BGH Falle Flashcards

1
Q

B, 17 Jahre, flog mit einem entsprechendem Flugticket mit einer Linienmaschine der L von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit anderen Passagieren, dasselbe Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugtickets für diese Strecke gewesen wäre. Im Flugzeug waren noch etliche Plätze frei. In New York wurde B die Einreise in die USA verweigert, da er kein Visum besaß. Die L beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt nun von B unter anderem Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg - New York.

A

Lösungsskizze
Teil 1 - Der Flug Hamburg – New York

A. Zahlungsanspruch aus Werkvertrag, §§ 631, 632 II BGB

I. ausdrücklicher Vertragsschluss

II. konkludenter Vertragsschluss

III. Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten

IV. Ergebnis

B. Zahlungsanspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB

I. Geschäftsführung

II. für einen anderen

III. Ergebnis

C. Anspruch aus §§ 987, 990 BGB

D. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 823 I BGB

E. Anspruch auf Zahlung aus § 823II BGB iVm § 265a StGB

I. § 265 a StGB als Schutzgesetz

II. Prüfung des § 265 a StGB

  1. Tatbestandsmäßigkeit
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

IV. Rechtsfolge

  1. Differenzhypothese
  2. Normative Korrektur

V. Ergebnis

F. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB

I. etwas erlangt

II. durch Leistung

III. ohne Rechtsgrund

IV. Rechtsfolge

G. Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 2 BGB

I. Etwas erlangt

II. in sonstiger Weise auf Kosten der L

III. ohne Rechtsgrund

IV. Rechtsfolge

H. Ergebnis

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

B, 17 Jahre, flog mit einem entsprechendem Flugticket mit einer Linienmaschine der L von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit anderen Passagieren, dasselbe Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne dass er im Besitz eines Flugtickets für diese Strecke gewesen wäre. Im Flugzeug waren noch etliche Plätze frei. In New York wurde B die Einreise in die USA verweigert, da er kein Visum besaß. Die L beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie verlangt nun von B unter anderem Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg - New York.

A

Gutachten
Teil 1 - Der Flug Hamburg – New York

A. L könnte einen Zahlungsanspruch aus Werkvertrag, §§ 631, 632 II BGB haben.

I. Ausdrücklicher Vertragsschluss

Dann müsste ein ausdrücklicher Vertragsschluss vorliegen. Dieser ist nicht ersichtlich. Der B hat sich ohne Wissen der L in das Flugzeug geschlichen.

II. Konkludenter Vertragsschluss

Ein konkludenter Vertragsschluss durch Bereitstellen des Flugzeugs seitend des L und Einsteigen des B liegt ebenfalls nicht vor, da weder im Bereitstellen des Flugzeugs, noch im Einsteigen in das Flugzeug eine Willenserklärung gesehen werden kann: Zudem kommt ein Beförderungsvertrag im Flugverkehr erst durch den Erwerb des Tickets zustande.

III. Vertragsschluss durch solzialtypisches Verhalten

Ein Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten liegt ebenfalls nicht vor, da das Bereitstellen eines Flugzeugs keine anonyme Leistung der Daseinsvorsorge im Massenverkehr darstellt.

IV. Ergebnis

Ein Vertrag zwischen L und B wurde nicht geschlossen. Daher besteht kein Anspruch aus Werkvertrag gem. §§ 631, 632 II BGB.

B. L könnte einen Zahlungsanspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB haben.

I. Geschäftsführung

Dann müsste eine Geschäftsführung durch Luftbeförderung des B von Hamburg nach New York vorliegen. Dies ist hier der Fall.

II. Für einen anderen

Die Geschäftsführung müsste für einen anderen vorliegen. Der Wechsel des Aufenthaltsortes des B ist dem Interessenkreis des B zuzuordnen, daher handelt es sich um ein „auch-fremdes“ Geschäft. Allerdings fehlt der L vorliegend der Fremdgeschäftsführungswillen, da sie entweder mit der Beförderung des B gar kein Geschäft führen wollte, denn sie wusste davon nichts, ein genereller Geschäftsführungswille kann daher nicht angenommen werden, oder aber nur ein eigenes – nämlich durch Erfüllung eines vermeintlich bestehenden Luftbeförderungsvertrages.

III. Ergebnis

Damit liegt keine GoA vor. Somit hat L hat keinen Anspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB.

C. Ein Anspruch aus §§ 987, 990 BGB ist ebenfalls nicht gegeben, da L zwar Eigentümerin des Flugzeugs und damit des Sitzes des B war, dieser aber zumindest keinen Besitz daran hatte oder es nicht auf den Besitz ankommt, sondern auf das Erschleichen der Beförderungsleistung.

D. L könnte einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 823 I BGB haben.
Dann müsste jedoch ein von § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein. Es kommt allenfalls eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Sitzplatzes und dadurch des Flugzeugs durch Einwirkung auf eine Sache, die deren Gebrauch verhindert oder erschwert oder die sonst in die Disposition oder Dispositionsbefugnis des Eigentümers störend eingreift, in Frage. Die Nutzung des Flugzeugs wurde aber durch die Inanspruchnahme des einen Sitzplatzes nicht erschwert, so dass es hier an einer Eigentumsverletzung fehlt. Es fehlt darüber hinaus auch an einer Erheblichkeit des Eingriffs. Ein Anspruch aus § 823 I scheidet daher aus.

E. L könnte einen Anspruch auf Zahlung aus § 823IIi BGB iVm § 265 a StGB haben.

I. § 265 a StGB als Schutzgesetz

Dann müsste § 265 a StGB ein Schutzgesetz sein. Schutzgesetze sind Normen, die neben dem Schutz der Allgemeinheit auch dem Schutz eines bestimmten Personenkreises dienen. § 265 a I 3. Alt. StGB schützt nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die vermögensrechtlichen Interessen des Beförderungsunternehmens L. Damit ist § 265a StGB ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 II BGB.

II. Prüfung des § 265 a StGB
1. Tatbestandsmäßigkeit

Das Erschleichen der Beförderung gem. § 265 a StGB setzt ein Verhalten voraus, das entweder auf das Suggerieren von Ordnungsmäßigkeit abzielt oder die vorhandenen Kontrollmaßnahmen umgeht oder ausschaltet. B nimmt im Flugzeug Platz und suggeriert er sei im Besitz eines Tickets. B wusste, dass die Beförderung nur gegen Entgelt erfolgt und handelte in der Absicht, den Flugpreis nicht zu errichten.

  1. Rechtswidrigkeit

Rechtfertigungsgründe zugunsten des B sind nicht ersichtlich, wodurch die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert.

  1. Schuld
    Es müsste eine Verschuldensfähigkeit gemäß § 828 III BGB oder § 3 S. 1 JGG vorliegen, nach dem es nicht nur auf die Fähigkeit ankommt, das Unrecht zu erkennen, sondern auch auf die, nach dieser Einsicht zu handeln. Der 17-jährige B wusste, dass er die Maschine nicht ohne ein gültiges Ticket benutzen darf und hätte ohne weiteres nach dieser Einsicht auch handeln können.

IV. Rechtsfolge

Die L hat Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB. Es müsste zunächst festgestellt werden, ob ein Schaden überhaupt vorliegt.

  1. Differenzhypothese

Nach der Differenzhypothese gilt der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Vermögen und dem Vermögen, dass der Geschädigte hypothetisch gehabt hätte, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre, als Schaden. Vorliegend war die Maschine nicht ausgebucht, es musste als kein zahlender Fluggast abgewiesen werden und zudem wäre die Maschine auch ohne den B geflogen. Demnach liegt kein Schaden vor.

  1. Normative Korrektur

Vorliegend kann mittels der Differenzhypothese allein ein Schaden nicht hergeleitet werden. Daher ist unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm eine normative Korrektur vorzunehmen. Dann müsste L gleichwohl geltend machen, ihr sei ein Schaden in Höhe des gewöhnlichen Flugpreises entstanden. Vorliegend ist jedoch unter Berücksichtigung des § 106 BGB eine solche Korrektur abzulehnen, da hier auch keine gesetzliche Schadensverlagerung erfolgt.

V. Daher besteht mangels Schaden kein Anspruch aus § 823 II BGB iVm § 265 a StGB.

F. L könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB haben.

I. Dann müsste B etwas erlangt haben. „Etwas“ ist jeder vermögenswerte Vorteil. Bei unkörperlichen Leistungen ist umstritten, in welchen Fällen etwas „erlangt“ wird.
Nach einer Ansicht (BGH) hat B mit der unkörperlichen Leistung in Form der Flugbeförderung nicht „etwas“ erlangt. Wenn der Empfänger eine nichtgegenständliche Leistung erlangt, die er nicht mehr herausgeben kann. Auch eine Verpflichtung zum Wertersatz nach § 818 II BGB scheitert, weil keine ersparte Aufwendung vorliegt, sodass schon der Tatbestand des § 818 I BGB zu verneinen ist. In diesem Fall wendet der BGH jedoch § 819 BGB analog an. Danach könne sich der Bereicherte nicht auf ein Nichtvorhandensein der Bereicherung berufen, wenn er von vornherein weiß, dass kein Rechtsgrund vorliegt. Die h.L. erkennt dagegen auch nichtgegenständliche Leistungen als
„etwas“ an. Nach dieser Ansicht muss zwischen dem Begriff „etwas“ und der „Bereicherung“ nach § 818 BGB, die später herausgegeben werden muss, unterschieden werden.
Für die h.M. spricht, dass der Gesetzgeber zwischen der Frage, ob der Anspruchsgegner etwas erlangt hat auf der Tatbestandsseite und einer Bereicherung auf der Rechtsfolgenseite differenzieren wollte. B hat mit dem Flug von Hamburg nach New York also etwas erlangt.

II. Der B müsste etwas durch Leistung erlangt haben.
Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Fraglich ist, ob L bewusst geleistet hat. Dies bestimmt sich nach der objektiven Empfängersicht. Es genügt das rein tatsächliche Bewusstsein, das Empfängervermögen zu vermehren. Bei der Beurteilung kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalles an. Hätte B sich im Flugzeug versteckt und wäre er als blinder Passagier gereist, müsste das Leistungsbewusstsein verneint werden. Anders könnte es sein, wenn er das Flugzeug, wie die anderen Fluggäste auch, betreten und einen Platz eingenommen hat. Dann ließe sich angesichts des Systems der Bodenabfertigung und Zugangsgewährung, insbesondere der Kontrolle der Bordkarte, ein generelles Leistungsbewusstsein der Fluggesellschaft bzgl. aller Passagiere, die im Flugzeug Platz genommen haben, annehmen. Da der B sich in das Flugzeug geschlichen hat, ist er zumindest nicht als blinder Passagier geflogen. Die L als Fluggesellschaft will die Beförderungsleistung jedoch nur gegenüber denjenigen erbringen, die ein Flugticket haben. Denn diese Fluggäste haben mit ihr einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Anders als im öffentlichen Nahverkehr hat die L hier kein generelles Leistungsbewusstein. Es liegt damit keine Leistung vor.

III. Ergebnis
L hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 1 BGB.

G. L könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises aus § 812 I 1 Fall 2 BGB haben.

I. Etwas erlangt

B hat die Beförderung von Hamburg nach New York erlangt.

II. Auf sonstige Weise

Diese Beförderung müsste B in sonstiger Weise auf Kosten der L erlangt haben. Da B den Flug nicht durch Leistung der L erlangt hat, kommt nur eine Bereicherung in sonstiger Weise in Betracht. Hier könnte ein Eingriff des B vorliegen. Eingriff bedeutet, nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt, die Nutzung von Gebrauchs-, Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung einem anderen zugewiesen ist. Zu denken ist zunächst an einen Eingriff in das Eigentum. Der L als Halterin des Flugzeugs steht es zu, die Plätze nach ihren Bedingungen mit Fluggästen zu besetzen ( § 906 BGB). B hat sich möglicherweise eigenmächtig die tatsächliche Herrschaft am Sitzplatz verschafft. Der Zuweisungsgehalt lässt sich hier als die Gesamtheit der mit der Beförderung zusammenhängenden Dienstleistungen verstehen. Inhaber der Rechtsposition der Beförderungsleistung war die L, der Eingriff erfolgte damit auch auf ihre Kosten.

III. Ohne Rechtsgrund

Der B müsste die Beförderung ohne Rechtsgrund erlangt haben. B hatte kein Recht zum Erhalten und auch nicht zum Behalten der Beförderungsleistung. Denn es lag keine Einwilligung seitens der L vor.

IV. Rechtsfolge

Damit hat der B die Beförderungsleistung herauszugeben.
Die Herausgabe des Erlangten, hier der Flugreise, ist jedoch nicht möglich. Es gibt auch kein Surrogat im Vermögen des B. Daher hat der B gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Die Wertbestimmung erfolgt hier nach dem objektiven Verkehrswert. Es kommt daher auf den Preis an, der für die Beförderung eines 17-jährigen von Hamburg nach New York üblicherweise zu zahlen ist.

a) Entreicherung gem. § 818 III BGB

Es könnte jedoch eine Entreicherung gem. § 818 III BGB vorliegen. Fraglich ist, ob dies überhaupt möglich ist bei nichtkörperlichen Leistungen, da sie schon durch die Entgegennahme endgültig ins Vermögen einverleibt sind. Dagegen spricht, dass etwa die Ortsveränderung als solche sich nicht zwangsläufig als Bereicherung darstellt; die Bereicherung muss vielmehr aus anderen Umständen geschlossen werden, nämlich danach, ob eine bleibende Vermögensmehrung eingetreten ist oder entsprechende Aufwendungen erspart werden. B hat nach der Beförderung keinen Vermögenszuwachs zu verzeichnen und da der Flug eine Luxusreise war, hat er auch keine Aufwendungen erspart, sodass sich B auf eine Entreicherung berufen kann.

b) Ausschluss gem. § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB

Möglicherweise liegt ein Ausschluss des § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB vor.Dann müsste B bösgläubig gewesen sein, gem. §§ 819 I, 818 IV BGB. B wusste genau, dass er die Beförderung nicht zu beanspruchen hatte. Er kannte daher den Mangel des rechtlichen Grundes. Es ist jedoch fraglich, ob hier auf diese Kenntnis des beschränkt geschäfts- bzw. deliktsfähigen B abzustellen ist.

(1) Eine Meinung stellt,in Entsprechung zu den §§ 106ff.BGB , allein auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ab. Der Minderjährige dürfe im Bereicherungsrecht nicht schlechter stehen bzw. bedürfe des gleichen Schutzes und der gleichen Kontrolle wie im Vertragsrecht. Damit dränge sich beim bösgläubigen Bereicherungsschuldner eine Parallele zu §687 II BGB auf, dessen Haftung jedoch gerade für beschränkt Geschäftsfähige gem. § 682 BGB nicht gelte. Allerdings verweist § 682 BGB explizit auch auf das Bereicherungsrecht; deshalb birgt die Ableitung aus § 682 BGB die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich. Allenfalls kann dieser Norm der Wille des Gesetzgebers zum besonderen Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen auch im Bereich der nicht-deliktischen gesetzlichen Schuldverhältnisse entnommen werden.
(2) Eine andere Meinung stellt demgegenüber allein auf die §§ 827 – 829 BGB ab. Sie zieht diese heran, da es sich bei §§ 818 IV, 819 I BGB um eine quasi- deliktische Haftung handele. Jedoch entsteht durch einen Eingriff oder die bewusst rechtsgrundlose Entgegennahme einer Leistung nicht notwendig ein Schaden, wie vorliegend, damit fehlt die Gefahr der Schadensentstehung. Jedoch erfordert der adäquate Minderjährigenschutz in bestimmten rechtsgeschäftsnahen Fällen eine Kontrolle durch den gesetzlichen Vertreter, zumal die Wertungen der §§ 106ff.BGB sonst durch das Bereicherungsrecht weithin umgangen werden können.
(3) Der BGH hat die genaue Abgrenzung offengelassen, will jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Minderjährige eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, insoweit jedenfalls die §§ 827ff. BGB anwenden, da der Minderjährige dann des Schutzes hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Folgen nicht bedürfe. Liegt ein vorsätzlicher deliktischer Eingriff in fremde Rechtsgüter vor, so kann die Kenntnis des Minderjährigen nicht mehr unbeachtlich sein. Allerdings ist das Kriterium der vorsätzlichen unerlaubten Handlung hochgradig beliebig; auch hier mag die Abgrenzung zudem im Einzelfall schwerfallen.
(4) Angesichts der Tatsache, dass der Bereicherungsgläubiger in Ermangelung eines Schadens nicht besonders schutzwürdig ist, verdient die erste, minderjährigenschützende Ansicht Zustimmung. Der B haftet daher nicht verschärft, er kann sich mangels Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters auf § 818 III BGB berufen.

Anmerkung: An dieser Stelle kann entweder die Ansicht gewählt werden die dem Minderjährigenschutz Rechnung trägt - wie oben gemacht, oder aber der Ansicht die auf die Busgläubigkeit und die Einsichtsfähigkeit des B abstellt. Mit 17 Jahren ist dieser einsichtsfähig und wusste, dass er den Flug nicht hätte antreten dürfen ohne ein gültiges Ticket zu haben. Folgt man dieser Ansicht, so hat die L einen Anspruch gem. § 812 I 1 Fall 2 BGB gegen den B!

H. Ergebnis: L hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung für den Hinflug.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

b) Ausschluss gem. § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB

Möglicherweise liegt ein Ausschluss des § 818 III BGB durch die §§ 819 I, 818 IV BGB vor.Dann müsste B bösgläubig gewesen sein, gem. §§ 819 I, 818 IV BGB. B wusste genau, dass er die Beförderung nicht zu beanspruchen hatte. Er kannte daher den Mangel des rechtlichen Grundes. Es ist jedoch fraglich, ob hier auf diese Kenntnis des beschränkt geschäfts- bzw. deliktsfähigen B abzustellen ist.

A

(1) Eine Meinung stellt,in Entsprechung zu den §§ 106ff.BGB , allein auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ab. Der Minderjährige dürfe im Bereicherungsrecht nicht schlechter stehen bzw. bedürfe des gleichen Schutzes und der gleichen Kontrolle wie im Vertragsrecht. Damit dränge sich beim bösgläubigen Bereicherungsschuldner eine Parallele zu §687 II BGB auf, dessen Haftung jedoch gerade für beschränkt Geschäftsfähige gem. § 682 BGB nicht gelte. Allerdings verweist § 682 BGB explizit auch auf das Bereicherungsrecht; deshalb birgt die Ableitung aus § 682 BGB die Gefahr eines Zirkelschlusses in sich. Allenfalls kann dieser Norm der Wille des Gesetzgebers zum besonderen Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen auch im Bereich der nicht-deliktischen gesetzlichen Schuldverhältnisse entnommen werden.
(2) Eine andere Meinung stellt demgegenüber allein auf die §§ 827 – 829 BGB ab. Sie zieht diese heran, da es sich bei §§ 818 IV, 819 I BGB um eine quasi- deliktische Haftung handele. Jedoch entsteht durch einen Eingriff oder die bewusst rechtsgrundlose Entgegennahme einer Leistung nicht notwendig ein Schaden, wie vorliegend, damit fehlt die Gefahr der Schadensentstehung. Jedoch erfordert der adäquate Minderjährigenschutz in bestimmten rechtsgeschäftsnahen Fällen eine Kontrolle durch den gesetzlichen Vertreter, zumal die Wertungen der §§ 106ff.BGB sonst durch das Bereicherungsrecht weithin umgangen werden können.
(3) Der BGH hat die genaue Abgrenzung offengelassen, will jedoch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Minderjährige eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, insoweit jedenfalls die §§ 827ff. BGB anwenden, da der Minderjährige dann des Schutzes hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Folgen nicht bedürfe. Liegt ein vorsätzlicher deliktischer Eingriff in fremde Rechtsgüter vor, so kann die Kenntnis des Minderjährigen nicht mehr unbeachtlich sein. Allerdings ist das Kriterium der vorsätzlichen unerlaubten Handlung hochgradig beliebig; auch hier mag die Abgrenzung zudem im Einzelfall schwerfallen.
(4) Angesichts der Tatsache, dass der Bereicherungsgläubiger in Ermangelung eines Schadens nicht besonders schutzwürdig ist, verdient die erste, minderjährigenschützende Ansicht Zustimmung. Der B haftet daher nicht verschärft, er kann sich mangels Kenntnis seines gesetzlichen Vertreters auf § 818 III BGB berufen.

Anmerkung: An dieser Stelle kann entweder die Ansicht gewählt werden die dem Minderjährigenschutz Rechnung trägt - wie oben gemacht, oder aber der Ansicht die auf die Busgläubigkeit und die Einsichtsfähigkeit des B abstellt. Mit 17 Jahren ist dieser einsichtsfähig und wusste, dass er den Flug nicht hätte antreten dürfen ohne ein gültiges Ticket zu haben. Folgt man dieser Ansicht, so hat die L einen Anspruch gem. § 812 I 1 Fall 2 BGB gegen den B!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Der in Trier ortsfremde A betritt eine Weinkellerei, in der gerade eine Versteigerung stattfindet. Er winkt einem lange nicht gesehenen Freund B zu. Das Winken mit der Hand wird vom Auktionator als Abgabe eines höheren Gebotes aufgefasst. Der A erhält daraufhin den Zuschlag. Der Weinversteigerer C verlangt nun von A die Abnahme und Bezahlung des Weines.

A

. Pflicht des K zur Abnahme u. Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
I. Anspruch entstanden

  1. Angebot des Weinversteigerers durch Versteigern des Weines
  2. Angebot des K durch Heben der Hand
    a) Objektiver Tatbestand der Willenserklärung
    b) Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
    aa) Handlungswille
    bb) Erklärungsbewusstsein
    (1) Willenstheorie
    (2) Erklärungstheorie
    (3) Stellungnahme
    cc) Ergebnis
    c) Ergebnis Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung
  3. Ergebnis Angebot des K durch Heben der Hand

II. Endergebnis

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

Der in Trier ortsfremde A betritt eine Weinkellerei, in der gerade eine Versteigerung stattfindet. Er winkt einem lange nicht gesehenen Freund B zu. Das Winken mit der Hand wird vom Auktionator als Abgabe eines höheren Gebotes aufgefasst. Der A erhält daraufhin den Zuschlag. Der Weinversteigerer C verlangt nun von A die Abnahme und Bezahlung des Weines.

A

A. Pflicht des K zur Abnahme u. Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB

C könnte gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung und Abnahme des Weins aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag gem. § 433 II BGB haben. Dazu müsste ein wirksamer Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB zwischen den Vertragsparteien zustande gekommen sein.

I. Anspruch entstanden

Der Anspruch des C gegen A müsste wirksam entstanden sein. Dies wäre der Fall, wenn C und A einen wirksamen Kaufvertrag mit dem Inhalt geschlossen haben, dass A zur Bezahlung und Abnahme des Weins verpflichtet ist. Ein solcher Vertragsschluss liegt dann vor, wenn zwei sich entsprechende Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme, vorliegen.

  1. Angebot des Weinversteigerers durch Versteigern des Weines

Das Angebot könnte darin zu sehen sein, dass C den Wein versteigern wollte. Dazu müsste es sich dabei um eine wirksame Willenserklärung handeln. Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, welche unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Der Weinversteigerer hat seinen Willen den Wein zu verkaufen, zumindest konkludent, auf die Herbeiführung eines Kaufvertrages gerichtet. Eine wirksame Willenserklärung liegt vor.

Ferner müsste ein wirksames Angebot vorliegen. Ein Angebot muss inhaltlich so bestimmt sein, dass die Annahme durch ein einfaches „Ja“ des Annehmenden erfolgen kann. A hat seine Hand während der Versteigerung gehoben und daraufhin den Zuschlag erhalten. Ein bestimmbares Angebot durch C liegt insoweit also vor.

Jedoch könnte es an dem erforderlichen Willen zur rechtlichen Bindung fehlen und so eine sog. invitatio ad offerendum, eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vorliegen. Die Abgrenzung erfolgt durch die Auslegung der Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB), die sich nach dem Empfängerhorizont richtet. Es ist somit zu fragen, wie der Auktionator die Erklärung des A verstehen durfte.

Bei einer Versteigerung wird in der Regel das höchste abgegebene „Kaufangebot“ angenommen. Eine Verlautbarung an die Allgemeinheit durch die der Verkäufer durch eine Überzahl von Verträgen in Schwierigkeiten kommen könnte, liegt nicht vor. Demzufolge wäre ein wirksames Kaufangebot von dem Weinversteigerer abgegeben worden.

Dagegen spricht jedoch der Gesetzeswortlaut des § 156 BGB. Demnach ist das Gebot des Bieters der Vertragsantrag und der Zuschlag des Versteigerers die Annahmeerklärung. Dadurch soll verhindert werden, dass der Bieter einen Anspruch auf den Zuschlag erhält. Ein Gebot erlischt daher mit einem Übergebot.

Beachte: Anders verhält es sich mit Versteigerungen im Internet. Dort ist schon das Einstellen des Versteigerungsobjektes eine Angebotserklärung des Versteigerers, denn der Versteigernde möchte den Vertrag nur mit dem Höchstbietenden abschließen. (BGH NJW 2002, 363).
Demzufolge hat der Weinversteigerer kein wirksames Kaufangebot, sondern nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes abgegeben.

  1. Angebot des K durch Heben der Hand

A könnte durch das Heben seiner Hand ein wirksames Angebot abgegeben haben. Dazu müsste eine wirksame Willenserklärung vorliegen. Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, welche unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. A hat die Hand wie zum Gebot gehoben, wollte in Wirklichkeit jedoch nur einem Freund zu winken. Ob diese Handlung die Anforderungen an eine wirksame Willenserklärung erfüllt, muss anhand einer Betrachtung des objektiven und subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung ermittelt werden.

a) Objektiver Tatbestand der Willenserklärung

Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt vor, wenn sich das Verhalten des Erklärenden (A) für den objektiven Beobachter als die Äußerung eines Rechtsfolgewillens darstellt. Das Heben der Hand während einer Versteigerung gilt gemeinhin als Abgabe eines Angebotes. Ein objektiver Beobachter durfte durch das Heben der Hand davon ausgehen, dass A einen entsprechenden Rechtsfolgewillen besitzt. Folglich liegt der objektive Tatbestand der Willenserklärung des A vor.

b) Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung

Der subjektive (innere) Tatbestand einer Willenserklärung besteht aus drei Bestandteilen: Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen. Dabei ist der Handlungswille konstitutiver Bestandteil einer wirksamen Willenserklärung. Der Geschäftswille ist keine zwingende Voraussetzung. Welche Anforderungen an das Erklärungsbewusstsein zu stellen sind, wird nicht einheitlich beantwortet.

aa) Handlungswille

A müsste Handlungswille gehabt haben. Handlungswille ist der Wille überhaupt ein als Erklärung deutbares Verhalten vorzunehmen. Er fehlt nur bei nicht willensgesteuerten Handlungen (z.B. Bewegungen im Schlaf). A hat seinem Freund bewusst gewunken. Er besaß den notwendigen Handlungswillen.

bb) Erklärungsbewusstsein

A müsste Erklärungsbewusstsein gehabt haben. Erklärungsbewusstsein ist das Bewusstsein etwas rechtlich Erhebliches zu äußern. A wollte nur seinem Freund zu winken, aber nichts rechtlich Erhebliches erklären. Dass an dieses Verhalten rechtliche Folgen geknüpft sind, war ihm nicht bewusst. Das Erklärungsbewusstsein liegt bei A folglich nicht vor.

Fraglich ist, welche Folgen das Fehlen des Erklärungsbewusstseins hat:

(1) Willenstheorie

Nach der sog. Willenstheorie ist das Erklärungsbewusstsein stets notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt das Erklärungsbewusstsein wird analog § 118 BGB die Nichtigkeit der Willenserklärung angenommen, da es sich um eine Verletzung der Privatautonomie handle, wertete man die ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung als Willenserklärung. Der Erklärende muss danach den Erklärungstatbestand mit aktuellem Erklärungsbewusstsein gesetzt haben. A müsste also das Bewusstsein gehabt haben, eine Willenserklärung abzugeben.

A war sich hier nicht bewusst eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben. Danach wäre die „Willenserklärung“ des A nichtig. Der Vertrag wäre somit nicht zustande gekommen und A müsste daher den Kaufpreis nicht zahlen und den Wein nicht abnehmen.

(2) Erklärungstheorie

Die Erklärungstheorie geht dagegen vom Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus. Dem Erklärenden soll sein Verhalten als Willenserklärung grundsätzlich zuzurechnen sein. Auch dann, wenn das Erklärungsbewusstsein fehlt. Schließlich wurde die Erklärung von ihm bewusst abgegeben. Dass dabei das Bewusstsein fehlt etwas rechtlich Erhebliches zu erklären, weiß der Erklärungsempfänger (C) nicht.

Hinweis: Wenn der Empfänger den Mangel des Erklärungsbewusstseins kannte, gilt jedoch etwas anderes. Der Empfänger ist dann nicht schützenswert, kann sich also nicht auf die Zurechnung der Willenserklärung zum Erklärenden berufen.
Dem Erklärenden soll demnach das Erklärungsrisiko zugerechnet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung zu deuten ist („sog. potentielles Erklärungsbewusstsein“).

Der BGH (BGHZ. 91, 324) führt dazu aus:

„Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.“

Demnach ist das Erklärungsbewusstsein kein notweniger Bestandteil einer Willenserklärung. Als Ausgleich zum Verkehrsschutz, welcher den Empfänger schützt, kann der Erklärende analog § 119 I 2. Alt. BGB seine Erklärung anfechten, muss sich jedoch dann den einen möglichen Vertrauensschaden gemäß § 122 BGB zurechnen lassen. Dieses ergibt sich daraus, dass wenn schon bei einem Erklärungsirrtum, also in dem Fall, in dem nur der Geschäftswille fehlt, wo der Wille von dem objektiv erklärtem abweicht, eine Anfechtung möglich ist, dann muss diese Möglichkeit erst Recht dann bestehen, wenn das Bewusstsein einer rechtsgeschäftlichen Erklärung ganz fehlt.

Das A ortsfremd war, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass allgemein bekannt ist, dass das Heben der Hand auf einer Versteigerung als Gebot bewertet wird. Danach wäre die Willenserklärung des A wirksam und der Vertrag wäre somit zustande gekommen und A müsste daher den Kaufpreis zahlen und den Wein abnehmen.

(3) Stellungnahme

Durch die Erklärungstheorie wird dem Prinzip des Vertrauensschutzes umfassend Rechnung getragen. Jedoch lässt sie auch Ausnahmen bei fehlender Schutzwürdigkeit des Erklärungsempfängers zu. Auch für den Fall, dass ein ohne Erklärungsbewusstsein zustande gekommenes Rechtsgeschäft für den Erklärenden günstig ist, kann der Erklärende das Geschäft gelten lassen (Wahlfreiheit zwischen Anfechtung des Vertrages, § 119 I BGB und Erfüllung des Vertrages, § 362 BGB). Diese Möglichkeit besteht bei der Willenstheorie nicht.

Die Vertreter der Willenstheorie führen an, dass die Situation des fehlenden Erklärungsbewusstseins mit der des § 118 BGB vergleichbar ist. Jedoch wird dabei übersehen, dass der Erklärende bei § 118 BGB im Unterschied zum fehlenden Erklärungsbewusstsein die Nichtigkeit seiner Erklärung gewollt hat. Beim fehlenden Erklärungsbewusstsein ist dies aber gerade nicht der Fall. Es ist somit der Erklärungstheorie zu folgen.

cc) Ergebnis

Erklärungsbewusstsein A handelte mit dem potentiellen Erklärungsbewusstsein. Dieses Erklärungsbewusstsein ist für die Bejahung einer zurechenbaren Willenserklärung ausreichend.

c) Ergebnis Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung

A hat trotz des nur potentiellen Erklärungsbewusstseins eine wirksame Willenserklärung abgegeben, welche ihm auch zuzurechnen ist. Auch konnte A leicht erkennen, dass das Heben seiner Hand auf einer Auktion „fehl gedeutet“ werden kann. C hat auch nicht arglistig gehandelt bzw. Kenntnis vom mangelnden Erklärungsbewusstsein des A besessen.

  1. Ergebnis Angebot des K durch Heben der Hand

A hat durch das Heben der Hand ein ihm zurechenbares Angebot auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Weins von W abgegeben.

II. Endergebnis

Damit liegt eine wirksame, auf den Vertragsabschluss über den Kauf des Weines gerichtete, Willenserklärung des A vor. A hat somit eine Zahlungs-und Abnahmeverpflichtung. Jedoch besteht für A eine Möglichkeit seine Willenserklärung analog § 119 I 2. Alt. BGB anzufechten. Dies müsste jedoch unverzüglich erfolgen (§ 121 I BGB). Falls er noch rechtzeitig anfechten sollte, muss er nach § 122 I BGB den Vertrauensschaden des C ersetzen.
Du hast noch Fragen zu diesem Fall? Dann lass Dir das Thema und zusätzlich den gesamten Stoff vom ersten Semester bis zum zweiten Examen vom Profi erklären - und das kostenlos für drei Tage auf Jura Online
Vielen Dank an Dominik Kreke (Dipl.iur., Osnabrück) für die Zusendung dieses Falls!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Sachverhalt
S ist Schulleiterin der Privatschule P. Anfang Oktober wird sie von dem Vertreter V aufgesucht, der ihr den Kauf von „25 Gros Rollen Toilettenpapier“ vorschlägt. Bei einer Bestellung in diesem Umfang könne er der S einen Mengenrabatt von 10 % einräumen. S ist damit ein-verstanden. V legt der S daraufhin ein Bestellformular über „25 Gros Rollen Toilettenpapier, die Rolle zu 1000 Blatt“ vor, das S unterzeichnet.

Als zwei Wochen später vom Lieferanten L 3.600 Rollen Toilettenpapier angeliefert werden, verweigert S die Abnahme und Bezahlung der Rollen bis auf 25 Stück mit der Begründung, sie habe nur 25 große Rollen bestellt. L weist sie hingegen darauf hin, dass die Bezeichnung „Gros“ 12 Dutzend Stück bedeute. Dies hätte S wissen müssen. Im Übrigen seien ihm durch die Lieferung bereits Transportkosten i.H.v. 50 € entstanden. Des Weiteren führt der L an, dass ihm das Geschäft mit der Privatschule einen Nettogewinn von 250 € eingebracht hätte.

Frage 1: Hat L Anspruch auf Zahlung des vollen Kaufpreises?

Frage 2: Kann er anderenfalls seine Schäden von der Privatschule P ersetzt verlangen?

A

Lösungsskizze
A. Frage 1: Anspruch L gegen P auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB

I. Vertragsschluss zwischen L und P

  1. Einigung zwischen L und P
  2. Einigung zwischen V und S
    a) Angebot durch V im Namen des L
    b) Annahme durch S im Namen der P
  3. Zwischenergebnis

II. Wirksamkeit des Vertragsschlusses

  1. Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
    a) Vorliegen eines Irrtums bei S
    b) Beachtlichkeit des Irrtums der S
    c) Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung
    d) Ergebnis für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
  2. Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
  3. Anfechtungsfrist, § 121 I BGB
  4. Ergebnis der Voraussetzungen der Anfechtung

III. Endergebnis des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung

B. Frage 2: Anspruch des L gegen P auf Schadensersatz aus § 122 I BGB

I. Vertrauensschaden des L

  1. Transportkosten i.H.v. 50 €
  2. Entgangener Gewinn aus dem angefochtenen Kaufvertrag i.H.v. 250 €
  3. Zwischenergebnis

II. Ausschluss der Ersatzpflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, § 122 II BGB

III. Endergebnis

Gutachten
A. Frage 1: Anspruch L gegen P auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB

Der Lieferant L könnte gegen die Privatschule P einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die von ihm gelieferten 3.600 Rollen Toilettenpapier aus einem zwischen den beiden Vertragsparteien gem. § 433 II BGB geschlossenen Kaufvertrag haben.

I. Vertragsschluss zwischen L und P

Dann müsste es zum Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages zwischen L und P gekommen sein.

  1. Einigung zwischen L und P

Zu einer Einigung unmittelbar zwischen L und P kam es vorliegend nicht. Allerdings handelte der V im Namen des L und die Schulleiterin S im Namen der P, § 164 I BGB. Es könnte hier zu einer Einigung zwischen den jeweiligen Vertretern im Namen der von ihnen vertretenen Personen gekommen sein. Eine Einigung setzt das Vorliegen zweier inhaltlich korrespondierender Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus.

Beachte: Aufgrund fehlender weiterer Angaben im Sachverhalt ist von einer wirksamen Stellvertre-tung auf beiden Vertragsseiten auszugehen.
2. Einigung zwischen V und S

V könnte aber im Namen der L ein wirksames Angebot abgegeben haben und S könnte dieses Angebot im Namen der P angenommen haben.

a) Angebot durch V im Namen des L

Das Angebot könnte hier der V im Namen des L gemacht haben. Ein Angebot ist eine emp-fangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen der Vertragsschluss in der Weise angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt. V schlägt der S den Kauf von 25 Gros Toilettenpapier vor. Dabei räumt er einen Mengenrabatt von 10 % ein, so dass davon auszugehen ist, dass er auch einen konkreten Preis genannt hat. Die Erklärung des V enthält damit bereits alle wesentlichen Vertragsbestandteile, so dass das Zustandekommen des Kaufvertrages nur noch vom Einverständnis auf Seiten der P abhängt. Folglich hat V im Namen des L ein Angebot abgegeben.

b) Annahme durch S im Namen der P

Dieses Angebot könnte S im Namen der P angenommen haben. Eine Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger sein vorbehaltsloses Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zum Ausdruck bringt. S erklärt, mit dem Angebot des V einverstanden zu sein und unterschreibt die Bestellung. Damit bringt sie ihr Einverständnis mit dem von V angebotenen Vertragsschluss zum Ausdruck.

Jedoch ging S davon aus eine Bestellung über 25 große Rollen Toilettenpapier zu unterschrei-ben, wohingegen ihr V den Verkauf von 25 Gros, d.h. 3.600 Stück, angeboten hat. Bei der Auslegung einer Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) kommt es jedoch auf den objektiven Empfängerhorizont an. Die Vorstellungen der S spielen hier keine Rolle. Entscheidend ist allein der objektive Erklärungswert der Willenserklärung der S. Das Einverständnis mit dem Kauf von 25 Gros enthält objektiv das Einverständnis mit dem Kauf von 3.600 Stück. Die S hat folglich das von V gemachte Angebot über den Verkauf von 3.600 Rollen im Namen der P angenommen.

  1. Zwischenergebnis

V im Namen der L und S in Namen der P haben sich über den Verkauf von 3.600 Rollen Toilettenpapier geeinigt. Demnach wurde zwischen L und P ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen.

II. Wirksamkeit des Vertragsschlusses

Der Kaufvertrag müsste des Weiteren auch wirksam sein. Der Vertrag könnte durch eine An-fechtung auf Seiten der P ex tunc vernichtet worden sein, § 142 I BGB. Dann müsste P den Kaufvertrag wirksam angefochten haben. Dazu müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen und die Anfechtung erklärt worden sein.

  1. Vorliegen eines Anfechtungsgrundes

Für eine wirksame Anfechtung müsste zunächst ein Anfechtungsgrund bestehen. Hier könnte eine Anfechtung aufgrund des Irrtums der S über die Mengenbezeichnung „Gros“ in Betracht kommen. Dabei kommt es hinsichtlich von Willensmängeln auf die Person des Vertreters – hier also der S – an.

a) Vorliegen eines Irrtums bei S

Die S müsste sich bei Vertragsschluss in einem Irrtum befunden haben. Ein Irrtum liegt vor bei einem unbewussten Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem. Vorliegend erklärte S objektiv die Annahme des Kaufs von 3.600 Rollen Toilettenpapier, ging subjektiv aber vom Kauf von nur 25 Stück aus. Die objektive Erklärung weicht also von ihrer subjektiven Vorstellung ab, so dass sie sich in einem Irrtum befand.

b) Beachtlichkeit des Irrtums der S

Der Irrtum der S müsste beachtlich gewesen sein. Vorliegend könnte es sich um einen Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt. 1 BGB handeln. Ein solcher Inhaltsirrtum ist gegeben, wenn sich der Erklärende in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befindet, indem er über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung irrt. S erklärt hier, 25 Gros Rollen Toilettenpapier kaufen zu wollen und geht dabei davon aus, 25 große Rollen zu kaufen, während 25 Gros tatsächlich 12 Dutzend meint. Sie irrt also über die Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ und damit über die Bedeutung ihrer Erklärung, befindet sich folglich in einem Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt. 1. BGB.

Unterscheidung zwischen Inhalts- und Erklärungsirrtum: Bei einem Erklärungsirrtum will die Person nicht die Willenserklärung abgeben, die sie tatsächlich in die Welt gesetzt hat. Die Person verschreibt, vertippt oder verspricht sich. Ein Inhaltsirrtum ist gegeben, wenn sich der Erklärende in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befindet, indem er über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung irrt. Die Person sagt genau das, was sie auch wollte, jedoch verbindet sie mit den gewählten Worten einen anderen Inhalt.
c) Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung

Weiterhin dürfte der Erklärende seine Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben. Der Irrtum muss kausal für die Abgabe der Willenserklärung gewesen sein. Vorliegend ist im Hinblick auf die mit der Lagerhaltung einer derart großen Menge Toilettenpapier verbundenen Probleme anzunehmen, dass S bei Kenntnis von der tatsächlichen Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ und bei verständiger Würdigung die Erklärung über den Kauf von 3.600 Rollen nicht abgegeben hätte. Der Irrtum der S war damit kausal für die im Namen der P abgegebene Annahmeerklärung.

Hinweis: Die Notwendigkeit der Kausalität ergibt sich aus dem Wortlaut des § 119 I 1 BGB am Ende: „wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.“.
d) Ergebnis für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes

Es besteht ein Anfechtungsgrund der P.

  1. Anfechtungserklärung, § 143 I BGB

Nach § 143 I BGB hat die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner zu erfolgen. Vorliegend könnte S als Vertreterin der P die Anfechtung im Namen der Privatschule erklärt haben. S verweigerte bei Lieferung des Toilettenpapiers die Annahme mit Ausnahme von 25 Rollen. Mit diesem Verhalten erklärte sie konkludent die Anfechtung des mit L geschlossenen Vertrages. L als Vertragspartner war der nach § 143 II BGB richtige Anfechtungsgegner.

  1. Anfechtungsfrist, § 121 I BGB

Die Anfechtung durch S wäre nur dann wirksam, wenn sie innerhalb des von § 121 BGB gesetzten Zeitrahmens erfolgt wäre. Nach § 121 I BGB hat die Anfechtung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund zu erfolgen.

Im vorliegenden Fall erkannte S mit der Lieferung der 3.600 Rollen Toilettenpapier und den in diesem Zusammenhang durch L erfolgten Äußerungen, dass sie sich im Irrtum über die Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ befunden hatte und erklärte umgehend, die Annahme zu verweigern. Damit erfolgte die Anfechtung unmittelbar nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund und demnach ohne schuldhaftes Zögern. Die Anfechtungsfrist des § 121 BGB wurde von S eingehalten.

  1. Ergebnis der Voraussetzungen der Anfechtung

Die S hat den Vertrag wirksam im Namen der P angefochten, so dass der Kaufvertrag nach § 142 I BGB ex tunc nichtig ist.

III. Endergebnis des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung L hat gegen P keinen Anspruch auf Zahlung des vollen Kaufpreises für die 3.600 Rollen Toilettenpapier.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

B. Frage 2: Anspruch des L gegen P auf Schadensersatz aus § 122 I BGB

A

L könnte jedoch gegen P einen Anspruch auf Ersatz der bei ihm entstandenen Schäden aus § 122 I BGB haben. § 122 I BGB gibt dem Anfechtungsgegner einen Anspruch gegen den Anfechtenden auf Ersatz der ihm im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Erklärung entstandenen Schäden.

I. Vertrauensschaden des L Dem L müsste also dadurch ein Schaden entstanden sein, dass er auf die Wirksamkeit der durch S erklärten Annahme und damit auf die Wirksamkeit des mit P geschlossenen Kaufvertrages vertraut hat.

