von „Haakjöringsköd“ wäre also eigentlich die Lieferung von 124 Fass mit Haifischfleisch vereinbart gewesen.
Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont dient dem Schutz des Erklärungsempfängers und wird daher durch dessen Schutzbedürftigkeit begrenzt. Nicht schutzbedürftig ist der Erklärungsempfänger, wenn er trotz der vom Willen des Erklärenden abweichenden Erklärung richtig erkennt, was der Erklärende tatsächlich gewollt hat. In diesem Fall gilt das Gewollte. Ebenfalls nicht schutzbedürftig ist der Erklärungsempfänger dann, wenn beide Parteien die konkrete Erklärung in gleicher Weise verstanden haben.
Für den Fall, dass beide Parteien dasselbe meinen, obwohl sie übereinstimmend das Falsche gesagt haben, ist eine Falschbezeichnung somit nicht schädlich und es gilt das übereinstimmend Gewollte. → „Falsa demonstratio non nocet“
Um einen solchen Fall der übereinstimmenden Falschbezeichnung handelt es sich auch hier: F und G haben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei dem Wort „Haakjöringsköd“ übereinstimmend an Walfleisch gedacht, obwohl der Begriff tatsächlich Haifischfleisch bedeutet.
- Ergebnis der Einigung
Unabhängig von der objektiven Wortbedeutung haben die beiden damit einen Vertrag über die Lieferung von 124 Fass mit Walfleisch abgeschlossen. Ein wirksamer Kaufvertrag liegt zwischen den Vertragsparteien vor.
II. Mangel der Kaufsache, § 434 BGB
In der Lieferung von Haifischfleisch müsste ein Mangel zu sehen sein. Ein Mangel liegt dann vor, wenn eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit festzustellen ist. Hier wurde Haifischfleisch statt dem geschuldeten Walfleisch geliefert. Darin ist ein Sachmangel i.S.d. § 434 I BGB zu sehen. Durch die Beschlagnahme wird aus dem Sachmangel aber kein Rechtsmangel i.S.d. § 435 BGB.
Man könnte hier zudem thematisieren, dass mit der Aussonderung und Verschiffung der Ware Konkretisierung (§ 243 II BGB) eingetreten ist, sich die Schuld des G also auf genau die fraglichen Fässer konkretisiert hat (sog. Stückkauf). Eine Nachlieferung kommt bei einem Stückkauf nur dann in Betracht, wenn es sich um eine vertretbare Sache handelt. Was vertretbare Sachen sind regelt § 91 BGB. Waren sind danach dann vertretbar, wenn sie gleichwertig beschaffen und gegeneinander austauschbar sind. Dies ist vorliegend bei Walfleisch der Fall. G könnte unproblematisch weiteres Walfleisch besorgen und verschiffen.
III. Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang
Der Mangel müsste auch schon bei Gefahrübergang vorgelegen haben, §§ 446, 447 BGB. Da wir vorliegend nicht wissen, ob die Ware auf Verlangen des F versandt wurde (dann wäre Gefahrübergang nach § 447 BGB mit der Übergabe der Fässer mit Walfleisch an den Frachtführer eingetreten) oder G die Waren von sich aus an F verschifft hat (dann wäre Gefahrübergang nach § 446 BGB mit der Aushändigung bzw. Zugang des F zu den Fässern mit dem Walfleisch eingetreten), ist aber trotzdem nach beiden Vorschriften der Gefahrübergang schon eingetreten, sodass sich vorliegend nicht entschieden werden muss.
IV. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte
Die Mangelgewährleistungsrechte dürften für F nicht ausgeschlossen sein. F müsste seiner Rügeobliegenheit aus § 377 HGB nachgekommen sein.
- Anwendbarkeit des HGB
Das Handelsrecht müsste überhaupt auf den vorliegenden Fall Anwendung finden. Nach § 377 I HGB muss es sich zur Anwendung dieser Vorschrift bei beiden Vertragsparteien um ein Handelsgeschäft handeln. F ist Fischhändler und G ist Fischgroßhändler. Somit handelt es sich bei beiden Vertragsparteien um Kaufmänner i.S.d. § 1 I HGB.
- Ablieferung der Ware
Die Fässer sind – wie bereits oben festgestellt – an F übergeben worden, sodass dieser die Möglichkeit hatte, die Ware zu untersuchen und festzustellen, um was für Fisch es sich genau handelt.
- Untersuchung
F müsste die Ware unverzüglich untersucht haben. Nachdem F die Fässer mit dem vermeintlichen Walfleisch entgegengenommen hat, stellte er fest, dass es sich um Haifischfleisch handelt. Es handelt sich hier um einen offensichtlichen Mangel, bei dem keine lange Untersuchung der Ware notwendig ist. F hat den Mangel somit durch eine Inaugenscheinnahme der Ware festgestellt.
- Rüge
F müsste den G gerügt haben. Dazu müsste er dem G so genau wie möglich die Mängel mitteilen bzw. aufzeigen. Diese Rüge ist an keine Form gebunden und geht nach § 130 BGB analog zu. Hier hat F seine Mängelgewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag mit G geltend gemacht und somit zum Ausdruck gebracht, dass die Ware nicht dem geschuldeten Leistungsgegenstand entspricht und somit einen Mangel aufweist. Eine wirksame Rüge liegt somit auch vor.
- Rechtzeitigkeit der Rüge
F müsste den G rechtzeitig gerügt haben. Nach dem Wortlaut des § 377 HGB hat die Rüge „unverzüglich“ zu erfolgen. Nach § 121 I BGB heißt „unverzüglich“, dass die Rüge ohne schuldhaftes Zögern vorgenommen worden sein müsste. Dies ist vorliegend aber umgehend geschehen.
Beachte: Es handelt sich vorliegend um eine „doppelte Frist“:
1. Pflicht des Käufers die Ware unverzüglich zu untersuchen
und
2. Pflicht des Käufers die festgestellten Mängel der Untersuchung gegenüber dem Verkäufer unverzüglich zu rügen.
6. Schutzwürdigkeit des Verkäufers
G müsste auch schutzwürdig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn er den Mangel der Sache arglistig gegenüber F verschwiegen hätte, § 377 V HGB. Davon ist im Sachverhalt aber nichts zu erkennen, zumal der G mit der verschifften Sache davon ausging den Kaufvertrag wirksam zu erfüllen.
- Rechtsfolge
Da F dem G rechtzeitig den Mangel mitgeteilt hat, behält F seine Mangelgewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB).
Beachte: Hätte F die Ware nicht unverzüglich untersucht und dem G den Mangel mitgeteilt, könnte F sich nicht mehr auf die Mängelgewährleistungsrechte berufen. Die Ware dann als genehmigt anzusehen, § 377 II, III HGB. Dies soll gerade im Handelsverkehr für eine schnelle und möglichst reibungslose Abwick-lung der dort geschlossenen Verträge sorgen.
V. Ergebnis des Anspruchs
F hat gegen G einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB.
LOTTOFALL
Behandelt wird zunächst die Rechtsbeziehung der Parteien. In Betracht kommt zwar die Tippgemeinschaft als eine Außen-GbR, dies ist im Ergebnis für die Lösung allerdings irrelevant. Auch wird diskutiert, ob § 762 I BGB hier dem Anspruch von vorneherein entgegensteht. Im weiteren Verlauf der Lösung wird schwerpunktmäßig die Frage erörtert, ob bzgl. der Verpflichtung die Lottoscheine abzugeben hier überhaupt ein Rechtsbindungswille besteht. Diese Konstellationen rund um den Rechtsbindungswillen kommen im Rahmen des BGB AT immer noch gerne im Examen dran, da sich hier die Chance einer argumentativen Auseinandersetzung bietet.
Lösungsskizze
A. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. Gesellschaftsvertrag
I. Schuldverhältnis
- Entgegenstehen von § 762 I BGB?
(P) nach Sinn und Zweck (-), da hier staatlich genehmigtes Lottospiel; auch analoge Anwendung (-)
(P) Pflicht Lottoschein abzugeben?
- Nur wenn Rechtsbindungswille (+)
Abgrenzung RBW/ Gefälligkeit nach Treu und Glauben; Auslegungshilfen:
- Entgeltlichkeit
hier: unentgeltlicher Auftrag - Drohende wirtschaftliche Schäden
hier: bei Haftung von Lottospielern existenzgefährdende Schäden möglich - wollten Parteien gerichtlich einklagbare Ansprüche begründen?
Hier: Dies würde dem Gedanken des gemeinsamen Spiels widersprechen
Zwischenergebnis: RBW (-)
II. Ergebnis (-)
B. Anspruch aus § 823 I BGB
(-) reine Vermögensschäden nicht geschützt
Gutachten
A. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. Gesellschaftsvertrag
O und L könnten einen Schadensersatzanspruch gegen B aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.
I. Schuldverhältnis
Fraglich ist zunächst, ob ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien besteht. Ausweislich des Sachverhalts haben die Parteien sich zu einer so genannten „Tippgemeinschaft“ zusammengeschlossen. Diese könnte eine (Außen-) GbR darstellen. Dafür müssten mindestens zwei Personen vorliegen, die auf Grund eines Vertrages einen gemeinsamen Zweck verfolgen und ihre Beiträge dazu leisten. Hier haben sich O, L und B zusammengeschlossen, um gemeinsam Lotto zu spielen und so bei niedrigeren Beträgen ihre Gewinnchancen zu steigern. Dazu leisteten alle wöchentlich einen Beitrag in Geld i.H.v. 10 DM. Damit liegt grds. eine (Außen-) GbR vor. B könnte gegen Pflichten des Gesellschaftsvertrages verstoßen und sich so schadensersatzpflichtig gemacht haben.
[Hinweis: Die genaue Einordnung der Gesellschaft ist nicht so entscheidend, da es letztendlich nur auf das Schuldverhältnis im Innenverhältnis ankommt. Allerdings schadet auch eine kurze Darstellung aus Verständlichkeitsgründen nicht. Zu weit sollte man an dieser Stelle aber nicht ausholen.]
Einem möglichen Anspruch könnte jedoch zunächst § 762 I BGB entgegenstehen. Danach wird eine Verbindlichkeit bei einem Spiel und einer Wette nicht begründet.
Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollen Ansprüche, die durch staatlich nicht genehmigte Spiele und Wetten entstehen, nicht gerichtlich durchsetzbar sein, sodass sie zu Gunsten der Suchtprävention an Attraktivität verlieren.
Fraglich ist, ob dies hier der Fall ist. Ausweislich des Sachverhalts spielten die beteiligten Parteien nur das staatlich genehmigte Lotto, welches unter der Aufsicht des Staates steht, der die Suchtprävention auch selbst übernimmt.
Überdies ist die Übernahme des Spieleinsatzes für eine Lottospielgemeinschaft nicht selbst ein Spiel, sondern ein Nebengeschäft, das der Durchführung des Spieles dient. Etwas anderes würde zwar gelten, wenn jemand beauftrag wird ein staatlich nicht genehmigtes Glücksspiel zu spielen, allerdings liegt dies in diesem Fall nicht vor (s.o.).
Damit kann § 762 I BGB hier nicht angewendet werden.
Es könnte eine analoge Anwendung des § 762 I BGB in Betracht gezogen werden. Dafür müssten jedoch eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Für die vergleichbare Interessenlage könnte sprechen, dass der B hier genau wie bei einem staatlich nicht genehmigten Glücksspiel ein erhebliches „Spielrisiko“ auf sich nimmt, in dem er sich u.U. existenzgefährdend schadensersatzpflichtig machen würde, würde er die Lottoscheine nicht abgeben. Daher könnte man meinen, dass er genauso schutzbedürftig sei. Allerdings lassen sich beide Fälle nicht miteinander vergleichen, da der Spieler bewusst das Risiko des Einsatzverlustes eingeht, um im Gegenzug seine Gewinnchance zu steigern. Der Beauftragte hingegen würde jedoch zwar ein hohes Haftungsrisiko eingehen, hätte aber kein vergleichbares Äquivalent, wie etwa eine gesteigerte Gewinnchance.
Damit ist auch eine analoge Anwendung des § 762 I BGB abzulehnen, sodass dies der grundsätzlichen Anwendbarkeit nicht entgegensteht.
Problematisch ist allerdings, ob auch innerhalb dieses Vertrages neben der Beitragspflicht (als Zweckförderungspflicht) die Abgabe des Lottoscheins bei der Annahmestelle seitens des B ebenfalls geschuldet war. Dafür müsste diesbezüglich auch eine rechtlich bindende Vereinbarung im mündlich geschlossenen Gesellschaftsvertrag vorliegen.
Es könnte jedoch auch ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis vorliegen, sodass eine Abgrenzung erforderlich ist.
Ob bzgl. der Verpflichtung den Lottoschein abzugeben ein Rechtsbindungswille bestand, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen.
Als Auslegungshilfe können dabei die Entgeltlichkeit des Geschäfts, das wirtschaftliche Risiko drohender Schäden sowie der Wille der Parteien, ob gerichtlich durchsetzbare Ansprüche entstehen sollen, herangezogen werden.
Gegen einen diesbezüglichen Rechtbindungswillen spricht, dass der B den Auftrag die Lottoscheine bei der Annahmestelle abzugeben unentgeltlich übernommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass bei der Bejahung eines Rechtsbindungswillens immense wirtschaftliche Schäden entstehen können, die für den Beauftragten zum Teil existenzbedrohende Dimensionen einnehmen kann. Bei Lottogewinnen handelt es sich i.d.R. um hohe Beträge. Mit Blick auf die Verkehrssitte kann auch nicht angenommen werden, dass die Parteien bei Vertragsschluss wirklich gerichtlich durchsetzbare Ansprüche begründen wollten, da jedem klar sein konnte, dass bei Nichtabgabe horrende Schäden entstehen können und die Gefahr, dass der beauftragte Spieler gegen die von den Mitspielern getroffene Abrede verstößt, verhältnismäßig groß ist. Es kann daher leicht vorkommen, dass er das Ausfüllen der Wettscheine wegen anderweitiger Verpflichtungen unterlässt, es vergisst oder versehentlich andere Zahlen ankreuzt als vereinbart, daher steht dieses Schadensrisiko in keinem Verhältnis zur Beauftragung (so der BGH). Auch mit Blick auf den Gedanken des „gemeinsamen Spiels“ kann angebracht werden, dass die Spieler sich in gemeinsamer Motivation zusammenschließen, um ihre Gewinnchancen zu steigern und nicht etwa in dem Gedanken zukünftig wegen eines einfachen menschlichen Fehlers sich schadensersatzpflichtig zu machen.
Mithin ist ein Rechtsbindungswille bzgl. der Pflicht die Lottoscheine zur Annahmestelle zu bringen abzulehnen.
Damit liegt auch kein Schuldverhältnis vor.
II. Ergebnis
Mithin ist ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag abzulehnen.
B. Anspruch aus § 823 I BGB
Ein Anspruch aus § 823 I BGB ist deshalb abzulehnen, da reine Vermögensschäden durch § 823 I BGB nicht erfasst werden.
Einem möglichen Anspruch könnte jedoch zunächst § 762 I BGB entgegenstehen. Danach wird eine Verbindlichkeit bei einem Spiel und einer Wette nicht begründet.
Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollen Ansprüche, die durch staatlich nicht genehmigte Spiele und Wetten entstehen, nicht gerichtlich durchsetzbar sein, sodass sie zu Gunsten der Suchtprävention an Attraktivität verlieren
Fraglich ist, ob dies hier der Fall ist. Ausweislich des Sachverhalts spielten die beteiligten Parteien nur das staatlich genehmigte Lotto, welches unter der Aufsicht des Staates steht, der die Suchtprävention auch selbst übernimmt.
Überdies ist die Übernahme des Spieleinsatzes für eine Lottospielgemeinschaft nicht selbst ein Spiel, sondern ein Nebengeschäft, das der Durchführung des Spieles dient. Etwas anderes würde zwar gelten, wenn jemand beauftrag wird ein staatlich nicht genehmigtes Glücksspiel zu spielen, allerdings liegt dies in diesem Fall nicht vor (s.o.).
Damit kann § 762 I BGB hier nicht angewendet werden.