  1. Transportkosten i.H.v. 50 €

Durch die Lieferung der 3.600 Toilettenpapierrollen entstanden dem L Transportkosten i.H.v. 40 €. Wäre L nicht davon ausgegangen, einen wirksamen Kaufvertrag mit P geschlossen zu haben, hätte er die Rollen nicht an P geliefert. Bei den Transportkosten handelt es sich folglich um einen nach § 122 I BGB ersatzfähigen Vertrauensschaden.

  1. Entgangener Gewinn aus dem angefochtenen Kaufvertrag i.H.v. 250 €

Des Weiteren führt L an, dass ihm das Geschäft mit P einen Nettogewinn von 250 € eingebracht hätte. Jedoch handelt es sich bei dem Wert von 250 € um das sog. Erfüllungsinteresse, also dem Interesse, dass der L an der Durchführung des Vertrages hat. § 122 I BGB gibt hingegen ausschließlich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Der entgangene Gewinn stellt also keinen nach § 122 I BGB ersatzfähigen Schaden dar.

Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse:
Negatives Interesse (= Vertrauensschaden): Der Verletzte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bzw. der Erklärung vertraut hätte.
Positives Interesse (= Erfüllungsinteresse): Der Verletzte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß vollzogen worden wäre.
3. Zwischenergebnis

Ersatzfähig nach § 122 I BGB sind hier allein die dem L entstandenen Transportkosten i.H.v. 50 €.

II. Ausschluss der Ersatzpflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, § 122 II BGB

Die Ersatzpflicht der P wäre ausgeschlossen bei Kenntnis bzw. Kennenmüssen von der An-fechtbarkeit des Vertrages (vgl. § 122 II). Es ist dabei auf die Kenntnis der S als Vertreterin der P abzustellen (§ 166 I BGB). Eine solche Kenntnis oder fahrlässig Unkenntnis der S ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Der Ausschlussgrund des § 122 II BGB greift nicht ein.

III. Endergebnis

L hat gegen P somit einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Transportkosten i.H.v. 50 € aus § 122 I BGB.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

Die Aliud- und Mankolieferung (§ 434 Abs. 3 BGB)

§ 434 Abs. 3 unterstellt auch die Aliud- und die Mankolieferung, also die Lieferung einer anderen als der gekauften Sache und die Lieferung einer geringeren als der vereinbarten Menge, dem Sachmängelgewährleistungsrecht.

A

v§ 434 Abs. 3 BGB stellt ein aliud dem Sachmangel gleich. Auch die Lieferung einer anderen Sache bewirkt also den Übergang des Erfüllungsanspruches zum Nacherfüllungsanspruch – eine für den Verkäufer durchaus günstige Veränderung der Rechtslage, denn in diesem Moment beginnt die kürzere und vor allem objektive Verjährungsfrist von § 438 BGB zu laufen und dem Verkäufer kommt die gegenüber § 275 Abs. 2 BGB wesentlich günstigere Einrede des § 439 Abs. 3 S. 3 zugute. Der Gesetzgeber wollte mit der Gleichstellung die Probleme beheben, die sich beim Gattungskauf aus der überaus schwierigen Frage ergaben, ob eine Sache nun mangelhaft war (peius) oder ob sie schon einer anderen Gattung angehörte (aliud). Werden zum Beispiel statt der bestellten Kacheln mit einer Größe von 30 cm2 Kacheln mit 35 cm2 geliefert, so fragt sich, ob dies nun einfach andere oder zu große Kacheln sind. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich jedoch nicht zwingend, warum ein aliud auch beim Stückkauf (Identitätsaliud) dem Sachmangel gleich stehen soll. Haben sich die Parteien auf eine bestimmte Sache geeinigt und wird eine andere geliefert, so ist dies eindeutig ein aliud und kein Sachmangel. Man kann sich also fragen, ob es sich bei der weiten Fassung von § 434 Abs. 3 BGB um ein Redaktionsversehen handelt. Die Gesetzesmaterialien geben in dieser Hinsicht wenig Aufschluss. Dort heißt es: „Wird beim Stückkauf ein Identitätsaliud geliefert, so kommt neben dem Erfüllungsanspruch auf Lieferung ein davon verschiedener Nacherfüllungsanspruch nicht in Betracht “ (BT-Drucks. 14/6040, S. 216). Hieraus kann man nun entweder lesen, dass das Identitätsaliud nicht einbezogen werden sollte oder dass der Nacherfüllungsanspruch den gleichen Inhalt hat wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (siehe zur ersten Interpretation: Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 114 und zur zweiten: Lorenz, JuS 2003, 38). Entscheidend dürfte jedoch Folgendes sein. Beim Gattungskauf rechtfertigt das Bedürfnis nach Rechtssicherheit die Gleichstellung von aliud und peius. Die Situation beim Stückkauf ist hingegen völlig anders. Verdeutlichen lässt sich dies an folgendem Beispiel. V verkauft K ein Bild, von dem es zwei Versionen gibt, und liefert eine der Versionen. Anschließend streiten die Parteien darum, ob V nun die richtige Version geliefert hat. Dieser Streit kann zwei Gründe haben. Zum einen ist es möglich, dass aus dem Vertrag nicht klar hervorgeht, welche Version gemeint war. Zum anderen könnte es sein, dass die zwei Versionen derartig schwer zu unterscheiden sind, dass eine Verwechslung stattgefunden hat. Eine Rechtunsicherheit besteht in solchen Fällen nicht. Wir haben es vielmehr mit Beweisschwierigkeiten entweder hinsichtlich des Inhaltes des Vertrages oder der Identität der Sache selbst (wobei letzteres sehr schwer vorstellbar ist) zu tun. Es kann hier keine Unsicherheit im Recht geben, die es rechtfertigen würde, den Käufer auf den für ihn ungünstigeren Nacherfüllungsanspruch zu verweisen. Demzufolge ist eine teleologische Reduktion von § 434 Abs. 3 BGB dahingehend vorzunehmen, dass dieser auf die Stückschuld keine Anwendung findet, sondern nur auf die Gattungsschuld.

Doch auch wenn man § 434 Abs. 3 BGB nur auf die Gattungsschuld anwendet, so verwundert doch die sehr weite Fassung dieser Norm. Sind etwa Legosteine, die anstatt der bestellten Kacheln geliefert werden, mangelhafte Kacheln? So überspitzt diese Frage scheinen mag, beim ersten Lesen des Gesetzestextes ist man versucht, sie zu bejahen. Dies erscheint jedoch schon deshalb bedenklich, weil der Verkäufer mit der Lieferung einer beliebigen Sache die Anwendung der für ihn günstigen kaufvertraglichen Gewährleistungsregeln auslösen könnte. Der Übergang vom Erfüllungs- zum Nacherfüllungsanspruch ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Verkäufer einen Erfüllungsversuch vorgenommen hat. Ob ein solcher Erfüllungsversuch vorliegt, richtet sich nach der Erfüllungs- bzw. Tilgungsbestimmung. Diese ist als rechtsgeschäftsähnliche Handlung nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Von einem Erfüllungsversuch kann somit nur dort ausgegangen werden, wo das Handeln des Verkäufers aus der Sicht des objektiven Empfängers auch als solcher zu verstehen ist (Oechsler, Vertragsrecht, Rn. 107). Liefert der Verkäufer Legosteine statt Kacheln, wird ein objektiver Empfänger hierin entweder einen Scherz oder ein Versehen erblicken, keinesfalls aber einen ernsthaften Erfüllungsversuch. Der Erfüllungsanspruch bleibt in einem solchen Fall bestehen.

Anwendung findet § 434 Abs. 3 BGB also nur, wenn der Verkäufer eine andere Gattungssache liefert und diese Lieferung für den Käufer auch als Erfüllungsversuch erkennbar ist. Auf ein aliud finden in diesem Fall die Regeln der §§ 437 ff. BGB Anwendung. Der Käufer kann also den Nacherfüllungsanspruch geltend machen und, wenn der Verkäufer die Nacherfüllungsfrist verstreichen lässt, die übrigen Rechtsbehelfe.

Was aber geschieht, wenn der Verkäufer eine wertvollere Sache liefert? Man stelle sich vor, Käufer K habe Kacheln à 30 cm2 bestellt. V verwechselt die Bestellung des K mit der des B und liefert ihm Kacheln à 35 cm2. K bemerkt dies zunächst nicht. Als er den Fehler sieht, ist er hoch zufrieden, denn die gelieferten Kacheln sind ein wenig teurer. V hat den Fehler inzwischen auch bemerkt und verlangt die Kacheln von K heraus. Das Problem dieses Beispielsfalles wird unter dem Schlagwort besseres aliud diskutiert. Das in den §§ 437 ff. BGB normierte Sachmängelgewährleistungsrecht gibt nur dem Käufer Rechte nicht aber dem Verkäufer. Zwar wird manchmal von einem Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung gesprochen, dies ist indes terminologisch nicht korrekt. Es ist der Käufer der zunächst Nacherfüllung verlangen muss, bevor er andere Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Folglich handelt es sich bei der Nacherfüllung nicht um ein Recht des Verkäufers im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um eine Begrenzung der Käuferrechte, die dem Verkäufer zu Gute kommt. Solange der Käufer die Nacherfüllung nicht verlangt, kann sie ihm vom Verkäufer nicht aufgedrängt werden. Das Gewährleistungsrecht kommt dem Verkäufer daher nicht zur Hilfe.

Aber gibt der Kaufvertrag dem Käufer tatsächlich auch das Recht, die bessere Sache zu behalten, oder ist die Lieferung einer anderen Sache vielmehr ein indebitum, das der Verkäufer gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB herausfordern kann? Das aliud war jedenfalls zunächst nicht die Sache, die geschuldet wurde. Hieraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass es ohne Rechtsgrund erlangt wurde. Eine mangelhafte Sache darf der Käufer grundsätzlich behalten, denn es steht in seinem Belieben, ob er den Nacherfüllungsanspruch geltend macht oder nicht. Auch die Leistung einer mangelhaften Sache erfolgt daher nicht ohne Rechtsgrund, das Gewährleistungsrecht vermittelt in diesem Fall den Rechtsgrund (Musielak, NJW 2003, 90; anders Lorenz, JuS 2003, 38). Aufgrund der Gleichstellung von aliud und Sachmangel durch § 434 Abs. 3 BGB muss dies auch für die Lieferung einer anderen Sache gelten. Auch die Leistung eines aliud ist demzufolge zunächst nicht rechtsgrundlos. Es scheint, als wäre dem Verkäufer auch der Weg über die condictio indebiti versperrt. Hat also der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die in ihrer strikten Anwendung zu einem völlig untragbaren Ergebnis führt (so Musielak, NJW 2003, 92)?

Man kann die Problematik des besseren aliud jedoch nicht rein abstrakt, losgelöst von der Situation, in der sie auftritt, betrachten. Tatsächlich wird die Lieferung einer anderen besseren Sache immer auf einen Irrtum des Verkäufers zurückzuführen sein. Entweder wird er wie in unserem Beispiel zwei Kunden verwechselt haben oder er hat die zu liefernde Sache selbst mit einer anderen verwechselt. Dieser Irrtum haftet dann der Tilgungsbestimmung an. Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist die Tilgungsbestimmung den allgemeinen Regeln unterworfen und demzufolge auch analog §§ 119 Abs. 2, 142 BGB anfechtbar. Die Anwendung von § 119 Abs. 2 BGB auf einen Irrtum des Verkäufers wird durch das Gewährleistungsrecht schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil dieses keine Rechte des Verkäufers, sondern nur Rechte des Käufers regelt. Die Lieferung eines aliud berechtigt den Verkäufer daher regelmäßig zur Anfechtung der Tilgungsbestimmung. Durch die Anfechtung entfällt der Rechtsgrund seiner Leistung ex tunc und der Weg für die condictio indebiti ist frei. Das bessere aliud stellt den Rechtsanwender also keineswegs vor ein unlösbares Problem.

Bei § 434 Abs. 3 2. Alt BGB ist zu beachten, dass diese Vorschrift trotz ihres umfassenden Wortlauts nur den Fall erfasst, dass der Verkäufer nach dem Empfängerhorizont des Käufers die zu geringe Menge zum Zwecke der Erfüllung seiner ganzen Verbindlichkeit liefert und dabei ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Lieferung in der Absicht erfolgt, die Verbindlichkeit vollständig zu erfüllen. Demgegenüber erfasst sie nicht auch den Fall der bewusst als solcher erbrachten Teilleistung, die der Käufer regelmäßig nach § 266 BGB zurückweisen darf und bei der er gemäß § 323 BGB vom ganzen Vertrag zurücktreten oder gemäß §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung oder gem. gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB Verzugsschaden geltend machen kann. Mit anderen Worten: § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst nur den Fall der verdeckten oder unbewussten Mankolieferung und nicht auch den Fall der offenen oder bewussten Mankolieferung (BT-Drucks. 14/6040, S.216; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496). Im Gegensatz zur Zuweniglieferung (Mankolieferung) wird die Zuviellieferung nicht von § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB erfasst. Im Fall der Lieferung einer zu großen Menge kann der Verkäufer das zuviel Geleistete im Wege der Leistungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, 818 Abs. 1 BGB herausverlangen. Ist die Herausgabe nicht möglich, so hat er einen Anspruch auf Wertersatz § 818 Abs. 2 BGB. Ein vertraglicher Anspruch auf Kaufpreiszahlung für das zuviel Geleistete wird dagegen, auch beim bewussten Schweigen des Käufers auf die Zuvielleistung, nicht begründet (Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 496; Putzo, in: Palandt, § 434 Rdnr. 53).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

Der Haakjöringsköd - Fall (RGZ. 99, 147)

Lösungsskizze
A. Anspruch F gegen G auf Nacherfüllung aus §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB

I. Kaufvertrag zwischen F und G

  1. Einigung zwischen F und G
  2. Ergebnis der Einigung

II. Mangel der Kaufsache, § 434 BGB

III. Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang

IV. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte

  1. Anwendbarkeit des HGB
  2. Ablieferung der Ware
  3. Untersuchung
  4. Rüge
  5. Rechtzeitigkeit der Rüge
  6. Schutzwürdigkeit des Verkäufers
  7. Rechtsfolge

V. Ergebnis des Anspruchs

A

Gutachten
A. Anspruch F gegen G auf Nacherfüllung aus §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB

F könnte gegen G einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB haben.

I. Kaufvertrag zwischen F und G

Dazu müsste zuallererst ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sein. Dazu müssten sich die Parteien über die wesentlichen Vertragsinhalte geeinigt haben.

  1. Einigung zwischen F und G

F und G waren sich einig, dass „Haakjöringsköd“ geliefert wird, worunter beide Walfleisch verstanden. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass „Haakjöringsköd“ in Wirklichkeit Haifischfleisch ist. Dazu muss gefragt werden, was genau Vertragsinhalt zwischen den Parteien geworden ist. Dies ist durch Auslegung der Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

Hinweis: Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind grundsätzlich nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen, d.h. danach, wie ein sorgfältiger Dritter in der Rolle des Erklärungsempfängers die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Umstände des Einzelfalles verstehen durfte, §§ 133, 157 BGB
Die Erklärungen von F und G sind somit danach auszulegen, wie ein objektiver Dritter den Inhalt verstehen durfte. Aufgrund der objektiven Wortbedeutung von „Haakjöringsköd“ wäre also eigentlich die Lieferung von 124 Fass mit Haifischfleisch vereinbart gewesen.

Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont dient dem Schutz des Erklärungsempfängers und wird daher durch dessen Schutzbedürftigkeit begrenzt. Nicht schutzbedürftig ist der Erklärungsempfänger, wenn er trotz der vom Willen des Erklärenden abweichenden Erklärung richtig erkennt, was der Erklärende tatsächlich gewollt hat. In diesem Fall gilt das Gewollte. Ebenfalls nicht schutzbedürftig ist der Erklärungsempfänger dann, wenn beide Parteien die konkrete Erklärung in gleicher Weise verstanden haben.

Für den Fall, dass beide Parteien dasselbe meinen, obwohl sie übereinstimmend das Falsche gesagt haben, ist eine Falschbezeichnung somit nicht schädlich und es gilt das übereinstimmend Gewollte. → „Falsa demonstratio non nocet“
Um einen solchen Fall der übereinstimmenden Falschbezeichnung handelt es sich auch hier: F und G haben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei dem Wort „Haakjöringsköd“ übereinstimmend an Walfleisch gedacht, obwohl der Begriff tatsächlich Haifischfleisch bedeutet.

  1. Ergebnis der Einigung

Unabhängig von der objektiven Wortbedeutung haben die beiden damit einen Vertrag über die Lieferung von 124 Fass mit Walfleisch abgeschlossen. Ein wirksamer Kaufvertrag liegt zwischen den Vertragsparteien vor.

II. Mangel der Kaufsache, § 434 BGB

In der Lieferung von Haifischfleisch müsste ein Mangel zu sehen sein. Ein Mangel liegt dann vor, wenn eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit festzustellen ist. Hier wurde Haifischfleisch statt dem geschuldeten Walfleisch geliefert. Darin ist ein Sachmangel i.S.d. § 434 I BGB zu sehen. Durch die Beschlagnahme wird aus dem Sachmangel aber kein Rechtsmangel i.S.d. § 435 BGB.

Man könnte hier zudem thematisieren, dass mit der Aussonderung und Verschiffung der Ware Konkretisierung (§ 243 II BGB) eingetreten ist, sich die Schuld des G also auf genau die fraglichen Fässer konkretisiert hat (sog. Stückkauf). Eine Nachlieferung kommt bei einem Stückkauf nur dann in Betracht, wenn es sich um eine vertretbare Sache handelt. Was vertretbare Sachen sind regelt § 91 BGB. Waren sind danach dann vertretbar, wenn sie gleichwertig beschaffen und gegeneinander austauschbar sind. Dies ist vorliegend bei Walfleisch der Fall. G könnte unproblematisch weiteres Walfleisch besorgen und verschiffen.
III. Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang

Der Mangel müsste auch schon bei Gefahrübergang vorgelegen haben, §§ 446, 447 BGB. Da wir vorliegend nicht wissen, ob die Ware auf Verlangen des F versandt wurde (dann wäre Gefahrübergang nach § 447 BGB mit der Übergabe der Fässer mit Walfleisch an den Frachtführer eingetreten) oder G die Waren von sich aus an F verschifft hat (dann wäre Gefahrübergang nach § 446 BGB mit der Aushändigung bzw. Zugang des F zu den Fässern mit dem Walfleisch eingetreten), ist aber trotzdem nach beiden Vorschriften der Gefahrübergang schon eingetreten, sodass sich vorliegend nicht entschieden werden muss.

IV. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte

Die Mangelgewährleistungsrechte dürften für F nicht ausgeschlossen sein. F müsste seiner Rügeobliegenheit aus § 377 HGB nachgekommen sein.

  1. Anwendbarkeit des HGB

Das Handelsrecht müsste überhaupt auf den vorliegenden Fall Anwendung finden. Nach § 377 I HGB muss es sich zur Anwendung dieser Vorschrift bei beiden Vertragsparteien um ein Handelsgeschäft handeln. F ist Fischhändler und G ist Fischgroßhändler. Somit handelt es sich bei beiden Vertragsparteien um Kaufmänner i.S.d. § 1 I HGB.

  1. Ablieferung der Ware

Die Fässer sind – wie bereits oben festgestellt – an F übergeben worden, sodass dieser die Möglichkeit hatte, die Ware zu untersuchen und festzustellen, um was für Fisch es sich genau handelt.

  1. Untersuchung

F müsste die Ware unverzüglich untersucht haben. Nachdem F die Fässer mit dem vermeintlichen Walfleisch entgegengenommen hat, stellte er fest, dass es sich um Haifischfleisch handelt. Es handelt sich hier um einen offensichtlichen Mangel, bei dem keine lange Untersuchung der Ware notwendig ist. F hat den Mangel somit durch eine Inaugenscheinnahme der Ware festgestellt.

  1. Rüge

F müsste den G gerügt haben. Dazu müsste er dem G so genau wie möglich die Mängel mitteilen bzw. aufzeigen. Diese Rüge ist an keine Form gebunden und geht nach § 130 BGB analog zu. Hier hat F seine Mängelgewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag mit G geltend gemacht und somit zum Ausdruck gebracht, dass die Ware nicht dem geschuldeten Leistungsgegenstand entspricht und somit einen Mangel aufweist. Eine wirksame Rüge liegt somit auch vor.

  1. Rechtzeitigkeit der Rüge

F müsste den G rechtzeitig gerügt haben. Nach dem Wortlaut des § 377 HGB hat die Rüge „unverzüglich“ zu erfolgen. Nach § 121 I BGB heißt „unverzüglich“, dass die Rüge ohne schuldhaftes Zögern vorgenommen worden sein müsste. Dies ist vorliegend aber umgehend geschehen.

Beachte: Es handelt sich vorliegend um eine „doppelte Frist“:
1. Pflicht des Käufers die Ware unverzüglich zu untersuchen
und
2. Pflicht des Käufers die festgestellten Mängel der Untersuchung gegenüber dem Verkäufer unverzüglich zu rügen.
6. Schutzwürdigkeit des Verkäufers

G müsste auch schutzwürdig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn er den Mangel der Sache arglistig gegenüber F verschwiegen hätte, § 377 V HGB. Davon ist im Sachverhalt aber nichts zu erkennen, zumal der G mit der verschifften Sache davon ausging den Kaufvertrag wirksam zu erfüllen.

  1. Rechtsfolge

Da F dem G rechtzeitig den Mangel mitgeteilt hat, behält F seine Mangelgewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB).

Beachte: Hätte F die Ware nicht unverzüglich untersucht und dem G den Mangel mitgeteilt, könnte F sich nicht mehr auf die Mängelgewährleistungsrechte berufen. Die Ware dann als genehmigt anzusehen, § 377 II, III HGB. Dies soll gerade im Handelsverkehr für eine schnelle und möglichst reibungslose Abwick-lung der dort geschlossenen Verträge sorgen.
V. Ergebnis des Anspruchs

F hat gegen G einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 433, 437 Nr. 1, 434, 439 BGB.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

LOTTOFALL
Behandelt wird zunächst die Rechtsbeziehung der Parteien. In Betracht kommt zwar die Tippgemeinschaft als eine Außen-GbR, dies ist im Ergebnis für die Lösung allerdings irrelevant. Auch wird diskutiert, ob § 762 I BGB hier dem Anspruch von vorneherein entgegensteht. Im weiteren Verlauf der Lösung wird schwerpunktmäßig die Frage erörtert, ob bzgl. der Verpflichtung die Lottoscheine abzugeben hier überhaupt ein Rechtsbindungswille besteht. Diese Konstellationen rund um den Rechtsbindungswillen kommen im Rahmen des BGB AT immer noch gerne im Examen dran, da sich hier die Chance einer argumentativen Auseinandersetzung bietet.

Lösungsskizze
A. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. Gesellschaftsvertrag

I. Schuldverhältnis

  • Entgegenstehen von § 762 I BGB?

(P) nach Sinn und Zweck (-), da hier staatlich genehmigtes Lottospiel; auch analoge Anwendung (-)

(P) Pflicht Lottoschein abzugeben?

  • Nur wenn Rechtsbindungswille (+)

Abgrenzung RBW/ Gefälligkeit nach Treu und Glauben; Auslegungshilfen:

  • Entgeltlichkeit
    hier: unentgeltlicher Auftrag
  • Drohende wirtschaftliche Schäden
    hier: bei Haftung von Lottospielern existenzgefährdende Schäden möglich
  • wollten Parteien gerichtlich einklagbare Ansprüche begründen?

Hier: Dies würde dem Gedanken des gemeinsamen Spiels widersprechen

Zwischenergebnis: RBW (-)

II. Ergebnis (-)

B. Anspruch aus § 823 I BGB

(-) reine Vermögensschäden nicht geschützt

A

Gutachten
A. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. Gesellschaftsvertrag
O und L könnten einen Schadensersatzanspruch gegen B aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Schuldverhältnis
Fraglich ist zunächst, ob ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien besteht. Ausweislich des Sachverhalts haben die Parteien sich zu einer so genannten „Tippgemeinschaft“ zusammengeschlossen. Diese könnte eine (Außen-) GbR darstellen. Dafür müssten mindestens zwei Personen vorliegen, die auf Grund eines Vertrages einen gemeinsamen Zweck verfolgen und ihre Beiträge dazu leisten. Hier haben sich O, L und B zusammengeschlossen, um gemeinsam Lotto zu spielen und so bei niedrigeren Beträgen ihre Gewinnchancen zu steigern. Dazu leisteten alle wöchentlich einen Beitrag in Geld i.H.v. 10 DM. Damit liegt grds. eine (Außen-) GbR vor. B könnte gegen Pflichten des Gesellschaftsvertrages verstoßen und sich so schadensersatzpflichtig gemacht haben.

[Hinweis: Die genaue Einordnung der Gesellschaft ist nicht so entscheidend, da es letztendlich nur auf das Schuldverhältnis im Innenverhältnis ankommt. Allerdings schadet auch eine kurze Darstellung aus Verständlichkeitsgründen nicht. Zu weit sollte man an dieser Stelle aber nicht ausholen.]

Einem möglichen Anspruch könnte jedoch zunächst § 762 I BGB entgegenstehen. Danach wird eine Verbindlichkeit bei einem Spiel und einer Wette nicht begründet.

Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollen Ansprüche, die durch staatlich nicht genehmigte Spiele und Wetten entstehen, nicht gerichtlich durchsetzbar sein, sodass sie zu Gunsten der Suchtprävention an Attraktivität verlieren.

Fraglich ist, ob dies hier der Fall ist. Ausweislich des Sachverhalts spielten die beteiligten Parteien nur das staatlich genehmigte Lotto, welches unter der Aufsicht des Staates steht, der die Suchtprävention auch selbst übernimmt.

Überdies ist die Übernahme des Spieleinsatzes für eine Lottospielgemeinschaft nicht selbst ein Spiel, sondern ein Nebengeschäft, das der Durchführung des Spieles dient. Etwas anderes würde zwar gelten, wenn jemand beauftrag wird ein staatlich nicht genehmigtes Glücksspiel zu spielen, allerdings liegt dies in diesem Fall nicht vor (s.o.).

Damit kann § 762 I BGB hier nicht angewendet werden.

Es könnte eine analoge Anwendung des § 762 I BGB in Betracht gezogen werden. Dafür müssten jedoch eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Für die vergleichbare Interessenlage könnte sprechen, dass der B hier genau wie bei einem staatlich nicht genehmigten Glücksspiel ein erhebliches „Spielrisiko“ auf sich nimmt, in dem er sich u.U. existenzgefährdend schadensersatzpflichtig machen würde, würde er die Lottoscheine nicht abgeben. Daher könnte man meinen, dass er genauso schutzbedürftig sei. Allerdings lassen sich beide Fälle nicht miteinander vergleichen, da der Spieler bewusst das Risiko des Einsatzverlustes eingeht, um im Gegenzug seine Gewinnchance zu steigern. Der Beauftragte hingegen würde jedoch zwar ein hohes Haftungsrisiko eingehen, hätte aber kein vergleichbares Äquivalent, wie etwa eine gesteigerte Gewinnchance.

Damit ist auch eine analoge Anwendung des § 762 I BGB abzulehnen, sodass dies der grundsätzlichen Anwendbarkeit nicht entgegensteht.

Problematisch ist allerdings, ob auch innerhalb dieses Vertrages neben der Beitragspflicht (als Zweckförderungspflicht) die Abgabe des Lottoscheins bei der Annahmestelle seitens des B ebenfalls geschuldet war. Dafür müsste diesbezüglich auch eine rechtlich bindende Vereinbarung im mündlich geschlossenen Gesellschaftsvertrag vorliegen.

Es könnte jedoch auch ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis vorliegen, sodass eine Abgrenzung erforderlich ist.

Ob bzgl. der Verpflichtung den Lottoschein abzugeben ein Rechtsbindungswille bestand, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen.

Als Auslegungshilfe können dabei die Entgeltlichkeit des Geschäfts, das wirtschaftliche Risiko drohender Schäden sowie der Wille der Parteien, ob gerichtlich durchsetzbare Ansprüche entstehen sollen, herangezogen werden.

Gegen einen diesbezüglichen Rechtbindungswillen spricht, dass der B den Auftrag die Lottoscheine bei der Annahmestelle abzugeben unentgeltlich übernommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass bei der Bejahung eines Rechtsbindungswillens immense wirtschaftliche Schäden entstehen können, die für den Beauftragten zum Teil existenzbedrohende Dimensionen einnehmen kann. Bei Lottogewinnen handelt es sich i.d.R. um hohe Beträge. Mit Blick auf die Verkehrssitte kann auch nicht angenommen werden, dass die Parteien bei Vertragsschluss wirklich gerichtlich durchsetzbare Ansprüche begründen wollten, da jedem klar sein konnte, dass bei Nichtabgabe horrende Schäden entstehen können und die Gefahr, dass der beauftragte Spieler gegen die von den Mitspielern getroffene Abrede verstößt, verhältnismäßig groß ist. Es kann daher leicht vorkommen, dass er das Ausfüllen der Wettscheine wegen anderweitiger Verpflichtungen unterlässt, es vergisst oder versehentlich andere Zahlen ankreuzt als vereinbart, daher steht dieses Schadensrisiko in keinem Verhältnis zur Beauftragung (so der BGH). Auch mit Blick auf den Gedanken des „gemeinsamen Spiels“ kann angebracht werden, dass die Spieler sich in gemeinsamer Motivation zusammenschließen, um ihre Gewinnchancen zu steigern und nicht etwa in dem Gedanken zukünftig wegen eines einfachen menschlichen Fehlers sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Mithin ist ein Rechtsbindungswille bzgl. der Pflicht die Lottoscheine zur Annahmestelle zu bringen abzulehnen.

Damit liegt auch kein Schuldverhältnis vor.

II. Ergebnis
Mithin ist ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 708 BGB i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag abzulehnen.

B. Anspruch aus § 823 I BGB
Ein Anspruch aus § 823 I BGB ist deshalb abzulehnen, da reine Vermögensschäden durch § 823 I BGB nicht erfasst werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

Einem möglichen Anspruch könnte jedoch zunächst § 762 I BGB entgegenstehen. Danach wird eine Verbindlichkeit bei einem Spiel und einer Wette nicht begründet.

Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollen Ansprüche, die durch staatlich nicht genehmigte Spiele und Wetten entstehen, nicht gerichtlich durchsetzbar sein, sodass sie zu Gunsten der Suchtprävention an Attraktivität verlieren

A

Fraglich ist, ob dies hier der Fall ist. Ausweislich des Sachverhalts spielten die beteiligten Parteien nur das staatlich genehmigte Lotto, welches unter der Aufsicht des Staates steht, der die Suchtprävention auch selbst übernimmt.

Überdies ist die Übernahme des Spieleinsatzes für eine Lottospielgemeinschaft nicht selbst ein Spiel, sondern ein Nebengeschäft, das der Durchführung des Spieles dient. Etwas anderes würde zwar gelten, wenn jemand beauftrag wird ein staatlich nicht genehmigtes Glücksspiel zu spielen, allerdings liegt dies in diesem Fall nicht vor (s.o.).

Damit kann § 762 I BGB hier nicht angewendet werden.

Es könnte eine analoge Anwendung des § 762 I BGB in Betracht gezogen werden. Dafür müssten jedoch eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Für die vergleichbare Interessenlage könnte sprechen, dass der B hier genau wie bei einem staatlich nicht genehmigten Glücksspiel ein erhebliches „Spielrisiko“ auf sich nimmt, in dem er sich u.U. existenzgefährdend schadensersatzpflichtig machen würde, würde er die Lottoscheine nicht abgeben. Daher könnte man meinen, dass er genauso schutzbedürftig sei. Allerdings lassen sich beide Fälle nicht miteinander vergleichen, da der Spieler bewusst das Risiko des Einsatzverlustes eingeht, um im Gegenzug seine Gewinnchance zu steigern. Der Beauftragte hingegen würde jedoch zwar ein hohes Haftungsrisiko eingehen, hätte aber kein vergleichbares Äquivalent, wie etwa eine gesteigerte Gewinnchance.

Damit ist auch eine analoge Anwendung des § 762 I BGB abzulehnen, sodass dies der grundsätzlichen Anwendbarkeit nicht entgegensteht.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

Den Rubel-Fall hat das Reichsgericht am 30. November 1922 entschieden. Das Reichsgericht hat sich hier mit der Frage beschäftigt, ob der sog. „offene Kalkulationsirrtum“ zu einer Anfechtung berechtigt.

Anspruch aus § 488 I BGB (nach alter Fassung § 607 I BGB)

I. Anspruch entstanden

  1. Darlehensvertrag gem. § 488 I BGB

Angebot und Annahme (+)

(P) Inhaltliche Abweichung

a) e.A. (RG): Darlehensvertrag zustande gekommen, Möglichkeit der Anfechtung besteht
b) a.A.: hier falsa demonstratio bzgl. Umtauschkurs von 25 Pfennig, da Parteien beide vom wahren Umtauschkurs ausgingen. Dieser Wille ist vielmehr entscheidend. Vertrag nur bzgl. 300 RM zustande gekommen
c) Streitentscheid (+) (a.A. sehr gut vertretbar)

II. Anspruch untergegangen

  1. Anfechtung gem. § 142 I BGB
    a) Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB (+)
    b) Anfechtungsgrund nach § 119 I 1. Alt. BGB

(P) offener Kalkulationsirrtum

aa) RG: offener Kalkulationsirrtum ist ein erweiterter Inhaltsirrtum

Pro: Fehlkalkulation ist Teil der Erklärung selbst. Diese wurde auch nach außen verlautbart.

bb) BGH tendiert heute: offener Kalkulationsirrtum ist nur unbeachtlicher Motivirrtum

Pro: Kalkulation ist Sache des Darlehensnehmer. Vielmehr Fehler in der Willensbildung. Geschützt wird aber nur Irrtum bei der Willensäußerung.

cc) Streitentscheid (-)

unbeachtlicher Motivirrtum

  1. Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB
    a) Vertragliches Schuldverhältnis (+)
    b) Geschäftsgrundlage

Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sind Umstände, die zur Grundlage des entsprechenden Vertrages geworden sind (reales Element, hypothetisches Element, normatives Element).

reales Element (P)

Nachträgliche Änderung vertragswesentlicher objektiver Umstände.

Hier: keine „nachträgliche Änderung“. Wechselkurs des Rubel war schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1 Pfennig.

Überdies hypothetisches Element (-)

c) Ergebnis (-) (a.A. vertretbar)

Keine Störung der Geschäftsgrundlage

  1. Zwischenergebnis (-)

Anspruch ist nicht untergegangen

III. Endergebnis (+

A

Gutachten
Anspruch aus § 488 I BGB (nach alter Fassung § 607 I BGB)
K könnte gegen B einen Zahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag haben gem. § 488 I BGB.

I. Anspruch entstanden
Der Anspruch müsste entstanden sein.

  1. Darlehensvertrag gem. § 488 I BGB
    Ausweislich des Sachverhalts liegen zwei korrespondierende Willenserklärungen (Antrag und Annahme) vor.
    Problematisch ist allerdings, dass die Willenserklärungen des K und des B inhaltlich insoweit abweichen, als dass die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgingen, dass der Wechselkurs des Rubels bei 25 Pfennig liegt, obwohl der wirkliche Wechselkurs 1 Pfennig beträgt.

Fraglich ist daher, ob der Vertrag trotz inhaltlicher Abweichung zustande gekommen ist. Dies ist umstritten.

a) e.A. Vertrag ist über 7.500 RM zustande gekommen
Nach einer Ansicht schadet die inhaltliche Abweichung nicht und der Vertrag kommt zustande. Es bleibe die Möglichkeit der Anfechtung.

b) a.A. Vertrag ist über 300 RM zustande gekommen
Eine andere Ansicht vertritt, dass hier bzgl. des Wechselkurses von 25 Pfennig eine falsa demonstratio vorliegt, da beide Vertragspartner dachten, dass dies der richtige Wechselkurs sei. Entsprechend war der Wille der Vertragsparteien nach Auslegung ( §§133, 157 BGB) auf den wahren Wechselkurs von 1 Pfennig gerichtet, sodass nach dieser Ansicht ein Vertragsschluss bzgl. 300 RM zustande gekommen ist.

c) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streitentscheid zu entscheiden.
Für die zweite Ansicht spricht der Vorrang der Auslegung vor der Möglichkeit einer Anfechtung. K und B gingen beide fälschlicherweise von einem höheren Wechselkurs aus, wollten aber in Wirklichkeit, dass das Darlehen nach dem wahren objektiven Wechselkurs zurückgezahlt wird.
Dagegen spricht jedoch, dass der K hier viel schlechter dastehen würde, da er subjektiv von einem Wechselkurs i.H.v. 25 Pfennig ausging. Die Willenserklärungen der Parteien könnten daher nach §§ 133, 157 BGB genauso dahingehend ausgelegt werden, dass der Darlehensvertrag nur über den Wechselkurs i.H.v. 25 Pfennig zustande kommen soll. Daher ist dieser Meinung der Vorzug zu geben, sodass ein Darlehensvertrag über die Summe von 7.500 RM geschlossen wurde.
[Anmerkung: Die mittlerweile h.L. tendiert eher dazu eine falsa demonstratio anzunehmen. Hier wird jedoch allein schon aus didaktischen Gründen der Meinung des RG gefolgt, um das Problem der Anfechtung noch anzusprechen.]

II. Anspruch untergegangen
Der Anspruch könnte jedoch untergegangen sein.

  1. Anfechtung gem. § 142 I BGB
    Der Anspruch könnte zunächst durch eine Anfechtung ex tunc gem. § 142 I BGB untergegangen sein.

a) Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB
Eine Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB liegt ausweislich des Sachverhalts vor.

b) Anfechtungsgrund nach § 119 I 1. Alt. BGB
Fraglich ist, ob auch ein Anfechtungsgrund vorliegt. In Betracht kommt ein Inhaltsirrtum nach § 119 I 1. Alt. BGB. Ein Inhaltsirrtum (oder auch Irrtum über den Erklärungsinhalt) liegt vor, wenn zwar der äußere Tatbestand der Erklärung (also die Erklärung an sich) mit dem inneren Willen des Erklärenden übereinstimmt, der Erklärende also genau das Erklärungszeichen benutzt, dessen er sich bedienen möchte, aber dabei über dessen Bedeutung oder Tragweite irrt.

Hier irrte sich B bzgl. des wahren Wechselkurses des Rubels, in Folge er sich verrechnet hat. Der Wechselkurs war auch ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen. Somit liegt ein so genannter offener Kalkulationsirrtum vor.
Problematisch ist allerdings, ob der offene Kalkulationsirrtum einen tauglichen Anfechtungsgrund i.S.d. § 119 I 1. Alt. BGB darstellen kann. Dies ist umstritten.

aa) e.A. (RG): offener Kalkulationsirrtum ist ein Inhaltsirrtum
Nach einer Ansicht stellt auch der offene Kalkulationsirrtum als Ausformung eines Inhaltsirrtums einen Anfechtungsgrund dar, sodass hier ein Anfechtungsgrund vorliegen würde.

bb) a.A. (BGH heute): offener Kalkulationsirrtum nur unbeachtlicher Motivirrtum
Die Gegenansicht lehnt einen Anfechtungsgrund ab und vertritt, dass lediglich ein unbeachtlicher Motivirrtum vorliegt. Nach dieser Ansicht wäre ein Anfechtungsgrund des B abzulehnen.

cc) Streitentscheid
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden.
Für die erste Ansicht spricht, dass die Fehlberechnung des Umtauschkurses Teil der Erklärung selbst geworden ist. Diese Erklärung hat der B auch nach außen verlautbart, sodass sie rechtlich bedeutend wurde.
Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass das Risiko der Fehlkalkulation vielmehr in die Sphäre des Darlehensnehmers fällt. Der Kalkulationsirrtum entsteht zudem bei der Willensbildung und nicht erst bei der Willensäußerung. Nach dem Sinn und Zweck des § 119 I 1.Alt. BGB soll dieser jedoch Irrtümer bei der Willensäußerung schützen. Aus diesen Gründen ist die zweite Ansicht vorzugswürdig. Der Kalkulationsirrtum ist damit als unbeachtlicher Motivationsirrtum zu qualifizieren.
Mithin liegen kein Inhaltsirrtum und damit kein Anfechtungsgrund vor. Somit liegen auch die Voraussetzungen der Anfechtung nicht vor.

  1. Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB
    Der Anspruch könnte jedoch im Wege der Vertragsanpassung oder des Rücktritts wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I BGB untergegangen sein. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

a) Vertragliches Schuldverhältnis
Ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Darlehensvertrages liegt vor (s.o.).

b) Geschäftsgrundlage
Es müsste auch eine Geschäftsgrundlage vorliegen. Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sind Umstände, die zur Grundlage des entsprechenden Vertrages geworden sind (reales Element, hypothetisches Element, normatives Element).

Fraglich ist schon, ob das reale Element vorliegt. Dies sind nachträgliche Änderungen vertragswesentlicher objektiver Umstände.

Hier ist jedoch schon fraglich, ob durch den wahren Wechselkurs des Rubels eine „nachträgliche“ Änderung eingetreten ist. Nach dem Wortlaut der Norm könnte man dies so verstehen, dass hier der Wechselkurs bereits von vorneherein nur 1 Pfennig betrug und damit die objektiven Umstände sich nicht „nachträglich“ verändert haben. Somit fehlt es schon am realen Element.

Überdies ist auch fraglich, ob die andere Partei den Darlehensvertrag mit diesem Wissen geschlossen hätte, sodass auch das hypothetische Element zu verneinen wäre (so etwa der BGH VII ZR 142/94).
(a.A. vertretbar)

c) Ergebnis
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen liegt auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vor.

  1. Zwischenergebnis
    Damit ist der Anspruch nicht untergegangen.

III. Endergebnis
Mithin hat K gegen B einen Zahlungsanspruch aus § 488 I BGB i.H.v. 7.500 RM.

(a.A. gut vertretbar s.o.)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

A. Anspruch E gegen K auf Ersatz der Behandlungskosten nach §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Schadensersatz

I. A als Anspruchsberechtigter

II. Schuldverhältnis zwischen E und K

  1. Vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K
    a) Vertragsverhandlungen
    b) Anbahnung eines Vertrags
  2. Voraussetzungen der Einbeziehung in den Schutzbereich
    a) Leistungsnähe
    b) Gläubigernähe
    c) Erkennbarkeit
    d) Schutzbedürfnis
  3. Zwischenergebnis

III. Schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht

  1. Inhalt des objektiven Pflichtenprogramms
  2. Schuldhafte Verletzung des Pflichtenprogramms
    a) Zurechnung der Handlungen des G
    b) Schuldhafte Pflichtverletzung des G
    c) Zwischenergebnis

IV. Rechtsfolgen

  1. Schaden und haftungsausfüllende Kausalität
  2. Mitverschulden
    a) Rechtsgrundverweisung
    b) Rechtsfolgenverweisung

V. Ergebnis

A

Gutachten
A. Die E könnte gegen K einen Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten nach §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Schadensersatz haben, der von A geltend gemacht werden könnte.

I. A als Anspruchsberechtigter

Dazu müsste A, als Vater der E, zunächst berechtigt sein, Ansprüche der E geltend zu machen. Gem. §§ 1626, 1629 BGB sind Eltern befugt, ihr Kind nach außen hin zu vertreten, wobei diese Vertretungsmacht sämtliche Rechtshandlungen umfasst. Als Vater der E ist A also berechtigt Ansprüche für die E gerichtlich geltend zu machen.

II. Schuldverhältnis zwischen E und K

Sodann müsste gem. § 280 I BGB zwischen E und K ein Schuldverhältnis bestehen. Für dessen Begründung ist gem. § 311 I BGB regelmäßig ein Vertrag zwischen den Beteiligten nötig, der ein rechtsgeschäftliches Handeln, in Form der Abgabe von zwei Willenserklärungen (Angebot und Annahme), voraussetzt, die die vertragswesentlichen Bestandteile beinhalten.

Derartige Willenserklärungen wurden hier jedoch von E und K nicht abgegeben. Darüber hinaus wären etwaige Erklärungen der E gem. §§ 104 Nr. 1, 105 I BGB nichtig. Tatsächlich begleitete die E lediglich ihren Vater, der bei der K einkaufen wollte. Zum Vertragsschluss ist es jedoch auch hier nicht gekommen.

Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB entsteht gem. § 311 II BGB aber auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrages (Nr. 2) oder durch ähnliche geschäftliche Kontakt (Nr. 3). Die sich dabei aus § 241 II BGB ergebenen Pflichten umfassen insbesondere die Pflicht den Vertragspartner und seine Rechtsgüter vor Gefahren, die aus der eigenen Sphäre stammen, zu schützen. Dabei sind jedoch die Parteien des Schuldverhältnis iSd § 311 II BGB grundsätzlich nur die Parteien des in Aussicht genommenen Vertrages. Demnach würde ein Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB nur zwischen dem A und K entstehen können, nicht jedoch zwischen der E und K.

Gleichwohl begleitete die E ihren Vater in die Geschäftsräume des K und lieferte sich somit genauso wie der A den von K geschaffenen Gefahrenquellen aus. Es erscheint daher fraglich, ob die E nicht ausnahmsweise in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses (§ 311 II BGB) zwischen A und K mit einbezogen werden kann - sollte ein solches Schuldverhältnis überhaupt bestehen. Obschon die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages oder eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses unter gewissen Voraussetzungen anerkannt ist (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter), besteht Uneinigkeit über die dogmatische Begründung einer derartigen Einbeziehung:

Einerseits wird versucht, über eine ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB den Dritten in den Schutzbereich des Vertrages mit einzubeziehen, wobei im vorvertraglichen Bereich einer ergänzenden Vertragsauslegung der Boden entzogen wäre. Zum anderen wird § 311 III 1 BGB für eine dogmatische Begründung herangezogen, wonach ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Nach dem Willen des Gesetzgebers begründet § 311 III BGB jedoch nur eine Haftung des Dritten, nicht aber eine Berechtigung. Schließlich wird angenommen, es handle sich um eine nach § 242 BGB abgesicherte Rechtsfortbildung, deren Rechtsgedanke, nämlich, dass Dritte an einem fremden Vertrag teilhaben können, durch § 311 III BGB lediglich bestätigt wird. Dabei wird vor allem auf ein gesetzliches Schuldverhältnis abgestellt, das auf der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen beruht und das seine positivrechtliche Grundlage in § 242 BGB findet. Nach der letzten, vorzugswürdigen Auffassung müssten folgende Voraussetzungen für eine Einbeziehung der E erfüllt sein:

  1. Vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K

Es müsste zunächst ein vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB zwischen A und K vorliegen, in dessen Schutzbereich die E überhaupt einbezogen werden könnte.

a) Vertragsverhandlungen

Nach § 311 II Nr. 1 BGB entsteht ein solches Schuldverhältnis durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Hierbei werden rechtsgeschäftliche Kontakte erfasst, die den Abschluss eines Vertrages zwischen den Parteien zum Ziel haben, wobei auch unverbindliche Gespräche genügen. Dabei entsteht das Schuldverhältnis mit der Aufnahme der Verhandlungen. Vorliegend befindet sich der A zwar in den Geschäftsräumen der K, zu Gesprächen mit dem Verkaufspersonal oder anderen Personen ist es vorliegend jedoch noch nicht gekommen.

b) Anbahnung eines Vertrags

Gem. § 311 II Nr. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis auch durch die Anbahnung eines Vertrages. Dies würde voraussetzen, dass sich A zumindest als potentieller Kunde in den Einflussbereich der K begeben hat und zwar mit dem Ziel, einen Vertrag abzuschließen oder zumindest einen geschäftlichen Kontakt anzubahnen. Gleichwohl ist es nicht erforderlich, dass bereits ein konkreter Vertragsschluss ins Auge gefasst worden ist – es genügt bereits ein bloßer Informationsbesuch, bei dem jedoch die Möglichkeit der Einwirkung auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils gegeben sein muss.

Der A betritt vorliegend die Geschäftsräume des K in der Absicht, die notwendigen Einkäufe zu erledigen. Mit dem Betreten dieser Räume begibt er sich in den Gefahrenquellenbereich, der durch K geschaffen wird und schafft so für K die Möglichkeit, auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen einzuwirken. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen A und K mit Pflichten nach § 241 II BGB wurde also nach § 311 II Nr. 2 BGB durch die Anbahnung eines Vertrages begründet.

  1. Voraussetzungen der Einbeziehung in den Schutzbereich
    a) Leistungsnähe

Um in den Schutzbereich des vorvertraglichen Schuldverhältnisses einbezogen werden zu können, müsste die E bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung gekommen sein und so den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der A.

Problematisch erscheint hierbei, dass es im vorvertraglichen Bereich noch zu keiner geschuldeten Leistung im Sinne einer Hauptleistung kommt. Fraglich ist daher, wie der Begriff der Leistung im vorvertraglichen Bereich zu verstehen ist. § 311 II BGB selbst stellt klar, dass sich die aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergebenen Pflichten solche nach § 241 II BGB sind. Dabei handelt es sich um Schutzpflichten, die unabhängig von der Existenz von Leistungspflichten bestehen. Wenn nun im vorvertraglichen Bereich lediglich Schutzpflichten nach § 241 II BGB bestehen und diese von den Hauptleistungspflichten generell getrennt sind, dann kann sich das Kriterium der Leistungsnähe, jedenfalls im vorvertraglichen Bereich, nicht auf Hauptleistungspflichten sondern muss sich auf die Schutzpflichten aus § 241 II BGB beziehen.

Die sich aus § 241 II BGB ergebenen Pflichten umfassen insbesondere die Pflicht, die Gegenpartei und ihre Rechtsgüter vor Gefahren, die aus der eigenen Sphäre stammen zu schützen. Als eine solche Gefahr aus der Sphäre des A das herumliegende und nicht umgehend entfernte Salatblatt gesehen werden. E begleitete den A in das Kaufhaus und begab sich somit ebenso wie der A in den von der K geschaffenen Gefahrenbereich. Die Gefahr auf einem herumliegenden Salatblatt auszurutschen bestand hier sowohl für die E als auch für den A.

b) Gläubigernähe

Des Weiteren müsste der A ein schützenswertes Interesse daran haben, die E in den Schutzbereich einzubeziehen. Ein solches Interesse ist zumindest dann zu bejahen, wenn der A für das Wohl und Wehe der E verantwortlich wäre, ihr also Schutz und Fürsorge schuldete, was insbesondere bei Beziehungen mit personenrechtlichem Einschlag angenommen wird, bspw. in familienrechtlichen Beziehungen. Als Vater der E steht der A zu dieser in einer familienrechtlichen Beziehung, ist gem. § 1626 I 1 BGB berechtigt und verpflichtet für sein Kind sind zu sorgen und ist somit für das Wohl und Wehe der E verantwortlich. Der A hat also ein schützenwertes Interesse an der Einbeziehung der A in den Schutzbereich.

c) Erkennbarkeit

Des Weiteren muss der Kreis der geschützten Dritten für die K vorhersehbar sein: K würde nur dann haften, wenn für sie die Drittbezogenheit der Leistung und die Nähe des Dritten zum Gläubiger erkennbar gewesen wäre. Gleichwohl müssen Zahl und Namen der geschützten Personen dem Schuldner, also der K, nicht bekannt sein. K handelt vorliegend mit Lebensmitteln, die der Öffentlichkeit frei zugänglich präsentiert und zur Verfügung gestellt werden. Dass Kinder ihre Eltern regelmäßig bei einem Einkauf begleiten, wird dem K durchaus bewusst gewesen sein, insbesondere weil es täglich tausendfach geschieht und absolut üblich ist. Dass Eltern stets ein berechtigtes Interesse am Schutz ihrer Kinder haben, dürfte für K ebenso klar gewesen sein. Der Kreis der geschützten Personen war für K also vorhersehbar.

d) Schutzbedürfnis

Ferner müsste die E schutzbedürftig sein. Dies wär dann zu bejahen, wenn die E keinen eigenen inhaltsgleichen, also vertraglichen oder quasivertraglichen, Anspruch hätte. Andere vertragliche Ansprüche der E gegenüber dem K oder anderer Personen sind nicht ersichtlich. Ansprüche aus Vertrag würden wohl zudem generell an der Geschäftsunfähigkeit der E scheitern. Die E ist also schutzbedürftig.

  1. Zwischenergebnis

Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter sind demzufolge erfüllt. Die E kann also in die Schutzwirkung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses nach § 311 II BGB zwischen A und K einbezogen werden.

III. Schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht

Sodann müsste die K gem. § 280 I BGB eine Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt haben. Hierbei kommen gem. § 311 II BGB nur Pflichten nach § 241 II BGB in Frage, die darauf abzielen, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Gegenpartei zu schützen. Für eine Verletzung solcher Pflichten genügt es, dass der Schuldner von dem objektiven Pflichtenprogramm des Schuldverhältnisses unberechtigt abgewichen ist. Dabei gelten die deliktischen Verkehrspflichten als Mindeststandard dieses Pflichtenprogramms. Ein nicht Nachkommen der Verkehrspflichten wäre demnach als Pflichtverletzung iSd §§ 280, 241 II BGB zu werten.

  1. Inhalt des objektiven Pflichtenprogramms

Dies führt zunächst zu der Frage, welche Verkehrspflichten die K überhaupt treffen. Die Verkehrspflichten beschreiben ganz allgemein die Pflicht desjenigen, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft, bei einer Verkehrsöffnung diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um eine Gefährdung anderer Personen zu vermeiden. Dabei sind besonders dort hohe Sicherheitsanforderungen zu stellen, wo ein Gewerbe betrieben wird, da hier die Zahl potentiell Gefährdeter und der wirtschaftliche Nutzen des Gewerbetreibenden besonders hoch sind. Entsprechendes gilt dort wo Kinder in den Gefahrbereich gelangen können, da diese nicht die Erfahrung eines Erwachsenen besitzen und gefährliche Situationen schlechter als solche einschätzen können. Dort sind wirksame und auf Dauer angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen.

Als Gewerbetreibende öffnet die K ihren Verkaufsbereich für die Öffentlichkeit. Dabei ist ihr bekannt, dass auch Kinder als Begleitung potentieller oder tatsächlicher Kunden in den Verkehrs- und Gefahrenbereich eintreten werden. Beim Verkauf von Lebensmitteln kann es durchaus geschehen, dass irgendwelche Dinge, wie Salatblätter, Flüssigkeiten oder sonstige Produkte auf den Boden fallen, auslaufen bzw. sich anderweitig verteilen. Dass von derartigen Dingen vor allem für Kinder und ältere Menschen die Gefahr ausgeht, übersehen zu werden und auf diesen Dingen auszurutschen oder sich anderweitig zu verletzen, dürfte allgemein bekannt sein. Die K muss daher dafür Sorge tragen, dass solche Gefahrenquellen umgehend beseitigt werden.

  1. Schuldhafte Verletzung des Pflichtenprogramms Es fragt sich, ob die K schuldhaft gegen ihr Verkehrspflichten verstoßen hat, indem das Blatt nicht rechtzeitig und umgehend entfernt wurde. Problematisch erscheint dabei jedoch, dass die K als GmbH und juristische Person (§ 13 I GmbHG) nicht selbstständig tätig werden kann und demgemäß auch nicht selbst in der Lage ist, überhaupt einer Pflicht nachzukommen oder sie zu verletzten. Es fragt sich jedoch, ob nicht das Verhalten der Angestellten der K, insbesondere das des Geschäftsführers, der K zugerechnet werden kann.
    a) Zurechnung der Handlungen des G

Als möglich Zurechnungsnormen kommt vorliegend § 278 BGB in Betracht, nach dem der Schuldner das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder seines Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Für eine derartige Zurechnung ist gem. § 278 BGB erforderlich, dass zwischen der K und der E eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderverbindung besteht, welche zweifelsohne durch die Einbeziehung der E in das vorvertragliche Schuldverhältnis gegeben ist gegeben ist, und dass es sich bei dem G um einen gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen der K handelt.

Als Geschäftsführer handelt es sich beim dem G zweifelsohne um den gesetzlichen Vertreter der K. Eine etwaige schuldhafte Pflichtverletzung des G hätte die K gem. § 278 BGB also wie eigenes Verschulden zu vertreten.

(Umstritten ist die Frage, ob in diesem Fall auch § 31 BGB als mögliche Zurechnungsnorm herangezogen werden kann. Dies würde letztlich aber an der fehlenden Sonderverbindung zwischen dem Geschäftsführer und der Tochter scheitern – vgl. hierzu bspw.: Piper in JuS 2011, 492.)

b) Schuldhafte Pflichtverletzung des G

Wie bereits oben festgestellt hätte es zur Verkehrspflicht der K gehört das Salatblatt umgehend zu entfernen. Als gesetzlicher Vertreter der K, der für Wahrnehmung der Pflichten der K verantwortlich ist, ist der G dieser Pflicht nicht nachgekommen, was der K im Falle eines Verschuldens gem. §278 BGB zugerechnet werden würde.

Der Verschuldensmaßstab bemisst sich sodann nach § 276 I 1 BGB, wonach der G zumindest Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Fahrlässig handelt gem. § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Person dessen an, der die Pflichtverletzung begeht, sondern auf die durchschnittlich von einer Person seines Verkehrskreises zu fordernde Sorgfalt.

Hinsichtlich des anzulegenden Sorgfaltsmaßstabs dürfte von einem Geschäftsführer zu erwarten sein, dass er, gerade auch in Anbetracht der Öffnung des Betriebes für etwaige Kunden und Kinder, ein besonderes Maß an Sorgfalt auf die Verkehrssicherung seines Betriebes legt, um Kunden, insbesondere ältere Kunden, oder den Kunden begleitende Kinder vor Schäden zu schützen und nicht zuletzt auch, um den Betrieb nicht selbst durch etwaige Klagen oder durch einen schlechten Ruf zu schädigen. Im konkreten Fall würde es genügen, die Gänge regelmäßig auf etwaige Gefahrenquellen zu kontrollieren oder einen bzw. mehrere Angestellte mit dieser Aufgabe zu betrauen. Zumindest letzteres wäre von einem durchschnittlichen Geschäftsführer zu erwarten. Der G handelte somit zumindest fahrlässig.

c) Zwischenergebnis

Die K muss sich demzufolge die schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 278 BGB wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Der K ist mithin eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last zu legen.

IV. Rechtsfolgen

  1. Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

Der E müsste sodann ein Schaden entstanden sein, der adäquat-ursächlich auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Nach der Differenzhypothese ist die Differenz zwischen dem Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem tatsächlich gegebenen Vermögensstand als Schaden anzusehen. Darüber hinaus ist gem. § 249 II 1 BGB als Form der Naturalrestitution das Integritätsinteresse zu ersetzen, wenn es zu einer Verletzung der Person gekommen ist, wobei der zur Wiederherstellung notwendige Geldbetrag verlangt werden kann, der hier in den Kosten der Heilbehandlung besteht. Die E rutschte auf dem im Gang liegenden Salatblatt aus und verletzte sich dabei. Diese Verletzung wurde daraufhin ärztlich behandelt, um den Gesundheitszustand der E wiederherzustellen. Ein Personenschaden liegt mithin auf Seiten der E vor.

Fraglich ist ob dieser Personenschaden ursächlich auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Nach der Äquivalenztheorie ist eine Pflichtverletzung dann kausal, wenn die betreffende Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wäre vorliegend das Salatblatt umgehend entfernt worden, wäre es zu der Verletzung der E nicht gekommen und die ärztliche Heilbehandlung wäre nicht notwendig geworden. Nach der Äquivalenztheorie ist die Pflichtverletzung demnach kausal für den Schaden der E.

Jedoch müsste der Schuldner im Rahmen der Äquivalenztheorie selbst für entfernteste Folgen seines Handeln einstehen, was weitere Zurechnungskriterien notwendig werden lässt: Nach der Adäquanztheorie wird schließlich ein ursächlicher Zusammenhang bejaht, wenn das zum Schaden führende Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.

Hier ist nicht unwahrscheinlich, dass ein auf dem Boden liegendes Salatblatt vom Kunden und gerade evtl. herumspielenden Kindern übersehen wird und diese dann darauf ausrutschen. Ein kausal auf die Pflichtverletzung zurückgehender Personenschaden liegt demnach vor. Um den Gesundheitszustand wieder herzustellen, wurde die E ärztlich behandelt, was bestimmte – im Sachverhalt nicht genannte Kosten – verursacht, welche die E schließlich von der K verlangen kann.

  1. Mitverschulden

Gem. § 254 I BGB wäre dieser Anspruch jedoch zu kürzen, wenn dem Geschädigten bei der Entstehung des Schadens ein eigenes Verschulden treffen sollte. Dies würde in Hinblick auf das Verschulden jedoch die Zurechnungs- bzw. Verschuldensfähigkeit der E voraussetzen. Dies erscheint angesichts des Alters der E jedoch fragwürdig. Denn gem. § 828 I BGB, der im Rahmen des § 254 BGB entsprechend angewendet wird, ist, wer das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. In entsprechender Anwendung würde das für die fünfjährige E bedeuten, dass sie vorliegend keine Zurechnungs- bzw. Verschuldensfähigkeit besitzt. Ein eigenes Mitverschulden der E muss demnach ausscheiden.

Es könnte jedoch sein, dass sich die E ein etwaiges Aufsichtsverschulden des A zurechnen lassen muss. Dieser achtete nämlich angesichts des Telefonats nicht auf seine Tochter, woraufhin diese im Markt herumlief und auf dem Salatblatt ausrutschte. A vernachlässigte dadurch grob fahrlässig seine in § 1631 I BGB normierte Aufsichtspflicht.

Es fragt sich daher, ob sich die E dieses grob fahrlässige Verhalten zurechnen lassen muss. Zwar besteht Einigkeit insofern, als dass sich § 254 II 2 BGB, der die entsprechende Anwendung des § 278 BGB normiert, nicht nur auf § 254 I 1 BGB bezieht, sondern auch auf § 254 I BGB, sodass auch ein Verschulden von Dritten zugerechnet werden kann, das bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, was hier der Fall ist. Unklarheit besteht jedoch darüber, wie genau der Verweis auf § 278 BGB zu verstehen ist.

a) Rechtsgrundverweisung

Nach einer Ansicht handelt es sich bei §254 II 2 BGB um eine Rechtsgrundverweisung. Demnach müssten alle Tatbestandsmerkmale des §278 BGB erfüllt sein, damit das Verhalten des A der E verschuldensmäßig zugerechnet werden kann. Es müsste also eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderverbindung zwischen der K und der E bestehen und der A müsste als gesetzlicher Vertreter der A oder als deren Erfüllungsgehilfe gehandelt haben. Eine schuldrechtliche Sonderbeziehung ist hier mit der Einbeziehung der A in das vorvertragliche Schuldverhältnis gegeben. Zudem handelt es sich bei dem A um den Vater der E und somit um ihren gesetzlichen Vertreter. Es fragt sich jedoch, ob dem A nicht eine Haftungserleichterung nach §§ 277, 1664 I BGB zugute kommt. Dies wäre dann der Fall, wenn der A zwar leicht fahrlässig gehandelt hätte, dabei jedoch aber seine übliche Sorgfalt angewandt hätte. Ob der A hier seine übliche Sorgfalt angewandt hat, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht beurteilen. Dies kann jedoch auch dahinstehen, da der A vorliegend allgemein grob fahrlässig handelte. Ihm kommt demgemäß keine Haftungserleichterung zu Gute. Im Ergebnis müsste sich die E nach dieser Ansicht ein Verschulden des A zurechnen lassen.

b) Rechtsfolgenverweisung

Nach anderer Ansicht handelt es sich bei § 254 II 2 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung, wonach sich die E ein Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters stets zurechnen lassen müsste. Demnach müsste sich die E ebenfalls das grob fahrlässige Verhalten des A als deren gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen.

Nach beiden Ansichten müsste sich die E folglich ein Verschulden des A nach §§ 254 II 2, 278 BGB zurechnen lassen, mit der Folge, dass ihr Anspruch nach § 254 I BGB zu kürzen ist. Inwieweit der Anspruch zu kürzen ist, bemisst sich ebenfalls nach §254 I BGB, wonach der Umfang des zu leistenden Ersatzes von einer umfassenden Abwägung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abhängt. Für eine rechtlich exakte Beurteilung der Quotierung gibt der Sachverhalt jedoch zu wenig Anhaltspunkte. In der Regel wird bei beidseitiger Fahrlässigkeit der Schaden aufgeteilt.

V. Ergebnis

Die E hat einen Schadensersatzanspruch gegen die K gem. §§ 280 I, 311 II, 241 II, 249 II 1 BGB iVm den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, der von A gem. §§ 1626, 1629 BGB geltend gemacht werden kann. Dieser wird jedoch nach §§ 254 I, II 2, 278 BGB gekürzt.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

Verfügungen von Todes wegen

(Nach einer Ansicht soll es dabei genügen, wenn der Schenker zu Lebzeiten alles Erforderliche getan hat, dass nach seinem Tod die Schenkung zum Abschluss kommt. Hier hat der P noch im Sterbebett die Wertpapiere an den D ausgehändigt. Danach wäre hier ein Vollzug zu bejahen.)

Eine andere Ansicht lässt dies nicht genügen. Danach müsste der Bedachte bereits eine gesicherte Rechtsposition, sprich ein Anwartschaftsrecht erhalten haben, sodass ohne weiteres Zutun des Schenkers bereits die Eigentumsübertragung stattfinden kann. Hier müsste der D die Sache jedoch noch an B übergeben, wofür es keine Garantie gibt. Demnach scheidet ein Vollzug aus.)

Lösungsskizze
A. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB ( Chronologisch)
I. Besitzer
II. Eigentümerin
1. Eigentumsübergang vor dem Tod des P an D
2. Eigentumsübergang an B vor dem Tod des P ?
3. Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Abs. 1 BGB
4. Eigentumsübertragung an den Bonifatiusverein
a) Einigung
b) Übergabe
c) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe
d) Berechtigung
III. Ergebnis
B. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB
I. Erlangtes Etwas
II. Durch Leistung
III. Ohne Rechtsgrund
Abgrenzung §§ 516, 518 BGB zu § 2301 BGB
(P) Formunwirksamkeit
(P) Anforderungen an „Vollzug“ zu Lebzeiten
IV. Ergebnis

A

Gutachten
A. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB
Erbin E könnte gegen den Bonifatiusverein gem. §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere haben. Voraussetzung dafür ist, dass E Eigentümerin der Wertpapiere geworden ist und der Bonifatiusverein Besitzer ohne Recht zum Besitz ist.

I. Besitzer
Der Bonifatiusverein müsste Besitzer der Wertpapiere sein. Besitzer ist nach § 854 Abs. 1 BGB derjenige, der die tatsächliche Gewalt über einer Sache erworben hat. Mit Übergabe der Wertpapiere von D erhielt der Bonifatiusverein die tatsächliche Sachherrschaft. Mithin hat der Bonifatiusverein gem. §§ 21, 26 BGB „Organbesitz“.

II. Eigentum der E
E müsste auch Eigentümerin sein. Ursprünglich war P Eigentümer der Wertpapiere.

  1. Eigentumsübergang vor dem Tod an D
    P könnte sein Eigentum durch Verfügung an D zu Lebzeiten gem. § 929 S.1 BGB verloren haben. Dafür müsste jedoch die Einigung zur Eigentumsübertragung vorliegen. Hier wollte P jedoch zu keiner Zeit das Eigentum an D übertragen. Vielmehr sollte D als Bote dienen, um die Eigentumsübertragung des P and B zu vollziehen.
    Damit hat P das Eigentum nicht schon zu Lebzeiten durch Verfügung an D verloren.
  2. Eigentumsübergang an B vor dem Tod des P ?
    P könnte sein Eigentum durch Verfügung an B gem. § 929 S.1 BGB schon zu Lebzeiten verloren haben. Dafür müsste zunächst eine Einigung über den Eigentumsübergang vorliegen. Dies wäre nur dann denkbar, wenn D Stellvertreter des P wäre (dann wäre WE des P sofort dem B zugegangen nach § 164 III BGB).
    Hier ist aber D offensichtlich kein Vertreter des P. Damit scheidet eine Eigentumsübertragung aus.
  3. Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Abs. 1 BGB
    Durch den Tod des P hat E das Eigentum an den Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB erlangt. (Universalsukzession).
  4. Eigentumsübertragung an den Bonifatiusverein
    E könnte ihr Eigentum jedoch durch die Verfügung des P an B nach dessen Tod gem. § 929 S. 1 BGB an den Bonifatiusverein verloren haben. Dafür müssten eine Einigung, die Übergabe, das Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe, sowie die Berechtigung vorliegen.

a) Einigung
Es müsste zunächst eine Einigung vorliegen. Diese besteht aus zwei korrespondierenden Willenserklärungen über den Eigentumsübergang.
Die Willenserklärung des P, die der D als Bote überbringen sollte, war trotz dessen Tod gem. § 130 II BGB wirksam. Auch ist hier ein Widerruf gem. § 130 I 2 BGB nicht ersichtlich.
B müsste die Willenserklärung auch angenommen haben. Dies war hier trotz des Todes des P gem. § 153 BGB möglich. D sollte die Willenserklärung auch gerade nach dem Tod des P and B überbringen. Fraglich ist, ob die Willenserklärung des B dem P zugehen musste. Nach § 151 1 BGB kann konkludent auf den Zugang der Willenserklärung verzichtet werden. Dies haben die Parteien hier konkludent so gewollt.
Mithin liegt die dingliche Einigung mit Wirkung für und gegen die Rechtsnachfolgerin E vor.

b) Übergabe
Es müsste auch eine Übergabe vorliegen. Hier sind die Wertpapiere durch den Besitzdiener D (§ 855 BGB) übergeben worden. B erhielt damit unmittelbaren Besitz auf Veranlassung des P, was über den Tod des P hinaus wirkt. Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor.

c) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Nach § 929 S. 1 BGB ist ein Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe erforderlich. Fraglich ist, ob diese hier vorliegt.
Einer Ansicht zufolge muss die Übergabehandlung Ausdruck des Übergabewillens sein. Nach herrschender Meinung liegt eine Bindungswirkung eines einmal geäußerten Übereignungswille vor, es sei denn es wurde ein Widerruf erklärt. Eine Streitentscheidung kann hier jedoch dahinstehen, da weder von P noch von E ein Widerruf erklärt worden ist.

d) Berechtigung
Auch die Berechtigung ist aus der Eigentümerstellung des P zu bejahen.

III. Ergebnis
E hat damit das Eigentum an den Wertpapieren durch Übereignung an den Bonifatiusverein verloren. Mithin besteht kein Anspruch der E gegen den Bonifatiusverein auf Herausgabe der Wertpapiere nach §§ 1922 Abs. 1, 985 BGB.

B. Anspruch gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti)
Erbin E könnte gegen den Bonifatiusverein gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1, Alt.1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere haben. Voraussetzung dafür ist, dass der Bonifatiusverein etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt hat.

I. Erlangtes Etwas
Der Bonifatiusverein müsste etwas erlangt haben. Unter etwas Erlangtem ist jeder vermögenswerte Vorteil zu verstehen. Durch die Übergabe hat der Bonifatiusverein Eigentum und Besitz an den Wertpapieren erlangt.

II. Durch Leistung
Dies müsste auch durch Leistung der E geschehen sein. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab dem Bonifatiusverein die Wertpapiere, um dessen Vermögen zu mehren. Dieses Botenhandeln wird nach dem Tod des P, der E zugerechnet. Damit liegt eine Leistung vor.

III. Ohne Rechtsgrund
Fraglich ist, ob ein wirksamer Rechtsgrund vorliegt. Es könnte ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen P und B gem. § 516 BGB geschlossen worden sein.

a) Dafür müssten zwei korrespondierende Willenserklärungen bzgl. eines Schenkungsvertrages vorliegen (Angebot und Annahme). Dies liegt hier vor (s.o.)
b) Fraglich ist, ob der Schenkungsvertrag auch formwirksam ist.
aa) Es könnte eine Formunwirksamkeit gem. §§ 125 S.1, 518 I 1 BGB in Betracht kommen. Gem. § 518 II wurde hier die Schenkung jedoch durch die Übergabe bereits bewirkt, sodass ein etwaiger Formmangel geheilt wäre.

bb) Weiterhin könnte ein Formverstoß gem. § 2276 I 1 BGB vorliegen. Dafür müsste die notarielle Beurkundung fehlen. Nach einer anderen Ansicht soll auch die Form des § 2247 ausreichen. Die notarielle Beurkundung fehlt hier. Vorraussetzung ist allerdings, dass gem. § 2301 I BGB die Formvorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden.
Dafür müsste jedoch ein Schenkungsversprechen vorliegen, das unter der Bedingung erteilt worden ist, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Dies ist hier problematisch. Eine Schenkung unter Lebenden würde sich nach den §§ 516 ff. BGB richten, wobei eine Schenkung von Todes wegen dem § 2301 BGB unterliegt.
Die Bestimmung dieser Abgrenzung kann dabei durch Auslegung gem. § 133 BGB ermittelt werden, wenn ausdrücklich nichts vereinbart wurde.
Hier könnte vielmehr eine Überlebensbedingung vorliegen. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn der Schenker den Gegenstand gerade nur dem Beschenkten zuwenden will. Demnach liegt der Schenkungszweck gerade in der Person des Schenkungsempfängers. Hier wollte der P gerade, dass die Wertpapiere an den Bonifatiusverein gehen, da P meinte, dass diese auch von der Kirche kämen.
Mithin liegt ein Fall des § 2301 I BGB vor. Die Schenkung wäre unwirksam gem. §§ 125 S.1, 2301 BGB.

cc) Nach dem § 2301 II BGB würden die Formvorschriften der §§ 2274 ff. BGB allerdings keine Anwendung finden, wenn die Schenkung schon zu Lebzeiten vollzogen wäre.
Fraglich ist jedoch, welche Vorraussetzungen an den Vollzugsbegriff zu stellen sind.

Nach einer Ansicht soll es dabei genügen, wenn der Schenker zu Lebzeiten alles Erforderliche getan hat, dass nach seinem Tod die Schenkung zum Abschluss kommt. Hier hat der P noch im Sterbebett die Wertpapiere an den D ausgehändigt. Danach wäre hier ein Vollzug zu bejahen.

Eine andere Ansicht lässt dies nicht genügen. Danach müsste der Bedachte bereits eine gesicherte Rechtsposition, sprich ein Anwartschaftsrecht erhalten haben, sodass ohne weiteres Zutun des Schenkers bereits die Eigentumsübertragung stattfinden kann. Hier müsste der D die Sache jedoch noch an B übergeben, wofür es keine Garantie gibt. Demnach scheidet ein Vollzug aus.

Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, muss der Streit entschieden werden.
Für die zweite Ansicht spricht, dass die B zu Lebzeiten des P noch gar keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat und es somit vom Zufall abhängt, ob ihr der Schenkungsgegenstand vom Boten übergeben wird. Damit fehlt es insbesondere an der Zeitlichen Komponente, um einen Vollzug annehmen zu können.
Mithin liegt kein Vollzug vor ( a.A. vertretbar).
Aus oben genannten Gründen liegt somit kein Rechtsgrund in Form des Schenkungsvertrages vor.

IV. Ergebnis
Der Bonifatiusverein hat die Wertpapiere ohne Rechtsgrund erlangt. E kann deshalb Herausgabe gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 Abs. 1 S.1, Alt. 1 BGB verlangen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

Der Fliesenfall – BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08 NJW 2012, 1073

Der Erfüllungsort der Nacherfüllung kann entweder im Belegenheitsort der Sache oder im ursprünglichen Erfüllungsort gesehen werden. Hierzu findet man keine Regelung in § 439 BGB, sondern § 269 BGB muss richtlinienkonform nach Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG ausgelegt werden.

Artikel 3 der Richtlinie 1999/44/EG führt darüber hinaus dazu, dass § 439 I BGB weiter ausgelegt werden muss, sodass auch der Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache, sowie Einbau der mangelfreien Kaufsache ihm Rahmen der Nacherfüllung geschuldet ist.

Das in § 439 III BGB enthaltene Verweigerungsrecht des Verkäufers wegen unverhältnismäßig hoher Kosten der einzig möglichen Nacherfüllungsvariante ist nicht mit der Richtlinie vereinbar ist. Dies führt dazu, dass der Inhalt des § 439 III BGB richtlinienkonform dahingehend teleologisch reduziert werden muss, dass der Verkäufer sowohl Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache, als auch Einbau der neuen schuldet, auch wenn dies mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Hier kann der Verkäufer den Anspruch des Käufers jedoch auf einen Anspruch auf einen angemessenen Geldbetrag beschränken.

Lösungsskizze
A. Anspruch des K gegen V auf Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der alten gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB

I. Kaufvertrag

II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte

  1. Mangel bei Gefahrübergang
    a) Mangel i.S.v. § 434 BGB
    aa) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB
    bb) fehlende Einigung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung, § 434 I 2 Nr. 1 BGB
    cc) keine übliche Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB
    b) bei Gefahrübergang mit Übergabe der Fliesen, § 446 BGB2. kein Ausschluss der Gewährleistungsrechte
  2. Zwischenergebnis

III. Nacherfüllungsumfang, § 439 I BGB1. Lieferung mangelfreier Fliesen

IV. Verweigerung der Nacherfüllung gem. § 439 III 1, 3 BGB

V. Ergebnis

B. Anspruch des K gegen V auf das Entfernen der mangelhaften und Verlegung der neuen Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB

I. Kaufvertrag

II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte

III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB

  1. Aus- und Einbau
    a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
    b) Rechtsprechung
    c) Richtlinienkonforme Auslegung
  2. Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
    a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
    b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB
  3. Ergebnis

C. Ansprüche auf Schadensersatz

A

Gutachten
A. Anspruch des K gegen V auf Lieferung neuer Fliesen und Ausbau der alten gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB
K könnte einen Anspruch gegen V auf Lieferung von neuen und Ausbau der alten Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I 2. Var. BGB haben.

I. Kaufvertrag
Dazu müsste zunächst ein Kaufvertrag zwischen K und V vorliegen. K und V haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen.

II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte
Die Gewährleistungsrechte müssten anwendbar sein.

  1. Mangel bei Gefahrübergang
    Dazu müssten die Fliesen einen Mangel, der schon bei Gefahrübergang bestanden hat, aufweisen.

a) Mangel i.S.v. § 434 BGB
Bei den Mikroschleifspuren auf den Fliesen müsste es sich um einen Mangel im Sinne des § 434 BGB handeln.

aa) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB
Ein Mangel liegt gemäß § 434 I 1 BGB dann vor, wenn die Kaufsache nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Die Ist-Beschaffenheit müsste von der Soll-Beschaffenheit, also der Parteivereinbarung, abweichen. K und V haben nicht explizit über die Beschaffenheit der Fliesen gesprochen, sodass keine negative Abweichung von einem vereinbarten Zustand der Kaufsache vorliegen kann.

bb) fehlende Einigung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung, § 434 I 2 Nr. 1 BGB
Es könnte sich jedoch daraus ein Mangel der Fliesen ergeben, dass diese sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignen. K und V haben im Vertrag keine bestimmte Verwendung der Fliesen vereinbart.

cc) keine übliche Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB
Als mangelhaft könnten die Fliesen gem. § 434 I Nr. 2 BGB auch dann anzusehen sein, wenn sie nicht die übliche Beschaffenheit aufweisen. Die übliche Beschaffenheit richtet sich nach der üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art. Generell darf der Käufer von Bodenbelägen davon ausgehen, dass diese sich dafür eignen im Wohnhaus verlegt zu werden und dass sie einen bestimmten ästhetischen Zweck erfüllen. Schlieren auf den Fliesen sind nicht die Norm und lassen sich üblicherweise nicht auf sauberen Fliesen finden. Allerdings handelt es sich vorliegend lediglich um Mikroschleifspuren. Diese sind jedoch mit dem bloßen Auge erkennbar und lassen die Fliesen verschmutzt aussehen. Das ist üblicher Weise nicht der Fall und führt dazu, dass die Fliesen nicht in gewöhnlicher Weise verwendet werden können. Es handelt sich um mangelhafte Fliesen.

b) bei Gefahrübergang mit Übergabe der Fliesen, § 446 BGB
Der Mangel müsste bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Gemäß § 446 BGB liegt der Zeitpunkt des Gefahrübergangs grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache. Bei Verbrauchsgüterkäufen gilt darüber hinaus die Vermutung des § 476 BGB, dass ein Mangel, der sich innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe der Sache zeigt, schon bei Gefahrübergang vorgelegen habe. Damit § 476 BGB anwendbar ist, müsste es sich bei dem Kaufgeschäft zwischen K und V um einen Verbrauchsgüterkauf handeln. Wann ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt bestimmt § 474 I 1 BGB.

K = Verbraucher, § 13 BGB
K müsste Verbraucher sein. Wer Verbraucher im Sinne des BGB ist richtet sich nach § 13 BGB. Danach ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. K kaufte die Fliesen um sie bei sich zuhause verlegen zu lassen. Dieses Geschäft ist dem privaten Interessenbereich des K zuzuordnen und geschah nicht aus beruflichen Motiven. K ist Verbraucher i.S.d. § 13 BGB.

V = Unternehmer, § 14 I BGB
Bei V müsste es sich um einen Unternehmer handeln. Unternehmer ist gemäß § 14 I BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Durch das Verkaufen von Baustoffen verdient V ihren Lebensunterhalt. Sie schloss den Kaufvertrag aus beruflichen Motiven ab. V ist als Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB anzusehen.

Bewegliche Sache
Bei den Fliesen müsste es sich um eine bewegliche Sache handeln. Fliesen gehören unstreitig zu beweglichen Sachen

Die Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs sind erfüllt. V kann die Vermutung des § 476 BGB auch nicht widerlegen. Hierauf könnte es jedoch nicht ankommen. Es handelt sich bei den Mikroschleifspuren um einen Herstellerfehler, sodass er von Anfang an bestanden hat. Ein Sachmangel lag bei Gefahrübergang vor.

  1. kein Ausschluss der Gewährleistungsrechte
    Die Gewährleistungsrechte dürften nicht ausgeschlossen sein. Es ist kein Ausschlussgrund ersichtlich.
  2. Zwischenergebnis
    Die Gewährleistungsrechte sind anwendbar.

III. Nacherfüllungsumfang, § 439 I BGB
K könnte ein Recht auf Nacherfüllung aus § 439 BGB zustehen. Die Nacherfüllung richtet sich grundsätzlich nach der Wahl des Käufers, § 439 I BGB. K könnte folglich grundsätzlich zwischen Nachbesserung und Nachlieferung wählen. Da die Nachbesserung unmöglich ist, bleibt ihm jedoch nur die Möglichkeit der Nachlieferung gem. § 439 I 2. Var. BGB.

  1. Lieferung mangelfreier Fliesen
    Fraglich ist, ob K im Rahmen der Nacherfüllung die Lieferung mangelfreier Fliesen verlangen kann. K kaufte die Fliesen bei V im Baustoffhandel und nahm sie mit nach Hause. Das Problem liegt also in der Frage, ob die Lieferung neuer Fliesen vom Recht auf die Nacherfüllung umfasst ist. Ursprünglich war aus dem Kaufvertrag keine Lieferung von V an K geschuldet. Problematisch ist insoweit die Bestimmung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung. Der ursprüngliche Leistungsort war bei Verkäufer V im Baustoffhandel. Der vertragsgemäße Belegenheitsort der Fliesen befindet sich indes bei K zuhause.

a) Nach einer Meinung liegt der Erfüllungsort der Nacherfüllung im Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Kaufsache. Dies würde bedeuten K könnte die Lieferung zu sich nach Hause verlangen. Hier trägt der Verkäufer das Verbringungsrisiko (bis zu den Grenzen des § 439 III BGB).
b) Nach anderer Meinung liegt der Erfüllungsort der Nacherfüllung am ursprünglichen Leistungsort. Nach dieser Meinung muss V die neuen Fliesen folglich nur in seinem Laden bereitstellen. Hier trägt der Käufer das Verbringungsrisiko.

c) Streitentscheidung
Die beiden Meinungen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass eine Streitentscheidung von Nöten ist. Für die erste Meinung und damit für einen Anspruch auf Lieferung der neuen Fliesen spricht, dass dem K neue Kosten und ein größerer Aufwand durch den Transport der neuen Fliesen entstehen würden, die er bei vertragsgemäßer Leistung von V nicht gehabt hätte. Gegen einen Anspruch auf die Lieferung von mangelfreien Fliesen und damit für die zweite Meinung spricht, dass V im ursprünglichen Kaufvertrag dem K keine Lieferung schuldete und der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs somit, wenn man Umfang der Nacherfüllungspflicht und Umfang der Pflichten aus dem Kaufvertrag vergleicht, über den originären Anspruch hinausgeht.
Um diesen Streit entscheiden zu können müssen zunächst die Regelungen des BGB beachtet werden. § 439 II BGB enthält jedoch keine Aussage über den Leistungsort der Nacherfüllung, sondern lediglich über die Kostentragung. § 269 I BGB besagt unterdessen, dass im Falle eines nicht klärbaren Leistungsortes der Ort als Leistungsort gelte, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Aus Art. 3 II und III der Richtlinie 1999/44/EG ergibt sich jedoch, dass der Käufer einer mangelhaften Sache einen Anspruch auf eine unentgeltliche Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten hat. Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des BGB unterstützt die erste Meinung. Dieser folgend hat K einen Anspruch gegen V auf Lieferung mangelfreier Fliesen frei Haus gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I Var. 2 BGB.

IV. Verweigerung der Nacherfüllung gem. § 439 III 1, 3 BGB
V könnte die Lieferung gem. § 439 III 1, 3 BGB verweigern, wenn diese für sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Besonders unter dem Aspekt, dass es einem Baustoffhandel wesentlich leichter fallen dürfte eine größere Menge Fliesen zu transportieren, als einer Privatperson, sind die Kosten der Lieferung nicht als unverhältnismäßig hoch einzustufen. Auch gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für unverhältnismäßig lange Transportwege o.ä. Die Lieferung neuer Fliesen ist nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. V kann diese nicht verweigern.

V. Ergebnis
K hat einen Anspruch gegen V auf Lieferung neuer Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I Var. 2 BGB.

B. Anspruch des K gegen V auf das Entfernen der mangelhaften und Verlegung der neuen Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf die Entfernung und Entsorgung der mangelhaften Fliesen und die Verlegung neuer Fliesen gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB haben.

I. Kaufvertrag
Es liegt ein Kaufvertrag vor (siehe oben).

II. Anwendbarkeit der Gewährleistungsrechte.
Es liegt darüber hinaus ein Sachmangel bei Gefahrübergang vor. Die Gewährleistungsrechte sind anwendbar (siehe oben).

III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB
Fraglich ist, ob K im Zuge der Nachlieferung der V auch die Entfernung der schadhaften Fliesen und die Verlegung der neu gelieferten Fliesen von V verlangen kann. Gemäß § 439 II BGB hat „der Verkäufer […] die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen“. Es stellt sich somit die Frage, ob die Kosten für die Entfernung und Verlegung der Fliesen, zumindest in den Grenzen de § 439 III 1 BGB, von diesen Kosten umfasst sind.

  1. Aus- und Einbau
    Ob der Aus- und Einbau der Fliesen von V im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs geschuldet wird ist streitig. Um diese Frage zu beantworten muss sowohl das deutsche, als auch das europäische Recht beachtet werden.

a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
Wortlaut
Nach § 439 BGB trägt der Verkäufer der mangelhaften Sache die „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“, wobei die Nacherfüllung die Lieferung einer mangelfreien Sache meint. Der Vertragsgegenstand sind die Fliesen und nicht der fertige Fußboden. Hiernach ist kein Aus- oder Einbau geschuldet.