Es könnte eine analoge Anwendung des § 762 I BGB in Betracht gezogen werden. Dafür müssten jedoch eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Für die vergleichbare Interessenlage könnte sprechen, dass der B hier genau wie bei einem staatlich nicht genehmigten Glücksspiel ein erhebliches „Spielrisiko“ auf sich nimmt, in dem er sich u.U. existenzgefährdend schadensersatzpflichtig machen würde, würde er die Lottoscheine nicht abgeben. Daher könnte man meinen, dass er genauso schutzbedürftig sei. Allerdings lassen sich beide Fälle nicht miteinander vergleichen, da der Spieler bewusst das Risiko des Einsatzverlustes eingeht, um im Gegenzug seine Gewinnchance zu steigern. Der Beauftragte hingegen würde jedoch zwar ein hohes Haftungsrisiko eingehen, hätte aber kein vergleichbares Äquivalent, wie etwa eine gesteigerte Gewinnchance.
Damit ist auch eine analoge Anwendung des § 762 I BGB abzulehnen, sodass dies der grundsätzlichen Anwendbarkeit nicht entgegensteht.
Den Rubel-Fall hat das Reichsgericht am 30. November 1922 entschieden. Das Reichsgericht hat sich hier mit der Frage beschäftigt, ob der sog. „offene Kalkulationsirrtum“ zu einer Anfechtung berechtigt.
Anspruch aus § 488 I BGB (nach alter Fassung § 607 I BGB)
I. Anspruch entstanden
- Darlehensvertrag gem. § 488 I BGB
Angebot und Annahme (+)
(P) Inhaltliche Abweichung
a) e.A. (RG): Darlehensvertrag zustande gekommen, Möglichkeit der Anfechtung besteht
b) a.A.: hier falsa demonstratio bzgl. Umtauschkurs von 25 Pfennig, da Parteien beide vom wahren Umtauschkurs ausgingen. Dieser Wille ist vielmehr entscheidend. Vertrag nur bzgl. 300 RM zustande gekommen
c) Streitentscheid (+) (a.A. sehr gut vertretbar)
II. Anspruch untergegangen
- Anfechtung gem. § 142 I BGB
a) Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB (+)
b) Anfechtungsgrund nach § 119 I 1. Alt. BGB
(P) offener Kalkulationsirrtum
aa) RG: offener Kalkulationsirrtum ist ein erweiterter Inhaltsirrtum
Pro: Fehlkalkulation ist Teil der Erklärung selbst. Diese wurde auch nach außen verlautbart.
bb) BGH tendiert heute: offener Kalkulationsirrtum ist nur unbeachtlicher Motivirrtum
Pro: Kalkulation ist Sache des Darlehensnehmer. Vielmehr Fehler in der Willensbildung. Geschützt wird aber nur Irrtum bei der Willensäußerung.
cc) Streitentscheid (-)
unbeachtlicher Motivirrtum
- Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB
a) Vertragliches Schuldverhältnis (+)
b) Geschäftsgrundlage
Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sind Umstände, die zur Grundlage des entsprechenden Vertrages geworden sind (reales Element, hypothetisches Element, normatives Element).
reales Element (P)
Nachträgliche Änderung vertragswesentlicher objektiver Umstände.
Hier: keine „nachträgliche Änderung“. Wechselkurs des Rubel war schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1 Pfennig.
Überdies hypothetisches Element (-)
c) Ergebnis (-) (a.A. vertretbar)
Keine Störung der Geschäftsgrundlage
- Zwischenergebnis (-)
Anspruch ist nicht untergegangen
III. Endergebnis (+
Gutachten
Anspruch aus § 488 I BGB (nach alter Fassung § 607 I BGB)
K könnte gegen B einen Zahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag haben gem. § 488 I BGB.
I. Anspruch entstanden
Der Anspruch müsste entstanden sein.
- Darlehensvertrag gem. § 488 I BGB
Ausweislich des Sachverhalts liegen zwei korrespondierende Willenserklärungen (Antrag und Annahme) vor.
Problematisch ist allerdings, dass die Willenserklärungen des K und des B inhaltlich insoweit abweichen, als dass die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass der Wechselkurs des Rubels bei 25 Pfennig liegt, obwohl der wirkliche Wechselkurs 1 Pfennig beträgt.
Fraglich ist daher, ob der Vertrag trotz inhaltlicher Abweichung zustande gekommen ist. Dies ist umstritten.
a) e.A. Vertrag ist über 7.500 RM zustande gekommen
Nach einer Ansicht schadet die inhaltliche Abweichung nicht und der Vertrag kommt zustande. Es bleibe die Möglichkeit der Anfechtung.
b) a.A. Vertrag ist über 300 RM zustande gekommen
Eine andere Ansicht vertritt, dass hier bzgl. des Wechselkurses von 25 Pfennig eine falsa demonstratio vorliegt, da beide Vertragspartner dachten, dass dies der richtige Wechselkurs sei. Entsprechend war der Wille der Vertragsparteien nach Auslegung ( §§133, 157 BGB) auf den wahren Wechselkurs von 1 Pfennig gerichtet, sodass nach dieser Ansicht ein Vertragsschluss bzgl. 300 RM zustande gekommen ist.
c) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streitentscheid zu entscheiden.
Für die zweite Ansicht spricht der Vorrang der Auslegung vor der Möglichkeit einer Anfechtung. K und B gingen beide fälschlicherweise von einem höheren Wechselkurs aus, wollten aber in Wirklichkeit, dass das Darlehen nach dem wahren objektiven Wechselkurs zurückgezahlt wird.
Dagegen spricht jedoch, dass der K hier viel schlechter dastehen würde, da er subjektiv von einem Wechselkurs i.H.v. 25 Pfennig ausging. Die Willenserklärungen der Parteien könnten daher nach §§ 133, 157 BGB genauso dahingehend ausgelegt werden, dass der Darlehensvertrag nur über den Wechselkurs i.H.v. 25 Pfennig zustande kommen soll. Daher ist dieser Meinung der Vorzug zu geben, sodass ein Darlehensvertrag über die Summe von 7.500 RM geschlossen wurde.
[Anmerkung: Die mittlerweile h.L. tendiert eher dazu eine falsa demonstratio anzunehmen. Hier wird jedoch allein schon aus didaktischen Gründen der Meinung des RG gefolgt, um das Problem der Anfechtung noch anzusprechen.]
II. Anspruch untergegangen
Der Anspruch könnte jedoch untergegangen sein.
- Anfechtung gem. § 142 I BGB
Der Anspruch könnte zunächst durch eine Anfechtung ex tunc gem. § 142 I BGB untergegangen sein.
a) Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB
Eine Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB liegt ausweislich des Sachverhalts vor.
b) Anfechtungsgrund nach § 119 I 1. Alt. BGB
Fraglich ist, ob auch ein Anfechtungsgrund vorliegt. In Betracht kommt ein Inhaltsirrtum nach § 119 I 1. Alt. BGB. Ein Inhaltsirrtum (oder auch Irrtum über den Erklärungsinhalt) liegt vor, wenn zwar der äußere Tatbestand der Erklärung (also die Erklärung an sich) mit dem inneren Willen des Erklärenden übereinstimmt, der Erklärende also genau das Erklärungszeichen benutzt, dessen er sich bedienen möchte, aber dabei über dessen Bedeutung oder Tragweite irrt.
Hier irrte sich B bzgl. des wahren Wechselkurses des Rubels, in Folge er sich verrechnet hat. Der Wechselkurs war auch ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen. Somit liegt ein so genannter offener Kalkulationsirrtum vor.
Problematisch ist allerdings, ob der offene Kalkulationsirrtum einen tauglichen Anfechtungsgrund i.S.d. § 119 I 1. Alt. BGB darstellen kann. Dies ist umstritten.
aa) e.A. (RG): offener Kalkulationsirrtum ist ein Inhaltsirrtum
Nach einer Ansicht stellt auch der offene Kalkulationsirrtum als Ausformung eines Inhaltsirrtums einen Anfechtungsgrund dar, sodass hier ein Anfechtungsgrund vorliegen würde.
bb) a.A. (BGH heute): offener Kalkulationsirrtum nur unbeachtlicher Motivirrtum
Die Gegenansicht lehnt einen Anfechtungsgrund ab und vertritt, dass lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vorliegt. Nach dieser Ansicht wäre ein Anfechtungsgrund des B abzulehnen.
cc) Streitentscheid
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden.
Für die erste Ansicht spricht, dass die Fehlberechnung des Umtauschkurses Teil der Erklärung selbst geworden ist. Diese Erklärung hat der B auch nach außen verlautbart, sodass sie rechtlich bedeutend wurde.
Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass das Risiko der Fehlkalkulation vielmehr in die Sphäre des Darlehensnehmers fällt. Der Kalkulationsirrtum entsteht zudem bei der Willensbildung und nicht erst bei der Willensäußerung. Nach dem Sinn und Zweck des § 119 I 1.Alt. BGB soll dieser jedoch Irrtümer bei der Willensäußerung schützen. Aus diesen Gründen ist die zweite Ansicht vorzugswürdig. Der Kalkulationsirrtum ist damit als unbeachtlicher Motivationsirrtum zu qualifizieren.
Mithin liegen kein Inhaltsirrtum und damit kein Anfechtungsgrund vor. Somit liegen auch die Voraussetzungen der Anfechtung nicht vor.
- Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB
Der Anspruch könnte jedoch im Wege der Vertragsanpassung oder des Rücktritts wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I BGB untergegangen sein. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.
a) Vertragliches Schuldverhältnis
Ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Darlehensvertrages liegt vor (s.o.).
b) Geschäftsgrundlage
Es müsste auch eine Geschäftsgrundlage vorliegen. Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sind Umstände, die zur Grundlage des entsprechenden Vertrages geworden sind (reales Element, hypothetisches Element, normatives Element).
Fraglich ist schon, ob das reale Element vorliegt. Dies sind nachträgliche Änderungen vertragswesentlicher objektiver Umstände.
Hier ist jedoch schon fraglich, ob durch den wahren Wechselkurs des Rubels eine „nachträgliche“ Änderung eingetreten ist. Nach dem Wortlaut der Norm könnte man dies so verstehen, dass hier der Wechselkurs bereits von vorneherein nur 1 Pfennig betrug und damit die objektiven Umstände sich nicht „nachträglich“ verändert haben. Somit fehlt es schon am realen Element.
Überdies ist auch fraglich, ob die andere Partei den Darlehensvertrag mit diesem Wissen geschlossen hätte, sodass auch das hypothetische Element zu verneinen wäre (so etwa der BGH VII ZR 142/94).
(a.A. vertretbar)
c) Ergebnis
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen liegt auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vor.
- Zwischenergebnis
Damit ist der Anspruch nicht untergegangen.
III. Endergebnis
Mithin hat K gegen B einen Zahlungsanspruch aus § 488 I BGB i.H.v. 7.500 RM.
(a.A. gut vertretbar s.o.)
A. Anspruch E gegen K auf Ersatz der Behandlungskosten nach §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Schadensersatz
I. A als Anspruchsberechtigter
II. Schuldverhältnis zwischen E und K
- Vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K
a) Vertragsverhandlungen
b) Anbahnung eines Vertrags - Voraussetzungen der Einbeziehung in den Schutzbereich
a) Leistungsnähe
b) Gläubigernähe
c) Erkennbarkeit
d) Schutzbedürfnis - Zwischenergebnis
III. Schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht
- Inhalt des objektiven Pflichtenprogramms
- Schuldhafte Verletzung des Pflichtenprogramms
a) Zurechnung der Handlungen des G
b) Schuldhafte Pflichtverletzung des G
c) Zwischenergebnis
IV. Rechtsfolgen
- Schaden und haftungsausfüllende Kausalität
- Mitverschulden
a) Rechtsgrundverweisung
b) Rechtsfolgenverweisung
V. Ergebnis
Gutachten
A. Die E könnte gegen K einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten nach §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Schadensersatz haben, der von A geltend gemacht werden könnte.
I. A als Anspruchsberechtigter
Dazu müsste A, als Vater der E, zunächst berechtigt sein, Ansprüche der E geltend zu machen. Gem. §§ 1626, 1629 BGB sind Eltern befugt, ihr Kind nach außen hin zu vertreten, wobei diese Vertretungsmacht sämtliche Rechtshandlungen umfasst. Als Vater der E ist A also berechtigt Ansprüche für die E gerichtlich geltend zu machen.
II. Schuldverhältnis zwischen E und K
Sodann müsste gem. § 280 I BGB zwischen E und K ein Schuldverhältnis bestehen. Für dessen Begründung ist gem. § 311 I BGB regelmäßig ein Vertrag zwischen den Beteiligten nötig, der ein rechtsgeschäftliches Handeln, in Form der Abgabe von zwei Willenserklärungen (Angebot und Annahme), voraussetzt, die die vertragswesentlichen Bestandteile beinhalten.
Derartige Willenserklärungen wurden hier jedoch von E und K nicht abgegeben. Darüber hinaus wären etwaige Erklärungen der E gem. §§ 104 Nr. 1, 105 I BGB nichtig. Tatsächlich begleitete die E lediglich ihren Vater, der bei der K einkaufen wollte. Zum Vertragsschluss ist es jedoch auch hier nicht gekommen.
Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB entsteht gem. § 311 II BGB aber auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrages (Nr. 2) oder durch ähnliche geschäftliche Kontakt (Nr. 3). Die sich dabei aus § 241 II BGB ergebenen Pflichten umfassen insbesondere die Pflicht den Vertragspartner und seine Rechtsgüter vor Gefahren, die aus der eigenen Sphäre stammen, zu schützen. Dabei sind jedoch die Parteien des Schuldverhältnis iSd § 311 II BGB grundsätzlich nur die Parteien des in Aussicht genommenen Vertrages. Demnach würde ein Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB nur zwischen dem A und K entstehen können, nicht jedoch zwischen der E und K.
Gleichwohl begleitete die E ihren Vater in die Geschäftsräume des K und lieferte sich somit genauso wie der A den von K geschaffenen Gefahrenquellen aus. Es erscheint daher fraglich, ob die E nicht ausnahmsweise in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses (§ 311 II BGB) zwischen A und K mit einbezogen werden kann - sollte ein solches Schuldverhältnis überhaupt bestehen. Obschon die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages oder eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses unter gewissen Voraussetzungen anerkannt ist (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter), besteht Uneinigkeit über die dogmatische Begründung einer derartigen Einbeziehung:
Einerseits wird versucht, über eine ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB den Dritten in den Schutzbereich des Vertrages mit einzubeziehen, wobei im vorvertraglichen Bereich einer ergänzenden Vertragsauslegung der Boden entzogen wäre. Zum anderen wird § 311 III 1 BGB für eine dogmatische Begründung herangezogen, wonach ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Nach dem Willen des Gesetzgebers begründet § 311 III BGB jedoch nur eine Haftung des Dritten, nicht aber eine Berechtigung. Schließlich wird angenommen, es handle sich um eine nach § 242 BGB abgesicherte Rechtsfortbildung, deren Rechtsgedanke, nämlich, dass Dritte an einem fremden Vertrag teilhaben können, durch § 311 III BGB lediglich bestätigt wird. Dabei wird vor allem auf ein gesetzliches Schuldverhältnis abgestellt, das auf der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen beruht und das seine positivrechtliche Grundlage in § 242 BGB findet. Nach der letzten, vorzugswürdigen Auffassung müssten folgende Voraussetzungen für eine Einbeziehung der E erfüllt sein:
- Vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K
Es müsste zunächst ein vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB zwischen A und K vorliegen, in dessen Schutzbereich die E überhaupt einbezogen werden könnte.
a) Vertragsverhandlungen
Nach § 311 II Nr. 1 BGB entsteht ein solches Schuldverhältnis durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Hierbei werden rechtsgeschäftliche Kontakte erfasst, die den Abschluss eines Vertrages zwischen den Parteien zum Ziel haben, wobei auch unverbindliche Gespräche genügen. Dabei entsteht das Schuldverhältnis mit der Aufnahme der Verhandlungen. Vorliegend befindet sich der A zwar in den Geschäftsräumen der K, zu Gesprächen mit dem Verkaufspersonal oder anderen Personen ist es vorliegend jedoch noch nicht gekommen.
b) Anbahnung eines Vertrags
Gem. § 311 II Nr. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis auch durch die Anbahnung eines Vertrages. Dies würde voraussetzen, dass sich A zumindest als potentieller Kunde in den Einflussbereich der K begeben hat und zwar mit dem Ziel, einen Vertrag abzuschließen oder zumindest einen geschäftlichen Kontakt anzubahnen. Gleichwohl ist es nicht erforderlich, dass bereits ein konkreter Vertragsschluss ins Auge gefasst worden ist – es genügt bereits ein bloßer Informationsbesuch, bei dem jedoch die Möglichkeit der Einwirkung auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils gegeben sein muss.