Systematik
Die Nacherfüllung ist als modifizierter Erfüllungsanspruch, also als Anspruch auf die vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer durch § 433 I BGB verpflichtet war, anzusehen. Diese beinhaltet die Übergabe und Übereignung. Auch hiervon sind Aus- und Einbau nicht umfasst. Außerdem muss zwischen den verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten und verschuldensabhängigen Schadensersatzvorschriften unterschieden werden. Nach den verschuldensunabhängigen Vorschriften (§§ 434, 439 BGB) wird weder Aus- noch Einbau geschuldet.

b) Rechtsprechung
Das OLG Karlsruhe (ZGS 2004, 432) ist der Meinung, dass die Herstellung des Zustandes geschuldet ist, in dem sich die Sache bei einer mangelfreien Lieferung des Verkäufers befände. Aus- und Einbau wären von V geschuldet.
Das OLG Köln (NJW-RR 2006, 677) lehnt die Pflicht zum Einbau ab, die zum Ausbau jedoch nicht. Der Verkäufer schuldet die Kaufsache nur einmal und der Käufer sollte somit auch nur einmal die Kaufsache besitzen, um nicht auf den Kosten der Entsorgung sitzen zu bleiben. Die vertragliche Rücknahmepflicht des Verkäufers bildet das Spiegelbild zur Rückgewährverpflichtung des Käufers aus § 439 IV BGB. Nach dieser Ansicht schuldet V den Ausbau der Fliesen. Der gleichen Meinung ist das OLG Frankfurt (BeckRS 2008, 05877) und auch der BGH (NJW 2008, 2837).

c) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Anspruch auf eine unentgeltliche Ersatzlieferung gem. Art. 3 II der Richtlinie und der Anspruch auf eine Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher sprechen dafür, dass anzunehmen ist, dass der Verkäufer bei der Nachlieferung nach § 439 I, II BGB sowohl Aus-, als auch Einbau der Fliesen schuldet. Insbesondere die Wortwahl „Ersatz-“ Lieferung im Vergleich zu der deutschen Wortwahl „Nach-“ Lieferung lässt den Rückschluss zu, dass die schon eingebauten Fliesen beim Käufer laut der Richtlinie exakt ersetzt, also die mangelhaften ausgebaut und die mangelfreien eingebaut werden sollen. Diese weite Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 I Var. 2 BGB gedeckt.

  1. Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
    a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
    Der Umfang der Kosten der Ersatzlieferung könnte eine relative Unverhältnismäßigkeit auslösen, sodass V sie verweigern könnte. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt dann vor, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zur anderen Art mit unverhältnismäßig hohen Kosten für den Verkäufer einhergeht. Eine Nachbesserung ist nicht möglich, sodass die relative Unverhältnismäßigkeit in diesem Fall kein berechtigter Einwand der V sein könnte, da K kein Wahlrecht ausüben konnte.

b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB
Die Nacherfüllung könnte jedoch absolut unverhältnismäßig sein. Das ist sie, wenn die gewählte oder einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht im Vergleich zur anderen, sondern, bewertet nach allgemeinen Maßstäben, unverhältnismäßige Kosten für den Verkäufer bedeutet.
Es ist streitig, ab welchem Wert die Nacherfüllung absolut unverhältnismäßig ist. In der Literatur werden verschiedene Werte von 100% - 200% der Kosten der Nacherfüllung im Verhältnis zu den ursprünglichen Kosten als ausschlaggebend angesehen. Hier betragen die Nacherfüllungskosten mehr als das 4-fache des Preises für die Fliesen.
Es lässt sich folglich eine absolute Unverhältnismäßigkeit auf Grund der Höhe der Differenz annehmen, ohne dass es einer genauen Bestimmung eines Grenzwertes bedarf. Fraglich ist jedoch, ob diese Annahme nicht einer Korrektur durch eine richtlinienkonforme Auslegung bedarf. Die Richtlinie sieht nach ihrem Wortlaut des Art. 3 III nur die relative Unverhältnismäßigkeit vor. Sie kann daher nur angewendet werden, wenn die absolute Unverhältnismäßigkeit in § 439 III BGB unter den Begriff der Unmöglichkeit der Richtlinie subsumiert werden kann.

Hier kam es zur Vorlage an den EuGH – EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-87, 65/09:
Der EuGH hat entschieden, dass dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Totalverweigerungsrecht aufgrund absoluter Unverhältnismäßigkeit zusteht, da es mit Art. 3 III der Richtlinie unvereinbar ist. Allerdings räumt er insoweit ein, dass es mit Art. 3 der Richtlinie bei der Entstehung unverhältnismäßig hoher Kosten für den Verkäufer vereinbar wäre, dass der Verkäufer den Käufer auf die Zahlung eines angemessenen Betrags verweist.
Nach dieser Aussage lässt sich das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des § 439 III BGB jedoch nicht im Wege einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne erzielen, denn dieser steht der eindeutige Wortlaut des BGB entgegen. Hier muss dem Gebot einer richtlinienkonformen Rechtfortbildung folgend eine teleologische Reduktion des § 439 III BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt vorgenommen werden. Dies setzt grundsätzlich eine verdeckte Regelungslücke im Gesetz im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Dies ist hier gegeben. Zwar wollte der Gesetzgeber § 439 III BGB so ausgestalten, dass er mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, er hat diesen Artikel jedoch insoweit falsch interpretiert, als dass er herauslas, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit umfasse. Dass diese Interpretation falsch ist stellte der Gerichtshof in seiner Entscheidung mit Bindungswirkung fest, sodass das Gesetz planwidrig unvollständig ist und eine verdeckte Regelungslücke vorliegt.
Folglich muss § 439 III BGB hier so angewendet werden, dass dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf kein Verweigerungsrecht zusteht, wenn von vornherein nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist, oder die andere Art der Nacherfüllung zurecht verweigert wird.
Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, muss die Frage nach einer einheitlichen oder gespaltenen Auslegung bzgl. Verbrauchsgüterkäufen und Käufen zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht geklärt werden.

  1. Ergebnis
    K hat gegen V einen Anspruch auf Ausbau der mangelhaften Fliesen und auf Einbau der neuen mangelfreien Fliesen, sowie auf Ersatz der Nebenkosten für den Aus- und Einbau gem. §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I, II BGB.
    V kann K jedoch die Einrede unverhältnismäßig hoher Kosten entgegenhalten, sodass der Anspruch des K auf die Zahlung eines angemessenen Geldbetrags durch V reduziert wäre.

C. Ansprüche auf Schadensersatz
Die Ansprüche aus dem Schadensersatzrecht (Ansprüche aus §§ 434, 437 Nr. 3, 280 I BGB; §§ 434, 437 Nr. 3, 284 BGB) scheitern am fehlenden Verschulden von V.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

III. Nacherfüllungsumfang, §§ 437 Nr.1, 439 I BGB
Fraglich ist, ob K im Zuge der Nachlieferung der V auch die Entfernung der schadhaften Fliesen und die Verlegung der neu gelieferten Fliesen von V verlangen kann. Gemäß § 439 II BGB hat „der Verkäufer […] die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen“. Es stellt sich somit die Frage, ob die Kosten für die Entfernung und Verlegung der Fliesen, zumindest in den Grenzen de § 439 III 1 BGB, von diesen Kosten umfasst sind.

A
  1. Aus- und Einbau
    Ob der Aus- und Einbau der Fliesen von V im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs geschuldet wird ist streitig. Um diese Frage zu beantworten muss sowohl das deutsche, als auch das europäische Recht beachtet werden.

a) Auslegung der §§ 439 I und II BGB
Wortlaut
Nach § 439 BGB trägt der Verkäufer der mangelhaften Sache die „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“, wobei die Nacherfüllung die Lieferung einer mangelfreien Sache meint. Der Vertragsgegenstand sind die Fliesen und nicht der fertige Fußboden. Hiernach ist kein Aus- oder Einbau geschuldet.

Systematik
Die Nacherfüllung ist als modifizierter Erfüllungsanspruch, also als Anspruch auf die vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer durch § 433 I BGB verpflichtet war, anzusehen. Diese beinhaltet die Übergabe und Übereignung. Auch hiervon sind Aus- und Einbau nicht umfasst. Außerdem muss zwischen den verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten und verschuldensabhängigen Schadensersatzvorschriften unterschieden werden. Nach den verschuldensunabhängigen Vorschriften (§§ 434, 439 BGB) wird weder Aus- noch Einbau geschuldet.

b) Rechtsprechung
Das OLG Karlsruhe (ZGS 2004, 432) ist der Meinung, dass die Herstellung des Zustandes geschuldet ist, in dem sich die Sache bei einer mangelfreien Lieferung des Verkäufers befände. Aus- und Einbau wären von V geschuldet.
Das OLG Köln (NJW-RR 2006, 677) lehnt die Pflicht zum Einbau ab, die zum Ausbau jedoch nicht. Der Verkäufer schuldet die Kaufsache nur einmal und der Käufer sollte somit auch nur einmal die Kaufsache besitzen, um nicht auf den Kosten der Entsorgung sitzen zu bleiben. Die vertragliche Rücknahmepflicht des Verkäufers bildet das Spiegelbild zur Rückgewährverpflichtung des Käufers aus § 439 IV BGB. Nach dieser Ansicht schuldet V den Ausbau der Fliesen. Der gleichen Meinung ist das OLG Frankfurt (BeckRS 2008, 05877) und auch der BGH (NJW 2008, 2837).

c) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Anspruch auf eine unentgeltliche Ersatzlieferung gem. Art. 3 II der Richtlinie und der Anspruch auf eine Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher sprechen dafür, dass anzunehmen ist, dass der Verkäufer bei der Nachlieferung nach § 439 I, II BGB sowohl Aus-, als auch Einbau der Fliesen schuldet. Insbesondere die Wortwahl „Ersatz-“ Lieferung im Vergleich zu der deutschen Wortwahl „Nach-“ Lieferung lässt den Rückschluss zu, dass die schon eingebauten Fliesen beim Käufer laut der Richtlinie exakt ersetzt, also die mangelhaften ausgebaut und die mangelfreien eingebaut werden sollen. Diese weite Auslegung ist noch vom Wortlaut des § 439 I Var. 2 BGB gedeckt.

  1. Umfang der Kostentragung - Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
    a) relative Unverhältnismäßigkeit, § 439 III BGB
    Der Umfang der Kosten der Ersatzlieferung könnte eine relative Unverhältnismäßigkeit auslösen, sodass V sie verweigern könnte. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt dann vor, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zur anderen Art mit unverhältnismäßig hohen Kosten für den Verkäufer einhergeht. Eine Nachbesserung ist nicht möglich, sodass die relative Unverhältnismäßigkeit in diesem Fall kein berechtigter Einwand der V sein könnte, da K kein Wahlrecht ausüben konnte.

b) absolute Unverhältnismäßigkeit, 439 III BGB
Die Nacherfüllung könnte jedoch absolut unverhältnismäßig sein. Das ist sie, wenn die gewählte oder einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht im Vergleich zur anderen, sondern, bewertet nach allgemeinen Maßstäben, unverhältnismäßige Kosten für den Verkäufer bedeutet.
Es ist streitig, ab welchem Wert die Nacherfüllung absolut unverhältnismäßig ist. In der Literatur werden verschiedene Werte von 100% - 200% der Kosten der Nacherfüllung im Verhältnis zu den ursprünglichen Kosten als ausschlaggebend angesehen. Hier betragen die Nacherfüllungskosten mehr als das 4-fache des Preises für die Fliesen.
Es lässt sich folglich eine absolute Unverhältnismäßigkeit auf Grund der Höhe der Differenz annehmen, ohne dass es einer genauen Bestimmung eines Grenzwertes bedarf. Fraglich ist jedoch, ob diese Annahme nicht einer Korrektur durch eine richtlinienkonforme Auslegung bedarf. Die Richtlinie sieht nach ihrem Wortlaut des Art. 3 III nur die relative Unverhältnismäßigkeit vor. Sie kann daher nur angewendet werden, wenn die absolute Unverhältnismäßigkeit in § 439 III BGB unter den Begriff der Unmöglichkeit der Richtlinie subsumiert werden kann.

Hier kam es zur Vorlage an den EuGH – EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-87, 65/09:
Der EuGH hat entschieden, dass dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf kein Totalverweigerungsrecht aufgrund absoluter Unverhältnismäßigkeit zusteht, da es mit Art. 3 III der Richtlinie unvereinbar ist. Allerdings räumt er insoweit ein, dass es mit Art. 3 der Richtlinie bei der Entstehung unverhältnismäßig hoher Kosten für den Verkäufer vereinbar wäre, dass der Verkäufer den Käufer auf die Zahlung eines angemessenen Betrags verweist.
Nach dieser Aussage lässt sich das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung im Rahmen des § 439 III BGB jedoch nicht im Wege einer einfachen Gesetzesauslegung im engeren Sinne erzielen, denn dieser steht der eindeutige Wortlaut des BGB entgegen. Hier muss dem Gebot einer richtlinienkonformen Rechtfortbildung folgend eine teleologische Reduktion des § 439 III BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt vorgenommen werden. Dies setzt grundsätzlich eine verdeckte Regelungslücke im Gesetz im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Dies ist hier gegeben. Zwar wollte der Gesetzgeber § 439 III BGB so ausgestalten, dass er mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, er hat diesen Artikel jedoch insoweit falsch interpretiert, als dass er herauslas, dass dieser auch die absolute Unverhältnismäßigkeit umfasse. Dass diese Interpretation falsch ist stellte der Gerichtshof in seiner Entscheidung mit Bindungswirkung fest, sodass das Gesetz planwidrig unvollständig ist und eine verdeckte Regelungslücke vorliegt.
Folglich muss § 439 III BGB hier so angewendet werden, dass dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf kein Verweigerungsrecht zusteht, wenn von vornherein nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist, oder die andere Art der Nacherfüllung zurecht verweigert wird.
Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, muss die Frage nach einer einheitlichen oder gespaltenen Auslegung bzgl. Verbrauchsgüterkäufen und Käufen zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht geklärt werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
17
Q

D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung aus § 823 I BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
Dazu müsste § 823 I BGB überhaupt anwendbar sein. Grundsätzlich ist die Anwendbarkeit des § 823 I BGB bei Vorliegen eines EBV ausgeschlossen, da die §§ 987 ff. BGB gemäß § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang genießen. Eine Ausnahme bildet das Vorliegen einer deliktischen Besitzerlangung durch M gem. § 992 BGB. Außerdem ist § 823 I BGB bei Fremdbesitzexzess anwendbar, da der rechtmäßige Besitzer nicht schlechter stehen dürfte als ein unrechtmäßiger. Auch der rechtmäßig besitzende Besitzer würde bei Fremdbesitz nach § 823 I BGB haften und da dort nicht mal ein EBV vorliegen würde, muss dies erst recht für den unrechtmäßigen Besitzer gelten.

A

a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
M könnte den Besitz an den Bullen durch eine Straftat erlangt haben. M kaufte D die Jungbullen ab. Er hat den Besitz nicht durch eine Straftat erlangt.

b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB
Er könnte sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht verschafft haben. Mit verbotener Eigenmacht handelt gem. § 858 BGB derjenige, der dem unmittelbaren Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, soweit dies nicht vom Gesetz gestattet wird. D bot M die Bullen zum Kauf an und dieser ging darauf ein. Er erlangte den Besitz auch nicht durch verbotene Eigenmacht.

  1. Fremdbesitzexzess durch M
    Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer. M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.

II. Ergebnis
Die Anwendbarkeit des § 823 I BGB ist versperrt. L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 823 I BGB würde der Anspruch am mangelnden Verschulden des M aufgrund dessen Gutgläubigkeit scheitern.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
18
Q

Der Jungbullen-Fall BGH, Urteil vom 11. 1. 1971 ­ VIII ZR 261/69 NJW 1971, 612

Dieb D stahl dem Landwirt L zwei Jungbullen und verkaufte sie für 1.701 DM an den gutgläubigen Beklagten Metzger M. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik.
Welche Ansprüche hat L gegen M und D?

Dieser Fall behandelt die GoA und sachenrechtliche Problemstellungen wie den gutgläubigen Erwerb von Sachen nach §§ 932 ff. BGB, den Erwerb von Eigentum aufgrund von Verarbeitung nach § 950 BGB kombiniert mit Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB.

Lösungsskizze
Ansprüche L gegen M

A. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB

I. Objektiv fremdes Geschäft des M

II. Fremdgeschäftsführungswillen

III. Ergebnis

B. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB

I. EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis)

  1. Bullen = Sache i.S.d. § 90a BGB
  2. L = Eigentümer?
    a) Verlust des Eigentums an D?
    b) Verlust des Eigentums durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb an M
    aa) Erwerb vom Berechtigten, §§ 929 S.1, 90a S. 3 BGB
    bb) Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
    aaa) gutgläubiger Erwerb
    bbb) kein Abhandenkommen
    c) Zwischenergebnis
  3. M = Besitzer
  4. ohne Recht zum Besitz
  5. Zwischenergebnis

II. Bösgläubigkeit des M

III. Ergebnis

C. Anspruch L gegen M auf Geldersatz gem. §§ 987, 990 BGB

I. EBV

II. Nutzungen

III. Ergebnis

D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB

  1. Deliktischer Besitzer
    a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
    b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB
  2. Fremdbesitzexzess durch M

II. Ergebnis

E. Anspruch L gegen M auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB

I. Anwendbarkeit des § 951 BGB

  1. Nutzungsherausgabe
  2. Schadensersatz
  3. Wertersatz
  4. Zwischenergebnis

II. Voraussetzungen des § 951 I BGB

  1. Rechtsverlust, §§ 946 – 950 BGB
    a) Jungbullen als Sache i.S.d. § 90 BGB
    b) neue Sache durch Verarbeitung
    c) M = Hersteller
    d) Wert der Sache
    e) Rechtsverlust
  2. Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB
    a) Etwas erlangt
    b) In sonstiger Weise
    c) Auf Kosten des L
    d) Ohne Rechtsgrund
    aa) Kaufvertrag
    bb) Einwilligung
    e) Zwischenergebnis

III. Umfang des Bereicherungsanspruchs

  1. Inhalt
  2. Umfang
  3. Einrede: Wegfall der Bereicherung, § 818 III BGB

IV. Ergebnis

F. Ergebnis Ansprüche L gegen M

Ansprüche L gegen D

A. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB

I. Voraussetzungen § 687 II 1 BGB

  1. objektiv fremdes Geschäft
  2. Fremdgeschäftsführungswille

II. Voraussetzungen des § 678 BGB

  1. Berechtigung zur Geschäftsübernahme
  2. Übernahmeverschulden

III. Rechtsfolge

IV. Ergebnis

B. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB

I. Vorlage einer Vindikationslage

II. Rechtshändigkeit

III. Bösgläubigkeit

IV. Unmöglichkeit der Herausgabe

V. Rechtsfolge

VI. Ergebnis

C. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB

I. Voraussetzungen § 992 BGB

II. Voraussetzungen des § 823 I BGB

III. Rechtsfolge

IV. Ergebnis

D. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m 242 I StGB

I. Verstoß gegen ein Schutzgesetz

II. Rechtswidrig und schuldhaft

III. Rechtsfolge

IV. Ergebnis

E. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB

F. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 826 BGB

G. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB

I. Anwendbarkeit

II. Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB

III. Erlös erlangt

IV. Ergebnis

H. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB

I. Anwendbarkeit

II. Verfügung eines Nichtberechtigten

III. Wirksame Verfügung gegenüber L

IV. Rechtsfolge

V. Einwand: Entreicherung

VI. Ergebnis

I. Ergebnis Ansprüche L gegen D

A

Ansprüche L gegen M
A. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 687 II, 678 BGB haben, weil dieser die beiden Bullen verarbeitete. Dazu müsste M ein Geschäft des L geführt haben.

I. Objektiv fremdes Geschäft des M
Es müsste sich bei der Schlachtung der beiden Bullen um ein objektiv fremdes Geschäft des M gehandelt haben. Ein Geschäft ist objektiv fremd, wenn es nach seiner Natur, dem Inhalt und äußerem Erscheinungsbild nicht in den Rechts- und Interessenkreis des Handelnden fällt. Die Jungbullen gehörten L. M hat somit fremde Tiere geschlachtet. Es handelte sich um ein objektiv fremdes Geschäft des M.

II. Fremdgeschäftsführungswillen
M müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Fremdgeschäftsführungswille ist das Wissen und Wollen, ein fremdes Geschäft zu führen. M dachte er hätte die Bullen rechtmäßig von D erworben. Fraglich ist, wie die Tatsache zu behandeln ist, dass M keine positive Kenntnis der Fremdheit der Tiere hatte, § 687 II 1 BGB. M könnte ein Eigengeschäft geführt haben. Dabei nimmt der Handelnde das Geschäft in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vor. Er führte, wenn auch irrtümlich, ein Eigengeschäft und wollte kein Geschäft des L führen.

III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB.

B. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB haben, da dieser die beiden Bullen verarbeitete.

I. EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis)
Dazu müsste zunächst eine Vindikationslage zwischen L und M zum Zeitpunkt der Schlachtung bestanden haben. L müsste Eigentümer und M Besitzer ohne Recht zum Besitz sein und es müsste sich bei den Bullen um eine Sache i.S.d. BGB handeln.

  1. Bullen = Sache i.S.d. § 90a BGB
    Die Jungbullen müssten eine Sache im Sinne des BGB sein. Die Jungbullen sind gemäß § 90a BGB wie Sachen durch die Vorschriften des BGB zu behandeln.
  2. L = Eigentümer?
    Ursprünglich war L Eigentümer der Bullen.

a) Verlust des Eigentums an D?
D könnte Eigentümer der Bullen geworden sein. Dazu müsste eine Einigung zwischen D und L über den Übergang der Bullen vorliegen und die Bullen müssten übergeben worden sein, § 929 S. 1 BGB. Zwischen D und L kam es nie zu einer Einigung über den Eigentumsübergang, vielmehr hat sich D die Bullen durch den Diebstahl widerrechtlich angeeignet. Der D konnte kein Eigentum an den Bullen erwerben.

b) Verlust des Eigentums durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb an M
L könnte sein Eigentum an den Bullen an M verloren haben. Grundsätzlich muss gemäß § 929 S. 1 BGB zur Übertragung des Eigentums der Eigentümer die Sache übergeben und sich mit dem Erwerber einig sein, dass das Eigentum übergehen soll.

aa) Erwerb vom Berechtigten, §§ 929 S.1, 90a S. 3 BGB
Dazu müsste eine Einigung zum Übergang des Eigentums vorliegen. M hatte sich mit D darüber geeinigt, dass er Besitzer und Eigentümer der Jungbullen werden solle. Eine Einigung liegt vor. Die Bullen müssten auch übergeben worden sein. Auch das trifft zu. Problematisch erscheint aber insoweit, dass D die Bullen gestohlen hatte und selbst somit nicht Eigentümer werden konnte. Zu klären bleibt somit, ob D als Berechtigter gehandelt hatte. Da zwischen L und dem Dieb D nie eine Einigung stattgefunden hatte, hatte L sein Eigentum nicht an D gem. § 929 S. 1 BGB verloren. D war als Nichteigentümer insofern nicht berechtigt.

bb) Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
Gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB ist die Übertragung von Eigentum aber auch möglich, wenn der Erwerber bei Zeitpunkt der Eigentumserwerbung nach § 929 S. 1 BGB gutgläubig gewesen ist.

M könnte gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB das Eigentum aus dem Verkehrsgeschäft also auch von D als Nichtberechtigtem erworben haben, wenn er gutgläubig gehandelt hat.

aaa) gutgläubiger Erwerb
M müsste also gutgläubig gehandelt haben. Gutgläubig ist der Erwerber dann nicht, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, § 932 II BGB. M konnte nicht wissen, dass D nicht der rechtmäßige Eigentümer der Bullen war. Er hatte auch keinen Grund dies in Frage zu stellen. M handelte gutgläubig.

bbb) kein Abhandenkommen
Gem. § 935 I BGB scheidet ein gutgläubiger Erwerb jedoch aus, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst wie abhanden gekommen ist. Die Bullen wurden dem L von D gestohlen. Ein gutgläubiger Erwerb durch M war wegen § 935 I BGB nicht möglich.

c) Zwischenergebnis
Es trat kein Eigentumserwerb des M an den Bullen durch Rechtsgeschäft ein. Auf einen Erwerb durch Verarbeitung kommt es hier nicht an, da auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Verarbeitungsbeginn abgestellt werden muss, da der Beginn der Verarbeitung gerade den Grund dafür darstellt, dass die Bullen nicht mehr zurückgegeben werden können. Bei der Schlachtung war L noch Eigentümer der Jungbullen.

  1. M = Besitzer?
    M müsste Besitzer der Jungbullen gewesen sein. Er müsste also die tatsächliche Sachherrschaft über die Bullen gehabt haben. Die Bullen des L befanden sich bei M im Betrieb. Er hatte die tatsächliche Sachherrschaft.
  2. ohne Recht zum Besitz
    M dürfte kein Recht zum Besitz gegenüber L zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung gehabt haben. M schloss mit D einen Kaufvertrag. Dieser wirkt jedoch nur inter partes. Ein Recht zum Besitz im Verhältnis zwischen L und M zum Zeitpunkt der Schlachtung ist nicht ersichtlich. M hatte kein Recht zum Besitz.
  3. Zwischenergebnis
    Es liegt ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) vor.

II. Bösgläubigkeit des M
M müsste bei Besitzerwerb bösgläubig gewesen sein oder er hätte danach positive Kenntnis seines mangelnden Besitzrechts erlangt haben müssen, § 990 I BGB. M erfuhr erst bei Klage des L von seinem mangelnden Besitzrecht. M war bei Besitzerwerb also weder bösgläubig gem. §§ 990 I 1, 932 II BGB noch hatte er eine spätere positive Kenntnis vom mangelnden Besitzrecht gem. § 990 I 2 BGB.

III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB.

C. Anspruch L gegen M auf Geldersatz gem. §§ 987, 990 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen M aus §§ 987, 990 BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.

I. EBV
Eine Vindikationslage zwischen L und M liegt vor (siehe oben).

II. Nutzungen
M hätte Nutzungen aus der Sache, also den Bullen, gezogen haben müssen. Nutzungen sind Früchte oder Gebrauchsvorteile. MDie Verarbeitung von Sachen stellt jedoch gem. § 100 BGB keine Nutzung dar, da bei Nutzungen die Muttersache erhalten bleiben muss. M hat keine Nutzungen aus den Bullen gezogen. Darüber hinaus war M auch hier gutgläubig.

III. Ergebnis
L hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen M aus §§ 987, 990 BGB.

D. Anspruch L gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung aus § 823 I BGB haben, da dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
Dazu müsste § 823 I BGB überhaupt anwendbar sein. Grundsätzlich ist die Anwendbarkeit des § 823 I BGB bei Vorliegen eines EBV ausgeschlossen, da die §§ 987 ff. BGB gemäß § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang genießen. Eine Ausnahme bildet das Vorliegen einer deliktischen Besitzerlangung durch M gem. § 992 BGB. Außerdem ist § 823 I BGB bei Fremdbesitzexzess anwendbar, da der rechtmäßige Besitzer nicht schlechter stehen dürfte als ein unrechtmäßiger. Auch der rechtmäßig besitzende Besitzer würde bei Fremdbesitz nach § 823 I BGB haften und da dort nicht mal ein EBV vorliegen würde, muss dies erst recht für den unrechtmäßigen Besitzer gelten.

  1. Deliktischer Besitzer
    Es könnte sich bei M um einen deliktischen Besitzer handeln. Als deliktischer Besitzer wird derjenige Besitzer bezeichnet, der seinen Besitz entweder durch verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat erlangt hat.

a) Besitzerlangung durch Straftat des M, § 992 BGB
M könnte den Besitz an den Bullen durch eine Straftat erlangt haben. M kaufte D die Jungbullen ab. Er hat den Besitz nicht durch eine Straftat erlangt.

b) Beschaffung durch verbotene Eigenmacht, 992 BGB
Er könnte sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht verschafft haben. Mit verbotener Eigenmacht handelt gem. § 858 BGB derjenige, der dem unmittelbaren Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, soweit dies nicht vom Gesetz gestattet wird. D bot M die Bullen zum Kauf an und dieser ging darauf ein. Er erlangte den Besitz auch nicht durch verbotene Eigenmacht.

  1. Fremdbesitzexzess durch M
    Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer. M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.

II. Ergebnis
Die Anwendbarkeit des § 823 I BGB ist versperrt. L hat keinen Anspruch gegen M auf Schadensersatz aus § 823 I BGB. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 823 I BGB würde der Anspruch am mangelnden Verschulden des M aufgrund dessen Gutgläubigkeit scheitern.

E. Anspruch L gegen M auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB
L könnte gegen M einen Anspruch auf Wertersatz aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, indem dieser die beiden Jungbullen verarbeitete.

I. Anwendbarkeit des § 951 BGB
Die §§ 987 ff. BGB könnten gem. § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang vor §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, da es sich bei diesen um Sonderregelungen handelt. Vorrang haben jedoch nur Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Ansprüche auf Schadensersatz, denn die §§ 987 ff. BGB sind nur bezüglich Forderungen auf Schadensersatz, Nutzungsersatz und Verwendungen abschließend, nicht jedoch hinsichtlich Rechtsverlust oder Erlösherausgabe. Es geht um Eigentumsansprüche von L an M und nicht um den Besitz.

  1. Nutzungsherausgabe
    Es dürfte sich bei der Forderung aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB nicht um eine Forderung auf Nutzungsherausgabe handeln. Die Schlachtung ist keine Nutzung gem. § 100 BGB. Unter diese zählen nur Früchte und Gebrauchsvorteile (siehe oben).
  2. Schadensersatz
    Es dürfte sich auch nicht um eine Schadensersatzforderung handeln. Der Schadensersatz ist eine Kompensation von Vermögensvorteilen. Die Schlachtung lässt keinen zu kompensierenden Vermögensvorteil entstehen.
  3. Wertersatz
    Es könnte sich jedoch um eine Forderung auf Wertersatz handeln. Der Wertersatz verlangt nur die Herausgabe von Vermögensvorteilen. Er ist somit ein Bereicherungsanspruch (BGH NJW 1971, 612 (614)). Hier geht es um Folgeansprüche aus Verarbeitung, also auf die Herausgabe der Bereicherung. §951 I 1 BGB ist ein sogenannter Rechtsfortwirkungsanspruch zu § 985 BGB.
  4. Zwischenergebnis
    § 951 I BGB ist anwendbar.

II. Voraussetzungen des § 951 I BGB
1. Rechtsverlust, §§ 946 – 950 BGB
L müsste nach den §§ 946 – 950 BGB einen Rechtsverlust erlitten haben. Hier kommt der Verlust des Eigentums an den Jungbullen in Betracht, § 950 I BGB.

a) Jungbullen als Sache i.S.d. § 90 BGB
Die Jungbulle sind als Sache im Sinne des BGB zu behandeln (siehe oben)

b) neue Sache durch Verarbeitung
Es müsste eine neue Sache hergestellt worden sein. Eine neue Sache ist im Wesentlichen durch einen neuen Namen gekennzeichnet. Die Jungbullen wurden zu Fleischwaren verarbeitet. Sie wurden zu einer neuen beweglichen Sache verarbeitet.

c) M = Hersteller
M müsste der Hersteller der neuen Sache sein. Hersteller ist, in wessen Namen und wirtschaftlichen Interesse die Herstellung erfolgt ist. Die Jungbullen wurden im Betrieb des M auf dessen Geheiß hin verarbeitet. Er ist somit Hersteller der neuen Sache.

d) Wert der Sache
Der Wert der Verarbeitung darf nicht erhebliche geringer sein, als der des ursprünglichen Stoffes. Der Wert der Verarbeitung berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Wert der neuen und dem Wert der alten Sache. Hier sind keine Angaben im Sachverhalt vorhanden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Verarbeitung von Tieren für den M wirtschaftlich lohnt, da dieser den Beruf sonst nicht ausüben würde. Der Wert der Fleischwaren war nicht erheblich geringer als der Wert der Jungbullen.

e) Rechtsverlust
Der Erwerb des Eigentums an den Fleischwaren durch M nach § 950 I BGB ist die Kehrseite zum Verlust des Eigentums des L an den Bullen. L hat durch die Verarbeitung durch M sein Eigentum an den Jungbullen verloren.

  1. Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB
    Die Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB müssten vorliegen. § 951 I 1 BGB ist insoweit eine Rechtsgrundverweisung.

a) Etwas erlangt
Unter „etwas erlangt“ i.S.d. § 812 I 1 2. Alt. BGB fällt jeder wirtschaftliche Vermögensvorteil. M hat Eigentum an den Fleischwaren, die aus den Bullen entstanden sind, erworben. Er hat etwas erlangt.

b) In sonstiger Weise
Problematisch ist hier insoweit der mögliche Vorrang einer Leistungsbeziehung. Grundsätzlich ist die Nichtleistungskondiktion zur Leistungskondiktion subsidiär, sodass § 812 I 1 2. Alt. BGB nur anwendbar wäre, wenn § 812 I 1 1. Alt BGB nicht einschlägig wäre. Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt hat, ist keinem Dritten mehr auf diesen Anspruch bezogen bereicherungsrechtlich verpflichtet. Zur Rückabwicklung von Geschäften gehört dabei auch, dass das Geschäft nur mit dem aus dem Schuldverhältnis resultierenden Geschäftspartner rückabgewickelt werden muss.

Fraglich ist also, ob M das Eigentum an den Bullen durch Leistung oder auf sonstige Weise erlangt hat. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab die Bullen an M, sodass dieser die physische Gewalt über diese erlangte. Da ein gutgläubiger Rechtserwerb des M aufgrund des Diebstahls durch D gem. § 935 I BGB ausgeschlossen war, erlangte er nur Besitz und kein Eigentum. Das Eigentum erlangte er mit Verarbeitung an der neuen Sache kraft Gesetz (siehe oben). M erlangte das Eigentum an den Bullen bzw. Fleischwaren zwar durch die Besitzverschaffung durch D aber nicht durch Leistung des D. Somit hat er es nicht durch Leistung erlangt. M erlangte das Eigentum in sonstiger Weise.

c) Auf Kosten des L
M müsste das Eigentum auf Kosten des L erlangt haben. Das ist dann der Fall, wenn der Vorteil des Anspruchsgegners auf dem gleichen Lebensvorgang wie der Schaden beim Anspruchssteller beruht. Die Erlangung des Eigentums durch M ist stoffgleich zum Eigentumsverlust des L. Die Schlachtung beendete das Eigentum des L. Sie ging auf seine Kosten.

d) Ohne Rechtsgrund
M müsste das Eigentum ohne Rechtsgrund erworben haben.

aa) Kaufvertrag
Ein Rechtsgrund könnte in dem Kaufvertrag zwischen D und M gelegen haben. Kaufverträge wirken nach dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen jedoch nur inter partes. Der Kaufvertrag ist somit kein Rechtsgrund gegenüber L.

bb) Einwilligung
L könnte jedoch nach § 185 II BGB die Eigentumsübergang genehmigt haben. L hat den Eigentumsübergang nicht genehmigt.

e) Zwischenergebnis
Die Voraussetzungen des § 812 I 1 2. Alt. BGB liegen vor.

III. Umfang des Bereicherungsanspruchs
1. Inhalt
Der Bereicherungsanspruch enthält eine Vergütung in Geld, § 951 I 1 BGB. Eine Herausgabe der Jungbullen ist unmöglich.

  1. Umfang
    Die Bereicherung erfolgte aufgrund der Verarbeitung und nicht aufgrund des Kaufs der Bullen. Der Umfang des Bereicherungsanspruchs hat die Höhe des objektiven Werts des verarbeiteten Gegenstandes gem. § 818 II BGB.
  2. Einrede: Wegfall der Bereicherung, § 818 III BGB
    Die Bereicherung könnte jedoch auf Grund der Kaufpreiszahlung weggefallen sein, § 818 III BGB. Wären die Bullen noch vorhanden gewesen, hätte M diese gem. § 985 BGB herausgeben müssen und hätte keine Möglichkeit gehabt den Kaufpreis abzuziehen. Der Bereicherungsanspruch aus § 951 I 1 BGB ist an die Stelle des Anspruchs auf Herausgabe der Sache aus § 985 BGB getreten. (BGH NJW 1971, 612 (615)) M kann sich nicht auf die Einrede der Entreicherung gem. § 818 III BGB berufen. Gleichwohl kann M den bezahlten Kaufpreis von D zurückfordern.

IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen M auf eine Zahlung in Höhe von 1701 Euro aus §§ 951 I 1, 812 I 1 2. Alt. BGB.

F. Ergebnis Ansprüche L gegen M
L hat einen Anspruch auf Wertersatz gegen M aus §§ 951 I 1, 812 I 1 2. Alt. BGB.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
19
Q

Der Jungbullen-Fall BGH, Urteil vom 11. 1. 1971 ­ VIII ZR 261/69 NJW 1971, 612

Dieb D stahl dem Landwirt L zwei Jungbullen und verkaufte sie für 1.701 DM an den gutgläubigen Beklagten Metzger M. Dieser verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik.
Welche Ansprüche hat L gegen M und D?

A

Ansprüche L gegen D

A. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 687 II 1, 678 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Zahlung eines Schadensersatzes aus §§ 687 II 1, 678 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Voraussetzungen § 687 II 1 BGB
Dazu müsste D ein für sich objektiv fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen getätigt haben.

  1. objektiv fremdes Geschäft
    D hat fremde Tiere verkauft. Es handelt sich um ein objektiv fremdes Geschäft.
  2. Fremdgeschäftsführungswille
    D müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Er wusste, dass die Bullen nicht ihm, sondern dem L gehörten und dass er keine Befugnis hatte, das Geschäft zu tätigen. D handelte mit Fremdgeschäftsführungswillen.

II. Voraussetzungen des § 678 BGB
1. Berechtigung zur Geschäftsübernahme
D müsste ein Geschäft gegen den Willen des L geführt haben. L wollte nicht, dass seine Jungbullen verkauft werden. D hatte keine Berechtigung zur Geschäftsübernahme. Er handelte weder im Interesse noch im Willen des L.

  1. Übernahmeverschulden
    D müsste gewusst haben oder zumindest erkennen können, dass er gegen den Willen des L handelte. Er stahl dem L heimlich dessen Tiere. Er wusste, dass er sie nicht stehlen und erst recht nicht zur Schlachtung verkaufen durfte.

III. Rechtsfolge
Rechtsfolge ist grundsätzlich eine Naturalrestitution nach § 249 I BGB. Stattdessen kann jedoch Schadensersatz in Geld nach § 250 BGB gefordert werden. Die Herstellung des ursprünglichen Zustandes ist jedoch nicht möglich. Der Geschäftsführer schuldet dem Geschäftsherrn dann Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.

IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswert der Bullen, also auf 1. 701 Euro, gegen D aus §§ 687 II 1, 678 BGB.

B. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 989, 990 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Vorlage einer Vindikationslage
Es müsste eine Vindikationslage zwischen L und D im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bestanden haben. Die Verletzungshandlung lag in der Weitergabe der Tiere. L ist zu diesem Zeitpunkt noch Eigentümer und D ist Besitzer ohne Recht zum Besitz gegenüber L. Eine Vindikationslage lag vor.

II. Rechtshändigkeit
Der Streit war zu diesem Zeitpunkt nicht rechtshängig gem. §§ 989 BGB, 253, 261 ZPO.

III. Bösgläubigkeit
D müsste bösgläubig gewesen sein. D verkaufte gestohlene Tiere an B. Er wusste, dass er das nicht hätte tun dürfen. D war bösgläubig gem. §§ 990 I 1, 932 II BGB.

IV. Unmöglichkeit der Herausgabe
Die Herausgabe der Tiere ist unmöglich geworden. Dies hatte D durch seine vorsätzliche Weitergabe an M, in dem Wissen, dass dieser die Tiere verarbeiten werde, verschuldet, §§ 989, 276 I BGB.

V. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes der Bullen. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.

VI. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D in Höhe von 1. 701 Euro aus §§ 989, 990 BGB.

C. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB
L könnte einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 I BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Voraussetzungen § 992 BGB
D müsste sich den Besitz an den Bullen durch verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB oder durch Straftat (§ 242 I StGB) verschafft haben. D hat die Jungbullen dem L gestohlen. Der Diebstahl ist eine Straftat i.S.d. StGB.

II. Voraussetzungen des § 823 I BGB
D müsste die Eigentumsverletzung rechtswidrig und schuldhaft begangen haben. L verlor sein Eigentum endgültig durch die Schlachtung der Tiere durch M. D gab die gestohlenen Bullen jedoch rechtswidrig und schuldhaft an M weiter. Die Eigentumsverletzung durch D am Eigentum des L geschah rechtswidrig und schuldhaft.

III. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.

IV. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 I BGB in Höhe von 1. 701 Euro.

D. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m 242 I StGB
L könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Verstoß gegen ein Schutzgesetz
D müsste gegen ein Schutzgesetz verstoßen haben. D hat das Eigentum (zumindest im weiteren Kausalzusammenhang betrachtet) und den Besitz des L beendet. Er verstieß gegen § 242 I StGB.

II. Rechtswidrig und schuldhaft
Der Verstoß müsste rechtswidrig und schuldhaft gewesen sein. D handelte gegen das Gesetz und dieser Verstoß ist ihm persönlich vorwerfbar. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.

III. Rechtsfolge
D schuldet L Schadensersatz in Geld in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Dies bedarf keiner Fristsetzung gem. § 251 BGB.

IV. Ergebnis
L hat einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB in Höhe von 1. 701 Euro.

E. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB
L könnte einen Schadensersatzanspruch gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte. Die Voraussetzungen liegen alle vor (siehe oben). Insbesondere handelte D mit verbotener Eigenmacht gem. § 858 I BGB. L hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB in Höhe von 1. 701 Euro.

F. Anspruch L gegen D auf Schadensersatz aus §§ 992, 826 BGB
L könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 826 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte. Die Voraussetzungen liegen alle vor (siehe oben). D verstieß gegen die guten Sitten und fügte L somit vorsätzlich einen Schaden zu. L hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen D aus §§ 992, 826 BGB in Höhe von 1. 701 Euro.

G. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Anwendbarkeit
Da es hier um den Veräußerungserlös und nicht um Schadens- oder Nutzungsersatzforderungen geht ist die Anwendung der Paragraphen nicht durch § 993 I Hs. 2 BGB versperrt.

II. Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB
Die Voraussetzungen des § 687 II 1 BGB müssten erfüllt sein.
Es handelt sich um ein objektiv fremdes Geschäft des D und dieser hatte Kenntnis der Fremdheit (siehe oben).

III. Erlös erlangt
D müsste einen Veräußerungserlös erlangt haben. D hat durch den Kaufpreis einen Veräußerungserlös gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB erlangt.

IV. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses in Höhe des Kaufpreises aus §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB.

H. Anspruch L gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB
L könnte einen Anspruch gegen D auf Herausgabe des Veräußerungserlöses aus § 816 I 1 BGB haben, da dieser ihm die Jungbullen gestohlen und sie an M weiterverkauft hatte.

I. Anwendbarkeit
Auch hier versperrt § 993 I Hs. 2 BGB die Anwendung des Paragraphen nicht, da § 816 BGB nicht auf einen Schadens- oder Nutzungsersatz, sondern auf die Zahlung des Veräußerungserlöses abzielt.

II. Verfügung eines Nichtberechtigten
D müsste als Nichtberechtigter über die Bullen verfügt haben. D hat die Bullen an M veräußert. Er war als Dieb der Bullen nicht dazu berechtigt.

III. Wirksame Verfügung gegenüber L
Die Verfügung müsste gegenüber L wirksam sein. L könnte die Verfügung durch D genehmigen gem. § 185 II BGB, aber dadurch würde er seine Ansprüche gegen M aus § 951 I BGB verlieren. Da sein Anspruch dann auf der Solvenz des M beruht, sollte L das Geschäft nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Veräußerungserlöses genehmigen.

IV. Rechtsfolge
Streitig ist der Umfang des Anspruchs des L. Unklarheit besteht also darüber, was unter Erlangtes zu verstehen ist.

Nach einer Meinung umfasst das Erlangte den objektiven Wert der Sache. Danach hat D nur den objektiven Wert der Jungbullen, nicht seinen möglichen Gewinn auszuzahlen. Diese Meinung begründen ihre Vertreter damit, dass die Pflicht zur Übereignung der Sache und der Bezahlung des Wertes im Gegenzug die Verfügung und damit eine Realakt zum Gegenstand hat, während die Aushandlung eines möglichen Gewinns Inhalt des Kausalgeschäfts sei und deswegen hier nicht berücksichtigt werden müsse,

Nach einer anderen Meinung muss er den erlangten Mehrerlös bezahlen. Diese Meinung stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes (vgl. § 816 I BGB). Sie argumentiert, dass der gewinnbringende Umgang mit einer Sache nur dem Eigentümer zustehe und sollte jemand dies gegen dessen Willen tun, müsse dieser gem. § 816 BGB auch seinen Erlös herausgeben. Der Gewinn ist somit das Surrogat zu der Möglichkeit des Verkaufs der Sache.

V. Einwand: Entreicherung
D haftet als bösgläubiger Besitzer verschärft nach §§ 819 I, 818 IV BGB, sodass er sich allein deswegen nicht auf eine Entreicherung berufen könnte.

VI. Ergebnis
L hat einen Anspruch gegen D auf die Herausgabe des Veräußerungserlöses in der Höhe des Kaufpreises aus § 816 I 1 BGB.

I. Ergebnis Ansprüche L gegen D
L hat Ansprüche auf Schadensersatz gegen D aus §§ 687 II 1, 678 BGB, aus §§ 989, 990 BGB, aus §§ 992, 823 I BGB, aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 242 I StGB, aus §§ 992, 823 II BGB i.V.m. 858 I BGB, aus §§ 992, 826 BGB und Ansprüche auf Herausgabe des Veräußerungserlöses nach §§ 687 II 1, 681 S. 2, 667 BGB und § 816 I 1 BGB.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
20
Q
  1. Fremdbesitzexzess durch M
    Es könnte sich um einen Fremdbesitzexzess durch M handeln. Fremdbesitzexzess ist die Überschreitung des tatsächlich oder vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Fremdbesitzer.
A

M hielt sich für den Eigentümer. Ein Eigentümer darf mit seinen Sachen verfahren wie er möchte. Die Verarbeitung der Bullen war von seinem hypothetischen Handlungsspielraum gedeckt. Es liegt auch kein Fremdbesitzexzess vor.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
21
Q

I. Anwendbarkeit des § 951 BGB
Die §§ 987 ff. BGB könnten gem. § 993 I Hs. 2 BGB Vorrang vor §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB haben, da es sich bei diesen um Sonderregelungen handelt.

KEINE
1. Nutzungsherausgabe

  1. Schadensersatz
  2. Wertersatz
A

Vorrang haben jedoch nur Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Ansprüche auf Schadensersatz, denn die §§ 987 ff. BGB sind nur bezüglich Forderungen auf Schadensersatz, Nutzungsersatz und Verwendungen abschließend, nicht jedoch hinsichtlich Rechtsverlust oder Erlösherausgabe. Es geht um Eigentumsansprüche von L an M und nicht um den Besitz.

  1. Nutzungsherausgabe
    Es dürfte sich bei der Forderung aus §§ 951, 812 I 1 2. Alt. BGB nicht um eine Forderung auf Nutzungsherausgabe handeln. Die Schlachtung ist keine Nutzung gem. § 100 BGB. Unter diese zählen nur Früchte und Gebrauchsvorteile (siehe oben).
  2. Schadensersatz
    Es dürfte sich auch nicht um eine Schadensersatzforderung handeln. Der Schadensersatz ist eine Kompensation von Vermögensvorteilen. Die Schlachtung lässt keinen zu kompensierenden Vermögensvorteil entstehen.
  3. Wertersatz
    Es könnte sich jedoch um eine Forderung auf Wertersatz handeln. Der Wertersatz verlangt nur die Herausgabe von Vermögensvorteilen. Er ist somit ein Bereicherungsanspruch (BGH NJW 1971, 612 (614)). Hier geht es um Folgeansprüche aus Verarbeitung, also auf die Herausgabe der Bereicherung. §951 I 1 BGB ist ein sogenannter Rechtsfortwirkungsanspruch zu § 985 BGB.
  4. Zwischenergebnis
    § 951 I BGB ist anwendbar.
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
22
Q

b) In sonstiger Weise
Problematisch ist hier insoweit der mögliche Vorrang einer Leistungsbeziehung. Grundsätzlich ist die Nichtleistungskondiktion zur Leistungskondiktion subsidiär, sodass § 812 I 1 2. Alt. BGB nur anwendbar wäre, wenn § 812 I 1 1. Alt BGB nicht einschlägig wäre.

A

Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt hat, ist keinem Dritten mehr auf diesen Anspruch bezogen bereicherungsrechtlich verpflichtet. Zur Rückabwicklung von Geschäften gehört dabei auch, dass das Geschäft nur mit dem aus dem Schuldverhältnis resultierenden Geschäftspartner rückabgewickelt werden muss.

Fraglich ist also, ob M das Eigentum an den Bullen durch Leistung oder auf sonstige Weise erlangt hat. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. D übergab die Bullen an M, sodass dieser die physische Gewalt über diese erlangte. Da ein gutgläubiger Rechtserwerb des M aufgrund des Diebstahls durch D gem. § 935 I BGB ausgeschlossen war, erlangte er nur Besitz und kein Eigentum. Das Eigentum erlangte er mit Verarbeitung an der neuen Sache kraft Gesetz (siehe oben). M erlangte das Eigentum an den Bullen bzw. Fleischwaren zwar durch die Besitzverschaffung durch D aber nicht durch Leistung des D. Somit hat er es nicht durch Leistung erlangt. M erlangte das Eigentum in sonstiger Weise.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
23
Q

Der Schwarzarbeiterfall

Mit dem jüngst vom BGH entschieden Fall von Schwarzarbeit (Urt. v. 10.04.2014, Az: VII ZR 241/13) vollzog sich ein Rechtsprechungswandel. Während der BGH in seiner früheren Rechtsprechung (Urt. v. 31.05.1990, Az: VII ZR 336/89) den § 817 S. 2 BGB bei Fällen der Schwarzarbeit für nicht anwendbar erklärte, kehrte er seine Rechtsprechung nun um, mit der Folge, dass sowohl die Vergütungsansprüche des “schwarz” arbeitenden Werkunternehmers als auch die Gewährleistungsansprüche des Bestellers wegen § 817 S. 2 BGB ausscheiden.

Lösungsskizze
A. Ansprüche des E auf Zahlung des Werklohnes

I. § 631 Abs. 1 BGB

  1. Wirksamer Werkvertrag
  2. Ergebnis

II. §§ 677, 683 S.1, 670 BGB

  1. Fremdes Geschäft
  2. Fremdgeschäftsführungswille
  3. Ergebnis

III. § 817 S. 1 BGB Ausschluss der Rückforderung gem. § 817 S. 2 BGB

  1. Erlangtes Etwas durch Leistung
  2. Ausschluss des Anspruchs gem. § 817 S.2 BGB
    a. ) Frühere Rechtsprechung des BGH
    b. ) Herrschende Literatur / Teile der Rechtsprechung/ BGH
    c. ) Streitentscheid
  3. Ergebnis

IV. §§ 812 Abs. 1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

V. §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB

B. Ansprüche des A auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB

A

Gutachten
A. Ansprüche des E auf Zahlung des Werklohnes

I. Anspruch aus E gegen A aus § 631 Abs. 1 BGB

E könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn i.H.v. 5.000 EUR aus § 631 Abs. 1 BGB haben.

  1. Wirksamer Werkvertrag
    Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Parteien einen wirksamen Werkvertrag geschlossen haben. Der Werkvertrag könnte hier gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und deshalb nach § 134 BGB nichtig sein. Fraglich ist, ob es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz handelt. Ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz liegt vor, wenn dieses ausdrücklich oder konkludent eine Beschränkung des rechtlichen Dürfens enthält. Enthält das Verbotsgesetz lediglich eine Ordnungsvorschrift, so führt ein Verstoß nicht automatisch zur Nichtigkeit. Dies ist durch Auslegung des Gesetzeszweckes zu ermitteln.
    Ergibt die Auslegung nach Sinn und Zweck, dass ein wirksames Zustandekommen des Vertrages nicht gewollt ist, liegt ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB vor.

[Exkurs: Vor der Änderung des SchwarzArbG durch das am 01.08.2004 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit war die Nichtabführung der Steuer bei einer sog. „Ohne- Rechnung-Abrede“ kein Fall der Schwarzarbeit, sondern lediglich eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Nichtig war danach nur die „ohne Rechnung-Abrede“, nicht aber der Werkvertrag an sich. Ein geschlossener Vertrag war danach nur nichtig, wenn der Hauptzweck des Vertrages gerade die Steuerhinterziehung war.]

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Werkleistungen erbringt und dabei als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Ausdrücklich wird darin der Vertragsabschluss nicht beschränkt. Sinn und Zweck des Gesetzes ist jedoch eine effektive Bekämpfung von Schwarzarbeit. Dies kann nur dadurch geschehen, dass ein Leistungsaustausch verhindert oder zumindest erschwert wird. Dies wird allerdings nur mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit erreicht. Damit handelt es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB. Gem. § 139 BGB ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Vertrags der gesamte Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Hier hätten die Parteien wohl den Werkvertrag in der Gestalt nicht geschlossen, wenn die Umsatzsteuer hätte abgeführt werden müssen.

Es müsste weiterhin gegen das SchwarzArbG verstoßen worden sein. Hier kommt ein Verstoß gegen § 1 Abs.2 Nr.2 SchwarzArbG in Betracht.
E hat mit A vereinbart, dass keine Rechnung für die erbrachte Werkleistung erstellt wird und A den Werklohn bar bezahlen soll. Hierdurch wollten A und E die anfallende Umsatzsteuerpflicht umgehen. Somit liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG vor. Der Werkvertrag ist damit gem. § 134 BGB nichtig.

  1. Ergebnis

E hat deshalb keinen Anspruch auf Werklohnzahlung gem. § 631 Abs. 1 BGB.

II. Anspruch des E gegen A gem. §§ 677, 683 S.1, 670 BGB

E könnte gegen A einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus echter, berechtigterer GoA gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben.

  1. Fremdes Geschäft

E müsste ein fremdes Geschäft geführt haben. Er handelte sowohl im eigenen Rechtskreis, weil er eine Verbindlichkeit erfüllen wollte, als auch im Rechtskreis des A, da er dessen Elektroarbeiten ausführte. Damit liegt ein auch-fremdes Geschäft vor.

  1. Fremdgeschäftsführungswille

Fraglich ist, ob E mit Fremdgeschäftsführungswille handelte. Bei einem auch-fremden Geschäft wird nach Ansicht der Rechtsprechung der Fremdgeschäftsführungswillen vermutet. Die herrschende Literatur verneint bei Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung den Fremdgeschäfts-führungswillen, da der Geschäftsführer allein deshalb handele, um seine eigene, vertragliche Verpflichtung zu erfüllen. Damit liege ein eigenes Geschäft gem. § 687 Abs. 1 BGB vor.

Für die herrschende Literatur spricht, dass durch das Bereicherungsrecht unter anderem auch die Rückabwicklung von nichtigen Verträgen geregelt wurde. Eine Anwendung der GoA würde zu einer Umgehung dieser Sondervorschriften führen. Dem ist zu folgen.

  1. Ergebnis

E handelt danach ohne Fremdgeschäftsführungswille, ein Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB scheidet aus.

III. Anspruch des E gegen A gem. § 817 S.1 BGB

Ein Anspruch auf Zahlung des Werklohnes könnte sich aus § 817 S.1 BGB ergeben. Danach ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.

  1. Erlangtes Etwas durch Leistung

A müsste etwas durch Leistung des E erlangt haben. Etwas Erlangtes kann jede Verbesserung der Vermögensposition bzw. jeder Vermögensvorteil sein. A hat die Werkleistung des E erlangt. E hat diese Werkleistung auch zur bewussten und zweckgerichteten Mehrung des Vermögens des A erbracht.

  1. Ausschluss des Anspruchs gem. § 817 S.2 BGB
    Der Anspruch könnte jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen haben. Ob ein Ausschluss gem. § 817 S.2 BGB vorliegt, ist umstritten.

a.) Frühere Rechtsprechung des BGH (Urt.v. 31.05.1990 - VII ZR 336/89)
Nach einer Ansicht wird vertreten, dass der § 817 S. 2 BGB in Fällen von Schwarzarbeit nicht anwendbar sein soll). Dies wird mit einer teleologischen Reduktion der Norm begründet, die sich auf § 242 BGB stützt.

b.) H. L/ T. d. Rspr./ BGH

Eine andere Ansicht vertritt hingegen, dass es sich bei dem SchwarzArbG um ein Verbotsgesetz handelt, das gerade auch den Ausschluss der bereicherungsrechtlichen Folge herbeiführen will.

c.) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen ist ein Streitentscheid erforderlich.
Für die erste Ansicht spricht, dass der in Vorleistung tretende Werkunternehmer durch einen Ausschluss des Lohnanspruchs einseitig benachteiligt wird, obwohl beide Seiten gegen das Gesetz verstoßen. Dem Werkunternehmer das Vorleistungsrisiko alleine aufzubürden widerspricht auch den Grundsätzen von Treu und Glauben. Zweck des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes könnte vielmehr die Wahrung öffentlicher Interessen, wie etwa des Interesses an Steuereinnahmen sein .Dazu genügt jedoch zur Abschreckung bereits der Ausschluss vertraglicher Ansprüche, insbesondere der Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte oder die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung.
Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass bei einem beiderseitigen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz kein Raum für Billigkeitserwägungen bleibt. Der Wortlaut spricht auch dafür. Darüber hinaus schadet eine teleologische Reduktion von § 817 S. 2 BGB dem Sinn und Zweck des SchwarzArbG, denn damit soll gerade der Schwarzarbeit die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden. Der Verlust der bereicherungsrechtlichen Folge ist vom Gesetzgeber daher gerade gewollt. Da diese Ansicht eher dem gesetzgeberischen Willen entspricht ansonsten eine Durchbrechung der Gewaltenteilung drohen könnte, ist diese Ansicht vorzugswürdig.

[Exkurs : Dieser Ansicht hat sich nunmehr der BGH auch in seiner neuen Rechtsprechung (Urt. v. 10.04.2014 - VII ZR 241/13) angeschlossen. Er hält nun auch den § 817 S. 2 BGB für anwendbar, um das durch den Gesetzgeber verfolgte Ziel der effektiven Eindämmung der Schwarzarbeit besser durchzusetzen.]

  1. Ergebnis

Mithin ist der Anspruch aus § 817 S.1 BGB wegen § 817 S.2 BGB ausgeschlossen.

IV. §§ 812 Abs. 1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

Ein Anspruch aus §§ 812 Abs.1, S.1, Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB ist ebenfalls wegen § 817 S.2 BGB ausgeschlossen.

V. Anspruch E gegen A aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1, S.1 Alt. 1 BGB

Bei § 951 Abs. 1 BGB handelt es sich nach herrschender Meinung um eine Rechtsgrundverweisung, sodass der Ausschluss gem. § 817 S.2 BGB auch die Ansprüche aus § 951 Abs. 1 BGB betrifft.

B. Ansprüche des A auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB

Mangels Vorliegens eines wirksamen Werkvertrages hat A wegen der Mängel auch keinen Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
24
Q

Der Erbensucher-Fall

Der Fall behandelt schwerpunktmäßig die Voraussetzungen der GoA und des Bereicherungsrechts. Auch wird ein direkter vertraglicher Anspruch diskutiert. Der Fall ist ein Klassiker, da er viele Wertungsgesichtspunkte in der Falllösung berücksichtigt und die Gelegenheit bietet, relevanten Pflichtfachstoff für das 1. und 2. Staatsexamen zu wiederholen.

Lösungsskizze
A. Zahlungsanspruch aus § 631 I ( oder § 611, § 675) BGB

I. Wirksamer Werkvertrag (-)

(P) Anspruch aus § 242 BGB? (-)

II. Ergebnis

B. Anspruch aus §§ 683 S.1, 677, 670 BGB

I. Geschäft (+)

II. Fremd

(P) Interessenkollision

III. Ergebnis

C. Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 iVm. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

I. Geschäftsanmaßung (-)

II. Ergebnis

D. Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

I. Etwas erlangt

II. Durch Leistung

III. Ohne Rechtsgrund

(P) Wertung der GoA

IV. Ergebnis (-)

A

Gutachten
A. Zahlungsanspruch aus § 631 I ( oder § 611, § 675) BGB

E könnte eine Anspruch auf Zahlung von 10.000 Euro haben gem. § 631 I BGB.

I. Wirksamer (Werk-) Vertrag

Fraglich ist, ob ein wirksamer Werkvertrag vorliegt. Je nach Schwerpunkt des Vertrages kommt hier auch ein Dienstvertrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht. Der genaue Typus des Vertrages kann jedoch dahinstehen, wenn schon keine zwei korrespondierenden Willenserklärungen (Angebot und Annahme) hinsichtlich eines rechtsverbindlichen Vertrages vorliegen. Ein Angebot des Erbensuchers liegt hier vor, indem er den Geschwistern anbot, gegen eine Vergütung die Informationen über den Erblasser herauszugeben. Es müsste jedoch auch eine Annahme vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts lehnten die Geschwister es jedoch entschieden ab, das Angebot des E anzunehmen und die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Somit liegt kein Vertrag vor.

Problematisch ist allerdings, dass die Geschwister die von E erarbeiteten Informationen trotzdem benutzen, um die Erbschaft annehmen zu können. Fraglich ist daher, ob hier gem. § 242 BGB ein Anspruch aus Treu und Glauben herzuleiten ist. Hier könnte zwar eine Vertragsanbahnung gem. §§ 311 II Nr. 2, 241 II BGB vorliegen, allerdings ist schon höchst fraglich, ob durch die Art der Kontaktaufnahme des E hier ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden konnte. Dies wird man hier verneinen müssen. Gegen solch einen Anspruch spricht schon die Risikoverteilung des Vertrages. Der E hat auf sein eigenes Risiko hin ermittelt, sodass er nicht darauf vertrauen durfte, dass die Erben tatsächlich das Honorar zahlen wollen.

II. Ergebnis

Mangels eines wirksamen Vertrages hat E keinen Vergütungsanspruch aus § 631 I BGB.

B. Anspruch aus §§ 683 S.1, 677, 670 BGB

Fraglich ist, ob E einen Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683 S.1, 677, 670 BGB hat.

I. Geschäft

Dafür müsste E ein Geschäft besorgt haben. Geschäft wird sehr weit verstanden, sodass hier jedes tatsächliche und rechtliche Handeln darunter fällt. Vorliegend hat der E die Erben des verstorbenen W ermittelt. Darin ist ein Geschäft zu sehen.

II. Fremd

Dieses Geschäft müsste auch fremd gewesen sein. Fremd sind solche Geschäfte, die nach ihrem Inhalt und ihrem Erscheinungsbild nicht zum Rechts- und Interessenkreis des Geschäftsführers gezählt werden können. Zu unterscheiden sind hierbei fremde, neutrale und eigene Geschäfte. Hier hat der E die Erben einerseits ermittelt, um daraus einen erhofften Vergütungsanspruch zu begründen und andererseits hat er den Geschwistern dadurch geholfen ihr Erbanspruch geltend zu machen. Damit liegt hier das so genannte „auch- fremde (oder neutrale) Geschäft“ vor. Ob beim auch- fremden Geschäft der Geschäftsführungswille vermutet werden soll, ist vorliegend umstritten. Der Streit kann jedoch dahinstehen, wenn die GoA vorliegend schon aus anderen Gründen scheitert.

Hier ist nämlich problematisch, dass der Erbensucher auf eigenes Risiko hin die Erben ermittelt hat und dadurch nicht auf einen späteren Honoraranspruch vertrauen durfte. Den Anspruch über den Umweg der GoA zu begründen, würde daher zu einem Wertungswiderspruch führen, der nicht interessengerecht wäre. Der E muss daher grundsätzlich selbst das Risiko des Forderungsausfalls übernehmen, sodass die Ermittlungsarbeiten vielmehr, als typische Vorbereitungshandlung für einen Vertrag, unvergütet bleiben müssen.

III. Ergebnis

Damit hat der E auch keinen Anspruch aus den §§ 683 S.1, 677, 670 BGB.

C. Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 iVm. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

E könnte einen Anspruch gem. aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 iVm. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB haben.

I. Geschäftsanmaßung

Dafür müsste überhaupt eine Geschäftsanmaßung vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer ein Geschäft als sein eigenes behandelt, obwohl er weiß, dass er dazu nicht berechtigt ist. Daran scheitert es hier schon, da der E das Geschäft als „ auch-fremdes“ Geschäft geführt hat. (s.o.).

II. Ergebnis

Damit hat E auch keinen Anspruch aus §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 iVm. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB.

D. Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

Fraglich ist, ob E einen Anspruch aus Bereicherungsrecht gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB hat. Dafür müssten die Erben etwas ohne Rechtsgrund und durch Leistung erlangt haben.

I. Etwas erlangt

Zunächst müssten die Erben etwas erlangt haben. Etwas ist jeder vermögenswerte Vorteil. Ausweislich des Sachverhalts haben die Erben die Informationen vom Erbensucher E erhalten. Dadurch war es ihnen möglich ihr Erbe geltend zu machen. Mithin stellen diese Informationen daher einen vermögenswerten Vorteil dar.

II. Durch Leistung

Diese müssten die Erben auch durch Leistung erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, welche sich nach der Sicht des Leistungsempfängers bestimmt. Hier hat der E zumindest auch aus Sicht der Erben aufgrund eines vermeintlichen Werkvertrages (s.o.) und damit durch Leistung die Informationen ermittelt.

III. Ohne Rechtsgrund

Wie bereits geprüft liegt kein Vertrag und damit auch kein Rechtsgrund vor.

IV. Wertungen der GoA

Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen vor. Es könnte sich jedoch aus Wertungsgesichtspunkten etwas anderes ergeben. Hier verbietet sich jede schematische Lösung. Wie bereits geprüft, muss das Forderungsausfallrisiko hier bei E verbleiben. Eine Verneinung der vertraglichen und quasivertraglichen Ansprüche muss sich wegen Vermeidung von Wertungswidersprüchen somit auch auf die bereicherungsrechtliche Ebene durchschlagen. Die bereits erörterte Wertung ist somit abschließend und darf nicht durch das Bereicherungsrecht umgangen werden.

V. Ergebnis

Damit scheidet auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB aus.

25
Q

Der Fräsmaschinenfall
Eigentumserwerb an beweglichen Sachen, verschiedene Besitzformen (Eigen-, Fremdbesitz, Nebenbesitz, unmittelbarer und mittelbarer Besitzer), gutgläubiger Erwerb, Erwerb unter Eigentumsvorbehalt.

Lösungsskizze
I. Ursprüngliche Eigentumslage

II. Übereignung V an K gem. §§ 929 S. 1 BGB, 158 Abs.1 BGB

III. Übereignung K an die B-Bank gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

  1. Einigung gem. § 929 S. 1 BGB
  2. Übergabesurrogat
  3. Berechtigung des Veräußerers
  4. Gutgläubiger Erwerb gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

IV. Übereignung B-Bank an D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB

  1. Einigung gem. § 929 S.1 BGB
  2. Übergabesurrogat gem. § 931 BGB
  3. Berechtigung des Veräußerers
  4. Gutgläubiger Erwerb gem. § 934 Alt. 1 BGB
    a. ) Teile der Literatur
    b. ) Herrschende Meinung
  5. Ergebnis
A

Gutachten
I. Ursprüngliche Eigentumslage

Ursprünglich stand die Fräsmaschine im Eigentum des V.

II. Übereignung V an K gem. §§ 929 S. 1 BGB, 158 Abs.1 BGB

Das Eigentum an der Fräsmaschine könnte jedoch gem. §§ 929 S. 1 BGB, 158 Abs.1 BGB auf K übergegangen sein.

Voraussetzung dafür ist, dass sich beide über den Eigentumsübergang geeinigt haben. V hat sich vorliegend das Eigentum an der Fräsmaschine bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung des K vorbehalten, gem. § 449 BGB. Damit stand die Einigung über den Eigentumsübergang unter der aufschiebende Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung gem. § 158 Abs. 1 BGB. K hat jedoch aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten den Kaufpreis nicht bezahlt, sodass die Bedingung nicht eingetreten ist.

V ist weiterhin Eigentümer.

III. Übereignung K an die B-Bank gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

V könnte sein Eigentum durch die Übereignung von K an die B-Bank gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB verloren haben.

Dies setzt eine Einigung, die Vereinbarung eines Besitzkonstituts gem. §§ 930, 868 BGB sowie die Berechtigung des Veräußerers voraus.

  1. Einigung gem. § 929 S. 1 BGB

K hat sich mit der B-Bank über den Eigentumsübergang an der Fräsmaschine zur Sicherung der Darlehensforderung geeinigt.

  1. Übergabesurrogat

K und die B-Bank haben vereinbart, dass K im Besitz der Fräsmaschine bleibt, sodass eine Übergabe gem. § 929 S. 1 BGB nicht erfolgt ist. Vorliegend könnte jedoch ein Besitzkonstitut als Übergabesurrogat gem. §§ 930, 868 BGB vorliegen. Dafür müsste es sich bei der Sicherungsabrede um ein Rechtsverhältnis handeln, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Durch die Sicherungsabrede werden die Rechte und Pflichten von Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber geregelt. Der Sicherungsgeber hat das weitere Nutzungsrecht an der Sache und eine Verwahrpflicht gegenüber dem Sicherungsnehmer. Dem Sicherungsnehmer hingegen steht bei Eintritt des Sicherungsfalls ein Herausgabeanspruch gegen den Sicherungsgeber zu. Damit hat die B-Bank mittelbaren Besitz gem. § 868 BGB erlangt. In der Sicherungsabrede liegt somit ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis gem. § 930 BGB.

  1. Berechtigung des Veräußerers

K müsste jedoch auch zur Veräußerung berechtigt gewesen sein. Wie unter II. dargelegt, hat er aber mangels Bedingungseintritts gerade kein Eigentum an der Fräsmaschine erworben. Eine Ermächtigung seitens V liegt ebenfalls nicht vor, sodass K Nichtberechtigter ist.

  1. Gutgläubiger Erwerb gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB

Die B-Bank könnte jedoch das Eigentum gutgläubig gem. §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB vom Nichtberechtigten erworben haben. Nach § 933 BGB wird der Erwerber Eigentümer, wenn ihm die Sache vom Veräußerer übergeben wird, es sei denn, dass er zu dieser Zeit nicht in gutem Glauben ist. K hat gegenüber der B-Bank die Eigentumsverhältnisse nicht offengelegt. Der B-Bank war deshalb nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, das die Sache nicht dem Veräußerer gehört (vgl. § 932 Abs. 2 BGB), sodass sie bei Veräußerung gutgläubig war. Die Übergabe i.S.d. § 933 BGB erfordert die tatsächliche Übergabe und die Erlangung des unmittelbaren Besitzes auf Empfängerseite.

K ist hier jedoch weiterhin unmittelbarer Besitzer der Fräsmaschine geblieben. Damit liegt keine Übergabe i.S.v. § 933 BGB vor.

Die B-Bank konnte folglich nicht gutgläubig von K erwerben.

IV. Übereignung B-Bank an D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB

V könnte sein Eigentum aber auch durch die Übereignung von der B-Bank an D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB verloren haben. Dafür müsste sich die B-Bank mit D über den Eigentumsübergang geeinigt haben, ihren Anspruch auf Herausgabe der Fräsmaschine an D abgetreten haben und zur Eigentumsübertragung berechtigt gewesen sein.

  1. Einigung gem. § 929 S.1 BGB

Die B-Bank hat sich mit D über den Eigentumsübergang geeinigt.

  1. Übergabesurrogat gem. § 931 BGB

Eine Übergabe der Fräsmaschine gem. § 929 S.1 BGB hat auch in dem Verhältnis B-Bank und D nicht stattgefunden, da K weiterhin im Besitz der Maschine ist. Hier könnte jedoch die Abtretung des Herausgabeanspruchs als Übergabesurrogat gem. § 931 BGB vorliegen. Die B-Bank hat sich vorliegend mit D gem. §§ 398, 870 BGB darüber geeinigt, ihre Ansprüche aus der Sicherungsabrede mit K an D abzutreten.

Fraglich ist allerdings, ob der schuldrechtlichen Sicherungsvertrag wirksam ist. Dies wäre gem. § 139 BGB nicht der Fall, wenn die Unwirksamkeit der Übereignung auch auf den schuldrechtlichen Sicherungsvertrag durchschlägt. Hiergegen spricht jedoch das Abstraktionsprinzip, wonach das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft grundsätzlich voneinander unabhängig sind. Zudem ist nach dem hypothetischen Parteiwillen davon auszugehen, dass die B-Bank zumindest das an Sicherheit bekommen wollte, was rechtlich möglich ist. Danach hat die B-Bank zumindest ein Anwartschaftsrecht an der Fräsmaschine erworben. § 139 BGB ist deshalb nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Somit ist Sicherungsvertrag wirksam und die B-Bank konnte den sich daraus ergebenden Herausgabeanspruch an D abtreten.

  1. Berechtigung des Veräußerers

Allerdings war die B-Bank hier ebenfalls Nichtberechtigte, sodass auch hier nur ein gutgläubiger Erwerb möglich ist.

  1. Gutgläubiger Erwerb gem. § 934 Alt. 1 BGB

D könnte das Eigentum an der Fräsmaschine gem. § 934 Alt.1 BGB gutgläubig erworben haben. Mangels entgegenstehender Angaben ist davon auszugehen, dass D gutgläubig war. Wie unter IV 2. gezeigt, hat die B-Bank dem D auch ihre Ansprüche aus dem Besitzmittlungsverhältnis abgetreten, sodass die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb gem. § 934 Alt. 1 BGB vorliegen.

Dieses Ergebnis enthält jedoch einen Wertungswiderspruch: Die B-Bank konnte mangels Übergabe kein Eigentum erwerben, obwohl sie der Maschine näher steht als der noch fernere D. D hingegen wird Eigentümer allein aufgrund der Abtretung des Herausgabeanspruchs. Aus diesem Grund wird diskutiert, die Voraussetzung “mittelbarer Besitz” in § 934 Alt. 1 BGB einschränkend auszulegen.

a.) Teile der Literatur

Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass der unmittelbare Besitzer (hier: K) gleichzeitig für zwei Personen besitze (hier: V und die B-Bank), ohne sich zwischen beiden zu entscheiden. Im Falle eines solchen “Doppelspiels” könne es keinen (alleinigen) mittelbares Besitz geben, sondern nur Nebenbesitz. Bei einem Nebenbesitz sei das Verhältnis zueinander nicht gestuft, sondern gleichberechtigt. Dies reiche aber für einen gutgläubigen Erwerb nicht aus, denn den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb liege die Wertung zugrunde, dass der Erwerber der Sache näher kommt als der Berechtigte.

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da V und die B-Bank im Bezug auf ihren Besitz an der Sache gleich nah bzw. gleich fern stünden. Folgt man dieser Ansicht, so scheidet ein gutgläubiger Erwerb des D aus.

b.) Herrschende Meinung

Die herrschende Meinung lehnt die Konstruktion des Nebenbesitzes ab. Das Gesetz sehe diese Figur nicht vor, es spreche nur vom “mittelbaren Besitz”, aber niemals vom “Nebenbesitz”. Zudem könne der Besitzmittler auch nicht gleichzeitig den Willen haben, die Sache für mehrere zu besitzen. Denn Inhalt der beiden Besitzmittlungsverhältnisse sei es ja gerade, die Sache im Sicherungsfall herauszugeben.

Dies ist überzeugend. Eine Korrektur des vermeintlichen Widerspruchs zwischen § 933 BGB und § 934 Alt. 1 BGB im Wege der Rechtsfortbildung kommt nicht in Betracht.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs gem. §§ 932 ff. BGB den mittelbaren Besitzer den unmittelbaren Besitzer gleichstellen wollen, sofern sich der mittelbare Besitzer bei der Veräußerung seines Besitzes ganz entledigt. Im Gegensatz zum Erwerb nach §§ 930, 933 BGB, bei dem der unmittelbare Besitz beim Veräußerer verbleibt, entledigt sich der Veräußerer bei §§ 931, 934 Alt. 1 BGB seines gesamten (mittelbaren) Besitzes. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung ist auch ein eventuell bestehender Widerspruch hinzunehmen und § 934 Alt.1 BGB uneingeschränkt anzuwenden. Ein gutgläubiger Erwerb des D ist damit möglich.

  1. Ergebnis

D ist nach §§ 929 S.1, 931, 934 Alt.1 BGB Eigentümer der Fräsmaschine geworden.

26
Q

F verlangt von A die Herausgabe der Tonbänder. Zu Recht?

Bearbeitervermerk: urheberrechtliche Ansprüche sind außer Betracht zu lassen.

Das Problem um den gesetzlichen Eigentumserwerb aus § 950 I BGB stellt einen wesentlichen Schwerpunkt des Falles dar. Hier ist insbesondere zu klären, ob mit der Aufnahme des Tonbandgeräts eine „neue Sache“ i.S.d. § 950 I BGB entstanden ist.

Es sind vertragliche (§ 667 BGB) und gesetzliche Herausgabeansprüche (§ 985 BGB) zu prüfen.

Lösungsskizze
A. Herausgabeanspruch aus §§ 667, 1922 BGB

I. Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB

(P) Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

(P) Rechtsbindungswille

II. Erlöschen des Auftrages durch Tod

(-), hier: § 672 BGB

III. Erlöschen durch Widerruf (-)

IV. Ergebnis (+)

B. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB

I. Besitz des A (+)

II. Eigentum der F

  1. Ursprüngliches Eigentum des A
  2. Eigentumserwerb des P gem. § 929 S.1 BGB (-)
    hier: A wollte dem P kein Eigentum verschaffen
  3. Eigentumserwerb des P gem. § 950 I BGB
    a) Verarbeitung oder Umbildung o. ähnliche Bearbeitung
    hier: Tonbänder werden physikalisch verändert
    b) Herstellen einer neuen beweglichen Sache

(P) neue Sache

pro: überwiegend sprach P. P ist bekannter Politiker, sodass alte Tonbänder durch Aufnahme erheblich an Wert gewannen, damit neue Sache.
contra: keine weitergehende Funktion des Tonbandes und keine Wesensänderung durch Aufnahme der Stimme. Schon nach allgemeinen Sprachgebrauch keine „neue Sache“.
c) Ergebnis zu 3. (-) (a.A. vertretbar)
4. Eigentumserwerb der F durch Universalsukzession gem. § 1922 BGB (-)
hier: P nicht Eigentümer geworden. Tonbänder gehören daher nicht zum Erbnachlass.

III. Endergebnis (-)

A

Gutachten
A. Herausgabeanspruch aus §§ 667, 1922
F könnte gegen A einen vertraglichen Herausgabeanspruch aus § 662 BGB haben.

Dafür müsste zwischen A und P ein Auftragsverhältnis bestanden haben, in das F als Alleinerbin (Universalsukzession nach § 1922 BGB) eingetreten ist.

I. Auftragsverhältnis gem. § 662 BGB
Zwischen A und P müsste ein Auftrag vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts vereinbarten A und P für ein mögliches Buchprojekt vorher ein paar Interviews zu führen. Dies sollte der A unentgeltlich tun. Insoweit stellt sich die Abgrenzungsfrage zu anderen Vertragstypen. Zwar könnte hier an einen Dienstvertrag nach § 611 BGB gedacht werden, da hier kein Erfolg geschuldet ist, allerdings scheidet dies wegen der vereinbarten Unentgeltlichkeit aus.

Auch ist problematisch, ob nicht vielmehr ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt.

Die Abgrenzung erfolgt anhand des Rechtsbindungswillens und ist nach §§ 157, 133 BGB auszulegen.

Zwar stellt der Rechtsbindungswille eine subjektive Komponente des Erklärenden dar, jedoch ist der Rechtsbindungswille als äußerer Tatbestand einer Willenserklärung regelmäßig am objektiven Beobachterhorizont zu beurteilen.

Maßgeblich kann dabei das wirtschaftliche Interesse aller Beteiligten sein. Je höher das wirtschaftliche Interesse an dem Verhältnis ist, desto eher kann von einem Rechtsbindungswillen ausgegangen werden.

Für den Rechtsbindungswillen spricht hier, dass der P als bedeutender Politiker private Interviews von erheblichem wirtschaftlichem Wert gibt, die in einer zukünftigen Buchreihe eingearbeitet werden sollen. Daher ist hier vielmehr von einem rechtlich bindenden Auftragsverhältnis auszugehen.

II. Erlöschen des Auftrages durch Tod
Der Auftrag könnte durch den Tod des P erloschen sein. Dagegen spricht allerdings der § 672 BGB, wonach durch den Tod des Geschäftsführers das Auftragsverhältnis im Zweifel nicht erlischt.

III. Erlöschen durch Widerruf; Kündigung
Für einen Widerruf oder eine Kündigung nach § 671 BGB sind keine Sachverhaltsangaben ersichtlich. Würde man das Herausgabeverlangen der F als Kündigung auslegen, so ergäben sich in Hinblick auf den Herausgabeanspruch allerdings keine Unterschiede.

IV. Ergebnis
Damit liegt ein Auftragsverhältnis zwischen der F und dem A nach § 662 BGB vor. A muss der F das aus dem Auftrag erlangte (die Tonbänder) herausgeben gem. §§ 667,1922 BGB.

B. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB
F könnte gegen A einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB haben. Dafür müsste F Eigentümerin und A Besitzer ohne Besitzrecht sein.

I. Besitz des A
Ausweislich des Sachverhalts ist A unmittelbarer Besitzer der Tonbänder.

II. Eigentum der F
F müsste Eigentümerin sein.

  1. Ursprüngliches Eigentum des A
    Ursprünglicher Eigentümer der Tonbänder war A.
  2. Eigentumserwerb des P gem. § 929 S.1 BGB
    P könnte rechtsgeschäftlich Eigentum erlangt haben gem. § 929 S. 1 BGB.

Dafür müsste jedoch eine Einigung über den Eigentumsübergang vorliegen. Hier ist nicht ersichtlich, dass der A dem P das Eigentum an den Tonbändern übertragen wollte.

  1. Eigentumserwerb des P gem. § 950 I BGB
    P könnte das Eigentum jedoch rechtsgeschäftlich nach § 950 I BGB erlangt haben. Dafür müsste eine Verarbeitung oder Umbildung und die Herstellung einer neuen beweglichen Sache vorliegen. Der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung dürfte auch nicht erheblich geringer als der Wert des Stoffes sein.

a) Verarbeitung oder Umbildung o. ähnliche Bearbeitung
Hier könnte eine Verarbeitung oder Umbildung vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts wurden die Magnetstreifen der Tonbänder durch die Aufnahme physikalisch verändert. Dies stellt zumindest eine ähnliche Bearbeitung i.S.d. § 950 I BGB dar.

b) Herstellen einer neuen beweglichen Sache
Fraglich ist jedoch, ob auch eine neue bewegliche Sache hergestellt wurde. Dies erscheint problematisch. Ob eine neue Sache hergestellt wurde ist nach der objektiven Verkehrsanschauung zu beurteilen.

Für die Herstellung einer neuen beweglichen Sache spricht, dass der P ein sehr bekannter Landespolitiker ist. Durch die Aufnahme der Stimme des P haben die alten, an sich wertlosen Tonbänder, erheblich an Wert gewonnen. Auch hat überwiegend nur P gesprochen. As Stimme ist nur in Form von kurzen Frageunterbrechungen aufgezeichnet worden

Gegen die Herstellung einer neuen Sache spricht allerdings, dass durch die Aufnahme keine weitergehende Funktion des Tonbandes und keine Wesensänderung eingetreten ist. Das Tonband kann weiterhin gelöscht werden oder es kann weitere Aufnahmen aufzeichnen.

Auch der allgemeine Sprachgebrauch der „neuen Sache“ spricht nach der objektiven Verkehrsanschauung dafür keine neue Sache anzunehmen. Danach verlangt der Begriff vielmehr, dass eine dem Begriff entsprechende neue Eigenschaft der Sache vorliegt.

c) Ergebnis
Damit wurde keine neue bewegliche Sache hergestellt (a.A. vertretbar). P ist kein Eigentümer geworden.

  1. Eigentumserwerb der F durch Universalsukzession gem. § 1922 BGB (-)
    F ist ebenfalls nicht Eigentümerin nach § 1922 BGB geworden. Der P hatte kein Eigentum an den Tonbändern, sodass diese nicht zum Erbnachlass gehörten.

III. Endergebnis
Damit hat F keinen Herausgabeanspruch gegen A nach § 985 BGB.

27
Q

Der Herrenreiter-Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zusteht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass vorliegend kein Vermögensschaden (in Form einer entgangenen fiktiven Lizenzgebühr) entstanden ist. Dem K steht vielmehr ein Schmerzensgeld zu, da er einen immateriellen Schaden erlitten hat. Der BGH stellte das Recht am eigenen Bild der Verletzung des § 253 II BGB (a.F. § 847 BGB) gleich.

Lösungsskizze
A. Vertragliche Ansprüche (-)

B. Anspruch aus den §§ 22 ff. KUG (-)

C. Schadensersatzanspruch gem. § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung

  1. Eigentum (-)
  2. Vermögen (-)
  3. sonstiges , absolutes Recht i.S.d. § 823 I

APR (+)

II. Verletzungshandlung (+)

III. Haftungsbegründende Kausalität ( +)

IV. Rechtswidrigkeit (+)

(P) Rahmenrechte

V. Verschulden (+)

VI. Schaden (+)

(P) Ersatzanspruch aus der Verfassung

VII. Haftungsausfüllende Kausalität (+)

VIII. Ergebnis (+)

D. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. §§ 185 I , 201 a StGB (-)

E. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 22 KUG (+)

A

Gutachten
A. Vertragliche Ansprüche

Ausweislich des Sachverhalts liegt keine Vertragsbeziehung zwischen K und B vor. Vertragliche Ansprüche kommen daher nicht in Betracht. (Diesen Punkt muss man nicht unbedingt ansprechen).

B. Anspruch aus den §§ 22 ff. KUG

K könnte einen Schadensersatzanspruch aus den §§ 22 ff. KUG als lex specialis zu § 823 I haben. Im KUG sind jedoch keine Schadensersatzansprüche geregelt. Damit kann K keinen Schadensersatzanspruch aus dem KUG geltend machen.

C. Schadensersatzanspruch gem. § 823 I BGB

Fraglich ist, ob der K einen Anspruch gem. § 823 I BGB hat. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Rechtsgutsverletzung

Zunächst müsste ein von § 823 I geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein.

  1. Eigentum

In Betracht kommt zu nächst das Eigentum. Das Foto des K könnte als dessen Eigentum verletzt worden sein. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, wer das Foto gemacht hat und wie sich die Eigentümerstellung dazu genau verhält. Daher ist das Eigentum nicht verletzt.

  1. Vermögen

Das Vermögen des K könnte verletzt worden sein, weil der K keine Gelegenheit hatte sein Bild selbst zu Werbezwecken zu veräußern. Das reine Vermögen wird allerdings nicht vom Tatbestand des § 823 I BGB als absolutes Recht erfasst. Daher liegt keine Vermögensverletzung vor.

  1. Sonstiges, absolutes Recht i.S.d. § 823 I BGB

Fraglich ist jedoch, ob nicht ein anderes sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB vorliegt. Es müsste sich dabei um ein absolutes Recht handeln, das Ausschluss- und Nutzungsfunktion hat. ( § 903 BGB). In Betracht kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, als so genanntes Rahmenrecht gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG.

Dafür müsste, als Besonderheit der Prüfung des APR, widerrechtlich in dessen Schutzbereich eingegriffen worden sein.

Der K fällt als jedermann in den Schutzbereich des Art. 2 I i.V.m Art. 1 I GG. Auch der sachliche Schutzbereich ist vorliegend durch die Verbreitung seines Bildes eröffnet. Durch die Veröffentlichung ohne seine Einwilligung wurde auch widerrechtlich in sein APR eingegriffen. Damit liegt ein sonstiges, absolutes Recht i.S.d. § 823 I BGB vor.