Der A betritt vorliegend die Geschäftsräume des K in der Absicht, die notwendigen Einkäufe zu erledigen. Mit dem Betreten dieser Räume begibt er sich in den Gefahrenquellenbereich, der durch K geschaffen wird und schafft so für K die Möglichkeit, auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen einzuwirken. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K mit Pflichten nach § 241 II BGB wurde also nach § 311 II Nr. 2 BGB durch die Anbahnung eines Vertrages begründet.
- Voraussetzungen der Einbeziehung in den Schutzbereich
a) Leistungsnähe
Um in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einbezogen werden zu können, müsste die E bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung gekommen sein und so den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der A.
Problematisch erscheint hierbei, dass es im vorvertraglichen Bereich noch zu keiner geschuldeten Leistung im Sinne einer Hauptleistung kommt. Fraglich ist daher, wie der Begriff der Leistung im vorvertraglichen Bereich zu verstehen ist. § 311 II BGB selbst stellt klar, dass sich die aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenen Pflichten solche nach § 241 II BGB sind. Dabei handelt es sich um Schutzpflichten, die unabhängig von der Existenz von Leistungspflichten bestehen. Wenn nun im vorvertraglichen Bereich lediglich Schutzpflichten nach § 241 II BGB bestehen und diese von den Hauptleistungspflichten generell getrennt sind, dann kann sich das Kriterium der Leistungsnähe, jedenfalls im vorvertraglichen Bereich, nicht auf Hauptleistungspflichten sondern muss sich auf die Schutzpflichten aus § 241 II BGB beziehen.
Die sich aus § 241 II BGB ergebenen Pflichten umfassen insbesondere die Pflicht, die Gegenpartei und ihre Rechtsgüter vor Gefahren, die aus der eigenen Sphäre stammen zu schützen. Als eine solche Gefahr aus der Sphäre des A das herumliegende und nicht umgehend entfernte Salatblatt gesehen werden. E begleitete den A in das Kaufhaus und begab sich somit ebenso wie der A in den von der K geschaffenen Gefahrenbereich. Die Gefahr auf einem herumliegenden Salatblatt auszurutschen bestand hier sowohl für die E als auch für den A.
b) Gläubigernähe
Des Weiteren müsste der A ein schützenswertes Interesse daran haben, die E in den Schutzbereich einzubeziehen. Ein solches Interesse ist zumindest dann zu bejahen, wenn der A für das Wohl und Wehe der E verantwortlich wäre, ihr also Schutz und Fürsorge schuldete, was insbesondere bei Beziehungen mit personenrechtlichem Einschlag angenommen wird, bspw. in familienrechtlichen Beziehungen. Als Vater der E steht der A zu dieser in einer familienrechtlichen Beziehung, ist gem. § 1626 I 1 BGB berechtigt und verpflichtet für sein Kind sind zu sorgen und ist somit für das Wohl und Wehe der E verantwortlich. Der A hat also ein schützenwertes Interesse an der Einbeziehung der A in den Schutzbereich.
c) Erkennbarkeit
Des Weiteren muss der Kreis der geschützten Dritten für die K vorhersehbar sein: K würde nur dann haften, wenn für sie die Drittbezogenheit der Leistung und die Nähe des Dritten zum Gläubiger erkennbar gewesen wäre. Gleichwohl müssen Zahl und Namen der geschützten Personen dem Schuldner, also der K, nicht bekannt sein. K handelt vorliegend mit Lebensmitteln, die der Öffentlichkeit frei zugänglich präsentiert und zur Verfügung gestellt werden. Dass Kinder ihre Eltern regelmäßig bei einem Einkauf begleiten, wird dem K durchaus bewusst gewesen sein, insbesondere weil es täglich tausendfach geschieht und absolut üblich ist. Dass Eltern stets ein berechtigtes Interesse am Schutz ihrer Kinder haben, dürfte für K ebenso klar gewesen sein. Der Kreis der geschützten Personen war für K also vorhersehbar.
d) Schutzbedürfnis
Ferner müsste die E schutzbedürftig sein. Dies wär dann zu bejahen, wenn die E keinen eigenen inhaltsgleichen, also vertraglichen oder quasivertraglichen, Anspruch hätte. Andere vertragliche Ansprüche der E gegenüber dem K oder anderer Personen sind nicht ersichtlich. Ansprüche aus Vertrag würden wohl zudem generell an der Geschäftsunfähigkeit der E scheitern. Die E ist also schutzbedürftig.
- Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter sind demzufolge erfüllt. Die E kann also in die Schutzwirkung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses nach § 311 II BGB zwischen A und K einbezogen werden.
III. Schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht
Sodann müsste die K gem. § 280 I BGB eine Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt haben. Hierbei kommen gem. § 311 II BGB nur Pflichten nach § 241 II BGB in Frage, die darauf abzielen, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gegenpartei zu schützen. Für eine Verletzung solcher Pflichten genügt es, dass der Schuldner von dem objektiven Pflichtenprogramm des Schuldverhältnisses unberechtigt abgewichen ist. Dabei gelten die deliktischen Verkehrspflichten als Mindeststandard dieses Pflichtenprogramms. Ein nicht Nachkommen der Verkehrspflichten wäre demnach als Pflichtverletzung iSd §§ 280, 241 II BGB zu werten.
- Inhalt des objektiven Pflichtenprogramms
Dies führt zunächst zu der Frage, welche Verkehrspflichten die K überhaupt treffen. Die Verkehrspflichten beschreiben ganz allgemein die Pflicht desjenigen, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft, bei einer Verkehrsöffnung diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um eine Gefährdung anderer Personen zu vermeiden. Dabei sind besonders dort hohe Sicherheitsanforderungen zu stellen, wo ein Gewerbe betrieben wird, da hier die Zahl potentiell Gefährdeter und der wirtschaftliche Nutzen des Gewerbetreibenden besonders hoch sind. Entsprechendes gilt dort wo Kinder in den Gefahrbereich gelangen können, da diese nicht die Erfahrung eines Erwachsenen besitzen und gefährliche Situationen schlechter als solche einschätzen können. Dort sind wirksame und auf Dauer angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen.
Als Gewerbetreibende öffnet die K ihren Verkaufsbereich für die Öffentlichkeit. Dabei ist ihr bekannt, dass auch Kinder als Begleitung potentieller oder tatsächlicher Kunden in den Verkehrs- und Gefahrenbereich eintreten werden. Beim Verkauf von Lebensmitteln kann es durchaus geschehen, dass irgendwelche Dinge, wie Salatblätter, Flüssigkeiten oder sonstige Produkte auf den Boden fallen, auslaufen bzw. sich anderweitig verteilen. Dass von derartigen Dingen vor allem für Kinder und ältere Menschen die Gefahr ausgeht, übersehen zu werden und auf diesen Dingen auszurutschen oder sich anderweitig zu verletzen, dürfte allgemein bekannt sein. Die K muss daher dafür Sorge tragen, dass solche Gefahrenquellen umgehend beseitigt werden.
- Schuldhafte Verletzung des Pflichtenprogramms Es fragt sich, ob die K schuldhaft gegen ihr Verkehrspflichten verstoßen hat, indem das Blatt nicht rechtzeitig und umgehend entfernt wurde. Problematisch erscheint dabei jedoch, dass die K als GmbH und juristische Person (§ 13 I GmbHG) nicht selbstständig tätig werden kann und demgemäß auch nicht selbst in der Lage ist, überhaupt einer Pflicht nachzukommen oder sie zu verletzten. Es fragt sich jedoch, ob nicht das Verhalten der Angestellten der K, insbesondere das des Geschäftsführers, der K zugerechnet werden kann.
a) Zurechnung der Handlungen des G
Als möglich Zurechnungsnormen kommt vorliegend § 278 BGB in Betracht, nach dem der Schuldner das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder seines Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Für eine derartige Zurechnung ist gem. § 278 BGB erforderlich, dass zwischen der K und der E eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderverbindung besteht, welche zweifelsohne durch die Einbeziehung der E in das vorvertragliche Schuldverhältnis gegeben ist gegeben ist, und dass es sich bei dem G um einen gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen der K handelt.
Als Geschäftsführer handelt es sich beim dem G zweifelsohne um den gesetzlichen Vertreter der K. Eine etwaige schuldhafte Pflichtverletzung des G hätte die K gem. § 278 BGB also wie eigenes Verschulden zu vertreten.
(Umstritten ist die Frage, ob in diesem Fall auch § 31 BGB als mögliche Zurechnungsnorm herangezogen werden kann. Dies würde letztlich aber an der fehlenden Sonderverbindung zwischen dem Geschäftsführer und der Tochter scheitern – vgl. hierzu bspw.: Piper in JuS 2011, 492.)
b) Schuldhafte Pflichtverletzung des G
Wie bereits oben festgestellt hätte es zur Verkehrspflicht der K gehört das Salatblatt umgehend zu entfernen. Als gesetzlicher Vertreter der K, der für Wahrnehmung der Pflichten der K verantwortlich ist, ist der G dieser Pflicht nicht nachgekommen, was der K im Falle eines Verschuldens gem. §278 BGB zugerechnet werden würde.
Der Verschuldensmaßstab bemisst sich sodann nach § 276 I 1 BGB, wonach der G zumindest Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Fahrlässig handelt gem. § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Person dessen an, der die Pflichtverletzung begeht, sondern auf die durchschnittlich von einer Person seines Verkehrskreises zu fordernde Sorgfalt.
Hinsichtlich des anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs dürfte von einem Geschäftsführer zu erwarten sein, dass er, gerade auch in Anbetracht der Öffnung des Betriebes für etwaige Kunden und Kinder, ein besonderes Maß an Sorgfalt auf die Verkehrssicherung seines Betriebes legt, um Kunden, insbesondere ältere Kunden, oder den Kunden begleitende Kinder vor Schäden zu schützen und nicht zuletzt auch, um den Betrieb nicht selbst durch etwaige Klagen oder durch einen schlechten Ruf zu schädigen. Im konkreten Fall würde es genügen, die Gänge regelmäßig auf etwaige Gefahrenquellen zu kontrollieren oder einen bzw. mehrere Angestellte mit dieser Aufgabe zu betrauen. Zumindest letzteres wäre von einem durchschnittlichen Geschäftsführer zu erwarten. Der G handelte somit zumindest fahrlässig.
c) Zwischenergebnis
Die K muss sich demzufolge die schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 278 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Der K ist mithin eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last zu legen.
IV. Rechtsfolgen
- Schaden und haftungsausfüllende Kausalität
Der E müsste sodann ein Schaden entstanden sein, der adäquat-ursächlich auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Nach der Differenzhypothese ist die Differenz zwischen dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem tatsächlich gegebenen Vermögensstand als Schaden anzusehen. Darüber hinaus ist gem. § 249 II 1 BGB als Form der Naturalrestitution das Integritätsinteresse zu ersetzen, wenn es zu einer Verletzung der Person gekommen ist, wobei der zur Wiederherstellung notwendige Geldbetrag verlangt werden kann, der hier in den Kosten der Heilbehandlung besteht. Die E rutschte auf dem im Gang liegenden Salatblatt aus und verletzte sich dabei. Diese Verletzung wurde daraufhin ärztlich behandelt, um den Gesundheitszustand der E wiederherzustellen. Ein Personenschaden liegt mithin auf Seiten der E vor.
Fraglich ist ob dieser Personenschaden ursächlich auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Nach der Äquivalenztheorie ist eine Pflichtverletzung dann kausal, wenn die betreffende Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wäre vorliegend das Salatblatt umgehend entfernt worden, wäre es zu der Verletzung der E nicht gekommen und die ärztliche Heilbehandlung wäre nicht notwendig geworden. Nach der Äquivalenztheorie ist die Pflichtverletzung demnach kausal für den Schaden der E.
Jedoch müsste der Schuldner im Rahmen der Äquivalenztheorie selbst für entfernteste Folgen seines Handeln einstehen, was weitere Zurechnungskriterien notwendig werden lässt: Nach der Adäquanztheorie wird schließlich ein ursächlicher Zusammenhang bejaht, wenn das zum Schaden führende Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.
Hier ist nicht unwahrscheinlich, dass ein auf dem Boden liegendes Salatblatt vom Kunden und gerade evtl. herumspielenden Kindern übersehen wird und diese dann darauf ausrutschen. Ein kausal auf die Pflichtverletzung zurückgehender Personenschaden liegt demnach vor. Um den Gesundheitszustand wieder herzustellen, wurde die E ärztlich behandelt, was bestimmte – im Sachverhalt nicht genannte Kosten – verursacht, welche die E schließlich von der K verlangen kann.
- Mitverschulden
Gem. § 254 I BGB wäre dieser Anspruch jedoch zu kürzen, wenn dem Geschädigten bei der Entstehung des Schadens ein eigenes Verschulden treffen sollte. Dies würde in Hinblick auf das Verschulden jedoch die Zurechnungs- bzw. Verschuldensfähigkeit der E voraussetzen. Dies erscheint angesichts des Alters der E jedoch fragwürdig. Denn gem. § 828 I BGB, der im Rahmen des § 254 BGB entsprechend angewendet wird, ist, wer das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. In entsprechender Anwendung würde das für die fünfjährige E bedeuten, dass sie vorliegend keine Zurechnungs- bzw. Verschuldensfähigkeit besitzt. Ein eigenes Mitverschulden der E muss demnach ausscheiden.
Es könnte jedoch sein, dass sich die E ein etwaiges Aufsichtsverschulden des A zurechnen lassen muss. Dieser achtete nämlich angesichts des Telefonats nicht auf seine Tochter, woraufhin diese im Markt herumlief und auf dem Salatblatt ausrutschte. A vernachlässigte dadurch grob fahrlässig seine in § 1631 I BGB normierte Aufsichtspflicht.
Es fragt sich daher, ob sich die E dieses grob fahrlässige Verhalten zurechnen lassen muss. Zwar besteht Einigkeit insofern, als dass sich § 254 II 2 BGB, der die entsprechende Anwendung des § 278 BGB normiert, nicht nur auf § 254 I 1 BGB bezieht, sondern auch auf § 254 I BGB, sodass auch ein Verschulden von Dritten zugerechnet werden kann, das bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, was hier der Fall ist. Unklarheit besteht jedoch darüber, wie genau der Verweis auf § 278 BGB zu verstehen ist.
a) Rechtsgrundverweisung
Nach einer Ansicht handelt es sich bei §254 II 2 BGB um eine Rechtsgrundverweisung. Demnach müssten alle Tatbestandsmerkmale des §278 BGB erfüllt sein, damit das Verhalten des A der E verschuldensmäßig zugerechnet werden kann. Es müsste also eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderverbindung zwischen der K und der E bestehen und der A müsste als gesetzlicher Vertreter der A oder als deren Erfüllungsgehilfe gehandelt haben. Eine schuldrechtliche Sonderbeziehung ist hier mit der Einbeziehung der A in das vorvertragliche Schuldverhältnis gegeben. Zudem handelt es sich bei dem A um den Vater der E und somit um ihren gesetzlichen Vertreter. Es fragt sich jedoch, ob dem A nicht eine Haftungserleichterung nach §§ 277, 1664 I BGB zugute kommt. Dies wäre dann der Fall, wenn der A zwar leicht fahrlässig gehandelt hätte, dabei jedoch aber seine übliche Sorgfalt angewandt hätte. Ob der A hier seine übliche Sorgfalt angewandt hat, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht beurteilen. Dies kann jedoch auch dahinstehen, da der A vorliegend allgemein grob fahrlässig handelte. Ihm kommt demgemäß keine Haftungserleichterung zu Gute. Im Ergebnis müsste sich die E nach dieser Ansicht ein Verschulden des A zurechnen lassen.
b) Rechtsfolgenverweisung
Nach anderer Ansicht handelt es sich bei § 254 II 2 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung, wonach sich die E ein Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters stets zurechnen lassen müsste. Demnach müsste sich die E ebenfalls das grob fahrlässige Verhalten des A als deren gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen.