II. Verletzungshandlung

Die B hat das Bild des K zu Werbezwecken benutzt und durch ein positives Tun die Verletzungshandlung begangen.

III. Haftungsbegründende Kausalität

Es müsste auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und dem Verletzungserfolg vorliegen. Hätte die B nicht die Bilder des K zu Werbezwecken veröffentlicht, wäre nicht in den Schutzbereich des APR eingegriffen worden. Damit liegt die haftungsbegründende Kausalität vor.

VI. Rechtswidrigkeit

Fraglich ist, ob auch Rechtswidrigkeit vorliegt. Bei Vorliegen von Rahmenrechten ist die Lehre vom Erfolgsunrecht nicht anwendbar. Vielmehr muss positiv festgestellt werden, dass die Handlung rechtswidrig war. Dies geschieht mittels einer allumfassenden Abwägung der sich widerstreitenden Interessen im Einzelfall.

Das Foto des K wurde ausweislich des Sachverhalts bei einem öffentlichen Reitturnier geschossen. Nach der drei Sphären Theorie des BVerfG müsste zunächst von einem Eingriff in der dritten Sphäre ausgegangen werden, welcher nicht so schwerwiegend ist. Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass das Foto des K für die Werbung von Potenzmitteln genutzt wurde, welches vielmehr die Intimsphäre des K betrifft. Ein Eingriff in die Intimsphäre ist jedoch regelmäßig nicht abwägbar und stellt immer einen schwerwiegenden Eingriff in das APR und dessen Menschenwürdegehalt dar.

Für die B sprechen allenfalls wirtschaftliche Interessen, da sie sich erhoffte durch das Bild ihren Absatz für das Mittel zu steigern. Wirtschaftliche Interessen sind hingegen nicht so schutzwürdig, wie Interessen, die in der Intimsphäre münden.

Nach dieser Abwägung sind die Interessen des K schutzwürdiger und überwiegen daher.

Mithin ist die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

V. Verschulden

Die B müsste auch ein Verschulden treffen nach § 276 BGB. Vorliegend handelte die B mit Wissen und Wollen der Veröffentlichung und damit vorsätzlich. Ein Verschulden ist gegeben.

VI. Schaden

Problematisch ist, ob und welcher Schaden vorliegt. Laut Sachverhalt fordert der K Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass ihm eine fiktive Lizenzgebühr entgangen ist. Dies stellt zunächst einen entgangenen Gewinn gem. § 252 BGB dar.

Hier ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der K aus wirtschaftlichen Interessen heraus das Bild wirklich gegen Geld verkaufen wollte. Vielmehr legt der Sachverhalt nahe, dass es dem K um eine Genugtuung wegen der Verletzung seines APR geht.

Dies stellt vielmehr einen immateriellen Schaden gem. § 253 BGB dar. Dieser ist allerdings nur unter den Voraussetzungen der §§ 249, 250 BGB zu ersetzen. Nur in Ausnahmefällen kann nach § 251 I BGB Ersatz in Geld verlangt werden. Vorliegend ist eine Naturalrestitution allerdings nicht möglich, sodass sich die Frage stellt, ob der vorliegende Schaden sich nicht aus der Verfassung selbst ergeben könnte.

Der Schaden könnte sich aus dem Art. 2 I i.V.m Art. 1 GG ergeben.

Dafür spricht hier, dass das APR in erster Linie dem Schutz ideeller Werte dient. Der Staat hat dabei die Aufgabe diese Werte auch zu schützen. Dies geschieht allerdings nicht nur alleine mit Hilfe von Abwehransprüchen, die man dem Bürger zubilligt. Es müssten für die Erfüllung dieses Schutzauftrages vielmehr auch Schadensersatzansprüche zur Verfügung stehen. Ohne einen solchen Geldanspruch würden viele Eingriffe in das APR sanktionslos werden, wodurch das APR immer mehr verkümmern würde. Dies rechtfertigt auch eine Abweichung von der Regelung des § 253 I BGB.

Die Höhe eines angemessenen Geldanspruchs liegt dabei im Ermessen des Gerichts (§ 287 ZPO).

Damit liegt ein ersatzfähiger Schaden vor.

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

Es liegt auch Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden vor.

VIII. Ergebnis

K hat gegen B einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 I BGB.

D. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. §§ 185 I , 201 a StGB

Wegen mangelnder Sachverhaltsangaben ist die Verletzung von § 185 I und § 201 a StGB nicht gegeben.

E. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 22 KUG

K könnte einen Anspruch aus §§ 823 II BGB i.V.m § 22 KUG haben.

Dafür müssten die Voraussetzungen des § 823 II BGB vorliegen.

I. Schutzgesetzverletzung

Es müsste ein Schutzgesetz verletzt worden sein.

  1. Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB

Es müsste zunächst überhaupt ein Schutzgesetz vorliegen. Ein Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen.

In Betracht kommt § 22 KUG. Dieser schützt zumindest auch den Einzelnen gegen die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.

  1. Verletzung des Schutzgesetzes

Dieses Schutzgesetz müsste die B verletzt haben. Nach § 22 KUG ist das Recht am eigenen Bild geschützt und wird verletzt, wenn es ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht wird. Hier hat der B das Bild des K ohne dessen Einwilligung nach § 22 S.1 KUG veröffentlicht. Damit liegt die Verletzung von § 22 KUG vor.

II. Haftungsbegründende Kausalität

Es liegt auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und dem Verletzungserfolg vor.

III. Rechtswidrigkeit

Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit durch die Verletzung des Schutzgesetzes tatbestandlich indiziert (anders als beim Rahmenrecht s.o.).

IV. Verschulden

Es müsste auch Verschulden der B vorliegen. Maßgeblich ist dabei der Tatbestand des § 22 KUG. Da der § 22 KUG kein Verschulden regelt müsste B mindestens mit Fahrlässigkeit gehandelt haben (§ 276 BGB). Vorliegend handelte sie sogar vorsätzlich, sodass ein Verschulden zu bejahen ist.

V. Schaden

Ein immaterieller Schaden liegt vor (s.o.).

VI. Haftungsausfüllende Kausalität

Es müsste auch Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden vorliegen. Dies ist hier zu bejahen.

VII. Ergebnis

K hat gegen die B einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 II BGB i.V.m. § 22 KUG.

28
Q

Der Geldtransporter- Fall wurde am 10. Dezember 1996 entschieden. Der BGH hat in dieser Entscheidung einen bedeutenden Leitsatz für die mittelbare Verursachung in der haftungsbegründenden Kausalität entwickelt.

Der Fall problematisiert den § 823 I BGB und in dessen Rahmen die Voraussetzungen der haftungsbegründenen Kausalität. Es wird dabei näher darauf eingegangen, was sich der Erstschädiger zurechnen lassen muss, wenn er die Unfallfolgen nur mittelbar verursacht hat.

A. Anspruch aus § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung

Eigentum

II. Verletzungshandlung

III. Haftungsbegründende Kausalität

(P) mittelbare Verursachung

IV. Rechtswidrigkeit

V. Verschulden

VI. Schaden

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

B. Ergebnis

A

Gutachten
A. Anspruch des U gegen A aus § 823 I BGB

Fraglich ist, ob U einen Anspruch aus § 823 I BGB hat. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Rechtsgutsverletzung

Zunächst müsste ein von § 823 I geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein.

In Betracht kommen das Eigentum und der berechtigte Besitz des U an den Geldkoffern und den darin enthaltenen Geldscheinen. Aus dem Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, ob U Eigentümer der Geldscheine war. Zumindest war U jedoch berechtigter Besitzer der Geldkoffer und der Geldscheine, sodass zumindest ein sonstiges Recht i.S.d § 823 I BGB in Form des berechtigten Besitzes vorliegt. Durch die Entwendung wurde dieses Recht auch entzogen und somit verletzt.

II. Verletzungshandlung

A hat hier einen Verkehrsunfall verursacht und durch positives Tun das Rechtsgut verletzt.

III. Haftungsbegründende Kausalität

Fraglich ist jedoch, ob auch die haftungsbegründende Kausalität vorliegt.

Es müsste die Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und dem Verletzungserfolg vorliegen.

Nach der Äqivalenztheorie war der Autounfall ursächlich dafür, dass der Geldtransporter sich überschlagen hat und nach dem Unfall aus diesem Geld entwendet wurde. Nach der Adäquanztheorie dürfte dies auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegen. Es ist jedoch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass Dritte einen Unfall dahingehend ausnutzen, um leicht zu erbeutendes Geld zu stehlen.

Problematisch ist allerdings, ob diese Handlung auch vom Schutzzweck der Norm erfasst werden soll, um die haftungsbegründende Kausalität zu begründen.

Die Kausalität könnte nämlich durch das Hinzutreten Dritter durchbrochen worden sein.

Daher ist zu fragen, welches Risiko sich durch die Entwendung der Geldkoffer realisiert hat.

Man könnte zunächst vertreten, dass die Herbeiführung des Verkehrsunfalls nicht zu der Entwendung der Geldkoffer geführt hat und damit ein Zurechnungszusammenhang zu verneinen ist. Vielmehr waren es unbekannte Dritte, die den Geldtransporter fanden und daraufhin in noch unerklärtem Aufwand die Geldkoffer entwendet haben, sodass sich nur ein zufälliger Zusammenhang zwischen dem Ersteingriff und dem Zweiteingriff begründen ließe.

Dagegen spricht jedoch, dass die vorliegende Fallgestaltung vielmehr nahe legt, dass gerade die typische Unfallsituation und die Überschlagung des Geldtransporters dazu führten, dass der unbemannte Geldtransporter als leichtes Ziel für den Zweiteingriff wurde. Dafür spricht auch, dass die Täter das Geld wohl kurz nach dem Unfallereignis entwendet haben, da der Transporter auf dem Abschlepphof dauernd überwacht wurde. Gegen die erste Ansicht spricht weiterhin, dass sie den Zurechnungszusammenhang viel zu eng auslegt. Etwas anderes würde nur gelten, wenn ein völlig unerwartetes Ereignis vorliegen würde, was hier jedoch abzulehnen ist (s.o.).

Wegen der hinzutretenden zeitlichen Komponente und der weiteren Besonderheiten des Tatgeschehens rechtfertigt es daher die Annahme, dass sich der A durch seine mittelbare Verursachung auch den Diebstahl an den Geldkoffern zurechnen lassen muss.

Die Handlung ist somit von dem Schutzzweck der Norm erfasst.

VI. Rechtswidrigkeit

Es müsste auch die Rechtswidrigkeit vorliegen. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Damit liegt die Rechtswidrigkeit vor.

V. Verschulden

Den A müsste auch ein Verschulden treffen nach § 276 BGB. Hier handelte A zumindest fahrlässig und handelte somit schuldhaft.

VI. Schaden

Es müsste auch ein ersatzfähiger Schaden vorliegen. Hier ist dem U ein Schaden in Höhe von 250.000 Euro entstanden. Dieser ist auch ersatzfähig nach § 251 I BGB.

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

Es liegt auch Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden vor.

B. Ergebnis

Damit hat U gegen A einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 I BGB i.H.v 250.000 Euro.

[Anmerkung: In der Originalentscheidung war die Haftpflichtversicherung des A die Beklagte]

29
Q

Die Ehestörungsklage

Der Sachverhalt behandelt die Problematik rund um Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen den „ehestörenden“ Partner und den Dritten. Dabei ist problematisch, ob solche Ansprüche aus Wertungsgesichtspunkten (z.B. wegen § 888 II ZPO) überhaupt bestehen können.

Angesprochen wird auch die Ausnahme, die der BGH und die h.L. beim „räumlich- gegenständlichen Bereich“ machen will. Für das Examen ist diese Problematik äußerst relevant.

Lösungsskizze
Unterlassungsansprüche gegen den Ehepartner

A. Anspruch des E gegen P aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog

I. Störung eines Rechtsguts i.S.d. § 823 I BGB

(P) Pflicht zur ehelichen Treue als absolutes Recht?

Pro: absolute Wirkung durch Art. 6 GG

Contra: Eheliche Pflichten wirken nur relativ zwischen Ehepartner (h.M.)

Ausnahme (BGH): „räumlich- gegenständlicher Bereich“

Pro: hier gerade Ausschnitt aus Persönlichkeitsrecht, damit Ausschluss- und Nutzungsfunktion

Hier nur bzgl. ehelicher Wohnung (+)

II. Rechtswidrigkeit

(P) Rahmenrechte

III. Keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB

IV. Weitere bevorstehende Beeinträchtigungen

V. Ergebnis (+)

Unterlassungsansprüche gegen den Dritten

Anspruch des E gegen D aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog

Wie beim Anspruch gegen den Ehepartner, gerade kein allgemeiner Unterlassungsanspruch.

Schadensersatzansprüche gegen den Ehepartner

A. Schadensersatzanspruch E gegen P aus § 823 I BGB

(P) Anwendbarkeit

e.A. (+): da eheliche Treuepflicht wegen Art. 6 GG absolutes Recht

BGH/h.L. (-): familienrechtliche Regelungen sind abschließend; keine Umgehung des § 888 II ZPO

B. Ergebnis (-)

Schadensersatzansprüche gegen den Dritten

Schadensersatzanspruch E gegen D aus § 823 I BGB

wie oben

A

Gutachten
Unterlassungsansprüche gegen den Ehepartner

A. Anspruch des E gegen P aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog
E könnte gegen P einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog haben. Dafür müssten eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen.

§ 1004 I BGB ist nur bzgl. Eigentumsverletzungen direkt anwendbar. Der § 823 I BGB zielt zudem nur auf eine Schadenskompensation. Dadurch besteht eine Regelungslücke, welche entgegen dem gesetzgeberischen Willen vorliegt und somit planwidrig ist.

Die vergleichbare Interessenlage ist darin zu sehen, dass auch ein Unterlassungsinteresse außerhalb jeglicher Eigentumsbeeinträchtigungen vorliegen kann.

I. Störung eines Rechtsguts i.S.d. § 823 I BGB
Es müsste die Störung eines Rechtsguts i.S.d. § 823 I BGB vorliegen. In Betracht kommt ein sonstiges Recht. Dies müsste ein absolutes Recht, also ein Recht mit Ausschluss- und Nutzungsfunktion, das gegen jedermann wirkt, sein.

Die Pflicht zur ehelichen Treue könnte ein sonstiges, absolutes Recht sein. Ob die eheliche Treuepflicht ein absolutes Recht i.S.d. § 823 I BGB darstellt, ist umstritten.

Nach einer Ansicht wird dies bejaht. Begründet wird dies mit der Wertung des Art. 6 GG, wonach das Institut der Ehe absolute Wirkung entfalten soll. Der Anspruch wäre nach dieser Ansicht lediglich wegen § 120 III FamFG nicht vollstreckbar.

Die Gegenmeinung verneint dies mit Blick auf das fehlende Ausschluss- und Nutzungsrecht.

Gegen die Ausweitung des § 823 I BGB auf die eheliche Treuepflicht für einen Unterlassungsanspruch spricht schon, dass die ehelichen Pflichten als höchstpersönliche Pflichten nur relativ, d.h. zwischen den Ehepartnern, wirken.

Eine Ausnahme soll nur dann gemacht werden, wenn der so genannte „räumlich- gegenständliche Bereich“ betroffen ist. Dies ist der Bereich, der als Ort des privaten und familiären Zusammenlebens gesehen wird. Dafür spricht, dass beispielsweise die eheliche Wohnung einen Auszug aus dem Persönlichkeitsrecht darstellt, welches im Gegensatz zu allgemeinen ehelichen Pflichten durchaus Ausschluss- und Nutzungsfunktion hat.

Damit liegt ein sonstiges, absolutes Recht i.S.d. § 823 I BGB vor.

Es müsste auch eine Störung vorliegen. Hier treffen sich P und D regelmäßig in der ehelichen Wohnung der P, sodass der räumlich- gegenständliche Bereich betroffen ist. Durch die gemeinsamen Treffen liegt auch eine Störung vor.

II. Rechtswidrigkeit
Fraglich ist, ob auch Rechtswidrigkeit vorliegt. Bei Vorliegen von Rahmenrechten ist die Lehre vom Erfolgsunrecht nicht anwendbar. Hier liegt mit dem räumlich- gegenständlichen Bereich der Ehe als Auszug des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, solch ein Rahmenrecht vor. Somit muss positiv festgestellt werden, dass die Handlung rechtswidrig war. Dies geschieht mittels einer allumfassenden Abwägung der sich widerstreitenden Interessen im Einzelfall. Für die Rechtswidrigkeit spricht hier, dass die Treffen in der ehelichen Wohnung und damit in der Intimsphäre des E stattfinden. Als widerstreitendes Interesse kommt zwar die allgemeine Handlungsfreiheit der P in Betracht. Diese tritt allerdings hinter dem Persönlichkeitsrecht des E zurück. Damit ist die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

III. Keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB
Eine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB ist nicht ersichtlich.

IV. Weitere bevorstehende Beeinträchtigungen
Es müssten auch weitere Beeinträchtigungen bestehen. Ausweislich des Sachverhalts treffen sich die P und D regelmäßig. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie dies innerhalb der ehelichen Wohnung auch zukünftig tun. Damit stehen weitere Beeinträchtigungen vor.

V. Ergebnis
Mithin hat E gegen P einen Anspruch auf Unterlassen der Treffen innerhalb der ehelichen Wohnung analog den §§ 823 I, 1004 I BGB. Ein allgemeiner Unterlassungsanspruch bzgl. der Treffen besteht hingegen nicht (s.o.).

Unterlassungsansprüche gegen den Dritten

Anspruch des E gegen D aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog
Bzgl. des Unterlassungsanspruchs gegenüber D gilt das zu P Gesagte entsprechend. Auch hier besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch, sondern nur ein Anspruch auf Unterlassen innerhalb des räumlich- gegenständlichen Bereichs (s.o.).

Schadensersatzansprüche gegen den Ehepartner

A. Schadensersatzanspruch E gegen P aus § 823 I BGB
E könnte gegen P einen Schadensersatzanspruch bzgl. der Anwaltskosten gem. § 823 I BGB haben.

Fraglich ist jedoch, ob § 823 I BGB hier überhaupt Anwendung finden kann. Dies ist umstritten.
Nach einer Ansicht soll § 823 I BGB hinsichtlich einer Rechtsgutsverletzung i.S.d. § 823 I BGB anwendbar sein, wenn die Verletzung der ehelichen Treuepflicht kausal zu einem Schaden geführt hat. Hier entschied sich E, aufgrund der Untreue von P, zu einer Scheidung. Für die Scheidung muss E Anwaltskosten tragen. Demnach wäre § 823 I BGB bzgl. dieser Kosten grds. anwendbar.

Die Gegenansicht verneint eine Anwendbarkeit, wenn die Verletzung der ehelichen Treuepflicht vorliegt.

Für diese Gegenansicht spricht, dass durch eine Anwendung der §§ 823 ff. BGB die Abschlussfunktion der familienrechtlichen Regelungen unbeachtet bliebe. Insbesondere droht damit eine Umgehung des § 888 II ZPO. Ein Anspruch aus § 823 I BGB würde eine Art Zwangslage für den Ehepartner schaffen. Überdies regelt das Familienrecht bereits alle vermögensrechtlichen Folgen einer Ehe abschließend, vgl. § 243 FamFG.

Damit scheidet schon die Anwendbarkeit des § 823 I BGB aus.

B. Ergebnis
Damit hat E keinen Schadensersatzanspruch gegen P aus § 823 I BGB.

[Anmerkung: Folgt man der ersten Ansicht, so muss man beim Punkt „haftungsbegründende Kausalität“ ansprechen, ob dies noch vom Schutzzweck der Norm umfasst sein soll. Auch der Punkt „Verschulden“ ist dann problematisch, da im Familienrecht das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt wurde.]

30
Q

Fleet-Fall
Deliktsrecht, Recht i.S.d. § 823 I BGB, Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung

Lösungsskizze
A. Anspruch aus § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung

  1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb als sonstiges absolutes Recht

(-), da keine Betriebsbezogenheit

  1. Eigentum (P)
    - hier : reine Nutzungsbeeinträchtigung, keine verletzte Sachsubstanz (P)
    e. A.: Nutzungsbeeinträchtigung keine Eigentumsverletzung

Arg. : - Gesetzgeber wollte reine Vermögensschäden aus dem Anwendungsbereich des § 823 I BGB nehmen; keine uferlose Ausweitung des Deliktsrechts

  • keine allgemeine Fahrlässigkeitshaftung in § 823 I BGB gewollt
    a. A.: Nutzungsbeeinträchtigung auch Eigentumsverletzung

Arg. : - Sinn und Zweck des § 903 S. 1 BGB, weitgehender Schutz des Eigentümers, der mit der Sache nach Belieben verfahren darf.

  • Wortlaut des § 823 I BGB, der sich nicht auf Verletzung der Sachsubstanz beschränkt

BGH: Abgrenzung danach, ob eine die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgt.

a) Bzgl. MS Christel

Eigentumsverletzung (+)

Arg.: MS Christel konnte überhaupt nicht genutzt werden, somit war ihr der bestimmungsmäßige Gebrauch vollständig entzogen

b) Bzgl. der ausgesperrten Schuten

Eigentumsverletzung (-)

Arg. : Schuten können weiterhin bestimmungsgemäß genutzt werden, damit keine vollständige Entziehung der Nutzungsmöglichkeit. Reine Einschränkung des Gemeingebrauchs wird von § 823 I BGB nicht geschützt.

II. Verletzungshandlung (+)

Hier: durch Unterlassen (Verkehrssicherungspflicht“)

III. Haftungsbegründende Kausalität ( +)

IV. Rechtswidrigkeit (+)

V. Verschulden (+)

VI. kausaler Schaden (+)

VII. Ergebnis

Anspruch besteht teilweise (s.o.)

B. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m § 303 I StGB (-)

Ausweislich des Sachverhalts kein Vorsatz ersichtlich, vgl. § 15 StGB.

A

Gutachten
A. Anspruch aus § 823 I BGB
K könnte gegen die BRD einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Rechtsgutsverletzung
Fraglich ist, ob eine Rechtsgutsverletzung vorliegt.

  1. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb
    Zunächst kommt die Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs in Betracht. Dieser wird geschützt, wenn kein Spezialgesetz greift, ein Gewerbebetrieb vorliegt, dh. ein solcher, der dauerhaft auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet ist und ein betriebsbezogener Eingriff vorliegt. Problematisch ist hier die Betriebsbezogenheit.

Ein Eingriff ist dann betriebsbezogen, wenn er gegen den Betrieb als solchen gerichtet ist und sich nicht auf von ihm abtrennbare Rechtsgüter bezieht.

Hier stürzte die Ufermauer ein, die in keiner unmittelbaren Beziehung zum Betrieb der K gehört. Somit fehlt es am betriebsbezogenen Eingriff. Damit liegt keine Rechtsgutverletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs vor.

  1. Eigentum
    Fraglich ist, ob eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB vorliegt. Hier war der K es, auf Grund des Einsturzes der Ufermauer, nicht mehr möglich, die eingesperrte MS Christel und die ausgesperrten Schuten zu nutzen. Eine Verletzung der Sachsubstanz liegt daher nicht vor. Es ist daher danach zu fragen, ob die reine Entziehung der Nutzungsmöglichkeit ebenfalls eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB darstellen kann. Dies ist umstritten.

Nach einer Ansicht soll die reine Nutzungsbeeinträchtigung keine Eigentumsverletzung darstellen, sodass hier eine Rechtsgutsverletzung zu verneinen wäre.

Die Gegenansicht bejaht eine Eigentumsverletzung auch in dem Fall, indem eine reine Nutzungsbeeinträchtigung vorliegt. Nach dieser Ansicht wäre hier auf Grund der beschränkten Nutzungsmöglichkeit der MS Christel und der Schuten eine Eigentumsverletzung anzunehmen.

Die vermittelnde Ansicht (BGH) differenziert danach, ob eine die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgt.

Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist ein Streitentscheid erforderlich.

Für die erste Ansicht spricht, dass der Gesetzgeber reine Vermögensschäden aus dem Anwendungsbereich des § 823 I BGB rausnehmen wollte. Dadurch soll einer uferlosen Ausweitung des Deliktsrechts entgegengesteuert werden. Würde man auch reine Nutzungsbeeinträchtigungen als Rechtsgutsverletzungen i.S.d. § 823 I BGB einstufen, würde man de facto eine allgemeine Fahrlässigkeitshaftung in § 823 I BGB konstruieren, was gegen den gesetzgeberischen Willen stünde.

Dagegen kann man jedoch mit dem Wortlaut des § 823 I BGB argumentieren, da dieser sich nicht auf die Verletzung der Sachsubstanz beschränkt, sondern von „Verletzung des Eigentums“ spricht. Auch der Sinn und Zweck des § 903 S. 1 BGB spricht für einen weitgehenden Schutz des Eigentümers, der mit der Sache nach Belieben verfahren darf. Diesen Schutz würde man jedoch begrenzen, wenn die Nutzungsmöglichkeit nicht darunter fallen würde. Eine ähnliche Wertung ergibt sich schon aus § 906 BGB, wonach die Nutzungsbeeinträchtigung als Störung qualifiziert wird.

Es spricht hier jedoch vieles dafür einer vermittelnden Ansicht zu folgen, um der Wertung des § 823 I BGB gerecht zu werden. Solange nämlich keine tatsächliche Einwirkung auf die Eigentümerbefugnisse vorliegt, gibt es keine klare Grenze zwischen einer Rechtsgutsverletzung und einer reinen Nutzungsbeeinträchtigung, die das Deliktsrecht uferlos ausweiten würde, was nach den Gesetzesbegründungen nicht gewollt war.

Daher ist im Einzelfall zu entscheiden, ob auch eine Nutzungsbeeinträchtigung eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB darstellen kann.

Hier muss entsprechend bzgl. der Nutzung der MS Christel und der Schuten differenziert werden.

[Anmerkung: Niemand verlangt von Euch genaue Kenntnisse der BGH- Rechtsprechung. Das Gutachten zeigt, dass man auch selbst Meinungsstreite „konstruieren“ kann. Nehmt immer zwei gegensätzliche Ansichten und entscheidet Euch im besten Fall mit der vermittelnden Ansicht. Denn diese ist in den meisten Fällen diejenige des BGH.]

a) Bzgl. MS Christel
Fraglich ist also, ob die Nutzungsbeeinträchtigung der MS Christel eine Eigentumsverletzung darstellt. Wie bereits dargestellt, müsste eine die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgt sein.
Dafür spricht hier, dass die MS Christel von K überhaupt nicht mehr genutzt werden konnte, da sie völlig eingesperrt war. Der bestimmungsmäßige Gebrauch des Schiffes als Transportmittel war ihr dadurch vollständig entzogen. Mithin liegt hier eine Eigentumsverletzung vor.

b) Bzgl. der ausgesperrten Schuten
Bzgl. der ausgesperrten Schuten könnte sich etwas anderes ergeben. Die ausgesperrten Schuten können nämlich im Gegensatz zur MS Christel noch bestimmungsgemäß als Transportmittel benutzt werden. Sie sind nur insoweit eingeschränkt, als dass sie das Fleet nicht überqueren können. Diese Einschränkung trifft allerdings jedermann, sodass lediglich eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs vorliegt. Dieser wird jedoch nicht vom Schutz des § 823 I BGB erfasst, da dieser nur den Eigentümer an sich schützen soll. Mithin liegt keine Eigentumsverletzung bzgl. der Schuten vor.
Damit liegt nur eine Rechtsgutsverletzung an dem Eigentum der MS Christel vor.

II. Verletzungshandlung
Es müsste auch eine Verletzungshandlung vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts haben die verfassungsmäßigen Vertreter der BRD es unterlassen, die Ufermauer durch geeignete Sicherungsmaßnahmen vor dem Einsturz zu bewahren. Insoweit traf sie durch die Eröffnung einer Gefahrenquelle eine Verkehrssicherungspflicht, die Ufermauer Instand zu halten. Damit liegt eine Verletzungshandlung durch Unterlassen vor.

III. Haftungsbegründende Kausalität
Es liegt auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung vor.

IV. Rechtswidrigkeit
Auch die Rechtswidrigkeit ist zu bejahen.

V. Verschulden
Ausweislich des Sachverhalts handelten die Vertreter der BRD fahrlässig, indem sie es versäumten die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.

VI. kausaler Schaden
Mithin liegt auch ein kausaler Schaden vor.

VII. Ergebnis
K steht teilweise ein Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB zu.

B. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m § 303 I StGB
Ein Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 303 I StGB scheidet mangels Vorsatz aus, vgl. § 15 StGB.

31
Q

Der Edelmann-Fall

Der vorliegende Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob der gute Glaube über eine Formunwirksamkeit hinweghilft. Dies wird zutreffend verneint. Der BGH will in Ausnahmefällen jedoch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wegen unzulässiger Rechtsausübung den Vertrag (trotz Formunwirksamkeit) als wirksam betrachten.

Lösungsskizze
I. Wirksamkeit des Schenkungsvertrages

  1. Form
    a) notarielle Beurkundung nach § 518 I BGB (-)
    b) Heilung nach § 518 II BGB (+)
    c) notarielle Beurkundung nach 311 b I 1 BGB (-)
    d) Heilung (-)

Rechtsfolge: § 125 S.1 BGB Nichtigkeit

e) Durchbrechung des § 125 durch § 242 BGB?
aa) RG (-)
bb) BGH (+)
cc) Streitentscheid (-)
2. Ergebnis

A

Gutachten
I. Wirksamkeit des Schenkungsvertrages

Fraglich ist, ob der vorliegende Schenkungsvertrag überhaupt wirksam ist.

Dafür müssten zwei korrespondierende Willenserklärungen vorliegen, die auf eine Schenkung gerichtet sind. Ausweislich des Sachverhalts ist dies hier zu bejahen.

  1. Form

Der Vertrag könnte jedoch wegen nicht eingehaltener Formvorschriften unwirksam sein.

a) Formvorschrift des § 518 I BGB

Gem. § 518 I BGB müsste das Schenkungsversprechen notariell beurkundet werden. Dies ist hier nicht geschehen, sodass dies die Nichtigkeit gem. § 125 S.1 BGB zur Folge hätte.

b) Heilung nach § 518 II BGB

Dieser Formmangel kann jedoch nach § 518 II BGB geheilt werden, wenn die Schenkung bewirkt wird. Bewirken bedeutet, dass die versprochene Leistung vollzogen wird. Hier wurde dem C das Hausgrundstück überlassen und er ist auch eingezogen. Damit wurde die versprochene Leistung bewirkt und der Formmangel wurde dadurch geheilt.

c) Formvorschrift des § 311b I 1 BGB

Problematisch ist allerdings, ob auch die notarielle Beurkundung nach § 311b I 1 BGB eingehalten wurde. Das Verpflichtungsgeschäft über die Verfügung über ein Grundstück bedarf nämlich der notariellen Beurkundung. Hier gab E an, sein Edelmann- Wort würde genügen. Die notarielle Beurkundung ist nicht erfolgt. Damit liegt ein Formmangel vor.

d) Heilung

Der Formmangel könnte gem. § 311 b I S.2 geheilt werden, wenn die Auflassung und Eintragung in das Grundbuch erfolgt. Dies liegt hier jedoch nicht vor, sodass dies grundsätzlich die Rechtsfolge der Nichtigkeit gem. § 125 S.1 BGB herbeiführt und der Vertrag unwirksam wird.

[Exkurs: Gem. § 311 b I S.2 BGB muss das gesamte Verpflichtungsgeschäft beurkundet werden (hier der Schenkungsvertrag). Anders aber in § 518 I BGB. Dort muss nur das Schenkungsversprechen notariell beurkundet werden!]

e) Durchbrechung von § 125 S.1 BGB durch § 242 BGB

Fraglich ist jedoch, ob hier aus Wertungsgesichtspunkten ein anderes Ergebnis zu vertreten ist.

Die Rechtsfolge des § 125 S.1 BGB könnte aus Billigkeitsgründen zu Gunsten des C durchbrochen werden, wenn ein schlechtweg untragbares Ergebnis vorliegen würde. Dies ist vorliegend umstritten.

aa) Nach einer Ansicht bleibt es bei der Unwirksamkeit des Vertrages. Danach liegt keine Ausnahme zur Formunwirksamkeit vor. Das Ergebnis sei zwar hart, würde aber noch nicht die Schwelle zu einem „untragbaren Ergebnis“ überschreiten.
bb) Eine andere Ansicht bejaht hingegen die Wirksamkeit des Vertrages. Danach durchbreche der § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Nichtigkeitsfolge gem. § 125 S.1 BGB. Hier liege ein Fall eines schlechthin untragbaren Ergebnisses vor, sodass eine Wertungskorrektur gem. § 242 BGB vorgenommen werden müsse.
cc) Streitentscheid

Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist ein Streitentscheid erforderlich.

Für die erste Ansicht spricht, dass der C das Risiko der Formunwirksamkeit bewusst auf sich genommen hat, indem er sich zunächst hat „abwiegeln“ lassen. Er muss auch die Nachteile und die Rechtsfolge des § 125 S.1 BGB hinnehmen, anderenfalls hätte er den Vertrag nicht abschließen dürfen. C vertraute hier lediglich auf das Wort des E und hat somit bewusst nicht im Rahmen des geltenden Zivilrechts gehandelt. Dies kann freilich nicht ausreichen, um die strengen Formerfordernisse des BGB zu durchbrechen.

Dagegen spricht, dass der E vermutlich von Anfang an arglistig gehandelt hat und nie vorhatte den Vertrag einzuhalten. Dies lässt sich jedoch nicht abschließend nachweisen. Der Fall legt nahe davon auszugehen, dass E den Entschluss der Nichteinhaltung erst viel später schloss.

Die Zweitgenannte Ansicht führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und berücksichtigt nicht die Risikosphäre des C, der sich bewusst auf das Risiko des einfachen Wortes eingelassen hat. Dies ist jedoch mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen nicht schutzwürdig.

Damit bleibt es bei der Rechtsfolge der Nichtigkeit gem. § 125 S.1 BGB.

  1. Ergebnis

Der Schenkungsvertrag ist mithin unwirksam.

32
Q

Die abgebrochene e- Bay Auktion
Der vorliegende Fall ist einer von vielen e-Bay Entscheidungen. Er ist aktuell am 23.09.2015 vom BGH entschieden worden und präzisiert nochmals die Bedingungen für einen vorzeitigen e-Bay Abbruch.

-bay Fälle behandeln fast immer die Problematik des automatisierten Vertragsschlusses und damit der nötigen Willenserklärungen. Prüflinge sollten sich daher diese Problematik dringend anschauen, da ein Herleiten in der Klausur ziemlich schwierig erscheint. Auch die Einbeziehung der e-Bay AGB ist regelmäßig Gegenstand innerhalb eines möglichen Lösungsrechts von der Willenserklärung. Hier ist zusätzlich besonders, dass der Kläger so genannter „Abbruchjäger“ ist, sodass eine Auseinandersetzung mit § 242 BGB geboten scheint.

Lösungsskizze
A. Anspruch des K gegen B auf Lieferung gem. § 433 I 1 BGB

I. Anspruch entstanden/ Wirksamer Kaufvertrag

  1. Zwei korrespondierende Willenserklärungen ( Angebot und Annahme)
    a) Einstellen der Kaufsache des B als Angebot

(P) Mechanismus des Vertragsschlusses bei Ebay

e. A. Einstellen Angebot
a. A Einstellen vielmehr antizipierte Annahme unter auflösender Bedingung

b) Abgabe eines Gebots des K als Annahme

(P) Rechtsbindungswille wegen „Minigeboten“ (+)

  1. Zeitablauf durch Abbruch (+)
  2. Ergebnis KV (+)

II. Unwirksamkeit des KV

  1. 138 II BGB (-)
  2. 138 I BGB (-)

III. Anspruch untergegangen

  1. Anfechtung (-)
  2. Unmöglichkeit (-)
  3. In der Person liegende Gründe (-)

(P) Einbeziehung der e-Bay AGB

  1. Ergebnis (-)

IV. Anspruch durchsetzbar

  1. § 242 BGB

(P) K als „Abbruchjäger“
(P) Risiko des B ( fehlender Mindestpreis)

  1. Ergebnis (-)

V. Endergebnis

A

Gutachten
A. Anspruch des K gegen B auf Lieferung gem. § 433 I 1 BGB
K könnte gegen B einen Anspruch auf Lieferung des Guss-Heizungskörpers gem. § 433 I 1 BGB haben.

I. Anspruch entstanden/ Wirksamer Kaufvertrag
Dafür müsste ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen.

  1. Zwei korrespondierende Willenserklärungen ( Angebot und Annahme)
    Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus.

a) Einstellen der Kaufsache des B als Angebot
Es müsste ein Angebot vorliegen. Unter einem Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt; dieser das Angebot also mit einem einfachen “Ja” annehmen kann
Das Einstellen der Kaufsache durch B könnte als Angebot gesehen werden. Abzugrenzen ist das Einstellen hier von der invitatio ad offerendum.
Bei e- Bay Auktionen stellt der Käufer regelmäßig mit Rechtsbindungswillen Angebote ein, die dann von Mitbietern per Gebot angenommen werden sollen. Der Vertragsschluss findet insoweit automatisiert statt.

Nach einer anderen Ansicht soll das Einstellen der Kaufsache als antizipierte Annahmeerklärung unter der auflösenden Bedingung, dass kein höheres Angebot vorliegt, verstanden werden.

Der Streit kann jedoch dahinstehen, da es vorliegend nicht auf den genauen Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, sondern darauf, ob überhaupt zwei korrespondierende Willenserklärungen vorliegen. Damit liegt ein Angebot des B vor.

b) Abgabe eines Gebots des K als Annahme
Es müsste auch eine Annahme vorliegen. Eine Annahme ist eine einseitige empfangsbedürftige und vorbehaltlose Willenserklärung, aus der sich der Annahmewille des Angebots unzweifelhaft ergibt. Durch die Abgabe eines Gebots könnte K das Angebot des B angenommen haben. Auch die Annahme erfolgt insoweit automatisiert, sodass sie unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass der K auch bis zum Zeitablauf höchstbietender bleibt.

Fraglich ist allerdings, ob der K auch Rechtsbindungswillen bzgl. eines Kaufvertrags hatte. Ausweislich des Sachverhalts ist K Abbruchjäger. Der Rechtsbindungswille ermittelt sich durch den objektiven Verkehrshorizont. Hier hat der K zwar ständig Minigebote abgegeben, dies alleine führt jedoch noch nicht zur Verneinung eines Rechtsbindungswillens. Damit liegt eine Annahme des K vor.

  1. Zeitablauf
    Es müsste auch der automatisierte Zeitablauf vorliegen. Hier ist der Zeitablauf durch den Abbruch von B eingetreten.
  2. Ergebnis
    Damit liegt ein Kaufvertrag vor.

II. Unwirksamkeit des Kaufvertrages
Fraglich ist, ob der Kaufvertrag auch wirksam ist.

  1. § 138 II BGB
    Er könnte zunächst gem. § 138 II unwirksam sein. Dafür müsste zunächst ein objektiv auffälliges Missverhältnis und subjektiv die Ausnutzung einer Zwangslage vorliegen. Ein Missverhältnis könnte darin gesehen werden, dass der K nunmehr den Heizungskörper für 112 € erwirbt, statt für den eigentlichen Wert von 4000 €. Problematisch ist allerdings, ob der K auch eine Zwangslage ausgenutzt hat. Vielmehr hat der B sich freiwillig für einen Startpreis von 1 € entschieden und die Kaufsache freiwillig eingestellt. Daher ist die Ausnutzung einer Zwangslage abzulehnen. Damit ist § 138 II BGB nicht einschlägig.
  2. § 138 I BGB
    Der Kaufvertrag könnte jedoch gem. § 138 I BGB nichtig und damit unwirksam sein. Dafür müsste ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Zudem müsste der Begünstigte in besonders verwerflicher Gesinnung gehandelt haben.
    Wie bereits festgestellt, besteht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Dies reicht jedoch freilich nicht aus, um den Tatbestand des § 138 I BGB zu bejahen. Grundsätzlich wird zwar die verwerfliche Gesinnung vermutet, wenn ein zumindest doppelter Preis für eine Sache verlangt wird, allerdings erfolgt auch eine Betrachtung im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen.
    Hier ist die Möglichkeit eines „Schnäppchens“ gerade der Anreiz für das Mitbieten bei e-Bay. Zudem hat sich B diesen Umstand zunutze gemacht, indem er einen Startpreis von 1 € eingegeben hat. Dadurch ersparte er sich auch die Einstellungsgebühr. Wer aber die Vorteile der Plattform nutzt, muss auch das Risiko tragen ein schlechtes Geschäft zu machen.
    Damit ist der Kaufvertrag nicht unwirksam.

III. Anspruch untergegangen
Der Anspruch könnte jedoch untergegangen sein.

  1. Anfechtung
    In Betracht kommt zunächst ein Untergang durch Anfechtung gem. § 142 I BGB. Dafür müsste jedoch zunächst ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht könnte ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum gem. § 119 I BGB kommen. Hier hat der B sich jedoch nicht vertippt oder verschrieben. Vielmehr hat er die Aktion abgebrochen, da ihm der K „unseriös“ erschien.
  2. Unmöglichkeit
    Auch für eine Unmöglichkeit der Leistung gem. § 275 I BGB fehlen Angaben.

[Anmerkung: Im Originalfall berief sich der Beklagte zunächst auf eine Zerstörung des Heizungskörpers und dann doch auf die Unseriösität. Der Fall wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, sodass dieser nun das Vorliegen der Unmöglichkeit überprüfen wird.]

  1. In der Person liegende Gründe
    Fraglich ist, ob B geltend machen kann, dass der K als Abbruchjäger und die vielen Minigebote unseriös ist und dadurch seine Willenserklärung anfechten kann. Dazu kann zunächst Bezug auf die e-Bay AGB genommen werden, die eine Art Spielregeln für das Geschäft festlegen, an die sich die Parteien auch durch ihr Verhalten binden. Die AGB enthalten hier jedoch nur den Hinweis, dass Anbieter die Auktion nur abbrechen dürfen, wenn ein „gesetzlicher Grund“ besteht. Daher ist fraglich, ob Gründe in der Person solch einen gesetzlichen Grund darstellen können.
    Dazu könnte man zunächst andenken, ob dies keinem Eigenschaftsirrtum einer Sache gem. § 119 II BGB gleichkommt. Dies ist allerdings abzulehnen, da dadurch die Anfechtungsgründe uferlos ausgeweitet würden. Dagegen spricht auch die Interessenlage bei e-Bay, wonach
    der Bieter regelmäßig vorleistungspflichtig ist und dadurch der Anbieter hinreichend geschützt ist.

IV. Anspruch durchsetzbar
1.) § 242 BGB
Fraglich ist, ob der Anspruch durchsetzbar ist. Er könnte wegen § 242 BGB nicht durchsetzbar sein. K könnte nämlich rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er als Abbruchjäger seinen Lieferungsanspruch geltend macht.
Für ein rechtsmissbräuchliches Handeln muss eine umfassende und sorgfältige Prüfung im Einzelfall erfolgen. Der Einwand des Rechtsmissbrauch soll dadurch nur in Ausnahmefällen zugelassen werden.
Gegen den Einwand aus § 242 BGB spricht hier, dass K nur das in Anspruch genommen hat, was der B ihm eingeräumt hat. Dem B stand es dabei frei, ein Mindestgebot festzulegen, um sich hinreichend vor einem schlechten Geschäft zu schützen. Dabei entspricht es dem regelmäßigen Wesen der Plattform e-Bay, dass die Vertragsfreiheit bewusst ausser Hände gegeben wird, um im Gegenzug eine global tätigen Bieterstamm anzusprechen.
Aus Vertrauensschutzaspekten ist dem K deshalb im konkreten Einzelfall kein Vorwurf zu machen. Alleine aus dem Umstand, dass K 370 Minigebote abgegeben hat, kann kein rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen werden.