Nach beiden Ansichten müsste sich die E folglich ein Verschulden des A nach §§ 254 II 2, 278 BGB zurechnen lassen, mit der Folge, dass ihr Anspruch nach § 254 I BGB zu kürzen ist. Inwieweit der Anspruch zu kürzen ist, bemisst sich ebenfalls nach §254 I BGB, wonach der Umfang des zu leistenden Ersatzes von einer umfassenden Abwägung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abhängt. Für eine rechtlich exakte Beurteilung der Quotierung gibt der Sachverhalt jedoch zu wenig Anhaltspunkte. In der Regel wird bei beidseitiger Fahrlässigkeit der Schaden aufgeteilt.
V. Ergebnis
Die E hat einen Schadensersatzanspruch gegen die K gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB iVm den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, der von A gem. §§ 1626, 1629 BGB geltend gemacht werden kann. Dieser wird jedoch nach §§ 254 I, II 2, 278 BGB gekürzt.
Verfügungen von Todes wegen
(Nach einer Ansicht soll es dabei genügen, wenn der Schenker zu Lebzeiten alles Erforderliche getan hat, dass nach seinem Tod die Schenkung zum Abschluss kommt. Hier hat der P noch im Sterbebett die Wertpapiere an den D ausgehändigt. Danach wäre hier ein Vollzug zu bejahen.)
Eine andere Ansicht lässt dies nicht genügen. Danach müsste der Bedachte bereits eine gesicherte Rechtsposition, sprich ein Anwartschaftsrecht erhalten haben, sodass ohne weiteres Zutun des Schenkers bereits die Eigentumsübertragung stattfinden kann. Hier müsste der D die Sache jedoch noch an B übergeben, wofür es keine Garantie gibt. Demnach scheidet ein Vollzug aus.)
Lösungsskizze
A. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB ( Chronologisch)
I. Besitzer
II. Eigentümerin
1. Eigentumsübergang vor dem Tod des P an D
2. Eigentumsübergang an B vor dem Tod des P ?
3. Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Abs. 1 BGB
4. Eigentumsübertragung an den Bonifatiusverein
a) Einigung
b) Übergabe
c) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe
d) Berechtigung
III. Ergebnis
B. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB
I. Erlangtes Etwas
II. Durch Leistung
III. Ohne Rechtsgrund
Abgrenzung §§ 516, 518 BGB zu § 2301 BGB
(P) Formunwirksamkeit
(P) Anforderungen an „Vollzug“ zu Lebzeiten
IV. Ergebnis
Gutachten
A. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB
Erbin E könnte gegen den Bonifatiusverein gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere haben. Voraussetzung dafür ist, dass E Eigentümerin der Wertpapiere geworden ist und der Bonifatiusverein Besitzer ohne Recht zum Besitz ist.
I. Besitzer
Der Bonifatiusverein müsste Besitzer der Wertpapiere sein. Besitzer ist nach § 854 Abs. 1 BGB derjenige, der die tatsächliche Gewalt über einer Sache erworben hat. Mit Übergabe der Wertpapiere von D erhielt der Bonifatiusverein die tatsächliche Sachherrschaft. Mithin hat der Bonifatiusverein gem. §§ 21, 26 BGB „Organbesitz“.
II. Eigentum der E
E müsste auch Eigentümerin sein. Ursprünglich war P Eigentümer der Wertpapiere.
- Eigentumsübergang vor dem Tod an D
P könnte sein Eigentum durch Verfügung an D zu Lebzeiten gem. § 929 S.1 BGB verloren haben. Dafür müsste jedoch die Einigung zur Eigentumsübertragung vorliegen. Hier wollte P jedoch zu keiner Zeit das Eigentum an D übertragen. Vielmehr sollte D als Bote dienen, um die Eigentumsübertragung des P and B zu vollziehen.
Damit hat P das Eigentum nicht schon zu Lebzeiten durch Verfügung an D verloren. - Eigentumsübergang an B vor dem Tod des P ?
P könnte sein Eigentum durch Verfügung an B gem. § 929 S.1 BGB schon zu Lebzeiten verloren haben. Dafür müsste zunächst eine Einigung über den Eigentumsübergang vorliegen. Dies wäre nur dann denkbar, wenn D Stellvertreter des P wäre (dann wäre WE des P sofort dem B zugegangen nach § 164 III BGB).
Hier ist aber D offensichtlich kein Vertreter des P. Damit scheidet eine Eigentumsübertragung aus. - Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Abs. 1 BGB
Durch den Tod des P hat E das Eigentum an den Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB erlangt. (Universalsukzession). - Eigentumsübertragung an den Bonifatiusverein
E könnte ihr Eigentum jedoch durch die Verfügung des P an B nach dessen Tod gem. § 929 S. 1 BGB an den Bonifatiusverein verloren haben. Dafür müssten eine Einigung, die Übergabe, das Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe, sowie die Berechtigung vorliegen.
a) Einigung
Es müsste zunächst eine Einigung vorliegen. Diese besteht aus zwei korrespondierenden Willenserklärungen über den Eigentumsübergang.
Die Willenserklärung des P, die der D als Bote überbringen sollte, war trotz dessen Tod gem. § 130 II BGB wirksam. Auch ist hier ein Widerruf gem. § 130 I 2 BGB nicht ersichtlich.
B müsste die Willenserklärung auch angenommen haben. Dies war hier trotz des Todes des P gem. § 153 BGB möglich. D sollte die Willenserklärung auch gerade nach dem Tod des P and B überbringen. Fraglich ist, ob die Willenserklärung des B dem P zugehen musste. Nach § 151 1 BGB kann konkludent auf den Zugang der Willenserklärung verzichtet werden. Dies haben die Parteien hier konkludent so gewollt.
Mithin liegt die dingliche Einigung mit Wirkung für und gegen die Rechtsnachfolgerin E vor.
b) Übergabe
Es müsste auch eine Übergabe vorliegen. Hier sind die Wertpapiere durch den Besitzdiener D (§ 855 BGB) übergeben worden. B erhielt damit unmittelbaren Besitz auf Veranlassung des P, was über den Tod des P hinaus wirkt. Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor.
c) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Nach § 929 S. 1 BGB ist ein Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe erforderlich. Fraglich ist, ob diese hier vorliegt.
Einer Ansicht zufolge muss die Übergabehandlung Ausdruck des Übergabewillens sein. Nach herrschender Meinung liegt eine Bindungswirkung eines einmal geäußerten Übereignungswille vor, es sei denn es wurde ein Widerruf erklärt. Eine Streitentscheidung kann hier jedoch dahinstehen, da weder von P noch von E ein Widerruf erklärt worden ist.
d) Berechtigung
Auch die Berechtigung ist aus der Eigentümerstellung des P zu bejahen.
III. Ergebnis
E hat damit das Eigentum an den Wertpapieren durch Übereignung an den Bonifatiusverein verloren. Mithin besteht kein Anspruch der E gegen den Bonifatiusverein auf Herausgabe der Wertpapiere nach §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB.
B. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti)
Erbin E könnte gegen den Bonifatiusverein gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1, Alt.1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere haben. Voraussetzung dafür ist, dass der Bonifatiusverein etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt hat.
I. Erlangtes Etwas
Der Bonifatiusverein müsste etwas erlangt haben. Unter etwas Erlangtem ist jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen. Durch die Übergabe hat der Bonifatiusverein Eigentum und Besitz an den Wertpapieren erlangt.
II. Durch Leistung
Dies müsste auch durch Leistung der E geschehen sein. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab dem Bonifatiusverein die Wertpapiere, um dessen Vermögen zu mehren. Dieses Botenhandeln wird nach dem Tod des P, der E zugerechnet. Damit liegt eine Leistung vor.
III. Ohne Rechtsgrund
Fraglich ist, ob ein wirksamer Rechtsgrund vorliegt. Es könnte ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen P und B gem. § 516 BGB geschlossen worden sein.
a) Dafür müssten zwei korrespondierende Willenserklärungen bzgl. eines Schenkungsvertrages vorliegen (Angebot und Annahme). Dies liegt hier vor (s.o.)
b) Fraglich ist, ob der Schenkungsvertrag auch formwirksam ist.
aa) Es könnte eine Formunwirksamkeit gem. §§ 125 S.1, 518 I 1 BGB in Betracht kommen. Gem. § 518 II wurde hier die Schenkung jedoch durch die Übergabe bereits bewirkt, sodass ein etwaiger Formmangel geheilt wäre.
bb) Weiterhin könnte ein Formverstoß gem. § 2276 I 1 BGB vorliegen. Dafür müsste die notarielle Beurkundung fehlen. Nach einer anderen Ansicht soll auch die Form des § 2247 ausreichen. Die notarielle Beurkundung fehlt hier. Vorraussetzung ist allerdings, dass gem. § 2301 I BGB die Formvorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden.
Dafür müsste jedoch ein Schenkungsversprechen vorliegen, das unter der Bedingung erteilt worden ist, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Dies ist hier problematisch. Eine Schenkung unter Lebenden würde sich nach den §§ 516 ff. BGB richten, wobei eine Schenkung von Todes wegen dem § 2301 BGB unterliegt.
Die Bestimmung dieser Abgrenzung kann dabei durch Auslegung gem. § 133 BGB ermittelt werden, wenn ausdrücklich nichts vereinbart wurde.
Hier könnte vielmehr eine Überlebensbedingung vorliegen. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn der Schenker den Gegenstand gerade nur dem Beschenkten zuwenden will. Demnach liegt der Schenkungszweck gerade in der Person des Schenkungsempfängers. Hier wollte der P gerade, dass die Wertpapiere an den Bonifatiusverein gehen, da P meinte, dass diese auch von der Kirche kämen.
Mithin liegt ein Fall des § 2301 I BGB vor. Die Schenkung wäre unwirksam gem. §§ 125 S.1, 2301 BGB.
cc) Nach dem § 2301 II BGB würden die Formvorschriften der §§ 2274 ff. BGB allerdings keine Anwendung finden, wenn die Schenkung schon zu Lebzeiten vollzogen wäre.
Fraglich ist jedoch, welche Vorraussetzungen an den Vollzugsbegriff zu stellen sind.
Nach einer Ansicht soll es dabei genügen, wenn der Schenker zu Lebzeiten alles Erforderliche getan hat, dass nach seinem Tod die Schenkung zum Abschluss kommt. Hier hat der P noch im Sterbebett die Wertpapiere an den D ausgehändigt. Danach wäre hier ein Vollzug zu bejahen.
Eine andere Ansicht lässt dies nicht genügen. Danach müsste der Bedachte bereits eine gesicherte Rechtsposition, sprich ein Anwartschaftsrecht erhalten haben, sodass ohne weiteres Zutun des Schenkers bereits die Eigentumsübertragung stattfinden kann. Hier müsste der D die Sache jedoch noch an B übergeben, wofür es keine Garantie gibt. Demnach scheidet ein Vollzug aus.
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, muss der Streit entschieden werden.
Für die zweite Ansicht spricht, dass die B zu Lebzeiten des P noch gar keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat und es somit vom Zufall abhängt, ob ihr der Schenkungsgegenstand vom Boten übergeben wird. Damit fehlt es insbesondere an der Zeitlichen Komponente, um einen Vollzug annehmen zu können.
Mithin liegt kein Vollzug vor ( a.A. vertretbar).
Aus oben genannten Gründen liegt somit kein Rechtsgrund in Form des Schenkungsvertrages vor.
IV. Ergebnis
Der Bonifatiusverein hat die Wertpapiere ohne Rechtsgrund erlangt. E kann deshalb Herausgabe gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1, Alt. 1 BGB verlangen.
Der Fliesenfall – BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08 NJW 2012, 1073
Der Erfüllungsort der Nacherfüllung kann entweder im Belegenheitsort der Sache oder im ursprünglichen Erfüllungsort gesehen werden. Hierzu findet man keine Regelung in § 439 BGB, sondern § 269 BGB muss richtlinienkonform nach Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ausgelegt werden.
Artikel 3 der Richtlinie 1999/44/EG führt darüber hinaus dazu, dass § 439 I BGB weiter ausgelegt werden muss, sodass auch der Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache, sowie Einbau der mangelfreien Kaufsache ihm Rahmen der Nacherfüllung geschuldet ist.
Das in § 439 III BGB enthaltene Verweigerungsrecht des Verkäufers wegen unverhältnismäßig hoher Kosten der einzig möglichen Nacherfüllungsvariante ist nicht mit der Richtlinie vereinbar ist. Dies führt dazu, dass der Inhalt des § 439 III BGB richtlinienkonform dahingehend teleologisch reduziert werden muss, dass der Verkäufer sowohl Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache, als auch Einbau der neuen schuldet, auch wenn dies mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Hier kann der Verkäufer den Anspruch des Käufers jedoch auf einen Anspruch auf einen angemessenen Geldbetrag beschränken.
Lösungsskizze
A. Anspruch des K gegen V auf Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der alten gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB
I. Kaufvertrag
II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte
- Mangel bei Gefahrübergang
a) Mangel i.S.v. § 434 BGB
aa) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB
bb) fehlende Einigung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung, § 434 I 2 Nr. 1 BGB
cc) keine übliche Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB
b) bei Gefahrübergang mit Übergabe der Fliesen, § 446 BGB2. kein Ausschluss der Gewährleistungsrechte - Zwischenergebnis
III. Nacherfüllungsumfang, § 439 I BGB1. Lieferung mangelfreier Fliesen
IV. Verweigerung der Nacherfüllung gem. § 439 III 1, 3 BGB
V. Ergebnis
B. Anspruch des K gegen V auf das Entfernen der mangelhaften und Verlegung der neuen Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB
I. Kaufvertrag
II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte
III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB
- Aus- und Einbau
a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
b) Rechtsprechung
c) Richtlinienkonforme Auslegung - Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB - Ergebnis
C. Ansprüche auf Schadensersatz
Gutachten
A. Anspruch des K gegen V auf Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der alten gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB
K könnte einen Anspruch gegen V auf Lieferung von neuen und Ausbau der alten Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB haben.
I. Kaufvertrag
Dazu müsste zunächst ein Kaufvertrag zwischen K und V vorliegen. K und V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen.
II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte
Die Gewährleistungsrechte müssten anwendbar sein.
- Mangel bei Gefahrübergang
Dazu müssten die Fliesen einen Mangel, der schon bei Gefahrübergang bestanden hat, aufweisen.
a) Mangel i.S.v. § 434 BGB
Bei den Mikroschleifspuren auf den Fliesen müsste es sich um einen Mangel im Sinne des § 434 BGB handeln.
aa) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB
Ein Mangel liegt gemäß § 434 I 1 BGB dann vor, wenn die Kaufsache nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Die Ist-Beschaffenheit müsste von der Soll-Beschaffenheit, also der Parteivereinbarung, abweichen. K und V haben nicht explizit über die Beschaffenheit der Fliesen gesprochen, sodass keine negative Abweichung von einem vereinbarten Zustand der Kaufsache vorliegen kann.
bb) fehlende Einigung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung, § 434 I 2 Nr. 1 BGB
Es könnte sich jedoch daraus ein Mangel der Fliesen ergeben, dass diese sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignen. K und V haben im Vertrag keine bestimmte Verwendung der Fliesen vereinbart.
cc) keine übliche Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB
Als mangelhaft könnten die Fliesen gem. § 434 I Nr. 2 BGB auch dann anzusehen sein, wenn sie nicht die übliche Beschaffenheit aufweisen. Die übliche Beschaffenheit richtet sich nach der üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art. Generell darf der Käufer von Bodenbelägen davon ausgehen, dass diese sich dafür eignen im Wohnhaus verlegt zu werden und dass sie einen bestimmten ästhetischen Zweck erfüllen. Schlieren auf den Fliesen sind nicht die Norm und lassen sich üblicherweise nicht auf sauberen Fliesen finden. Allerdings handelt es sich vorliegend lediglich um Mikroschleifspuren. Diese sind jedoch mit dem bloßen Auge erkennbar und lassen die Fliesen verschmutzt aussehen. Das ist üblicher Weise nicht der Fall und führt dazu, dass die Fliesen nicht in gewöhnlicher Weise verwendet werden können. Es handelt sich um mangelhafte Fliesen.
b) bei Gefahrübergang mit Übergabe der Fliesen, § 446 BGB
Der Mangel müsste bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Gemäß § 446 BGB liegt der Zeitpunkt des Gefahrübergangs grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache. Bei Verbrauchsgüterkäufen gilt darüber hinaus die Vermutung des § 476 BGB, dass ein Mangel, der sich innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe der Sache zeigt, schon bei Gefahrübergang vorgelegen habe. Damit § 476 BGB anwendbar ist, müsste es sich bei dem Kaufgeschäft zwischen K und V um einen Verbrauchsgüterkauf handeln. Wann ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt bestimmt § 474 I 1 BGB.