2.) Damit ist der Anspruch auch durchsetzbar.

V. Endergebnis
Mithin hat der K gegen B einen Anspruch auf Lieferung gem. § 433 I 1 BGB.

33
Q

Kündigung eines Fitnessstudiovertrages

Der Fall ist brandaktuell und wurde am 04.05.2016 vom BGH entschieden. Das AG hatte ursprünglich eine Kündigung bejaht. Anders sahen dies das Berufungsgericht und der BGH.

Abgrenzung der Vertragstypen/ Mietrecht/ außerordentliche Kündigung/ § 46 Abs. 8 TKG analog/ AGB- Kontrolle

Lösungsskizze
Anspruch auf Zahlung von 719,90 € gem. § 535 II BGB

I. Wirksamer Mietvertrag gem. § 535 I BGB

(P) Abgrenzung zu anderenVertragstypen/ „Fitnessstudio-Vertrag“

  • wohl typengemischter Vertrag aus miet- und dienstrechtlichen Elementen. Nach dem Schwerpunkt wohl Miete

II. Kündigung des Mietvertrages

  1. Ordentliche Kündigung am 05. November 2013
    - Ausgeschlossen gem. § 542 II BGB
    - AGB wirksam?

(P1) 24 monatige Vertragslaufzeit

(P2) automatische Verlängerung um 12 Monate

a) Anwendbarkeit der §§ 305 ff., § 310 I und IV BGB (+)
b) Vorliegen von AGB, § 305 I BGB (+)
c) Wirksame Einbeziehung (+)
d) Inhaltskontrolle, § 307ff. BGB bzgl. 24 monatiger Laufzeit
aa) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309
hier: § 309 Nr. 9 lit. a BGB problematisch
dagegen: § 309 Nr. 9 lit. a BGB erfasst keine Mietverträge
bb) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB

hier nicht ersichtlich

cc) Generalklausel des § 307 BGB
- > § 307 II Nr. 2 BGB?

(P) Wertungen aus § 309 Nr. 9 lit. a BGB

aber: Laufzeit alleine noch kein Grund für unangemessen Benachteiligung
e) Inhaltskontrolle, § 307 ff. BGB bzgl. automatischer Vertragsverlängerung

–> § 307 II Nr. 2 BGB?

Hinreichend Zeit zur Kündigung, keine unangemessene Benachteiligung

f) Ergebnis

AGB wirksam

  1. Außerordentliche Kündigung gem. § 543 I BGB

(P) Berufsbedingter Umzug „wichtiger Grund“?

pro: B quasi „gezwungen“ zu Ortswechsel. Beruf dient zu seiner Lebenssicherung
contra: Ortswechsel aus persönlichen Gründen liegt in der Sphäre des B, sog. „Vertragsrisiko“.

Wichtiger Grund (-)

  1. Sonderkündigungsrecht gem. § 46 Abs. 8 TKG

(-) nach Wortlaut

(P) § 46 Abs. 8 TKG analog?

(-) keine planwidrige Regelungslücke

III. Zwischenergebnis

Kündigung (-), Wirksamer Mietvertrag (+)

IV. Endergebnis

Anspruch auf Zahlung von 719,90 € gem. § 535 II BGB (+)

A

Gutachten
Anspruch auf Zahlung von 719,90 € gem. § 535 II BGB
K könnte gegen B einen Zahlungsanspruch i.H.v. 719,90 € haben gem. § 535 II BGB. Dafür müsste ein wirksamer Mietvertrag bestehen.

I. Wirksamer Mietvertrag gem. § 535 I BGB
K und B schlossen im Jahr 2010 einen „Fitnessstudio-Vertrag“. Fraglich ist die Rechtsnatur dieses Vertrages. Für die Anspruchsgrundlage des § 535 II BGB müsste es sich um ein Mietverhältnis handeln.

Bei einem Fitnessstudio-Vertrag werden dem Kunden die Fitnessgeräte für die eigene Nutzung zur Verfügung gestellt. Im Einzelfall sind auch Dienstleistungen, wie die Bereitstellung von „Fitnessangeboten“ oder Hilfestellungen von Trainern mit enthalten. Es handelt sich somit um einen typengemischten Vertrag aus mietrechtlichen- und dienstrechtlichen Elementen. Insoweit ist auf den Schwerpunkt des Vertrages abzustellen. Vordergründig soll dem Kunden in einem Fitnessstudio das entsprechende Equipment zur Miete bereitgestellt werden, sodass eine sportliche Betätigung ohne wesentliche Hilfe möglich ist. Vereinzelt werden zwar Hilfestellungen von Trainern angeboten, allerdings sind diese nur im Einzelfall vor Ort, um zu gewährleisten, dass sich kein Kunde durch falsche Übungen verletzt. Diese angebotenen Dienstleistungen machen daher nur einen kleinen Teil des Vertrages aus, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt hier daher im Mietrecht. Damit liegt ein wirksamer Mietvertrag nach § 535 I BGB vor.

II. Kündigung des Mietvertrages
Der Mietvertrag könnte jedoch gekündigt worden sein.

  1. Ordentliche Kündigung am 05. November 2013
    B könnte den Vertrag am 05. November 2013 ordentlich gekündigt haben.

Ausweislich des Sachverhalts wurde der Mietvertrag jedoch auf Zeit geschlossen, sodass eine ordentliche Kündigung gem. § 542 II BGB ausgeschlossen ist.

Problematisch könnten jedoch die AGB des Vertrages sein. Diese sehen eine 24 monatige Mindestlaufzeit, sowie eine automatische Verlängerung der Vertragslaufzeit um 12 Monate vor, wenn dieser nicht mind. 3 Monate im Voraus gekündigt wird.

Fraglich ist daher, ob die Rechtsfolge des § 306 I BGB greift. Daher ist zu fragen, ob die vorliegenden Klauseln wirksam sind.

a) Anwendbarkeit der §§ 305 ff., § 310 I und IV BGB
Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist eröffnet.

b) Vorliegen von AGB, § 305 I BGB
Es liegt auch keine Individualabrede vor. Es ist davon auszugehen, dass der Vertrag einseitig gestellt und für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurde, sodass auch AGB i.S.d. § 305 I BGB vorliegen.

c) Wirksame Einbeziehung
Ausweislich anderweitiger Angaben ist davon auszugehen, dass diese auch gem. § 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.

d) Inhaltskontrolle, § 307ff. BGB bzgl. 24- monatiger Laufzeit
Fraglich ist, ob die 24- monatige Vertragslaufzeit einer Inhaltskontrolle standhält.

aa) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB
Es kommt ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit gem. § 309 Nr. 9 lit. a BGB in Betracht. Danach ist eine AGB bei einem Vertragsverhältnis unwirksam, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat und bei dem der andere Vertragsteil länger als zwei Jahre an den Vertrag gebunden ist.

Dagegen spricht jedoch, dass vorliegend keine Dienstleistung- oder Werkleistung vorliegt. Vielmehr liegt ein Mietvertrag vor (s.o.).

bb) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit sind nicht ersichtlich.

cc) Generalklausel des § 307 BGB
Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen § 307 II Nr. 2 BGB vorliegt. Dafür müsste die 24 monatige Vertragslaufzeit den B unangemessen benachteiligen. Dies liegt nach § 307 II Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Dafür könnte sprechen, dass die Vertragslaufzeit mit 24 Monaten so hoch ist, dass der Kunde dadurch erheblich in der Planung seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt wird. Allerdings muss beachtet werden, dass die gesetzgeberische Wertung aus § 309 Nr. 9 lit. a BGB mit berücksichtigt werden muss. Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglicher Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 lit. a BGB nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt und somit den Anwendungsbereich bewusst eingeengt.

Diese Wertung gilt es zu berücksichtigen, sodass aus der Vertragslaufzeit alleine noch keine unangemessene Benachteiligung entnommen werden kann. Vielmehr müssen noch zusätzliche Aspekte hinzutreten. Solche sind hier jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt auch kein Verstoß gegen § 307 BGB vor.

e) Inhaltskontrolle, § 307 ff. BGB bzgl. automatischer Vertragsverlängerung
Fraglich ist auch, ob die automatische Vertragsverlängerung um 12 Monate mit § 307 BGB vereinbar ist. Auch diesbezüglich kommt ein Verstoß gegen § 307 II Nr. 2 BGB in Betracht.

Für eine unangemessene Benachteiligung könnte sprechen, dass der Vertragspartner durch ein Versäumnis regelmäßig dazu angehalten ist, sich für weitere 12 Monate vertraglich zu binden. Dagegen lässt sich jedoch hervorbringen, dass es dem Kunden obliegt, seinen Vertrag dahingehend zu überprüfen, ob er seine Kündigungsfrist einhält. Hält er diese nicht ein, so fällt dies grundsätzlich in seine eigene Risikosphäre. Auch ist hervorzubringen, dass sich der Vertrag nicht um weitere 24 Monate verlängert. Eine automatische Verlängerung um die Hälfte der ursprünglichen Vertragslaufzeit stellt daher keine unangemessene Benachteiligung dar.

f) Ergebnis
Damit sind die AGB wirksam. Eine ordentliche Kündigung liegt nicht vor.

  1. Außerordentliche Kündigung gem. § 543 I BGB
    Fraglich ist, ob eine außerordentliche Kündigung gem. § 543 I BGB vorliegt. Dafür müsste ein „wichtiger Grund“ vorliegen. Ein gesetzlich typisierter Fall der Unzumutbarkeit nach § 543 II Nr. 1-3 BGB ist nicht ersichtlich.

Voraussetzung für das Tatbestandsmerkmal „wichtiger Grund“ ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses, die aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer wertenden Betrachtung festzustellen ist.

Als wichtiger Grund könnte hier der berufsbedingte Umzug des B in Betracht kommen. Ausweislich des Sachverhalts ist B Berufssoldat und wurde im Jahr 2013 nach Köln und später nach Kiel abkommandiert. In dieser Zeit war es ihm nicht möglich die Leistungen des Fitnessstudios in Anspruch zu nehmen.

Für eine Unzumutbarkeit könnte sprechen, dass B an die Weisungen unterworfen ist, die ihm während des Sonderverhältnisses bei der Bundeswehr erteilt werden. Dazu zählt naturgemäß auch der Wohnortwechsel.

Dagegen lässt sich jedoch hervorbringen, dass der persönliche und berufsbedingte Wohnortwechsel in die Risikosphäre des Kunden fällt. Bevor er sich langfristig an einen Vertrag bindet, muss er sich diesen Umstand klar machen. Es leuchtet nämlich nicht ein, warum dieses Risiko dem Fitnessstudiobetreiber, also dem K aufgebürgt werden soll, der auf die Einhaltung des Vertrages vertraut („pacta sunt servanda“).

Etwas anderes kann freilich bei unfreiwilligen Gründen gelten, wie z.B. bei Krankheiten. Hier lässt sich jedoch sagen, dass ein Berufsortwechsel, so wesentlich er für die Lebensgrundlage auch ist, auf freiwilliger Basis geschieht, was eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen kann.

Damit liegt kein wichtiger Grund vor. Somit liegt auch keine außerordentliche Kündigung gem. § 543 I BGB vor.

  1. Sonderkündigungsrecht gem. § 46 Abs. 8 TKG
    Fraglich ist, ob dem B ein Sonderkündigungsrecht aus § 46 Abs. 8 TKG zustehen kann. Nach dem Wortlaut erfasst diese Vorschrift allerdings nur Telekommunikationsdienste, sodass die Vorschrift nicht auf Mietverhältnisse übertragbar ist.

Die Norm könnte jedoch analog herangezogen werden. Dafür müssten jedoch eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Für eine vergleichbare Interessenlage spricht, dass auch der Kunde eines Fitnessstudiovertrages bei einem Wohnortwechsel keine Möglichkeit hat die Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Problematisch ist allerdings die Planwidrigkeit der Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat dieses Sonderkündigungsrecht nämlich bewusst in das TKG eingefügt und nicht im BGB geregelt.

Auch liegt der Fall bei Telekommunikationsdiensten anders. Diese sind in der Regel so wesentlich, dass sie eine besondere Stellung innehaben. Auch ist die Einrichtung eines Fitnessstudios an den verschiedensten Standorten mit erheblichen Kosten verbunden und somit so gut wie ausgeschlossen für Einzelbetreiber (anders als bei Fitnessstudio-Ketten.)

Daher ist auch eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 8 TKG abzulehnen.

III. Zwischenergebnis
Damit liegt keine Kündigung vor. Es besteht ein wirksamer Mietvertrag.

IV. Endergebnis
Damit hat K gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 719,90 € gem. § 535 II BGB.

34
Q

Wohnungseigentum eines Minderjährigen
Der vorliegende Fall entspringt einer Originalentscheidung des BGH vom 09.07.1980. Der BGH entwickelte hier die so genannte Gesamtbetrachtungslehre.

Der Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob das Rechtsgeschäft über den Eigentumserwerb lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies wird verneint. Im Weiteren ist zu klären, ob ein Verstoß gegen § 181 BGB vorliegt. Dies verneint der BGH zwar auch, entwickelte jedoch zum Schutz der Minderjährigen die so genannte „Gesamtbetrachtungslehre“, die in der Literatur auf weitläufige Kritik stößt, weil sie gegen das Abstraktionsprinzip verstößt. Hier sollte deutlich werden, dass zwei grundlegende Interessen des Zivilrechts aufeinander stoßen (Minderjährigenschutz vs. Abstraktionsprinzip).

Lösungsskizze
A. Eigentumsübergang gem. §§ 873, 925 BGB

(P) Wohnungseigentum

I. Dingliche Einigung

a) Verstoß gegen § 181 BGB
b) Erfüllung einer Verbindlichkeit
c) Zwischenergebnis
d) Korrektur über Gesamtbetrachtungslehre?
e. A (+) Minderjährigenschutz
a. A (-) Abstraktionsprinzip

II. Ergebnis

A

Gutachten
A. Eigentumsübergang gem. §§ 873, 925 BGB

Das Eigentum an der Wohnung könnte durch Verfügung gem. §§ 873,925 BGB an S übergegangen sein.

Fraglich erscheint jedoch, ob auch das Wohnungseigentum gem. §§ 873,925 BGB übertragen werden kann. Nach dem Wortlaut der Normen gelten diese nur für Grundstücke.

Dagegen könnte sprechen, dass die Wohnung nur wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist gem. § 94 I BGB. Demnach können wesentliche Bestandteile nicht sonderrechtsfähig sein.

Vielmehr wird das Grundstück übertragen und das Eigentum erstreckt sich dann gem. §§ 93 und 94 auf das Gebäude.

Für die Anwendung der Normen spricht allerdings das Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Als lex specialis regelt § 4 I WEG, dass es zur Übertragung des Wohnungseigentums auch der Einigung und Eintragung in das Grundbuch bedarf. Die dingliche Einigung muss auch notariell beurkundet werden.

Mithin ist das Wohnungseigentum gem. § 4 I WEG sonderrechtsfähig und die §§ 873, 925 BGB sind anwendbar.

I. Dingliche Einigung

Es müsste eine dingliche Einigung (Auflassung) gem. § 4 II WEG vorliegen.

V und S haben sich geeinigt, dass das Eigentum an der Wohnung übergehen soll. Problematisch ist hier allerdings, dass der S minderjährig ist. Die dingliche Einigung könnte somit gegen § 181 BGB verstoßen.

a) Verstoß gegen § 181 BGB

Es könnte ein Verstoß gegen § 181 BGB vorliegen. Es könnte ein Insichgeschäft in Form der Selbstkontrahierung vorliegen.

Hier handelte V als gesetzlicher Vertreter des S gem. §§ 1629 I, 164 I BGB. Nach § 1629 II 1 BGB ist eine Vertretung der Eltern ausgeschlossen, wenn auch ein Vormund von der Vertretung ausgeschlossen wäre. Dies regelt § 1795 BGB. § 1795 Abs.2 BGB verweist auf den § 181 BGB, sodass daraus ein Verbot des Insichgeschäfts für gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen folgt.

Hier handelte V einerseits als Vertragspartei und andererseits als gesetzlicher Vertreter des S.

Mithin liegt ein verbotenes Insichgeschäft vor.

b) Erfüllung einer Verbindlichkeit

Es könnte hier jedoch eine Ausnahme von § 181 BGB vorliegen. Eine Ausnahme ist insbesondere vorgesehen, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit vorliegt.

Hier kommt die Erfüllung des Schenkungsvertrages in Betracht gem. § 516 BGB.

Dieser Schenkungsvertrag müsste wirksam sein. Die Schenkung an sich (Verpflichtungsgeschäft) ist lediglich rechtlich vorteilhaft. Auch andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

c) Zwischenergebnis

Damit wäre eine Ausnahme von § 181 BGB gegeben und es läge kein verbotenes Insichgeschäft vor.

d) Korrektur über Gesamtbetrachtungslehre

Fraglich ist jedoch, ob das vorliegende Ergebnis nicht aufgrund des Minderjährigenschutzes korrigiert werden muss.

Nach einer Ansicht müssen mögliche Nachteile des Verfügungsgeschäfts bereits beim Verpflichtungsgeschäft berücksichtigt werden. Damit wäre hier der Schenkungsvertrag unwirksam und die Auflassung wäre nicht als die Erfüllung einer Verbindlichkeit zu sehen. Damit wäre auch die Auflassung gem. § 177 I BGB schwebend unwirksam.

Eine andere Ansicht will § 181 BGB dahingehend teleologisch reduzieren, dass auch das Verfügungsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft sein muss und kommt zum selben Ergebnis.

Eine weitere Auffassung reduziert § 181 BGB auch teleologisch, vertritt jedoch, dass eine Ausnahme dann gemacht werden soll, wenn in einem fest umrissenen Rechtskreis eine Interessenkollision schlechthin ausgeschlossen ist. Das ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Vertretene einen rechtlichen Vorteil erlangt. Dies wäre hier der Fall, da S zwar in die Wohnungseigentümergesellschaft eintritt, jedoch nur bis zu seinem Wohnungseigentum haftet.

Da mindestens eine Ansicht zu einem anderen Ergebnis kommt, muss der Streit entschieden werden.

Für die letzte Ansicht und damit gegen die Gesamtbetrachtungslehre spricht das Abstraktionsprinzip. Demnach wäre dies in unzulässigerweise durchbrochen, wenn das Verfügungsgeschäft und das Verpflichtungsgeschäft anhand einer Gesamtbetrachtung vermischt werden. Dies entspricht jedoch nicht dem sachenrechtlichen Grundsatz des Trennungs- und Abstraktionsprinzips.

Für die letzte Ansicht spricht zudem, dass der Minderjährige hinreichend durch § 1147 BGB analog geschützt ist, da er mit der Haftung auf das Wohnungseigentum beschränkt ist.

Dagegen und für die ersten beiden Ansichten spricht allerdings, dass der Minderjährigenschutz gewichtiger zu berücksichtigen ist, als das Abstraktionsprinzip. § 1147 BGB ist auch nicht konzipiert als Minderjährigenschutz. Daher sind die möglichen Nachteile aus dem Verfügungsgeschäft bereits beim Verpflichtungsgeschäft zu berücksichtigen, damit ein umfassender Minderjährigenschutz gewährleistet wird.

Damit ist der Schenkungsvertrag nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und somit schwebend unwirksam gem. § 108 I BGB. Somit kann die Auflassung auch nicht als Erfüllung einer Verbindlichkeit gesehen werden. Mithin ist die dingliche Einigung schwebend unwirksam gem. § 177 I BGB.

II. Ergebnis

S ist nicht Wohnungseigentümer geworden.

35
Q

Das faktische Arbeitsverhältnis (leicht abgewandelt: BAG,

m Originalfall vom 27.07.2010 war der Grund der Nichtigkeit der § 4 Abs. 2 BBiG iVm. § 134 BGB. Der BAG wendete hier wieder die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis an, welcher in den verschiedensten Konstellationen denkbar ist und somit zum relevanten Examenswissen gehört.

Der Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob bei Nichtigkeit des Arbeitsvertrages die §§ 812 ff. BGB zur Anwendung kommen sollen. Die Besonderheit besteht hier in der Figur des fehlerhaften oder faktischen Arbeitsverhältnisses, die angenommen wird, wenn eine Invollzugsetzung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und dies aus Billigkeitsgründen geboten erscheint. Damit sind die §§ 812 ff. BGB ausnahmsweise nicht anzuwenden. Es kommt vorliegend noch hinzu, dass es um einen Minderjährigen geht, sodass auch der Minderjährigenschutz in der Fallbearbeitung Berücksichtigung finden muss.

A

Gutachten
A. Anspruch des M gegen A auf Lohnzahlung gem. § 611 BGB
M könnte gegen A einen Anspruch auf Lohnzahlung gem. § 611 BGB haben.
Dafür müsste ein wirksames Arbeitsverhältnis vorliegen.

I. Wirksames Arbeitsverhältnis
Fraglich ist, ob überhaupt ein wirksames Arbeitsverhältnis in Betracht kommt.
Problematisch ist hier, dass M minderjährig ist. Damit könnte das Arbeitsverhältnis zustimmungsbedürftig nach § 107 BGB sein.

  1. lediglich rechtlich vorteilhaft
    Der Arbeitsvertrag ist nicht zustimmungsbedürftig, wenn er lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Bei einem Arbeitsverhältnis werden regelmäßig Rechte aber auch Pflichten für den Arbeitnehmer begründet.
    Es fehlt an einem lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäft für M, sodass der Vertrag schwebend unwirksam ist, bis die gesetzlichen Vertreter zustimmen, § 107 BGB.
  2. Zustimmung
    Hier waren die Eltern des M strikt gegen den Arbeitsvertrag, weil dadurch die schulischen Noten des M nachlassen würden.
    Damit liegt weder eine Einwilligung noch eine nachträgliche Genehmigung vor.

II. Zwischenergebnis
Mithin ist der Arbeitsvertrag unwirksam und damit nichtig.

III. Anspruch auf Lohnzahlung nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses
Fraglich ist, ob nicht aus Wertungsgesichtspunkten ein anderes Ergebnis in Betracht kommt.
Vorliegend ist nämlich problematisch, dass der Arbeitsvertrag in Vollzug gesetzt wurde. Daraus ergeben sich eine Reihe von Schwierigkeiten, da die §§ 812 ff. BGB vielmehr auf den einmaligen Leistungsaustausch zugeschnitten sind. Die im Arbeitsrecht geltenden Schutzpflichten würden so unberücksichtigt bleiben. Insbesondere hätte der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf Wertersatz nach § 818 II BGB, wodurch er sich dem Risiko der Entreicherung des Arbeitgebers ausgesetzt sehen würde (vgl. § 818 III BGB).
Um diesem Problem entgegenzutreten und den Wertungen des Arbeitsrechts gerecht zu werden wurde die Lehre vom faktischen (fehlerhaften) Arbeitsverhältnis entwickelt.
[Exkurs: Diese Problematik existiert im selben Umfang auch beim „fehlerhaften Gesellschaftsvertrag“.]

  1. Vorraussetzungen
    Fraglich ist, ob deren Vorraussetzungen vorliegen.

a) Nichtiger oder anfechtbarer Arbeitsvertrag
Zunächst müsste ein nichtiger oder anfechtbarer Arbeitsvertrag vorliegen.
Hier ist der Arbeitsvertrag aufgrund der fehlenden Zustimmung der Eltern des M unwirksam und nichtig. Damit liegt diese Voraussetzung vor.

b) Invollzugsetzung
Damit die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis Anwendung findet, müsste das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden sein. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitstätigkeit bereits aufgenommen wurde.
Hier begann der M am 01. Juli 2012 mit der Tätigkeit. Somit wurde das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt.

c) Keine entgegenstehenden gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Personen
Der Fehler im Arbeitsvertrag dürfte nicht gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einer einzelnen Person entgegenstehen. Das bedeutet, dass Wertungsgesichtspunkte wie der Minderjährigenschutz oder andere gesetzliche Wertungen der Anwendung nicht entgegenstehen dürfen (z.B. Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB).
Es könnte hier an den Minderjährigenschutz gedacht werden, der entgegenstehen könnte. Dies würde allerdings nur zutreffen, wenn die Lehre des faktischen Arbeitsverhältnisses zu Lasten des Minderjährigen angewendet würde.
Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers für die Vergangenheit geltend gemacht werden würden. Dies ist jedoch ausgeschlossen, da vorrangig der Minderjährigenschutz beachtet werden muss.
Hier wird die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis gerade zum Vorteil des minderjährigen M angewandt, dem dadurch ein Lohnzahlungsanspruch zugebilligt wird.
Somit steht der Anwendung kein gewichtiges Interesse entgegen.
[Exkurs: An dieser Stelle zeigt sich eine Parallele zum Bereicherungsrecht, wo auch Wertungsgesichtspunkte und Billigkeitserwägungen eine entscheidende Rolle spielen.]

  1. Rechtsfolge
    Wird die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis angenommen, so ist die Rechtsfolge, dass der Arbeitsvertrag für die Zeit, in der er in Vollzug gesetzt wurde, als wirksam fingiert wird.
    Die Berufung auf die Unwirksamkeit wirkt damit ausnahmsweise ex-nunc, sodass eine Beendigung nur noch für die Zukunft denkbar ist.

IV. Ergebnis
Damit hat M gegen den A einen Lohnzahlungsanspruch für den Monat Juli gem. § 611 BGB.

36
Q

Um diesem Problem entgegenzutreten und den Wertungen des Arbeitsrechts gerecht zu werden wurde die Lehre vom faktischen (fehlerhaften) Arbeitsverhältnis entwickelt.

A
  1. Vorraussetzungen
    Fraglich ist, ob deren Vorraussetzungen vorliegen.

a) Nichtiger oder anfechtbarer Arbeitsvertrag
Zunächst müsste ein nichtiger oder anfechtbarer Arbeitsvertrag vorliegen.
Hier ist der Arbeitsvertrag aufgrund der fehlenden Zustimmung der Eltern des M unwirksam und nichtig. Damit liegt diese Voraussetzung vor.

b) Invollzugsetzung
Damit die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis Anwendung findet, müsste das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden sein. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitstätigkeit bereits aufgenommen wurde.
Hier begann der M am 01. Juli 2012 mit der Tätigkeit. Somit wurde das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt.

c) Keine entgegenstehenden gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Personen
Der Fehler im Arbeitsvertrag dürfte nicht gewichtigen Interessen der Allgemeinheit oder einer einzelnen Person entgegenstehen. Das bedeutet, dass Wertungsgesichtspunkte wie der Minderjährigenschutz oder andere gesetzliche Wertungen der Anwendung nicht entgegenstehen dürfen (z.B. Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB).
Es könnte hier an den Minderjährigenschutz gedacht werden, der entgegenstehen könnte. Dies würde allerdings nur zutreffen, wenn die Lehre des faktischen Arbeitsverhältnisses zu Lasten des Minderjährigen angewendet würde.
Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers für die Vergangenheit geltend gemacht werden würden. Dies ist jedoch ausgeschlossen, da vorrangig der Minderjährigenschutz beachtet werden muss.
Hier wird die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis gerade zum Vorteil des minderjährigen M angewandt, dem dadurch ein Lohnzahlungsanspruch zugebilligt wird.
Somit steht der Anwendung kein gewichtiges Interesse entgegen.
[Exkurs: An dieser Stelle zeigt sich eine Parallele zum Bereicherungsrecht, wo auch Wertungsgesichtspunkte und Billigkeitserwägungen eine entscheidende Rolle spielen.]

  1. Rechtsfolge
    Wird die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis angenommen, so ist die Rechtsfolge, dass der Arbeitsvertrag für die Zeit, in der er in Vollzug gesetzt wurde, als wirksam fingiert wird.
    Die Berufung auf die Unwirksamkeit wirkt damit ausnahmsweise ex-nunc, sodass eine Beendigung nur noch für die Zukunft denkbar ist.
37
Q

Die sich kreuzenden AGB Die sich kreuzenden AGB

Bereits das Reichsgericht beschäftigte sich mit der Frage der sich widersprechenden AGBs und entwickelte dort die Theorie des letzten Wortes. Diesem schloss sich der BGH in der Folgezeit jedoch nicht an.

Der Fall beschäftigt sich mit dem Problem, welche AGB gelten, wenn sich diese gegenseitig widersprechen. Diese Problematik kam auch kürzlich wieder im Examen (November 2014 NRW), sodass sie zwingend zu beherrschen ist.

Lösungsskizze
A. Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 II BGB
I. Wirksamer Kaufvertrag
1. Angebot des V
2. Annahme des K
à neues Angebot § 150 II BGB
3. Annahme durch V
(P) Dissens ? (-)
4. Zwischenergebnis
Wirksamer Kaufvertrag (+)
II. Untergang des Zahlungsanspruchs
1. Befreiung von Gegenleistung, § 326 I BGB
2. Abweichende Regelung in den AGB
(P) sich kreuzende AGB
a) e.A. Theorie des letzten Wortes
b) a.A. Prinzip der Kongruenzgeltung
c) Streitentscheid
d) Zwischenergebnis
III. Ergebnis
A

Gutachten
A. Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 II BGB
V könnte gegen K einen Kaufpreisanspruch gem. § 433 II BGB haben.

I. Wirksamer Kaufvertrag
Dafür müsste zunächst ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen.
Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus.

  1. Angebot des V
    V müsste ein Angebot abgegeben haben. Unter einem Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt; dieser das Angebot also mit einem einfachen “Ja” annehmen kann. Hier hat der V gegenüber K ein Angebot zum Kauf einer Maschine abgegeben. Zudem hat er dabei seine AGB beigefügt, die somit auch Vertragsbestandteil wurden.
  2. Annahme des K
    K müsste das Angebot angenommen haben. Eine Annahme ist eine einseitige empfangsbedürftige und vorbehaltlose Willenserklärung, aus der sich der Annahmewille des Angebots unzweifelhaft ergibt. Hier wollte K das Angebot des V allerdings nur mit veränderten AGB annehmen. Dies stellt allerdings nach § 150 II BGB eine Ablehnung und die Abgabe eines erneuten Angebots dar.
  3. Annahme des V
    Dieses neue Angebot könnte der V angenommen haben, indem er widerspruchslos das Vertragsangebot entgegen genommen hat.
    Problematisch ist allerdings, dass sowohl V als auch K von unterschiedlichen AGB ausgegangen sind, die sich inhaltlich widersprechen.
    Daher könnte hier ein Dissens nach § 154 oder § 155 BGB angenommen werden. Somit wäre kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen.
    Dabei ist jedoch zu beachten, dass die §§ 154, 155 BGB als Auslegungsregeln konzipiert sind und mit deren Vorliegen noch keine Nichtigkeit des gesamten Vertrages begründet werden kann. Ob ein Vertrag wirklich gewollt war, ist somit durch Auslegung zu ermitteln.
    Hier hat V die Ware bereits abgeschickt. Dies spricht dafür, dass die Vertragsparteien selbst von einem wirksamen Kaufvertrag ausgegangen sind.
  4. Zwischenergebnis
    Damit liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor.

II. Untergang des Zahlungsanspruch
Fraglich ist, ob der Zahlungsanspruch untergegangen ist.

  1. Befreiung von der Gegenleistung gem. § 326 I BGB
    Der Zahlungsanspruch könnte jedoch gem. § 326 I BGB untergegangen sein. Hier kommt eine subjektive Unmöglichkeit gem. § 275 I 1.Alt. BGB in Betracht.
    Ausweislich des Sachverhalts hat der V die Maschine bereits abgeschickt, jedoch kam sie aus ungeklärten Gründen nicht an.
    Es liegt damit auch eine Konkretisierung nach § 243 II BGB vor.
    Die Unmöglichkeit der Leistung bleibt hier nicht ohne Einfluss auf das Schicksal der Gegenleistung, sodass der Zahlungsanspruch grundsätzlich erloschen sein könnte.
  2. Abweichende Regelung in den AGB
    Fraglich ist allerdings, ob nicht etwas anderes gelten würde, wenn abweichende vertragliche Bestimmungen vorliegen.
    Hier kommen die Regelungen der verschiedenen AGB der Vertragsparteien in Betracht.
    Laut den AGB des V muss der K trotz Untergang der Maschine den Kaufpreis entrichten. Nach der AGB des K wäre der Kaufpreisanspruch allerdings erloschen.
    Damit ist fraglich, welche AGB gelten. Dies ist umstritten.

a) Theorie des letzten Wortes
Nach einer Ansicht sollen die Bedingungen gelten, auf welche zuletzt verwiesen wurden. Die Annahme durch den anderen Teil wird dann konkludent durch die Durchführung fingiert.
Danach würden hier die AGB des K gelten.

b) Prinzip der Kongruenzgeltung
Nach einer anderen Ansicht wird der § 150 II BGB teleologisch reduziert, wenn die Gegenpartei ausdrücklich erkennen lässt, dass sie die Bedingungen der anderen Partei nicht gelten lassen will. Danach sind die AGB der beiden Parteien nur insofern zum Vertragsinhalt geworden, als sie auch übereinstimmen .Ein grundsätzlicher Dissens steht dabei nach dem Rechtsgedanken des § 306 II BGB der Wirksamkeit des Vertrags nicht entgegen, wenn die Vertragsparteien einverständlich mit der Durchführung des Vertrags begonnen haben. Dies ist hier der Fall. Soweit sich die AGB widersprechen, gilt dann das dispositive Gesetzesrecht gem. § 306 I, II BGB analog. Demnach würde hier § 447 I BGB zur Anwendung kommen, sodass der K trotz Untergangs der Maschine den Kaufpreis bezahlen müsste.

c) Streitentscheid
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen ist der Streit zu entscheiden.
Gegen die erste Auffassung spricht, dass vom Zufall abhängen würde, wessen AGB zuletzt abgegeben wurden. Danach würde regelmäßig die AGB desjenigen gelten, der am hartnäckigsten das letzte Wort abgegeben hat. Zudem scheint es unbillig, der Gegenpartei eine konkludente Annahme zu unterstellen, obwohl sie vorher einen gegenteiligen Willen nach Außen getragen hat.
Die zweite Ansicht ist vorzugswürdiger, da sie auch den Parteienwillen besser berücksichtigt und Widersprüche vermeidet.

d) Zwischenergebnis
Damit liegt zwar ein partieller Dissens vor, allerdings wird § 150 II BGB nicht angewandt in Bezug auf die essentialia negotii. Nur die sich widersprechenden Bedingungen sind ungültig und an deren Stelle tritt gem. § 306 II BGB analog die gesetzliche Regelung des § 447 I BGB (s.o.).

III. Ergebnis
Damit hat V gegen K einen Zahlungsanspruch gem. § 433 II BGB.

38
Q
  1. Abweichende Regelung in den AGB
    Fraglich ist allerdings, ob nicht etwas anderes gelten würde, wenn abweichende vertragliche Bestimmungen vorliegen.
    Hier kommen die Regelungen der verschiedenen AGB der Vertragsparteien in Betracht.
    Laut den AGB des V muss der K trotz Untergang der Maschine den Kaufpreis entrichten. Nach der AGB des K wäre der Kaufpreisanspruch allerdings erloschen.
    Damit ist fraglich, welche AGB gelten. Dies ist umstritten.
A

a) Theorie des letzten Wortes
Nach einer Ansicht sollen die Bedingungen gelten, auf welche zuletzt verwiesen wurden. Die Annahme durch den anderen Teil wird dann konkludent durch die Durchführung fingiert.
Danach würden hier die AGB des K gelten.

b) Prinzip der Kongruenzgeltung
Nach einer anderen Ansicht wird der § 150 II BGB teleologisch reduziert, wenn die Gegenpartei ausdrücklich erkennen lässt, dass sie die Bedingungen der anderen Partei nicht gelten lassen will. Danach sind die AGB der beiden Parteien nur insofern zum Vertragsinhalt geworden, als sie auch übereinstimmen .Ein grundsätzlicher Dissens steht dabei nach dem Rechtsgedanken des § 306 II BGB der Wirksamkeit des Vertrags nicht entgegen, wenn die Vertragsparteien einverständlich mit der Durchführung des Vertrags begonnen haben. Dies ist hier der Fall. Soweit sich die AGB widersprechen, gilt dann das dispositive Gesetzesrecht gem. § 306 I, II BGB analog. Demnach würde hier § 447 I BGB zur Anwendung kommen, sodass der K trotz Untergangs der Maschine den Kaufpreis bezahlen müsste.

c) Streitentscheid
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen ist der Streit zu entscheiden.
Gegen die erste Auffassung spricht, dass vom Zufall abhängen würde, wessen AGB zuletzt abgegeben wurden. Danach würde regelmäßig die AGB desjenigen gelten, der am hartnäckigsten das letzte Wort abgegeben hat. Zudem scheint es unbillig, der Gegenpartei eine konkludente Annahme zu unterstellen, obwohl sie vorher einen gegenteiligen Willen nach Außen getragen hat.
Die zweite Ansicht ist vorzugswürdiger, da sie auch den Parteienwillen besser berücksichtigt und Widersprüche vermeidet.

d) Zwischenergebnis
Damit liegt zwar ein partieller Dissens vor, allerdings wird § 150 II BGB nicht angewandt in Bezug auf die essentialia negotii. Nur die sich widersprechenden Bedingungen sind ungültig und an deren Stelle tritt gem. § 306 II BGB analog die gesetzliche Regelung des § 447 I BGB (s.o.).

39
Q

Das Gefälligkeitsverhältnis

Der Fall ist brandaktuell vom BGH am 23.07.2015 entschieden worden und behandelt eine schon länger bestehende Problematik.

Der vorliegende Fall ist sehr examensrelevant und eignet sich hervorragend für eine Klausur. Das Problem der Abgrenzung von Gefälligkeits- und Schuldverhältnissen wird argumentativ bearbeitet. Weiter wird auf die GoA eingegangen und diskutiert, inwieweit ein fehlender Rechtsbindungswille Einschlag in die GoA- Vorschriften findet.

Der Fall ist brandaktuell vom BGH am 23.07.2015 entschieden worden und behandelt eine schon länger bestehende Problematik.

Lösungsskizze 
A. Anspruch aus § 670 BGB
I. Auftrag zwischen O und V
(P) Rechtsbindungswille
(P) Abgrenzung

II. Ergebnis (-)
a.A. mit Argumenten vertretbar
wenn (+) dann (P) § 670 BGB analog

B. Anspruch aus § 280 I i.V,m. VSD (-)

C. Anspruch aus §§ 670, 677, 683 BGB
I. Geschäft
II. Eines anderen ( fremd)
III. Fremdgeschäftsführungswille
(P) drohender Wertungswiderspruch
e.A. „Geschäft“ wird eng ausgelegt
a.A. „Fremdgeschäftsführungswille“ wird eng ausgelegt
à Zumindest selbes Ergebnis
A

Gutachten
A. Anspruch aus § 670 BGB
O könnte gegen V einen Anspruch aus § 670 BGB haben.

I. Auftrag zwischen V und O
Dafür müsste ein Auftrag zwischen V und O bestehen.
Dafür müssten zwei korrespondierende Willenserklärungen bzgl. eines Auftragsverhältnisses vorliegen.
Fraglich ist hier jedoch das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens bzgl. eines Auftrages.
Es stellt sich somit die Frage, inwieweit die Abgrenzung zwischen einem rechtlich verbindlichen Vertrag und einem reinen Gefälligkeitsverhältnis erfolgt.
Zwar stellt der Rechtsbindungswille eine subjektive Komponente des Erklärenden dar, jedoch ist der Rechtsbindungswille als äußerer Tatbestand einer Willenserklärung regelmäßig am objektiven Beobachterhorizont zu beurteilen.
Maßgeblich kann dabei das wirtschaftliche Interesse aller Beteiligten sein. Je höher das wirtschaftliche Interesse an dem Verhältnis ist, desto eher kann von einem Rechtsbindungswillen ausgegangen werden.
Ausweislich des Sachverhalts sollte die O die T zu einer Sportveranstaltung fahren. Für einen möglichen Rechtsbindungswillen kann hier sprechen, dass nicht nur der Vater der T die O um die Fahrt bat, sondern auch die Trainerin des Vereins persönlich.
Dagegen spricht jedoch, dass in der Regel die Kinder immer privat zu den Veranstaltungen gefahren werden. Auch O hat dies unentgeltlich in der Vergangenheit mehrmals übernommen. Zudem besteht hier noch zusätzlich ein enges familiäres Verhältnis zwischen O und T. Hätte O die T nicht fahren können, wäre die Fahrt alternativ anders privat organisiert worden.
Für einen objektiven Beobachter stellt sich daher ein üblicher Ablauf einer reinen Gefälligkeit dar. Es lässt sich aus dem Verhalten der Beteiligten nicht deuten, dass dadurch gerichtlich durchsetzbare Pflichten begründet werden sollten.
Somit ist ein Rechtsbindungswille abzulehnen.

[Exkurs: Bearbeiter, die einen Rechtsbindungswillen annehmen, müssen konsequenterweise auch das Problem des Schadens in § 670 BGB ansprechen. Nach h.M. ist dieser nach § 670 BGB analog ersatzfähig. Abgestellt wird dabei überwiegend auf den Gedanken aus § 110 HGB. Eine andere Ansicht erweitert den Aufwendungsbegriff unmittelbar aus § 670. Es ist auch möglich an den Grundsatz von Treu und Glauben anzuknüpfen]

II. Ergebnis
O hat gegen V keinen Anspruch aus § 670 BGB.

B. Anspruch aus § 280 I i.V,m. VSD
O könnte gegen V einen Schadensersatzanspruch aus § 280 I i.V.m dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haben.
Das Schuldverhältnis zwischen T und dem Verein (Mitgliedschaftsvertrag o.ä.) könnte Schutzwirkung gegenüber O haben. Der Anspruch scheitert hier jedoch an einer fehlenden Pflichtverletzung des V.

C. Anspruch aus §§ 670, 677, 683 BGB
O könnte gegen V einen Aufwendungsersatzanspruch aus den §§ 670, 677, 683 BGB haben.
Dafür müsste ein fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen und ohne Auftrag vorliegen. O müsste auch im Interesse und mit Rücksicht auf den mutmaßlichen Willen des V gehandelt haben.

I. Geschäft
Es müsste zunächst ein Geschäft vorliegen. Der Begriff des Geschäfts wird sehr weit verstanden. Hier fällt jedes tatsächliches Verhalten darunter. Ausweislich des Sachverhalts hat O die T zum Fußballspiel gefahren, sodass ein Geschäft vorliegt.

II. Für einen anderen (fremd)
Das Geschäft müsste auch fremd gewesen sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Geschäftsführer das Geschäft für einen anderen tätigt. Hier hat O die T für den Verein zum Fußballspiel gefahren. Somit war das Geschäft objektiv fremd.

III. Fremdgeschäftsführungswille
Es müsste auch der Fremdgeschäftsführungswille vorliegen. Beim objektiv- fremden Geschäft wird der Fremdgeschäftsführungswille regelmäßig vermutet.

IV. Wertungswiderspruch
Fraglich ist jedoch, ob hier aus Wertungsgesichtspunkten nicht ein anderes Ergebnis vorliegen muss.
Es droht nämlich die Wertung des Gefälligkeitsverhältnisses ohne Rechtsbindungswillen über die Vorschriften der GoA auszuhöhlen.
Beim Gefälligkeitsverhältnis wird, wie bereits erwähnt, der objektive Verkehrshorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Konsequenterweise muss dieser Umstand somit auch in der GoA Berücksichtigung finden. Auch hier ist insoweit die Interessenlage der Parteien objektiv zu bestimmen und zu bewerten. (s.o).
Reine Gefälligkeiten können somit nicht den Tatbestand der §§ 677 ff. BGB erfüllen.

Fraglich ist jedoch, wie der Wertungswiderspruch zu lösen ist.
Nach einer Ansicht kann man das Tatbestandsmerkmal des „Geschäfts“ eng auslegen, sodass die reine Gefälligkeit ohne Rechtsbindungswillen nicht darunter zu fassen ist. Damit läge hier kein Geschäft vor.
Nach einer anderen Ansicht wird der Fremdgeschäftsführungswille eng ausgelegt, sodass hier kein Fremdgeschäftsführungswille gegeben wäre.
Da der Streit zum selben Ergebnis führt, muss er nicht entschieden werden.