K = Verbraucher, § 13 BGB
K müsste Verbraucher sein. Wer Verbraucher im Sinne des BGB ist richtet sich nach § 13 BGB. Danach ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. K kaufte die Fliesen um sie bei sich zuhause verlegen zu lassen. Dieses Geschäft ist dem privaten Interessenbereich des K zuzuordnen und geschah nicht aus beruflichen Motiven. K ist Verbraucher i.S.d. § 13 BGB.
V = Unternehmer, § 14 I BGB
Bei V müsste es sich um einen Unternehmer handeln. Unternehmer ist gemäß § 14 I BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Durch das Verkaufen von Baustoffen verdient V ihren Lebensunterhalt. Sie schloss den Kaufvertrag aus beruflichen Motiven ab. V ist als Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB anzusehen.
Bewegliche Sache
Bei den Fliesen müsste es sich um eine bewegliche Sache handeln. Fliesen gehören unstreitig zu beweglichen Sachen
Die Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs sind erfüllt. V kann die Vermutung des § 476 BGB auch nicht widerlegen. Hierauf könnte es jedoch nicht ankommen. Es handelt sich bei den Mikroschleifspuren um einen Herstellerfehler, sodass er von Anfang an bestanden hat. Ein Sachmangel lag bei Gefahrübergang vor.
- kein Ausschluss der Gewährleistungsrechte
Die Gewährleistungsrechte dürften nicht ausgeschlossen sein. Es ist kein Ausschlussgrund ersichtlich. - Zwischenergebnis
Die Gewährleistungsrechte sind anwendbar.
III. Nacherfüllungsumfang, § 439 I BGB
K könnte ein Recht auf Nacherfüllung aus § 439 BGB zustehen. Die Nacherfüllung richtet sich grundsätzlich nach der Wahl des Käufers, § 439 I BGB. K könnte folglich grundsätzlich zwischen Nachbesserung und Nachlieferung wählen. Da die Nachbesserung unmöglich ist, bleibt ihm jedoch nur die Möglichkeit der Nachlieferung gem. § 439 I 2. Var. BGB.
- Lieferung mangelfreier Fliesen
Fraglich ist, ob K im Rahmen der Nacherfüllung die Lieferung mangelfreier Fliesen verlangen kann. K kaufte die Fliesen bei V im Baustoffhandel und nahm sie mit nach Hause. Das Problem liegt also in der Frage, ob die Lieferung neuer Fliesen vom Recht auf die Nacherfüllung umfasst ist. Ursprünglich war aus dem Kaufvertrag keine Lieferung von V an K geschuldet. Problematisch ist insoweit die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung. Der ursprüngliche Leistungsort war bei Verkäufer V im Baustoffhandel. Der vertragsgemäße Belegenheitsort der Fliesen befindet sich indes bei K zuhause.
a) Nach einer Meinung liegt der Erfüllungsort der Nacherfüllung im Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache. Dies würde bedeuten K könnte die Lieferung zu sich nach Hause verlangen. Hier trägt der Verkäufer das Verbringungsrisiko (bis zu den Grenzen des § 439 III BGB).
b) Nach anderer Meinung liegt der Erfüllungsort der Nacherfüllung am ursprünglichen Leistungsort. Nach dieser Meinung muss V die neuen Fliesen folglich nur in seinem Laden bereitstellen. Hier trägt der Käufer das Verbringungsrisiko.
c) Streitentscheidung
Die beiden Meinungen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass eine Streitentscheidung von Nöten ist. Für die erste Meinung und damit für einen Anspruch auf Lieferung der neuen Fliesen spricht, dass dem K neue Kosten und ein größerer Aufwand durch den Transport der neuen Fliesen entstehen würden, die er bei vertragsgemäßer Leistung von V nicht gehabt hätte. Gegen einen Anspruch auf die Lieferung von mangelfreien Fliesen und damit für die zweite Meinung spricht, dass V im ursprünglichen Kaufvertrag dem K keine Lieferung schuldete und der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs somit, wenn man Umfang der Nacherfüllungspflicht und Umfang der Pflichten aus dem Kaufvertrag vergleicht, über den originären Anspruch hinausgeht.
Um diesen Streit entscheiden zu können müssen zunächst die Regelungen des BGB beachtet werden. § 439 II BGB enthält jedoch keine Aussage über den Leistungsort der Nacherfüllung, sondern lediglich über die Kostentragung. § 269 I BGB besagt unterdessen, dass im Falle eines nicht klärbaren Leistungsortes der Ort als Leistungsort gelte, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Aus Art. 3 II und III der Richtlinie 1999/44/EG ergibt sich jedoch, dass der Käufer einer mangelhaften Sache einen Anspruch auf eine unentgeltliche Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten hat. Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des BGB unterstützt die erste Meinung. Dieser folgend hat K einen Anspruch gegen V auf Lieferung mangelfreier Fliesen frei Haus gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I Var. 2 BGB.
IV. Verweigerung der Nacherfüllung gem. § 439 III 1, 3 BGB
V könnte die Lieferung gem. § 439 III 1, 3 BGB verweigern, wenn diese für sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Besonders unter dem Aspekt, dass es einem Baustoffhandel wesentlich leichter fallen dürfte eine größere Menge Fliesen zu transportieren, als einer Privatperson, sind die Kosten der Lieferung nicht als unverhältnismäßig hoch einzustufen. Auch gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für unverhältnismäßig lange Transportwege o.ä. Die Lieferung neuer Fliesen ist nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. V kann diese nicht verweigern.
V. Ergebnis
K hat einen Anspruch gegen V auf Lieferung neuer Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I Var. 2 BGB.
B. Anspruch des K gegen V auf das Entfernen der mangelhaften und Verlegung der neuen Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf die Entfernung und Entsorgung der mangelhaften Fliesen und die Verlegung neuer Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB haben.
I. Kaufvertrag
Es liegt ein Kaufvertrag vor (siehe oben).
II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte.
Es liegt darüber hinaus ein Sachmangel bei Gefahrübergang vor. Die Gewährleistungsrechte sind anwendbar (siehe oben).
III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB
Fraglich ist, ob K im Zuge der Nachlieferung der V auch die Entfernung der schadhaften Fliesen und die Verlegung der neu gelieferten Fliesen von V verlangen kann. Gemäß § 439 II BGB hat „der Verkäufer […] die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen“. Es stellt sich somit die Frage, ob die Kosten für die Entfernung und Verlegung der Fliesen, zumindest in den Grenzen de § 439 III 1 BGB, von diesen Kosten umfasst sind.
- Aus- und Einbau
Ob der Aus- und Einbau der Fliesen von V im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs geschuldet wird ist streitig. Um diese Frage zu beantworten muss sowohl das deutsche, als auch das europäische Recht beachtet werden.
a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
Wortlaut
Nach § 439 BGB trägt der Verkäufer der mangelhaften Sache die „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“, wobei die Nacherfüllung die Lieferung einer mangelfreien Sache meint. Der Vertragsgegenstand sind die Fliesen und nicht der fertige Fußboden. Hiernach ist kein Aus- oder Einbau geschuldet.
Systematik
Die Nacherfüllung ist als modifizierter Erfüllungsanspruch, also als Anspruch auf die vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer durch § 433 I BGB verpflichtet war, anzusehen. Diese beinhaltet die Übergabe und Übereignung. Auch hiervon sind Aus- und Einbau nicht umfasst. Außerdem muss zwischen den verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten und verschuldensabhängigen Schadensersatzvorschriften unterschieden werden. Nach den verschuldensunabhängigen Vorschriften (§§ 434, 439 BGB) wird weder Aus- noch Einbau geschuldet.
b) Rechtsprechung
Das OLG Karlsruhe (ZGS 2004, 432) ist der Meinung, dass die Herstellung des Zustandes geschuldet ist, in dem sich die Sache bei einer mangelfreien Lieferung des Verkäufers befände. Aus- und Einbau wären von V geschuldet.
Das OLG Köln (NJW-RR 2006, 677) lehnt die Pflicht zum Einbau ab, die zum Ausbau jedoch nicht. Der Verkäufer schuldet die Kaufsache nur einmal und der Käufer sollte somit auch nur einmal die Kaufsache besitzen, um nicht auf den Kosten der Entsorgung sitzen zu bleiben. Die vertragliche Rücknahmepflicht des Verkäufers bildet das Spiegelbild zur Rückgewährverpflichtung des Käufers aus § 439 IV BGB. Nach dieser Ansicht schuldet V den Ausbau der Fliesen. Der gleichen Meinung ist das OLG Frankfurt (BeckRS 2008, 05877) und auch der BGH (NJW 2008, 2837).
c) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Anspruch auf eine unentgeltliche Ersatzlieferung gem. Art. 3 II der Richtlinie und der Anspruch auf eine Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher sprechen dafür, dass anzunehmen ist, dass der Verkäufer bei der Nachlieferung nach § 439 I, II BGB sowohl Aus-, als auch Einbau der Fliesen schuldet. Insbesondere die Wortwahl „Ersatz-“ Lieferung im Vergleich zu der deutschen Wortwahl „Nach-“ Lieferung lässt den Rückschluss zu, dass die schon eingebauten Fliesen beim Käufer laut der Richtlinie exakt ersetzt, also die mangelhaften ausgebaut und die mangelfreien eingebaut werden sollen. Diese weite Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 I Var. 2 BGB gedeckt.
- Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
Der Umfang der Kosten der Ersatzlieferung könnte eine relative Unverhältnismäßigkeit auslösen, sodass V sie verweigern könnte. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt dann vor, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zur anderen Art mit unverhältnismäßig hohen Kosten für den Verkäufer einhergeht. Eine Nachbesserung ist nicht möglich, sodass die relative Unverhältnismäßigkeit in diesem Fall kein berechtigter Einwand der V sein könnte, da K kein Wahlrecht ausüben konnte.
b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB
Die Nacherfüllung könnte jedoch absolut unverhältnismäßig sein. Das ist sie, wenn die gewählte oder einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht im Vergleich zur anderen, sondern, bewertet nach allgemeinen Maßstäben, unverhältnismäßige Kosten für den Verkäufer bedeutet.
Es ist streitig, ab welchem Wert die Nacherfüllung absolut unverhältnismäßig ist. In der Literatur werden verschiedene Werte von 100% - 200% der Kosten der Nacherfüllung im Verhältnis zu den ursprünglichen Kosten als ausschlaggebend angesehen. Hier betragen die Nacherfüllungskosten mehr als das 4-fache des Preises für die Fliesen.
Es lässt sich folglich eine absolute Unverhältnismäßigkeit auf Grund der Höhe der Differenz annehmen, ohne dass es einer genauen Bestimmung eines Grenzwertes bedarf. Fraglich ist jedoch, ob diese Annahme nicht einer Korrektur durch eine richtlinienkonforme Auslegung bedarf. Die Richtlinie sieht nach ihrem Wortlaut des Art. 3 III nur die relative Unverhältnismäßigkeit vor. Sie kann daher nur angewendet werden, wenn die absolute Unverhältnismäßigkeit in § 439 III BGB unter den Begriff der Unmöglichkeit der Richtlinie subsumiert werden kann.
Hier kam es zur Vorlage an den EuGH – EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-87, 65/09:
Der EuGH hat entschieden, dass dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Totalverweigerungsrecht aufgrund absoluter Unverhältnismäßigkeit zusteht, da es mit Art. 3 III der Richtlinie unvereinbar ist. Allerdings räumt er insoweit ein, dass es mit Art. 3 der Richtlinie bei der Entstehung unverhältnismäßig hoher Kosten für den Verkäufer vereinbar wäre, dass der Verkäufer den Käufer auf die Zahlung eines angemessenen Betrags verweist.
Nach dieser Aussage lässt sich das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des § 439 III BGB jedoch nicht im Wege einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne erzielen, denn dieser steht der eindeutige Wortlaut des BGB entgegen. Hier muss dem Gebot einer richtlinienkonformen Rechtfortbildung folgend eine teleologische Reduktion des § 439 III BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt vorgenommen werden. Dies setzt grundsätzlich eine verdeckte Regelungslücke im Gesetz im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Dies ist hier gegeben. Zwar wollte der Gesetzgeber § 439 III BGB so ausgestalten, dass er mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, er hat diesen Artikel jedoch insoweit falsch interpretiert, als dass er herauslas, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit umfasse. Dass diese Interpretation falsch ist stellte der Gerichtshof in seiner Entscheidung mit Bindungswirkung fest, sodass das Gesetz planwidrig unvollständig ist und eine verdeckte Regelungslücke vorliegt.
Folglich muss § 439 III BGB hier so angewendet werden, dass dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf kein Verweigerungsrecht zusteht, wenn von vornherein nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist, oder die andere Art der Nacherfüllung zurecht verweigert wird.
Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, muss die Frage nach einer einheitlichen oder gespaltenen Auslegung bzgl. Verbrauchsgüterkäufen und Käufen zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht geklärt werden.
- Ergebnis
K hat gegen V einen Anspruch auf Ausbau der mangelhaften Fliesen und auf Einbau der neuen mangelfreien Fliesen, sowie auf Ersatz der Nebenkosten für den Aus- und Einbau gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB.
V kann K jedoch die Einrede unverhältnismäßig hoher Kosten entgegenhalten, sodass der Anspruch des K auf die Zahlung eines angemessenen Geldbetrags durch V reduziert wäre.
C. Ansprüche auf Schadensersatz
Die Ansprüche aus dem Schadensersatzrecht (Ansprüche aus §§ 434, 437 Nr. 3, 280 I BGB; §§ 434, 437 Nr. 3, 284 BGB) scheitern am fehlenden Verschulden von V.
III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB
Fraglich ist, ob K im Zuge der Nachlieferung der V auch die Entfernung der schadhaften Fliesen und die Verlegung der neu gelieferten Fliesen von V verlangen kann. Gemäß § 439 II BGB hat „der Verkäufer […] die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen“. Es stellt sich somit die Frage, ob die Kosten für die Entfernung und Verlegung der Fliesen, zumindest in den Grenzen de § 439 III 1 BGB, von diesen Kosten umfasst sind.
- Aus- und Einbau
Ob der Aus- und Einbau der Fliesen von V im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs geschuldet wird ist streitig. Um diese Frage zu beantworten muss sowohl das deutsche, als auch das europäische Recht beachtet werden.
a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
Wortlaut
Nach § 439 BGB trägt der Verkäufer der mangelhaften Sache die „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“, wobei die Nacherfüllung die Lieferung einer mangelfreien Sache meint. Der Vertragsgegenstand sind die Fliesen und nicht der fertige Fußboden. Hiernach ist kein Aus- oder Einbau geschuldet.
Systematik
Die Nacherfüllung ist als modifizierter Erfüllungsanspruch, also als Anspruch auf die vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer durch § 433 I BGB verpflichtet war, anzusehen. Diese beinhaltet die Übergabe und Übereignung. Auch hiervon sind Aus- und Einbau nicht umfasst. Außerdem muss zwischen den verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten und verschuldensabhängigen Schadensersatzvorschriften unterschieden werden. Nach den verschuldensunabhängigen Vorschriften (§§ 434, 439 BGB) wird weder Aus- noch Einbau geschuldet.
b) Rechtsprechung
Das OLG Karlsruhe (ZGS 2004, 432) ist der Meinung, dass die Herstellung des Zustandes geschuldet ist, in dem sich die Sache bei einer mangelfreien Lieferung des Verkäufers befände. Aus- und Einbau wären von V geschuldet.
Das OLG Köln (NJW-RR 2006, 677) lehnt die Pflicht zum Einbau ab, die zum Ausbau jedoch nicht. Der Verkäufer schuldet die Kaufsache nur einmal und der Käufer sollte somit auch nur einmal die Kaufsache besitzen, um nicht auf den Kosten der Entsorgung sitzen zu bleiben. Die vertragliche Rücknahmepflicht des Verkäufers bildet das Spiegelbild zur Rückgewährverpflichtung des Käufers aus § 439 IV BGB. Nach dieser Ansicht schuldet V den Ausbau der Fliesen. Der gleichen Meinung ist das OLG Frankfurt (BeckRS 2008, 05877) und auch der BGH (NJW 2008, 2837).
c) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Anspruch auf eine unentgeltliche Ersatzlieferung gem. Art. 3 II der Richtlinie und der Anspruch auf eine Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher sprechen dafür, dass anzunehmen ist, dass der Verkäufer bei der Nachlieferung nach § 439 I, II BGB sowohl Aus-, als auch Einbau der Fliesen schuldet. Insbesondere die Wortwahl „Ersatz-“ Lieferung im Vergleich zu der deutschen Wortwahl „Nach-“ Lieferung lässt den Rückschluss zu, dass die schon eingebauten Fliesen beim Käufer laut der Richtlinie exakt ersetzt, also die mangelhaften ausgebaut und die mangelfreien eingebaut werden sollen. Diese weite Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 I Var. 2 BGB gedeckt.
- Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
Der Umfang der Kosten der Ersatzlieferung könnte eine relative Unverhältnismäßigkeit auslösen, sodass V sie verweigern könnte. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt dann vor, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zur anderen Art mit unverhältnismäßig hohen Kosten für den Verkäufer einhergeht. Eine Nachbesserung ist nicht möglich, sodass die relative Unverhältnismäßigkeit in diesem Fall kein berechtigter Einwand der V sein könnte, da K kein Wahlrecht ausüben konnte.
b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB
Die Nacherfüllung könnte jedoch absolut unverhältnismäßig sein. Das ist sie, wenn die gewählte oder einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht im Vergleich zur anderen, sondern, bewertet nach allgemeinen Maßstäben, unverhältnismäßige Kosten für den Verkäufer bedeutet.
Es ist streitig, ab welchem Wert die Nacherfüllung absolut unverhältnismäßig ist. In der Literatur werden verschiedene Werte von 100% - 200% der Kosten der Nacherfüllung im Verhältnis zu den ursprünglichen Kosten als ausschlaggebend angesehen. Hier betragen die Nacherfüllungskosten mehr als das 4-fache des Preises für die Fliesen.
Es lässt sich folglich eine absolute Unverhältnismäßigkeit auf Grund der Höhe der Differenz annehmen, ohne dass es einer genauen Bestimmung eines Grenzwertes bedarf. Fraglich ist jedoch, ob diese Annahme nicht einer Korrektur durch eine richtlinienkonforme Auslegung bedarf. Die Richtlinie sieht nach ihrem Wortlaut des Art. 3 III nur die relative Unverhältnismäßigkeit vor. Sie kann daher nur angewendet werden, wenn die absolute Unverhältnismäßigkeit in § 439 III BGB unter den Begriff der Unmöglichkeit der Richtlinie subsumiert werden kann.
Hier kam es zur Vorlage an den EuGH – EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-87, 65/09:
Der EuGH hat entschieden, dass dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Totalverweigerungsrecht aufgrund absoluter Unverhältnismäßigkeit zusteht, da es mit Art. 3 III der Richtlinie unvereinbar ist. Allerdings räumt er insoweit ein, dass es mit Art. 3 der Richtlinie bei der Entstehung unverhältnismäßig hoher Kosten für den Verkäufer vereinbar wäre, dass der Verkäufer den Käufer auf die Zahlung eines angemessenen Betrags verweist.
Nach dieser Aussage lässt sich das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des § 439 III BGB jedoch nicht im Wege einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne erzielen, denn dieser steht der eindeutige Wortlaut des BGB entgegen. Hier muss dem Gebot einer richtlinienkonformen Rechtfortbildung folgend eine teleologische Reduktion des § 439 III BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt vorgenommen werden. Dies setzt grundsätzlich eine verdeckte Regelungslücke im Gesetz im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Dies ist hier gegeben. Zwar wollte der Gesetzgeber § 439 III BGB so ausgestalten, dass er mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, er hat diesen Artikel jedoch insoweit falsch interpretiert, als dass er herauslas, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit umfasse. Dass diese Interpretation falsch ist stellte der Gerichtshof in seiner Entscheidung mit Bindungswirkung fest, sodass das Gesetz planwidrig unvollständig ist und eine verdeckte Regelungslücke vorliegt.
Folglich muss § 439 III BGB hier so angewendet werden, dass dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf kein Verweigerungsrecht zusteht, wenn von vornherein nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist, oder die andere Art der Nacherfüllung zurecht verweigert wird.
Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, muss die Frage nach einer einheitlichen oder gespaltenen Auslegung bzgl. Verbrauchsgüterkäufen und Käufen zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht geklärt werden.
D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung aus § 823 I BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.
I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
Dazu müsste § 823 I BGB überhaupt anwendbar sein. Grundsätzlich ist die Anwendbarkeit des § 823 I BGB bei Vorliegen eines EBV ausgeschlossen, da die §§ 987 ff. BGB gemäß § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang genießen. Eine Ausnahme bildet das Vorliegen einer deliktischen Besitzerlangung durch M gem. § 992 BGB. Außerdem ist § 823 I BGB bei Fremdbesitzexzess anwendbar, da der rechtmäßige Besitzer nicht schlechter stehen dürfte als ein unrechtmäßiger. Auch der rechtmäßig besitzende Besitzer würde bei Fremdbesitz nach § 823 I BGB haften und da dort nicht mal ein EBV vorliegen würde, muss dies erst recht für den unrechtmäßigen Besitzer gelten.
a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
M könnte den Besitz an den Bullen durch eine Straftat erlangt haben. M kaufte D die Jungbullen ab. Er hat den Besitz nicht durch eine Straftat erlangt.
b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB
Er könnte sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht verschafft haben. Mit verbotener Eigenmacht handelt gem. § 858 BGB derjenige, der dem unmittelbaren Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, soweit dies nicht vom Gesetz gestattet wird. D bot M die Bullen zum Kauf an und dieser ging darauf ein. Er erlangte den Besitz auch nicht durch verbotene Eigenmacht.
- Fremdbesitzexzess durch M
Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer. M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.
II. Ergebnis
Die Anwendbarkeit des § 823 I BGB ist versperrt. L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 823 I BGB würde der Anspruch am mangelnden Verschulden des M aufgrund dessen Gutgläubigkeit scheitern.
Der Jungbullen-Fall BGH, Urteil vom 11. 1. 1971 VIII ZR 261/69 NJW 1971, 612
Dieb D stahl dem Landwirt L zwei Jungbullen und verkaufte sie für 1.701 DM an den gutgläubigen Beklagten Metzger M. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik.
Welche Ansprüche hat L gegen M und D?
Dieser Fall behandelt die GoA und sachenrechtliche Problemstellungen wie den gutgläubigen Erwerb von Sachen nach §§ 932 ff. BGB, den Erwerb von Eigentum aufgrund von Verarbeitung nach § 950 BGB kombiniert mit Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB.
Lösungsskizze
Ansprüche L gegen M
A. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
I. Objektiv fremdes Geschäft des M
II. Fremdgeschäftsführungswillen
III. Ergebnis
B. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB
I. EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis)
- Bullen = Sache i.S.d. § 90a BGB
- L = Eigentümer?
a) Verlust des Eigentums an D?
b) Verlust des Eigentums durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb an M
aa) Erwerb vom Berechtigten, §§ 929 S.1, 90a S. 3 BGB
bb) Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
aaa) gutgläubiger Erwerb
bbb) kein Abhandenkommen
c) Zwischenergebnis - M = Besitzer
- ohne Recht zum Besitz
- Zwischenergebnis
II. Bösgläubigkeit des M
III. Ergebnis
C. Anspruch L gegen M auf Geldersatz gem. §§ 987, 990 BGB
I. EBV
II. Nutzungen
III. Ergebnis
D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
- Deliktischer Besitzer
a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB - Fremdbesitzexzess durch M
II. Ergebnis
E. Anspruch L gegen M auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB
I. Anwendbarkeit des § 951 BGB
- Nutzungsherausgabe
- Schadensersatz
- Wertersatz
- Zwischenergebnis
II. Voraussetzungen des § 951 I BGB
- Rechtsverlust, §§ 946 – 950 BGB
a) Jungbullen als Sache i.S.d. § 90 BGB
b) neue Sache durch Verarbeitung
c) M = Hersteller
d) Wert der Sache
e) Rechtsverlust - Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB
a) Etwas erlangt
b) In sonstiger Weise
c) Auf Kosten des L
d) Ohne Rechtsgrund
aa) Kaufvertrag
bb) Einwilligung
e) Zwischenergebnis
III. Umfang des Bereicherungsanspruchs
- Inhalt
- Umfang
- Einrede: Wegfall der Bereicherung, § 818 III BGB
IV. Ergebnis
F. Ergebnis Ansprüche L gegen M
Ansprüche L gegen D
A. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
I. Voraussetzungen § 687 II 1 BGB
- objektiv fremdes Geschäft
- Fremdgeschäftsführungswille
II. Voraussetzungen des § 678 BGB
- Berechtigung zur Geschäftsübernahme
- Übernahmeverschulden
III. Rechtsfolge
IV. Ergebnis
B. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB
I. Vorlage einer Vindikationslage
II. Rechtshändigkeit
III. Bösgläubigkeit
IV. Unmöglichkeit der Herausgabe
V. Rechtsfolge
VI. Ergebnis
C. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB
I. Voraussetzungen § 992 BGB
II. Voraussetzungen des § 823 I BGB
III. Rechtsfolge
IV. Ergebnis
D. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m 242 I StGB
I. Verstoß gegen ein Schutzgesetz
II. Rechtswidrig und schuldhaft
III. Rechtsfolge
IV. Ergebnis
E. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB
F. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 826 BGB
G. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB
I. Anwendbarkeit
II. Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB
III. Erlös erlangt
IV. Ergebnis
H. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB
I. Anwendbarkeit
II. Verfügung eines Nichtberechtigten
III. Wirksame Verfügung gegenüber L
IV. Rechtsfolge
V. Einwand: Entreicherung
VI. Ergebnis
I. Ergebnis Ansprüche L gegen D
Ansprüche L gegen M
A. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 687 II, 678 BGB haben, weil dieser die beiden Bullen verarbeitete. Dazu müsste M ein Geschäft des L geführt haben.
I. Objektiv fremdes Geschäft des M
Es müsste sich bei der Schlachtung der beiden Bullen um ein objektiv fremdes Geschäft des M gehandelt haben. Ein Geschäft ist objektiv fremd, wenn es nach seiner Natur, dem Inhalt und äußerem Erscheinungsbild nicht in den Rechts- und Interessenkreis des Handelnden fällt. Die Jungbullen gehörten L. M hat somit fremde Tiere geschlachtet. Es handelte sich um ein objektiv fremdes Geschäft des M.
II. Fremdgeschäftsführungswillen
M müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Fremdgeschäftsführungswille ist das Wissen und Wollen, ein fremdes Geschäft zu führen. M dachte er hätte die Bullen rechtmäßig von D erworben. Fraglich ist, wie die Tatsache zu behandeln ist, dass M keine positive Kenntnis der Fremdheit der Tiere hatte, § 687 II 1 BGB. M könnte ein Eigengeschäft geführt haben. Dabei nimmt der Handelnde das Geschäft in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vor. Er führte, wenn auch irrtümlich, ein Eigengeschäft und wollte kein Geschäft des L führen.
III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB.
B. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB haben, da dieser die beiden Bullen verarbeitete.
I. EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis)
Dazu müsste zunächst eine Vindikationslage zwischen L und M zum Zeitpunkt der Schlachtung bestanden haben. L müsste Eigentümer und M Besitzer ohne Recht zum Besitz sein und es müsste sich bei den Bullen um eine Sache i.S.d. BGB handeln.
- Bullen = Sache i.S.d. § 90a BGB
Die Jungbullen müssten eine Sache im Sinne des BGB sein. Die Jungbullen sind gemäß § 90a BGB wie Sachen durch die Vorschriften des BGB zu behandeln. - L = Eigentümer?
Ursprünglich war L Eigentümer der Bullen.
a) Verlust des Eigentums an D?
D könnte Eigentümer der Bullen geworden sein. Dazu müsste eine Einigung zwischen D und L über den Übergang der Bullen vorliegen und die Bullen müssten übergeben worden sein, § 929 S. 1 BGB. Zwischen D und L kam es nie zu einer Einigung über den Eigentumsübergang, vielmehr hat sich D die Bullen durch den Diebstahl widerrechtlich angeeignet. Der D konnte kein Eigentum an den Bullen erwerben.
b) Verlust des Eigentums durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb an M
L könnte sein Eigentum an den Bullen an M verloren haben. Grundsätzlich muss gemäß § 929 S. 1 BGB zur Übertragung des Eigentums der Eigentümer die Sache übergeben und sich mit dem Erwerber einig sein, dass das Eigentum übergehen soll.
aa) Erwerb vom Berechtigten, §§ 929 S.1, 90a S. 3 BGB
Dazu müsste eine Einigung zum Übergang des Eigentums vorliegen. M hatte sich mit D darüber geeinigt, dass er Besitzer und Eigentümer der Jungbullen werden solle. Eine Einigung liegt vor. Die Bullen müssten auch übergeben worden sein. Auch das trifft zu. Problematisch erscheint aber insoweit, dass D die Bullen gestohlen hatte und selbst somit nicht Eigentümer werden konnte. Zu klären bleibt somit, ob D als Berechtigter gehandelt hatte. Da zwischen L und dem Dieb D nie eine Einigung stattgefunden hatte, hatte L sein Eigentum nicht an D gem. § 929 S. 1 BGB verloren. D war als Nichteigentümer insofern nicht berechtigt.
bb) Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
Gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB ist die Übertragung von Eigentum aber auch möglich, wenn der Erwerber bei Zeitpunkt der Eigentumserwerbung nach § 929 S. 1 BGB gutgläubig gewesen ist.
M könnte gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB das Eigentum aus dem Verkehrsgeschäft also auch von D als Nichtberechtigtem erworben haben, wenn er gutgläubig gehandelt hat.
aaa) gutgläubiger Erwerb
M müsste also gutgläubig gehandelt haben. Gutgläubig ist der Erwerber dann nicht, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, § 932 II BGB. M konnte nicht wissen, dass D nicht der rechtmäßige Eigentümer der Bullen war. Er hatte auch keinen Grund dies in Frage zu stellen. M handelte gutgläubig.
bbb) kein Abhandenkommen
Gem. § 935 I BGB scheidet ein gutgläubiger Erwerb jedoch aus, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst wie abhanden gekommen ist. Die Bullen wurden dem L von D gestohlen. Ein gutgläubiger Erwerb durch M war wegen § 935 I BGB nicht möglich.
c) Zwischenergebnis
Es trat kein Eigentumserwerb des M an den Bullen durch Rechtsgeschäft ein. Auf einen Erwerb durch Verarbeitung kommt es hier nicht an, da auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Verarbeitungsbeginn abgestellt werden muss, da der Beginn der Verarbeitung gerade den Grund dafür darstellt, dass die Bullen nicht mehr zurückgegeben werden können. Bei der Schlachtung war L noch Eigentümer der Jungbullen.
- M = Besitzer?
M müsste Besitzer der Jungbullen gewesen sein. Er müsste also die tatsächliche Sachherrschaft über die Bullen gehabt haben. Die Bullen des L befanden sich bei M im Betrieb. Er hatte die tatsächliche Sachherrschaft. - ohne Recht zum Besitz
M dürfte kein Recht zum Besitz gegenüber L zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung gehabt haben. M schloss mit D einen Kaufvertrag. Dieser wirkt jedoch nur inter partes. Ein Recht zum Besitz im Verhältnis zwischen L und M zum Zeitpunkt der Schlachtung ist nicht ersichtlich. M hatte kein Recht zum Besitz. - Zwischenergebnis
Es liegt ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) vor.