V. Ergebnis
O hat gegen V keinen Anspruch aus §§ 670, 677, 683 BGB.

40
Q

IV. Wertungswiderspruch
Fraglich ist jedoch, ob hier aus Wertungsgesichtspunkten nicht ein anderes Ergebnis vorliegen muss.
Es droht nämlich die Wertung des Gefälligkeitsverhältnisses ohne Rechtsbindungswillen über die Vorschriften der GoA auszuhöhlen.

A

Beim Gefälligkeitsverhältnis wird, wie bereits erwähnt, der objektive Verkehrshorizont unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Konsequenterweise muss dieser Umstand somit auch in der GoA Berücksichtigung finden. Auch hier ist insoweit die Interessenlage der Parteien objektiv zu bestimmen und zu bewerten. (s.o).
Reine Gefälligkeiten können somit nicht den Tatbestand der §§ 677 ff. BGB erfüllen.

Fraglich ist jedoch, wie der Wertungswiderspruch zu lösen ist.
Nach einer Ansicht kann man das Tatbestandsmerkmal des „Geschäfts“ eng auslegen, sodass die reine Gefälligkeit ohne Rechtsbindungswillen nicht darunter zu fassen ist. Damit läge hier kein Geschäft vor.
Nach einer anderen Ansicht wird der Fremdgeschäftsführungswille eng ausgelegt, sodass hier kein Fremdgeschäftsführungswille gegeben wäre.
Da der Streit zum selben Ergebnis führt, muss er nicht entschieden werden.

41
Q

Das Beweisproblem

Der vorliegende Sachverhalt beinhaltet einen schon länger bestehenden und sehr examensrelevanten Streit über die Reichweite des § 476 BGB. Der EuGH hat sich hier ausdrücklich der Literaturmeinung und damit gegen den BGH entschieden. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts wird sich der BGH dem wohl bald im Wege der europarechtskonformen Auslegung anschließen müssen.

A. Anspruch aus §§ 437 Nr. 2 , 323 I, 346 I BGB
I. Rücktrittsgrund
1. Kaufvertrag
2. Sachmangel
3. Bei Gefahrübergang
(P) Reichweite des § 476 BGB
a) BGH : nur zeitlich wirkende Vermutung
b) Lit./ EuGH : Grundmangel wird rückdatiert
c) Streitentscheid
4.  Ablauf einer angemessene Frist / Entbehrlichkeit
II. Rücktrittserklärung, § 349 I BGB
III. Ergebnis
B. Anspruch aus §§ 437 Nr. 3 , 280 I, III, 281 I S. 1(oder 283) BGB
(P) Abgrenzung SE statt der Leistung u. SE neben der Leistung
I. Schuldverhältnis
II. Pflichtverletzung
à Nichtleistung der Nacherfüllung
III. Vertretenmüssen
IV. Fristsetzung
V. Kausaler Schaden
VI. Ergebnis
A

A. Anspruch aus §§ 437 Nr. 2 , 323 I, 346 I BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Zahlung von 10.000 Euro aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Rücktrittsgrund
Zunächst müsste ein Rücktrittsgrund bestehen. Es müssten ein Kaufvertrag, ein Sachmangel bei Gefahrübergang und eine erfolglos abgelaufene Frist vorliegen.

  1. Kaufvertrag
    Es müsste ein Kaufvertrag vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts haben F und H einen Kaufvertrag gem. § 433 I BGB abgeschlossen.
  2. Sachmangel
    Es müsste auch ein Sachmangel vorliegen. Der PKW ist eine Sache gem. § 90 I BGB. Es könnte ein Mangel gem. § 434 I S.1 BGB vorliegen. Dafür müsste eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegen und die Ist-Beschaffenheit müsste negativ von der Soll-Beschaffenheit abweichen. Laut Sachverhalt hat der Wagen nicht der Vereinbarung entsprochen. Der Wagen hat Feuer gefangen und brannte vollständig aus. Mithin hat er sich nicht mehr zum Fahren geeignet, was jedoch vereinbart war. Damit liegt ein Sachmangel vor.

[Exkurs: Wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, ist auf keinen Fall auf § 434 I S.2 Nr.1 und Nr.2 einzugehen! Siehe Wortlaut „ Soweit eine Beschaffenheit NICHT vereinbart ist..“]

  1. Bei Gefahrübergang
    Fraglich ist allerdings, ob der Sachmangel schon bei Gefahrenübergang vorlag. Das Feuer entstand nämlich erst nach der Übergabe des PKW (§ 446 S.1 BGB). Problematisch ist, ob der Wagen einen so genannten latenten Mangel (oder Grundmangel) hatte, der im weiteren Verlauf das Feuer ausgelöst hat.
    Ausweislich des Sachverhalts bestreitet dies H jedoch.
    Daher ist fraglich, wen die Beweislast dafür trifft. Grundsätzlich regelt § 363 BGB, dass der Käufer den Sachmangel zu beweisen hat, da eine Erfüllung nur eintreten kann, wenn die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln übergeben worden ist.
    Etwas anderes könnte allerdings wegen § 476 BGB gelten. Dafür müsste zunächst der Anwendungsbereich eröffnet sein. F kaufte den Wagen privat und war damit Verbraucherin gem. § 13 BGB. H betreibt ein Autohaus und ist damit Unternehmer gem. § 14 BGB. Damit liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor und § 476 BGB ist mithin anwendbar.
    Nach § 476 BGB wird, wenn sich innerhalb von 6 Monaten ab Gefahrübergang ein Mangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.
    Fraglich ist jedoch, welche Reichweite der § 476 BGB hat. Dies ist umstritten.

a) BGH
Nach einer Ansicht enthält der § 476 BGB nur eine Vermutung in zeitlicher Hinsicht. Die Vermutung geht demnach nicht so weit, dass ein möglicherweise bestehender Grundmangel schon bei Gefahrübergang vorlag. Demnach würde hier die Beweislast bei F liegen, nachzuweisen, dass bei Gefahrübergang ein Grundmangel vorlag. Mangels Gutachten wird ihr der Beweis hier jedoch nicht gelingen.

b) Literatur/ EuGH
Die Gegenauffassung vertritt die Ansicht, dass die Reichweite von § 476 BGB viel weiter zu verstehen ist. Demnach wird ein möglicher Grundmangel, der sich innerhalb von 6 Monaten zeigt, rückdatiert auf den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs. Hier bringt F vor, dass bereits bei der Übergabe der PKW mangelhaft war und dadurch erst der Brand entstehen konnte. Nach dieser Ansicht würde die Beweislast, dass kein latenter Mangel vorlag, bei H liegen. Mangels Gutachten könnte er sich nicht entlasten.

c) Streitentscheid
Da beide Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden. Für die erste Auffassung spricht zunächst der Wortlaut des § 476 BGB, der von „ zeigt sich innerhalb von 6 Monaten ein Sachmangel…“ spricht. Für eine enge Auslegung könnte auch die enge Formulierung des Art. 5 III Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sprechen, der unter „Fristen“ steht.
Dagegen lässt sich jedoch hervorbringen, dass der Wortlaut eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht nicht ausschließt. Auch wäre der Beweis für einen Verbraucher für einen latenten Mangel in der Praxis kaum zu bringen, was zu einem kaum existenten Anwendungsbereich des § 476 BGB führen würde. Auch der Wille und die Zielsetzung eines umfangreichen Verbraucherschutzes des europäischen Gesetzgebers entsprechen einer weiten Auslegung, sodass § 476 BGB vielmehr europarechtskonform ausgelegt werden muss.
Damit sprechen die besseren Argumente für die zweite Ansicht. Diese ist vorzugswürdig.
Damit trifft den H die Beweislast, dass kein Grundmangel vorlag. Diesen Beweis kann er laut Sachverhalt jedoch nicht bringen.
Damit liegt der Sachmangel auch bei Gefahrübergang vor.

[Exkurs: Der EuGH hat in seiner Entscheidung keine wesentlichen Argumente gebracht, was überraschend ist. Die aufgeführten Argumente sind insoweit von der Literatur und von der Generalanwältin übernommen (Rn.88).]

  1. Ablauf einer angemessenen Frist / Entbehrlichkeit
    Es müsste auch der Ablauf einer angemessenen Frist oder deren Entbehrlichkeit vorliegen. Hier hat der H die Leistung gem. § 323 II Nr.1 ernsthaft und endgültig verweigert, sodass eine Fristsetzung entbehrlich ist.

Mithin liegt ein Rücktrittsgrund vor.

II. Rücktrittserklärung
Es müsste auch eine Rücktrittserklärung vorliegen gem. § 349 BGB. Hier hat F dem H deutlich gemacht, dass sie ihr Geld wiederhaben möchte und nicht mehr am Vertrag festhält. Dies kann als Rücktrittserklärung gedeutet werden, sodass diese vorliegt.

III. Ergebnis
F hat gegen H einen Anspruch auf Zahlung der 10.000 Euro aus dem Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 437 Nr.2, 323 I, 346 I BGB.

B. Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I S. 1 (oder 283) BGB
F könnte weiterhin einen Anspruch aus §§ 437 Nr.3, 280 I, III, 281 I 1 BGB haben.

[Vertretbar ist es auch § 283 BGB zu prüfen, wenn man annimmt, dass das Fahrzeug komplett unverwertbar zerstört und damit die Leistung unmöglich wurde.]

Fraglich könnte sein, ob ein Schadensersatz statt der Leistung oder vielmehr ein Schadensersatz neben der Leistung gem. § 280 I BGB vorliegt. Nach der dynamischen Formel liegt ein Schadensersatz statt der Leistung vor, wenn bei einer hypothetisch gedachten Nacherfüllung der Schaden entfällt. Hätte der H hier nacherfüllt, indem er die Sache repariert oder neu liefert, hätte die F keinen Schaden i.H.v 10.000 Euro. Damit handelt es sich um einen Schadensersatz statt der Leistung.

I. Schuldverhältnis
Es müsste ein Schuldverhältnis vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts liegt dieses vor.

II. Pflichtverletzung
H müsste auch eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt haben. H müsste schlecht geleistet haben. Fraglich ist, auf welche Pflicht abgestellt wird. Es könnte auf die mangelhafte Lieferung des PKW oder auf die unterlassene Nacherfüllung abgestellt werden. Zumindest hat hier H jedoch durch Unterlassen die Nacherfüllungspflicht verletzt, indem er sich weigerte einen neuen Wagen zu liefern.

III. Vertretenmüssen
H müsste die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Dies wird gem. § 280 I S.2 BGB vermutet. Damit hat er die Pflichtverletzung zu vertreten.

IV. Fristsetzung
Die Fristsetzung ist gem. § 281 II BGB entbehrlich (s.o.).

V. Kausaler Schaden
Es liegt auch ein kausaler Vermögensschaden i.H.v. 10.000 Euro vor.

VI. Ergebnis
F hat gegen H einen Anspruch auf Zahlung der 10.000 Euro aus §§ 437 Nr.3, 280 I, III, 281 I 1 BGB.

42
Q

Des Kaisers Statue
Vorliegend wird das Staatshaftungsrecht behandelt. Dabei wird insbesondere der Anspruch aus § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG schematisch aufgearbeitet. Was viele übersehen ist jedoch auch ein vertraglicher Anspruch aus den §§ 280 I, 241 II BGB i.V.m dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis. Dort ist umstritten, welches Gericht zuständig ist.

Lösungsskizze
A. Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB iVm verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis

I. Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis

  1. Zustandekommen des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses
  2. Nähebeziehung
  3. Öffentlich-rechtliche Ausgestaltung
  4. Obhutspflicht

II. Voraussetzungen der §§ 280 I, 241 II BGB

  1. Pflichtverletzung
  2. Vertretenmüssen
  3. Kausaler Schaden
  4. Haftungsausschluss (-)

(P) grobe Fahrlässigkeit

  1. Mitverschulden nach § 254 BGB

III. Ergebnis

(P) Zuständiges Gericht

e. A. Verwaltungsgericht
h. M. ordentliche Gerichtsbarkeit

B. Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG

I. Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes

II. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht

(P) Drittbezogenheit

III. Verschulden

IV. Kausaler Schaden

V. Haftungsausschluss

  1. Durch Satzung (-)
  2. Gem. § 839 I 2 BGB (-)

(P) teleologische Reduktion

VI. Mitverschulden gem. § 254 BGB

VII. Ergebnis

A

Gutachten
A. Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB i.V.m verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis

M könnte gegen das Museum einen Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB iVm dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen

I. Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis

Zunächst müsste ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vorliegen.

  1. Zustandekommen des verw.r. Schuldverhältnisses

Fraglich ist, wie ein solches verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zustande kommt. Problematisch könnte sein, dass der M beschränkt geschäftsfähig ist. Dies würde allerdings nur dann eine Rolle spielen, wenn der Vertrag vorliegend als öffentlich-rechtlicher Vertrag einzustufen wäre. Hier ist der Vertrag zwar öffentlich-rechtlich ausgestaltet, jedoch handelt es sich bei dem Museumsbesuch vielmehr um eine einstufige Zulassung des Museumsbetreibers, sodass sich hier keine Probleme wegen der Geschäftsfähigkeit ergeben.

  1. Nähebeziehung

Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis setzt zunächst voraus, dass ein besonderes und enges Verhältnis zwischen dem Bürger und Staat besteht. Maßgeblich ist hier insbesondere, dass ein individueller Leistungsaustausch besteht, der zu einer gesteigerten Pflichtenstellung des Staates führt. Hier entrichtet der Besucher ein Entgelt und kann dafür die Ausstellung des öffentlichen Museums besuchen. Dadurch entsteht eine besondere Nähebeziehung zwischen Staat und Bürger.

  1. Öffentlich- rechtliche Ausgestaltung

Ausweislich des Sachverhalts hat das Museum eine Satzung. Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters des Museums, ist daher von einer öffentlich- rechtlichen Ausgestaltung auszugehen.

  1. Obhutspflicht

Aus dem besonderen Näheverhältnis müssten sich auch Fürsorge- und Obhutspflichten ergeben. Diese können hier dadurch hergeleitet werden, dass die Ausstellungen gerade nicht für die Allgemeinheit zugänglich sind, sondern nur einem abgegrenzten Personenkreis, mithin den Besuchern des Museums. Durch diesen besonderen Fürsorgeauftrag, der insbesondere die historische und künstlerische Bildung zum Gegenstand hat, lassen sich Fürsorge- und Obhutspflichten des Museums herleiten.

II. Voraussetzungen der §§ 280 I, 241 II BGB

Es müssten auch die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 280 I, 241 II BGB vorliegen.

  1. Pflichtverletzung, § 241 II BGB

Zunächst müsste eine Pflichtverletzung vorliegen. Das Museum könnte die Nebenpflicht verletzt haben, auf die Besucher aufzupassen und dafür Sorge zu tragen, dass eine ordnungsgemäße Aufsicht stattfindet. Dabei muss darauf geachtet werden, dass Rechtsgüter von Besuchern nicht verletzt werden.

Hier hat de Aufsichtsperson A den M dazu ermuntert, die Absperrung zu überqueren und die Statue anzufassen, obwohl er über deren Gefahren wusste. Durch die Ermunterung hat er diese Gefahren noch erhöht. A ist hier auch als Erfüllungsgehilfe des Museums gem. § 278 S.1 BGB anzusehen, da er im mit Wissen und Wollen im Interessenkreis des Museums eine ihr obliegende Pflicht erfüllt. Damit muss sich das Museum das Handeln des A zurechnen lassen. Somit liegt eine Pflichtverletzung vor.

  1. Vertretenmüssen

Dies hat das Museum auch zu vertreten. Dieses wird nach § 280 I 2 BGB vermutet. Eine Exkulpation ist nicht ersichtlich.

  1. Haftungsausschluss

Fraglich ist, wie sich der Haftungsausschluss des Museums in der Satzung auswirkt. Vorliegend handelt es sich, wie bereits geprüft, um ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Dabei sind jedoch die Regelungen der §§ 276, 278 BGB analog anzuwenden. Was bei privatrechtlichen Verträgen gilt, muss daher auch hier Geltung haben. Dabei ist jedoch im Gegenzug zu beachten, dass der Staat sich nicht einer Überhaftung ausgesetzt sehen darf. Der Haftungsausschluss müsste jedenfalls sachlich gerechtfertigt sein. Hier hat das Museum die Haftung bei Vorsatz und jedes fahrlässiges Handeln seiner Angestellten ausgeschlossen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist hier eine genaue Abwägung vorzunehmen. Solch ein umfangreicher Haftungsausschluss könnte auch mit Hinblick auf § 242 BGB einen Missbrauch der Stellung als Hoheitsträger bedeuten. Auch eine Umdeutung in den Haftungsausschluss für nur „leichte Fahrlässigkeit“ kann hier nicht vorgenommen werden. Dem steht schon der Wortlaut der Satzung „jedes fahrlässige Handeln“ entgegen. Somit ist das grob fahrlässige Handeln des Angestellten hier nicht von dem Haftungsausschluss umfasst.

  1. Mitverschulden, § 254 I BGB

Fraglich ist allerdings, ob der M sich hier ein Mitverschulden anrechnen lassen muss nach § 254 I BGB. Dabei ist auf seine Einsichtsfähigkeit abzustellen. Ausweislich des Sachverhalts ist der M 12 Jahre alt. Entsprechend der §§ 827 f BGB kann bei einem 12 Jährigen davon ausgegangen werden, dass er einsichtig genug ist zu erkennen, dass man sich in der vorliegenden Situation schon aus dem Selbstschutz heraus, Gefahren möglichst aus dem Weg gehen sollte. Dies gilt umso mehr, wenn sogar Hinweisschilder auf solche Gefahren aufmerksam machen. Hier scheint ein Mitverschulden i.H.v von 50 % daher angemessen.

III. Ergebnis

Damit hat M einen Anspruch gegen das Museum aus §§ 280 I, 241 II BGB iVm dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis. Fraglich ist jedoch, vor welchem Gericht er diesen Anspruch durchsetzen kann. Dies ist umstritten.

Nach einer Ansicht soll hier das Verwaltungsgericht zuständig sein. Nach einer anderen Ansicht ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.

Für die zweite Ansicht spricht jedoch der § 40 II 1 VwGO, sodass wohl die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig ist.

[Anmerkung: BGH und BVerwG differenzieren hier nach dem Begehren des Klägers. Geht es um ein Begehren aus dem ÖR-Vetrag, so bleibt das Verwaltungsgericht zuständig. Bei Schadensersatzansprüchen ist der ordentliche Gerichtsweg gegeben.]

B. Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m Art. 34 GG

M könnte weiterhin einen Amtshaftungsanspruch gegen das Museum geltend machen gem. § 839 BGB iVm Art. 34 GG. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes

Zunächst müsste Jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Es müsste ein Handeln eines Amtswalters vorliegen. Nach § 839 BGB ist zwar der statusrechtliche Beamtenbegriff maßgeblich, allerdings modifiziert Art. 34 GG als haftungsüberleitende Norm diesen Begriff auf den haftungsrechtlichen Beamtenbegriff. Dabei kommt es nach einer Ansicht darauf an, ob ein Amtsträger bzw. der Handelnde in öffentlich-rechtlicher Form gehandelt hat. Eine andere Ansicht will hier vielmehr auf den Inhalt der Tätigkeit abstellen. Der Streit kann hier jedenfalls dahinstehen, da der Angestellte des Museums hier aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Satzung gehandelt hat.

Weiterhin darf die Verletzung nicht nut bei Gelegenheit stattfinden. Sie muss in Ausübung entstanden sein. Hier handelte der A gerade als Aufsichtsperson und handelte somit nicht nur bei Gelegenheit.

II. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht

Fraglich ist, ob A auch eine drittbezogene Amtspflicht verletzt hat. Dabei ist nach Art. 20 III GG insbesondere die Pflicht zum rechtmäßigen Handeln gemeint. Darunter fallen alle Fürsorge- und Obhutspflichten. Hier hatte A die Pflicht als Aufsichtsperson die Besucher vor drohenden gefahren zu schützen und darauf zu achten, dass sie die Sicherheitsanweisungen befolgen. Damit diese Pflicht aber drittgerichtet ist, muss diese Pflicht auch gegenüber den Geschädigten bestehen. Der M ist hier Museumsbesucher. Damit bestand die Amtspflicht des A auch gerade gegenüber M, sodass die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht zu bejahen ist.

III. Verschulden

A handelte zumindest grob fahrlässig und hat die Pflichtverletzung daher zu verschulden (s.o.)

IV. Kausaler Schaden

M hat sich hier einen komplizierten Bruch zugezogen. Dadurch entstehen dem M Behandlungskosten. Mithin ist ein kausaler Schaden entstanden.

V. Haftungsausschluss

Fraglich ist, ob ein Haftungsausschluss vorliegt.

  1. Durch Satzung

Zunächst könnte ein Haftungsausschluss durch Satzung vorliegen (s.o.). Nach dem Wortlaut des Art. 34 GG („ grundsätzlich“) ist solch ein Haftungsausschluss grundsätzlich möglich. Auch hier ist jedoch problematisch, dass das Museum als Träger hoheitlicher Gewalt seine Rechtssetzungsbefugnis missbräuchlich verwenden könnte, sodass ein umfänglicher Haftungsausschluss unverhältnismäßig und damit unwirksam wäre. Ausweislich des Sachverhalts liegt hier grob fahrlässiges Handeln des A vor. Diese Haftung ist nicht wirksam durch die Satzung ausgeschlossen worden.

  1. Nach § 839 I 2 BGB

Die Haftung könnte jedoch nach § 839 I 2 BGB ausgeschlossen sein. Fraglich ist jedoch, ob eine anderweitige Ersatzmöglichkeit vorliegt. Bzgl. des Anspruchs aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist dies zu verneinen. Dieser Anspruch besteht vielmehr neben dem Amtshaftungsanspruch. Auch der Anspruch gegen die private Krankenkasse ist keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S.d § 839 I 2 BGB, da es sich dabei regelmäßig um Leistungen handelt, die sich der Versicherte selbst erkauft hat, indem er entsprechende Beiträge geleistet hat. Sinn und Zweck der Krankenversicherungen ist es daher nicht, dem Staat sein Haftungsrisiko abzunehmen.

[Anmerkung: § 839 I 2 BGB ist wegen der nunmehr haftungsüberleitenden Norm des Art. 34 GG teleologisch zu reduzieren. Ursprünglich sollte diese Norm nämlich den persönlich haftenden Beamten schützen. In vielen Fällen ist sie daher nicht mehr anzuwenden. Dies gilt z.B. bei Ansprüchen gegen Versicherungen, im Straßenverkehr oder bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.]

VI. Mitverschulden gem. § 254 BGB

Zum Mitverschulden (s.o.).

VII. Ergebnis

Damit hat M gegen das Museum einen Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB iVm Art.34 GG. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte gem. Art. 34 S. 3 GG.

43
Q

I. Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis

Zunächst müsste ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vorliegen.

1

A
  1. Zustandekommen des verw.r. Schuldverhältnisses

Fraglich ist, wie ein solches verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zustande kommt. Problematisch könnte sein, dass der M beschränkt geschäftsfähig ist. Dies würde allerdings nur dann eine Rolle spielen, wenn der Vertrag vorliegend als öffentlich-rechtlicher Vertrag einzustufen wäre. Hier ist der Vertrag zwar öffentlich-rechtlich ausgestaltet, jedoch handelt es sich bei dem Museumsbesuch vielmehr um eine einstufige Zulassung des Museumsbetreibers, sodass sich hier keine Probleme wegen der Geschäftsfähigkeit ergeben.

  1. Nähebeziehung

Das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis setzt zunächst voraus, dass ein besonderes und enges Verhältnis zwischen dem Bürger und Staat besteht. Maßgeblich ist hier insbesondere, dass ein individueller Leistungsaustausch besteht, der zu einer gesteigerten Pflichtenstellung des Staates führt. Hier entrichtet der Besucher ein Entgelt und kann dafür die Ausstellung des öffentlichen Museums besuchen. Dadurch entsteht eine besondere Nähebeziehung zwischen Staat und Bürger.

  1. Öffentlich- rechtliche Ausgestaltung

Ausweislich des Sachverhalts hat das Museum eine Satzung. Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters des Museums, ist daher von einer öffentlich- rechtlichen Ausgestaltung auszugehen.

  1. Obhutspflicht

Aus dem besonderen Näheverhältnis müssten sich auch Fürsorge- und Obhutspflichten ergeben. Diese können hier dadurch hergeleitet werden, dass die Ausstellungen gerade nicht für die Allgemeinheit zugänglich sind, sondern nur einem abgegrenzten Personenkreis, mithin den Besuchern des Museums. Durch diesen besonderen Fürsorgeauftrag, der insbesondere die historische und künstlerische Bildung zum Gegenstand hat, lassen sich Fürsorge- und Obhutspflichten des Museums herleiten.

44
Q

Der Leibl-Fall
Der Leibl-Fall wurde am 08.06.1988 vom BGH entschieden. Der Wert des Gemäldes betrug zu seiner Zeit umgerechnet 25.000 DM.

In der Originalentscheidung ging der BGH irrtümlicherweise davon aus, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch wegen des Vorrangs der Mängelrechte ausscheidet. Das kann jedoch nicht überzeugen, da dem Verkäufer keine Mängelrechte zustehen können (anders, wenn er diese gerade verhindern will).
Der Fall bietet eine gute Gelegenheit sich mit dem Abstraktionsprinzip zu beschäftigen. Problematisch ist ua, ob sich die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts auch auf die dingliche Ebene durchschlägt (so bei der Fehleridentität). Dasselbe Problem stellt sich auch beim Mangel. Thematisiert wird auch das Verhältnis der Anfechtung zu anderen Rechtsinstituten, wie der Störung der Geschäftsgrundlage oder den Mängelrechten.

Lösungsskizze
A. Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB

I. Eigentum des V

  1. Dingliche Einigung gem. § 929 S.1 BGB
  2. Anfechtung nach § 142 I BGB
    a) Durchschlagen der Anfechtung auf dinglicher Ebene ( Anfechtungserklärung, § 143 I BGB)

(P) Fehleridentität

b) Anfechtungsgrund

(P) Durchschlagen des Mangels auf dinglicher Ebene

e. A (+), wenn Rechtsgeschäfte zeitlich zusammen fallen
a. A. (+), wenn Fehleridentität vorliegt, zeitliche Komponente irrelevant
c) Anfechtungsfrist

II. K als Besitzer

III. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

IV. Ergebnis (+)

B. Anspruch auf Herausgabe gem. § 812 I S.1 1. Alt. BGB

I. Etwas erlangt

II. Durch Leistung

III. Ohne Rechtsgrund

  1. Anfechtung des Kaufvertrages nach § 142 I BGB
    a) Anfechtungsgrund
    b) Verhältnis von § 119 II BGB und § 313 BGB

(P) beidseitiger Motivirrtum

aa) e.A. Anfechtung (-)
bb) h.M. Anfechtung (+)
cc) Streitentscheid
c) Verhältnis § 119 II BGB und §§ 434 ff. BGB
2. Zwischenergebnis

IV. Ergebnis

A

Gutachten
A. Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB

V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Ölgemäldes nach § 985 BGB haben.

Dafür müsste der V Eigentümer sein und K müsste Besitzer ohne ein Recht zum Besitz sein.

I. Eigentum des V
Zunächst müsste V Eigentümer sein. Ursprünglich war V Eigentümer. V könnte sein Eigentum durch Verfügung gem. § 929 S.1 BGB an K verloren haben. Dafür müssten eine wirksame dingliche Einigung, die Übergabe, das Einigsein und die Berechtigung vorliegen.

  1. Dingliche Einigung gem. § 929 S.1 BGB
    Fraglich ist, ob eine dingliche Einigung gem. § 929 S.1 BGB vorliegt. Ursprünglich einigten sich V und K über den Eigentumsübergang am Gemälde.
  2. Anfechtung gem. § 142 I BGB
    Diese Einigung könnte jedoch ex tunc nichtig geworden sein, wenn eine wirksame Anfechtung nach § 142 I BGB vorliegt.

a) Durchschlagen der Anfechtung auf dinglicher Ebene ( Anfechtungserklärung , § 143 I BGB)
Problematisch ist allerdings, dass der V hier nur den Kaufvertrag angefochten hat. Die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts führt jedoch wegen dem Abstraktionsprinzip nicht auch zum Wegfall des Verfügungsgeschäfts.
Entscheidend ist insoweit, worauf sich die Anfechtung bezieht. Wenn der Anfechtungsgrund sowohl für das Verpflichtungsgeschäft, als auch für das Verfügungsgeschäft kausal war, könnte eine Fehleridentität vorliegen. Welche Rechtsgeschäfte V anfechten wollte muss somit durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ermittelt werden.
Zwar hat V ausdrücklich nur den Kaufvertrag angefochten, allerdings ist diese Erklärung wegen dem eindeutigen Herausgabeverlangen so zu verstehen, dass er damit auch das dingliche Rechtsgeschäft anfechten wollte. Dieses Verlangen muss laiengünstig ausgelegt werden, da der Laie das Abstraktionsprinzip im Zweifel nicht kennen wird. Ausweislich des Sachverhalts hätte der V das Gemälde auch niemals übereignet, wenn er um die tatsächliche Urheberschaft des Gemäldes gewusst hätte.
Damit hat V auch die Anfechtung bzgl. des Verfügungsgeschäfts erklärt gem. § 143 I BGB.

b) Anfechtungsgrund
Es müsste auch ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht kommt ein Anfechtungsgrund nach § 119 II BGB. V dachte bei Vertragschluss, dass es sich bei dem Ölgemälde um ein Werk von Duveneck handelt. Insoweit hat sich V über den Urheber des Werkes und damit über eine verkehrswesentliche Eigenschaft geirrt. Ob das dingliche Rechtsgeschäft wegen eines solchen beachtlichen Motivirrtums angefochten werden kann, ist umstritten.
Nach einer Ansicht ist eine Anfechtung nach § 119 II BGB nur möglich, wenn das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft zeitlich zusammen fallen. Nach dieser Ansicht wäre eine Anfechtung ausgeschlossen, da die Übereignung erst nach 2 Wochen stattfinden sollte.
Nach der Gegenauffassung spielt die zeitliche Komponente keine Rolle. Vielmehr soll auch hier entscheidend für die Anfechtung sein, ob eine Fehleridentität vorliegt. Das heisst, dass der Irrtum nach § 119 II BGB sowohl für das Verpflichtungsgeschäft, als auch für das Verfügungsgeschäft kausal gewesen sein muss. Dies ist, wie bereits erörtert, hier der Fall.
Die zweite Auffassung ist vorzugswürdig. Dafür spricht insbesondere, dass es keinen Unterschied machen kann, ob der Übereignungstatbestand sofort oder zeitlich auseinander fallend vollendet wird. Konsequenterweise muss darauf abgestellt werden, ob Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auf derselben Fehlerquelle beruhen.
Wie bereits geprüft, beruhte hier sowohl das Verpflichtungsgeschäft, als auch das Verfügungsgeschäft auf demselben Irrtum (Urheberschaft des Ölgemäldes). Damit liegt ein Anfechtungsgrund vor.

c) Anfechtungsfrist
Die Anfechtung erfolgte ausweislich des Sachverhalts auch ohne schuldhaftes Zögern gem. § 121 BGB.

II. K als Besitzer
K ist auch unmittelbarer Besitzer des Ölgemäldes.

III. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB
Durch den Kaufvertrag hatte K ursprünglich ein Recht zum Besitz. Durch die wirksame Anfechtung gem. § 142 I BGB ist dieser ex tunc weggefallen. Damit hat K kein Recht zum Besitz.

IV. Ergebnis
Damit hat V gegen K einen Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB.

B. Anspruch auf Herausgabe gem. § 812 I S.1 1. Alt. BGB
V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe gem. § 812 I S.1 1.Alt. BGB haben. Dafür müsste der K etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt haben.

I. Etwas erlangt
Etwas erlangt ist jeder vermögenswerte Vorteil. Hier hat der K das Eigentum und Besitz am Ölgemälde erlangt.

II. Durch Leistung
K müsste das Eigentum und den Besitz auch durch Leistung erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, welche sich aus der objektiven Empfängersicht beurteilt. Nach der Sicht des K wollte V durch die Übergabe des Gemäldes eine vermeintliche Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllen. Damit hat er das Gemälde durch Leistung erlangt.

III. Ohne Rechtsgrund
Fraglich ist, ob der K das Gemälde auch ohne einen Rechtsgrund erlangt hat. Zunächst kommt der geschlossene Kaufvertrag nach § 433 BGB als Rechtsgrund in Betracht.

  1. Wirksame Anfechtung gem. § 142 I BGB
    Dieser könnte jedoch durch wirksame Anfechtung ex tunc nichtig geworden sein gem. § 142 I BGB. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

a) Anfechtungsgrund
Zunächst müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht kommt ein Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB. Eigenschaften einer Sache sind alle einer Sache unmittelbar und auf gewisse Dauer anhaftenden Merkmale sowie tatsächliche und rechtliche Verhältnisse und Beziehungen der Sache zur Umwelt, soweit sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung für die Wertermittlung von Bedeutung sind.

Die Urheberschaft des Bildes könnte solch eine Eigenschaft sein. Dafür spricht insbesondere, dass sie regelmäßig dazu geeignet ist unmittelbar den Wert des Gemäldes zu beeinflussen. Danach unterscheiden sich die Werte eines Gemäldes erheblich dadurch, welchen Berühmtheitsgrad der Maler hatte. Ausweislich des Sachverhalts war Wilhelm Leibl der wahre Urheber des Gemäldes. Dieser war viel berühmter als Frank Duveneck, sodass hier ein Eigenschaftsirrtum i.S.d. § 119 II BGB zu bejahen ist. Somit liegt ein Anfechtungsgrund vor.
[Anmerkung: Alleine der Wert der Sache ist keine Eigenschaft i.S.d § 119 II BGB!]

b) Verhältnis von § 119 II BGB und § 313 BGB
Fraglich ist vorliegend jedoch, ob nicht vielmehr die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anzuwenden ist. Dafür müssten überhaupt die Voraussetzungen des § 313 I BGB vorliegen. Dies ist der Fall, wenn ein reales Element, ein hypothetisches Element sowie ein normatives Element bejaht werden kann.
Die Voraussetzungen sind hier grds. gegeben. Die Urheberschaft des Bildes bildete hier die Geschäftsgrundlage (reales Element). Hätte der V über die tatsächliche Urheberschaft gewusst, hätte er das Bild auch nicht verkauft (hypothetisches Element). Darauf hätte sich der K auch redlicherweise einlassen müssen (normatives Element).
Fraglich ist allerdings, in welchem Verhältnis die Anfechtung nach § 119 II BGB zu der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I BGB steht.
Aufgrund der spezielleren Voraussetzungen des § 119 II BGB ist die Regelung des § 313 I BGB grundsätzlich als subsidiär anzusehen. Dafür spricht insbesondere auch der gesetzgeberische Wille, da der Gesetzgeber den § 313 BGB nach der Schuldrechtsreform neu eingefügt hat. Bis dato wurden die Grundsätze des § 313 I BGB über § 242 BGB hergeleitet. Dies zeigt, dass an der Subsidiarität festgehalten werden sollte.
Problematisch ist die Anwendung des § 119 II BGB allerdings in den Fällen, in denen ein beidseitiger beachtlicher Motivirrtum vorliegt. Dies ist hier der Fall. Hier ging sowohl der V, als auch der K irrtümlicherweise davon aus, dass Frank Duveneck der Urheber des Gemäldes ist. In diesem Fall würde es jedoch vom puren Zufall abhängen, welche Partei anficht.
Daher ist umstritten, ob eine Anfechtung hier möglich sein soll.

aa) Anfechtung ausgeschlossen
Nach einer Ansicht wird eine Anfechtung über § 119 II BGB abgelehnt. Vielmehr sei § 313 I BGB anzuwenden. Nach dieser Ansicht könnte V hier nicht anfechten.

bb) Anfechtung vorrangig
Die Gegenauffassung möchte die Anfechtung zulassen. Danach könnte V hier anfechten.

cc) Streitentscheid
Für die erste Ansicht könnte sprechen, dass es nur vom Zufall abhängen würde, wer zuerst den Kaufvertrag anficht und sich damit nur nach § 122 BGB schadensersatzpflichtig macht. Dies würde zu einem unbilligen Ergebnis führen. Dagegen kann aber hervorgebracht werden, dass nur derjenige anfechten wird, zu dessen Nachteil die Wirklichkeit von der gemeinsamen Vorstellung abweicht. In diesem Fall erscheint es jedoch nicht unbillig der anderen Partei das negative Interesse nach § 122 BGB zu ersetzen.
Damit ist die Anfechtung nach § 119 II BGB hier vorrangig.

c) Verhältnis § 119 II BGB und §§ 434 ff. BGB
Fraglich ist, ob die Anfechtung nach § 119 II BGB nicht wegen der Vorrangigkeit der Gewährleistungsrechte nach §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen ist. Grundsätzlich sind die Gewährleistungsrechte vorrangig. Dafür sprechen die verschiedenen Verjährungsfristen, sowie das Recht zur zweiten Andienung. Hier stellt sich jedoch das Konkurrenzproblem nicht, da der V als Verkäufer anficht und nicht der K. Der Verkäufer kann jedoch keine Gewährleistungsrechte geltend machen. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn es dem Verkäufer durch die Anfechtung gerade darauf ankommt, sich seiner Gewährleistungspflicht zu entziehen. Dies ist hier jedoch nicht ersichtlich. Damit bleibt es bei der Anwendung des § 119 II BGB.

  1. Zwischenergebnis
    Die Voraussetzungen der Anfechtung, insbesondere auch die Frist nach § 121 BGB, liegen vor. Damit ist der Kaufvertrag gem. § 142 BGB ex tunc nichtig. K hat kein Recht zum Besitz.

IV. Ergebnis
Damit hat V gegen K einen Herausgabeanspruch gem. § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB

45
Q

Der Geldwechsel-Trick

Lösungsskizze
A. Anspruch aus Herausgabe der 80 € gem. §§ 985, 285 BGB

(P) Anwendbarkeit des § 285

B. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989, 990 I BGB

I. Vindikationslage

II. Bösgläubigkeit

III. Schaden

IV. Ergebnis

C. Anspruch auf Schadensersatz gem. § 992 BGB i.V.m. § 823 II BGB, § 263 StGB

D. Anspruch auf Herausgabe der 80 € gem. § 816 I 1 BGB

I. Verfügung eines Nichtberechtigten

II. Wirksam gegenüber Berechtigten

III. Entreicherung

(P) Verschärfte Haftung

IV. Ergebnis

E. Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem. §§ 687 II, 681 S. 2, 677 BGB

(P) Sperrwirkung des § 682 BGB

A

Gutachten
A. Anspruch aus Herausgabe der 80 € gem. §§ 985, 285 BGB
K könnte gegen B einen Herausgabeanspruch bzgl. der 80 € haben gem. §§ 985, 285 BGB.
Dafür müsste der § 285 BGB überhaupt anwendbar sein. Dagegen spricht schon, dass der § 985 BGB eine Norm aus dem EBV ist. § 285 BGB ist hingegen im allgemeinen Schuldrecht zu verorten. Eine direkte Anwendung scheidet folglich aus. Es könnte eine Analogie angedacht werden. Dafür müssten eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Hier fehlt es schon an einer Regelungslücke. Die §§ 987 ff. BGB sind insoweit abschließend.
Daher scheidet ein Anspruch aus §§ 985,285 BGB aus.

[Anmerkung: Man kann hier auch zusätzlich die Herausgabe des 100-Dollar-Scheins anprüfen, scheidet jedoch bereits am Punkt „Besitz“ aus.]

B. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989, 990 I BGB
K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 989, 990 I BGB haben. Dafür müssten eine Vindikationslage, die Bösgläubigkeit und ein kausaler Schaden vorliegen.

I. Vindikationslage
Zunächst müsste eine Vindikationslage vorliegen. K müsste Eigentümer und B Besitzer ohne Besitzrecht sein. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Verletzungshandlung. Die Verletzungshandlung ist hier die Weitergabe des 100-Dollar-Scheins an die örtliche Bank.

K müsste Eigentümer sein. Ursprünglich war K Eigentümer. Er könnte sein Eigentum jedoch durch Verfügung des A an B verloren haben gem. § 929 S.1 BGB. A konnte auch trotz Minderjährigkeit wirksam verfügen, da er fremdes Eigentum übereignen wollte (neutrales Geschäft). Dafür müsste jedoch eine wirksame dingliche Einigung vorliegen. Diese könnte durch eine Anfechtung des gesetzlichen Vertreters K im Namen des A unwirksam geworden sein gem. § 142 I BGB. Ausweislich des Sachverhalts machte K deutlich, dass er so eine „Situation“ nicht dulde. Diese Aussage kann nach §§ 133, 157 BGB laiengünstig als Anfechtungserklärung nach § 143 BGB ausgelegt werden. Auch ein Anfechtungsgrund liegt nach § 123 I BGB vor. Somit liegt eine wirksame Anfechtung nach § 142 I BGB vor. Damit war K noch Eigentümer. B war auch unmittelbarer Besitzer ohne Besitzrecht. Damit lag eine Vindikationslage vor.

II. Bösgläubigkeit
B müsste auch bösgläubig gewesen sein. Hier ist der B minderjährig gem. § 106 BGB. Fraglich ist daher, wie seine Bösgläubigkeit ermittelt wird. In Betracht kommt § 828 III BGB in analoger Anwendung. Dafür müssten eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage bestehen. Für die vergleichbare Interessenlage ist hier hervorzubringen, dass beim deliktsähnlichen Schadensersatzanspruch eine dogmatische Nähe zu den §§ 823 ff. BGB vorliegt, sodass sich die Einsichtsfähigkeit nach § 828 III BGB richtet. Dies hat der Gesetzgeber auch nicht gesehen.
Hier wusste B nicht, dass der A den 100-Dollar-Schein gestohlen hat. B wusste aber über seine eigene Täuschung gegenüber dem A. B wusste nämlich genau, um den wahren Wechselkurs des Dollars, der in Wirklichkeit viel höher war. Damit kannte er auch die mögliche Anfechtbarkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts (s.o.). Nach § 142 II BGB wird derjenige, der die Anfechtbarkeit kennt, so gestellt, als kenne er die Nichtigkeit. Hier ist B auch einsichtig genug, um die Anfechtbarkeit seiner Täuschung zu erkennen. Damit war B bösgläubig.

III. Schaden
K müsste ein kausaler Schaden entstanden sein. Schaden ist jeder unfreiwillige Vermögensverlust. Hier hat die Bank gutgläubig Eigentum an dem 100-Dollar-Schein erlangt gem. §§ 929 S.1, 932 II, 935 II BGB. Somit liegt ein kausaler Schaden vor.

IV. Ergebnis
Damit hat K gegen B einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 989, 990 I BGB.

C. Anspruch auf Schadensersatz gem. § 992 BGB i.V.m. § 823 II BGB, § 263 StGB
K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch gem. § 992 BGB i.V.m. § 823 II BGB, § 263 StGB haben.
Fraglich ist jedoch schon, ob hier ein Dreiecksbetrug nach § 263 I StGB in Betracht kommt. Nach der so genannten Lagertheorie müsste A hier im Lager des K stehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der A hier den 100-Dollar-Schein dem K eigenmächtig gestohlen. Daher scheidet ein Anspruch aus § 992 BGB i.V.m. § 823 II BGB, § 263 StGB aus.

[Anmerkung: Ein umfassender Streitaufbau des Dreiecksbetrugs, wie im Strafrecht, wäre hier ein falscher Problemschwerpunkt.]

D. Anspruch auf Herausgabe der 80 € gem. § 816 I 1 BGB
K könnte einen Anspruch auf Herausgabe gem. § 816 I 1 BGB haben. Dafür müsste B als Nichtberechtigter wirksam gegenüber dem Berechtigten verfügt haben. Es dürfte auch keine Entreicherung vorliegen.

I. Verfügung eines Nichtberechtigten
B müsste als Nichtberechtigter verfügt haben. Hier hat B bzgl. des 100-Dollar-Scheins gegenüber der Bank verfügt. Durch die Anfechtung ist der B auch ex tunc Nichtberechtigter.