II. Bösgläubigkeit des M
M müsste bei Besitzerwerb bösgläubig gewesen sein oder er hätte danach positive Kenntnis seines mangelnden Besitzrechts erlangt haben müssen, § 990 I BGB. M erfuhr erst bei Klage des L von seinem mangelnden Besitzrecht. M war bei Besitzerwerb also weder bösgläubig gem. §§ 990 I 1, 932 II BGB noch hatte er eine spätere positive Kenntnis vom mangelnden Besitzrecht gem. § 990 I 2 BGB.
III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB.
C. Anspruch L gegen M auf Geldersatz gem. §§ 987, 990 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen M aus §§ 987, 990 BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.
I. EBV
Eine Vindikationslage zwischen L und M liegt vor (siehe oben).
II. Nutzungen
M hätte Nutzungen aus der Sache, also den Bullen, gezogen haben müssen. Nutzungen sind Früchte oder Gebrauchsvorteile. MDie Verarbeitung von Sachen stellt jedoch gem. § 100 BGB keine Nutzung dar, da bei Nutzungen die Muttersache erhalten bleiben muss. M hat keine Nutzungen aus den Bullen gezogen. Darüber hinaus war M auch hier gutgläubig.
III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen M aus §§ 987, 990 BGB.
D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung aus § 823 I BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.
I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
Dazu müsste § 823 I BGB überhaupt anwendbar sein. Grundsätzlich ist die Anwendbarkeit des § 823 I BGB bei Vorliegen eines EBV ausgeschlossen, da die §§ 987 ff. BGB gemäß § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang genießen. Eine Ausnahme bildet das Vorliegen einer deliktischen Besitzerlangung durch M gem. § 992 BGB. Außerdem ist § 823 I BGB bei Fremdbesitzexzess anwendbar, da der rechtmäßige Besitzer nicht schlechter stehen dürfte als ein unrechtmäßiger. Auch der rechtmäßig besitzende Besitzer würde bei Fremdbesitz nach § 823 I BGB haften und da dort nicht mal ein EBV vorliegen würde, muss dies erst recht für den unrechtmäßigen Besitzer gelten.
- Deliktischer Besitzer
Es könnte sich bei M um einen deliktischen Besitzer handeln. Als deliktischer Besitzer wird derjenige Besitzer bezeichnet, der seinen Besitz entweder durch verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat erlangt hat.
a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
M könnte den Besitz an den Bullen durch eine Straftat erlangt haben. M kaufte D die Jungbullen ab. Er hat den Besitz nicht durch eine Straftat erlangt.
b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB
Er könnte sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht verschafft haben. Mit verbotener Eigenmacht handelt gem. § 858 BGB derjenige, der dem unmittelbaren Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, soweit dies nicht vom Gesetz gestattet wird. D bot M die Bullen zum Kauf an und dieser ging darauf ein. Er erlangte den Besitz auch nicht durch verbotene Eigenmacht.
- Fremdbesitzexzess durch M
Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer. M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.
II. Ergebnis
Die Anwendbarkeit des § 823 I BGB ist versperrt. L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 823 I BGB würde der Anspruch am mangelnden Verschulden des M aufgrund dessen Gutgläubigkeit scheitern.
E. Anspruch L gegen M auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, indem dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.
I. Anwendbarkeit des § 951 BGB
Die §§ 987 ff. BGB könnten gem. § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang vor §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, da es sich bei diesen um Sonderregelungen handelt. Vorrang haben jedoch nur Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Ansprüche auf Schadensersatz, denn die §§ 987 ff. BGB sind nur bezüglich Forderungen auf Schadensersatz, Nutzungsersatz und Verwendungen abschließend, nicht jedoch hinsichtlich Rechtsverlust oder Erlösherausgabe. Es geht um Eigentumsansprüche von L an M und nicht um den Besitz.
- Nutzungsherausgabe
Es dürfte sich bei der Forderung aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB nicht um eine Forderung auf Nutzungsherausgabe handeln. Die Schlachtung ist keine Nutzung gem. § 100 BGB. Unter diese zählen nur Früchte und Gebrauchsvorteile (siehe oben). - Schadensersatz
Es dürfte sich auch nicht um eine Schadensersatzforderung handeln. Der Schadensersatz ist eine Kompensation von Vermögensvorteilen. Die Schlachtung lässt keinen zu kompensierenden Vermögensvorteil entstehen. - Wertersatz
Es könnte sich jedoch um eine Forderung auf Wertersatz handeln. Der Wertersatz verlangt nur die Herausgabe von Vermögensvorteilen. Er ist somit ein Bereicherungsanspruch (BGH NJW 1971, 612 (614)). Hier geht es um Folgeansprüche aus Verarbeitung, also auf die Herausgabe der Bereicherung. §951 I 1 BGB ist ein sogenannter Rechtsfortwirkungsanspruch zu § 985 BGB. - Zwischenergebnis
§ 951 I BGB ist anwendbar.
II. Voraussetzungen des § 951 I BGB
1. Rechtsverlust, §§ 946 – 950 BGB
L müsste nach den §§ 946 – 950 BGB einen Rechtsverlust erlitten haben. Hier kommt der Verlust des Eigentums an den Jungbullen in Betracht, § 950 I BGB.
a) Jungbullen als Sache i.S.d. § 90 BGB
Die Jungbulle sind als Sache im Sinne des BGB zu behandeln (siehe oben)
b) neue Sache durch Verarbeitung
Es müsste eine neue Sache hergestellt worden sein. Eine neue Sache ist im Wesentlichen durch einen neuen Namen gekennzeichnet. Die Jungbullen wurden zu Fleischwaren verarbeitet. Sie wurden zu einer neuen beweglichen Sache verarbeitet.
c) M = Hersteller
M müsste der Hersteller der neuen Sache sein. Hersteller ist, in wessen Namen und wirtschaftlichen Interesse die Herstellung erfolgt ist. Die Jungbullen wurden im Betrieb des M auf dessen Geheiß hin verarbeitet. Er ist somit Hersteller der neuen Sache.
d) Wert der Sache
Der Wert der Verarbeitung darf nicht erhebliche geringer sein, als der des ursprünglichen Stoffes. Der Wert der Verarbeitung berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Wert der neuen und dem Wert der alten Sache. Hier sind keine Angaben im Sachverhalt vorhanden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Verarbeitung von Tieren für den M wirtschaftlich lohnt, da dieser den Beruf sonst nicht ausüben würde. Der Wert der Fleischwaren war nicht erheblich geringer als der Wert der Jungbullen.
e) Rechtsverlust
Der Erwerb des Eigentums an den Fleischwaren durch M nach § 950 I BGB ist die Kehrseite zum Verlust des Eigentums des L an den Bullen. L hat durch die Verarbeitung durch M sein Eigentum an den Jungbullen verloren.
- Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB
Die Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB müssten vorliegen. § 951 I 1 BGB ist insoweit eine Rechtsgrundverweisung.
a) Etwas erlangt
Unter „etwas erlangt“ i.S.d. § 812 I 1 2. Alt. BGB fällt jeder wirtschaftliche Vermögensvorteil. M hat Eigentum an den Fleischwaren, die aus den Bullen entstanden sind, erworben. Er hat etwas erlangt.
b) In sonstiger Weise
Problematisch ist hier insoweit der mögliche Vorrang einer Leistungsbeziehung. Grundsätzlich ist die Nichtleistungskondiktion zur Leistungskondiktion subsidiär, sodass § 812 I 1 2. Alt. BGB nur anwendbar wäre, wenn § 812 I 1 1. Alt BGB nicht einschlägig wäre. Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt hat, ist keinem Dritten mehr auf diesen Anspruch bezogen bereicherungsrechtlich verpflichtet. Zur Rückabwicklung von Geschäften gehört dabei auch, dass das Geschäft nur mit dem aus dem Schuldverhältnis resultierenden Geschäftspartner rückabgewickelt werden muss.
Fraglich ist also, ob M das Eigentum an den Bullen durch Leistung oder auf sonstige Weise erlangt hat. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab die Bullen an M, sodass dieser die physische Gewalt über diese erlangte. Da ein gutgläubiger Rechtserwerb des M aufgrund des Diebstahls durch D gem. § 935 I BGB ausgeschlossen war, erlangte er nur Besitz und kein Eigentum. Das Eigentum erlangte er mit Verarbeitung an der neuen Sache kraft Gesetz (siehe oben). M erlangte das Eigentum an den Bullen bzw. Fleischwaren zwar durch die Besitzverschaffung durch D aber nicht durch Leistung des D. Somit hat er es nicht durch Leistung erlangt. M erlangte das Eigentum in sonstiger Weise.
c) Auf Kosten des L
M müsste das Eigentum auf Kosten des L erlangt haben. Das ist dann der Fall, wenn der Vorteil des Anspruchsgegners auf dem gleichen Lebensvorgang wie der Schaden beim Anspruchssteller beruht. Die Erlangung des Eigentums durch M ist stoffgleich zum Eigentumsverlust des L. Die Schlachtung beendete das Eigentum des L. Sie ging auf seine Kosten.
d) Ohne Rechtsgrund
M müsste das Eigentum ohne Rechtsgrund erworben haben.
aa) Kaufvertrag
Ein Rechtsgrund könnte in dem Kaufvertrag zwischen D und M gelegen haben. Kaufverträge wirken nach dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen jedoch nur inter partes. Der Kaufvertrag ist somit kein Rechtsgrund gegenüber L.
bb) Einwilligung
L könnte jedoch nach § 185 II BGB die Eigentumsübergang genehmigt haben. L hat den Eigentumsübergang nicht genehmigt.
e) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB liegen vor.
III. Umfang des Bereicherungsanspruchs
1. Inhalt
Der Bereicherungsanspruch enthält eine Vergütung in Geld, § 951 I 1 BGB. Eine Herausgabe der Jungbullen ist unmöglich.
- Umfang
Die Bereicherung erfolgte aufgrund der Verarbeitung und nicht aufgrund des Kaufs der Bullen. Der Umfang des Bereicherungsanspruchs hat die Höhe des objektiven Werts des verarbeiteten Gegenstandes gem. § 818 II BGB. - Einrede: Wegfall der Bereicherung, § 818 III BGB
Die Bereicherung könnte jedoch auf Grund der Kaufpreiszahlung weggefallen sein, § 818 III BGB. Wären die Bullen noch vorhanden gewesen, hätte M diese gem. § 985 BGB herausgeben müssen und hätte keine Möglichkeit gehabt den Kaufpreis abzuziehen. Der Bereicherungsanspruch aus § 951 I 1 BGB ist an die Stelle des Anspruchs auf Herausgabe der Sache aus § 985 BGB getreten. (BGH NJW 1971, 612 (615)) M kann sich nicht auf die Einrede der Entreicherung gem. § 818 III BGB berufen. Gleichwohl kann M den bezahlten Kaufpreis von D zurückfordern.
IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen M auf eine Zahlung in Höhe von 1701 Euro aus §§ 951 I 1, 812 I 1 2. Alt. BGB.
F. Ergebnis Ansprüche L gegen M
L hat einen Anspruch auf Wertersatz gegen M aus §§ 951 I 1, 812 I 1 2. Alt. BGB.
Der Jungbullen-Fall BGH, Urteil vom 11. 1. 1971 VIII ZR 261/69 NJW 1971, 612
Dieb D stahl dem Landwirt L zwei Jungbullen und verkaufte sie für 1.701 DM an den gutgläubigen Beklagten Metzger M. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik.
Welche Ansprüche hat L gegen M und D?
Ansprüche L gegen D
A. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Zahlung eines Schadensersatzes aus §§ 687 II 1, 678 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Voraussetzungen § 687 II 1 BGB
Dazu müsste D ein für sich objektiv fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen getätigt haben.
- objektiv fremdes Geschäft
D hat fremde Tiere verkauft. Es handelt sich um ein objektiv fremdes Geschäft. - Fremdgeschäftsführungswille
D müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Er wusste, dass die Bullen nicht ihm, sondern dem L gehörten und dass er keine Befugnis hatte, das Geschäft zu tätigen. D handelte mit Fremdgeschäftsführungswillen.
II. Voraussetzungen des § 678 BGB
1. Berechtigung zur Geschäftsübernahme
D müsste ein Geschäft gegen den Willen des L geführt haben. L wollte nicht, dass seine Jungbullen verkauft werden. D hatte keine Berechtigung zur Geschäftsübernahme. Er handelte weder im Interesse noch im Willen des L.
- Übernahmeverschulden
D müsste gewusst haben oder zumindest erkennen können, dass er gegen den Willen des L handelte. Er stahl dem L heimlich dessen Tiere. Er wusste, dass er sie nicht stehlen und erst recht nicht zur Schlachtung verkaufen durfte.
III. Rechtsfolge
Rechtsfolge ist grundsätzlich eine Naturalrestitution nach § 249 I BGB. Stattdessen kann jedoch Schadensersatz in Geld nach § 250 BGB gefordert werden. Die Herstellung des ursprünglichen Zustandes ist jedoch nicht möglich. Der Geschäftsführer schuldet dem Geschäftsherrn dann Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.
IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswert der Bullen, also auf 1. 701 Euro, gegen D aus §§ 687 II 1, 678 BGB.
B. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 989, 990 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Vorlage einer Vindikationslage
Es müsste eine Vindikationslage zwischen L und D im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bestanden haben. Die Verletzungshandlung lag in der Weitergabe der Tiere. L ist zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer und D ist Besitzer ohne Recht zum Besitz gegenüber L. Eine Vindikationslage lag vor.
II. Rechtshändigkeit
Der Streit war zu diesem Zeitpunkt nicht rechtshängig gem. §§ 989 BGB, 253, 261 ZPO.
III. Bösgläubigkeit
D müsste bösgläubig gewesen sein. D verkaufte gestohlene Tiere an B. Er wusste, dass er das nicht hätte tun dürfen. D war bösgläubig gem. §§ 990 I 1, 932 II BGB.
IV. Unmöglichkeit der Herausgabe
Die Herausgabe der Tiere ist unmöglich geworden. Dies hatte D durch seine vorsätzliche Weitergabe an M, in dem Wissen, dass dieser die Tiere verarbeiten werde, verschuldet, §§ 989, 276 I BGB.
V. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes der Bullen. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.
VI. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D in Höhe von 1. 701 Euro aus §§ 989, 990 BGB.
C. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB
L könnte einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 I BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Voraussetzungen § 992 BGB
D müsste sich den Besitz an den Bullen durch verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB oder durch Straftat (§ 242 I StGB) verschafft haben. D hat die Jungbullen dem L gestohlen. Der Diebstahl ist eine Straftat i.S.d. StGB.
II. Voraussetzungen des § 823 I BGB
D müsste die Eigentumsverletzung rechtswidrig und schuldhaft begangen haben. L verlor sein Eigentum endgültig durch die Schlachtung der Tiere durch M. D gab die gestohlenen Bullen jedoch rechtswidrig und schuldhaft an M weiter. Die Eigentumsverletzung durch D am Eigentum des L geschah rechtswidrig und schuldhaft.
III. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.
IV. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 I BGB in Höhe von 1. 701 Euro.
D. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m 242 I StGB
L könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Verstoß gegen ein Schutzgesetz
D müsste gegen ein Schutzgesetz verstoßen haben. D hat das Eigentum (zumindest im weiteren Kausalzusammenhang betrachtet) und den Besitz des L beendet. Er verstieß gegen § 242 I StGB.
II. Rechtswidrig und schuldhaft
Der Verstoß müsste rechtswidrig und schuldhaft gewesen sein. D handelte gegen das Gesetz und dieser Verstoß ist ihm persönlich vorwerfbar. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.
III. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.
IV. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB in Höhe von 1. 701 Euro.
E. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB
L könnte einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte. Die Voraussetzungen liegen alle vor (siehe oben). Insbesondere handelte D mit verbotener Eigenmacht gem. § 858 I BGB. L hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB in Höhe von 1. 701 Euro.
F. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 826 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 826 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte. Die Voraussetzungen liegen alle vor (siehe oben). D verstieß gegen die guten Sitten und fügte L somit vorsätzlich einen Schaden zu. L hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 826 BGB in Höhe von 1. 701 Euro.
G. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Anwendbarkeit
Da es hier um den Veräußerungserlös und nicht um Schadens- oder Nutzungsersatzforderungen geht ist die Anwendung der Paragraphen nicht durch § 993 I Hs. 2 BGB versperrt.
II. Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB
Die Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB müssten erfüllt sein.
Es handelt sich um ein objektiv fremdes Geschäft des D und dieser hatte Kenntnis der Fremdheit (siehe oben).
III. Erlös erlangt
D müsste einen Veräußerungserlös erlangt haben. D hat durch den Kaufpreis einen Veräußerungserlös gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB erlangt.
IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses in Höhe des Kaufpreises aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB.
H. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.
I. Anwendbarkeit
Auch hier versperrt § 993 I Hs. 2 BGB die Anwendung des Paragraphen nicht, da § 816 BGB nicht auf einen Schadens- oder Nutzungsersatz, sondern auf die Zahlung des Veräußerungserlöses abzielt.
II. Verfügung eines Nichtberechtigten
D müsste als Nichtberechtigter über die Bullen verfügt haben. D hat die Bullen an M veräußert. Er war als Dieb der Bullen nicht dazu berechtigt.
III. Wirksame Verfügung gegenüber L
Die Verfügung müsste gegenüber L wirksam sein. L könnte die Verfügung durch D genehmigen gem. § 185 II BGB, aber dadurch würde er seine Ansprüche gegen M aus § 951 I BGB verlieren. Da sein Anspruch dann auf der Solvenz des M beruht, sollte L das Geschäft nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Veräußerungserlöses genehmigen.
IV. Rechtsfolge
Streitig ist der Umfang des Anspruchs des L. Unklarheit besteht also darüber, was unter Erlangtes zu verstehen ist.
Nach einer Meinung umfasst das Erlangte den objektiven Wert der Sache. Danach hat D nur den objektiven Wert der Jungbullen, nicht seinen möglichen Gewinn auszuzahlen. Diese Meinung begründen ihre Vertreter damit, dass die Pflicht zur Übereignung der Sache und der Bezahlung des Wertes im Gegenzug die Verfügung und damit eine Realakt zum Gegenstand hat, während die Aushandlung eines möglichen Gewinns Inhalt des Kausalgeschäfts sei und deswegen hier nicht berücksichtigt werden müsse,
Nach einer anderen Meinung muss er den erlangten Mehrerlös bezahlen. Diese Meinung stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes (vgl. § 816 I BGB). Sie argumentiert, dass der gewinnbringende Umgang mit einer Sache nur dem Eigentümer zustehe und sollte jemand dies gegen dessen Willen tun, müsse dieser gem. § 816 BGB auch seinen Erlös herausgeben. Der Gewinn ist somit das Surrogat zu der Möglichkeit des Verkaufs der Sache.
V. Einwand: Entreicherung
D haftet als bösgläubiger Besitzer verschärft nach §§ 819 I, 818 IV BGB, sodass er sich allein deswegen nicht auf eine Entreicherung berufen könnte.
VI. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen D auf die Herausgabe des Veräußerungserlöses in der Höhe des Kaufpreises aus § 816 I 1 BGB.
I. Ergebnis Ansprüche L gegen D
L hat Ansprüche auf Schadensersatz gegen D aus §§ 687 II 1, 678 BGB, aus §§ 989, 990 BGB, aus §§ 992, 823 I BGB, aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB, aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB, aus §§ 992, 826 BGB und Ansprüche auf Herausgabe des Veräußerungserlöses nach §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB und § 816 I 1 BGB.
- Fremdbesitzexzess durch M
Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer.
M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.
I. Anwendbarkeit des § 951 BGB
Die §§ 987 ff. BGB könnten gem. § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang vor §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, da es sich bei diesen um Sonderregelungen handelt.
KEINE
1. Nutzungsherausgabe
- Schadensersatz
- Wertersatz
Vorrang haben jedoch nur Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Ansprüche auf Schadensersatz, denn die §§ 987 ff. BGB sind nur bezüglich Forderungen auf Schadensersatz, Nutzungsersatz und Verwendungen abschließend, nicht jedoch hinsichtlich Rechtsverlust oder Erlösherausgabe. Es geht um Eigentumsansprüche von L an M und nicht um den Besitz.
- Nutzungsherausgabe
Es dürfte sich bei der Forderung aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB nicht um eine Forderung auf Nutzungsherausgabe handeln. Die Schlachtung ist keine Nutzung gem. § 100 BGB. Unter diese zählen nur Früchte und Gebrauchsvorteile (siehe oben). - Schadensersatz
Es dürfte sich auch nicht um eine Schadensersatzforderung handeln. Der Schadensersatz ist eine Kompensation von Vermögensvorteilen. Die Schlachtung lässt keinen zu kompensierenden Vermögensvorteil entstehen. - Wertersatz
Es könnte sich jedoch um eine Forderung auf Wertersatz handeln. Der Wertersatz verlangt nur die Herausgabe von Vermögensvorteilen. Er ist somit ein Bereicherungsanspruch (BGH NJW 1971, 612 (614)). Hier geht es um Folgeansprüche aus Verarbeitung, also auf die Herausgabe der Bereicherung. §951 I 1 BGB ist ein sogenannter Rechtsfortwirkungsanspruch zu § 985 BGB. - Zwischenergebnis
§ 951 I BGB ist anwendbar.
b) In sonstiger Weise
Problematisch ist hier insoweit der mögliche Vorrang einer Leistungsbeziehung. Grundsätzlich ist die Nichtleistungskondiktion zur Leistungskondiktion subsidiär, sodass § 812 I 1 2. Alt. BGB nur anwendbar wäre, wenn § 812 I 1 1. Alt BGB nicht einschlägig wäre.
Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt hat, ist keinem Dritten mehr auf diesen Anspruch bezogen bereicherungsrechtlich verpflichtet. Zur Rückabwicklung von Geschäften gehört dabei auch, dass das Geschäft nur mit dem aus dem Schuldverhältnis resultierenden Geschäftspartner rückabgewickelt werden muss.
Fraglich ist also, ob M das Eigentum an den Bullen durch Leistung oder auf sonstige Weise erlangt hat. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab die Bullen an M, sodass dieser die physische Gewalt über diese erlangte. Da ein gutgläubiger Rechtserwerb des M aufgrund des Diebstahls durch D gem. § 935 I BGB ausgeschlossen war, erlangte er nur Besitz und kein Eigentum. Das Eigentum erlangte er mit Verarbeitung an der neuen Sache kraft Gesetz (siehe oben). M erlangte das Eigentum an den Bullen bzw. Fleischwaren zwar durch die Besitzverschaffung durch D aber nicht durch Leistung des D. Somit hat er es nicht durch Leistung erlangt. M erlangte das Eigentum in sonstiger Weise.
Der Schwarzarbeiterfall
Mit dem jüngst vom BGH entschieden Fall von Schwarzarbeit (Urt. v. 10.04.2014, Az: VII ZR 241/13) vollzog sich ein Rechtsprechungswandel. Während der BGH in seiner früheren Rechtsprechung (Urt. v. 31.05.1990, Az: VII ZR 336/89) den § 817 S. 2 BGB bei Fällen der Schwarzarbeit für nicht anwendbar erklärte, kehrte er seine Rechtsprechung nun um, mit der Folge, dass sowohl die Vergütungsansprüche des “schwarz” arbeitenden Werkunternehmers als auch die Gewährleistungsansprüche des Bestellers wegen § 817 S. 2 BGB ausscheiden.
Lösungsskizze
A. Ansprüche des E auf Zahlung des Werklohnes
I. § 631 Abs. 1 BGB
- Wirksamer Werkvertrag
- Ergebnis
II. §§ 677, 683 S.1, 670 BGB
- Fremdes Geschäft
- Fremdgeschäftsführungswille
- Ergebnis
III. § 817 S. 1 BGB Ausschluss der Rückforderung gem. § 817 S. 2 BGB
- Erlangtes Etwas durch Leistung
- Ausschluss des Anspruchs gem. § 817 S.2 BGB
a. ) Frühere Rechtsprechung des BGH
b. ) Herrschende Literatur / Teile der Rechtsprechung/ BGH
c. ) Streitentscheid - Ergebnis
IV. §§ 812 Abs. 1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB
V. §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB
B. Ansprüche des A auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB
Gutachten
A. Ansprüche des E auf Zahlung des Werklohnes
I. Anspruch aus E gegen A aus § 631 Abs. 1 BGB
E könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn i.H.v. 5.000 EUR aus § 631 Abs. 1 BGB haben.
- Wirksamer Werkvertrag
Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Parteien einen wirksamen Werkvertrag geschlossen haben. Der Werkvertrag könnte hier gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und deshalb nach § 134 BGB nichtig sein. Fraglich ist, ob es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz handelt. Ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz liegt vor, wenn dieses ausdrücklich oder konkludent eine Beschränkung des rechtlichen Dürfens enthält. Enthält das Verbotsgesetz lediglich eine Ordnungsvorschrift, so führt ein Verstoß nicht automatisch zur Nichtigkeit. Dies ist durch Auslegung des Gesetzeszweckes zu ermitteln.
Ergibt die Auslegung nach Sinn und Zweck, dass ein wirksames Zustandekommen des Vertrages nicht gewollt ist, liegt ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB vor.
[Exkurs: Vor der Änderung des SchwarzArbG durch das am 01.08.2004 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit war die Nichtabführung der Steuer bei einer sog. „Ohne- Rechnung-Abrede“ kein Fall der Schwarzarbeit, sondern lediglich eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Nichtig war danach nur die „ohne Rechnung-Abrede“, nicht aber der Werkvertrag an sich. Ein geschlossener Vertrag war danach nur nichtig, wenn der Hauptzweck des Vertrages gerade die Steuerhinterziehung war.]
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Werkleistungen erbringt und dabei als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Ausdrücklich wird darin der Vertragsabschluss nicht beschränkt. Sinn und Zweck des Gesetzes ist jedoch eine effektive Bekämpfung von Schwarzarbeit. Dies kann nur dadurch geschehen, dass ein Leistungsaustausch verhindert oder zumindest erschwert wird. Dies wird allerdings nur mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit erreicht. Damit handelt es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB. Gem. § 139 BGB ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Vertrags der gesamte Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Hier hätten die Parteien wohl den Werkvertrag in der Gestalt nicht geschlossen, wenn die Umsatzsteuer hätte abgeführt werden müssen.
Es müsste weiterhin gegen das SchwarzArbG verstoßen worden sein. Hier kommt ein Verstoß gegen § 1 Abs.2 Nr.2 SchwarzArbG in Betracht.
E hat mit A vereinbart, dass keine Rechnung für die erbrachte Werkleistung erstellt wird und A den Werklohn bar bezahlen soll. Hierdurch wollten A und E die anfallende Umsatzsteuerpflicht umgehen. Somit liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vor. Der Werkvertrag ist damit gem. § 134 BGB nichtig.
- Ergebnis
E hat deshalb keinen Anspruch auf Werklohnzahlung gem. § 631 Abs. 1 BGB.
II. Anspruch des E gegen A gem. §§ 677, 683 S.1, 670 BGB
E könnte gegen A einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus echter, berechtigterer GoA gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben.
- Fremdes Geschäft
E müsste ein fremdes Geschäft geführt haben. Er handelte sowohl im eigenen Rechtskreis, weil er eine Verbindlichkeit erfüllen wollte, als auch im Rechtskreis des A, da er dessen Elektroarbeiten ausführte. Damit liegt ein auch-fremdes Geschäft vor.
- Fremdgeschäftsführungswille
Fraglich ist, ob E mit Fremdgeschäftsführungswille handelte. Bei einem auch-fremden Geschäft wird nach Ansicht der Rechtsprechung der Fremdgeschäftsführungswillen vermutet. Die herrschende Literatur verneint bei Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung den Fremdgeschäfts-führungswillen, da der Geschäftsführer allein deshalb handele, um seine eigene, vertragliche Verpflichtung zu erfüllen. Damit liege ein eigenes Geschäft gem. § 687 Abs. 1 BGB vor.
Für die herrschende Literatur spricht, dass durch das Bereicherungsrecht unter anderem auch die Rückabwicklung von nichtigen Verträgen geregelt wurde. Eine Anwendung der GoA würde zu einer Umgehung dieser Sondervorschriften führen. Dem ist zu folgen.
- Ergebnis
E handelt danach ohne Fremdgeschäftsführungswille, ein Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB scheidet aus.
III. Anspruch des E gegen A gem. § 817 S.1 BGB
Ein Anspruch auf Zahlung des Werklohnes könnte sich aus § 817 S.1 BGB ergeben. Danach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
- Erlangtes Etwas durch Leistung
A müsste etwas durch Leistung des E erlangt haben. Etwas Erlangtes kann jede Verbesserung der Vermögensposition bzw. jeder Vermögensvorteil sein. A hat die Werkleistung des E erlangt. E hat diese Werkleistung auch zur bewussten und zweckgerichteten Mehrung des Vermögens des A erbracht.
- Ausschluss des Anspruchs gem. § 817 S.2 BGB
Der Anspruch könnte jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen haben. Ob ein Ausschluss gem. § 817 S.2 BGB vorliegt, ist umstritten.
a.) Frühere Rechtsprechung des BGH (Urt.v. 31.05.1990 - VII ZR 336/89)
Nach einer Ansicht wird vertreten, dass der § 817 S. 2 BGB in Fällen von Schwarzarbeit nicht anwendbar sein soll). Dies wird mit einer teleologischen Reduktion der Norm begründet, die sich auf § 242 BGB stützt.
b.) H. L/ T. d. Rspr./ BGH
Eine andere Ansicht vertritt hingegen, dass es sich bei dem SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz handelt, das gerade auch den Ausschluss der bereicherungsrechtlichen Folge herbeiführen will.
c.) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen ist ein Streitentscheid erforderlich.
Für die erste Ansicht spricht, dass der in Vorleistung tretende Werkunternehmer durch einen Ausschluss des Lohnanspruchs einseitig benachteiligt wird, obwohl beide Seiten gegen das Gesetz verstoßen. Dem Werkunternehmer das Vorleistungsrisiko alleine aufzubürden widerspricht auch den Grundsätzen von Treu und Glauben. Zweck des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes könnte vielmehr die Wahrung öffentlicher Interessen, wie etwa des Interesses an Steuereinnahmen sein .Dazu genügt jedoch zur Abschreckung bereits der Ausschluss vertraglicher Ansprüche, insbesondere der Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte oder die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung.
Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass bei einem beiderseitigen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz kein Raum für Billigkeitserwägungen bleibt. Der Wortlaut spricht auch dafür. Darüber hinaus schadet eine teleologische Reduktion von § 817 S. 2 BGB dem Sinn und Zweck des SchwarzArbG, denn damit soll gerade der Schwarzarbeit die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden. Der Verlust der bereicherungsrechtlichen Folge ist vom Gesetzgeber daher gerade gewollt. Da diese Ansicht eher dem gesetzgeberischen Willen entspricht ansonsten eine Durchbrechung der Gewaltenteilung drohen könnte, ist diese Ansicht vorzugswürdig.
[Exkurs : Dieser Ansicht hat sich nunmehr der BGH auch in seiner neuen Rechtsprechung (Urt. v. 10.04.2014 - VII ZR 241/13) angeschlossen. Er hält nun auch den § 817 S. 2 BGB für anwendbar, um das durch den Gesetzgeber verfolgte Ziel der effektiven Eindämmung der Schwarzarbeit besser durchzusetzen.]
- Ergebnis
Mithin ist der Anspruch aus § 817 S.1 BGB wegen § 817 S.2 BGB ausgeschlossen.
IV. §§ 812 Abs. 1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB
Ein Anspruch aus §§ 812 Abs.1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB ist ebenfalls wegen § 817 S.2 BGB ausgeschlossen.
V. Anspruch E gegen A aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB
Bei § 951 Abs. 1 BGB handelt es sich nach herrschender Meinung um eine Rechtsgrundverweisung, sodass der Ausschluss gem. § 817 S.2 BGB auch die Ansprüche aus § 951 Abs. 1 BGB betrifft.
B. Ansprüche des A auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB
Mangels Vorliegens eines wirksamen Werkvertrages hat A wegen der Mängel auch keinen Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB.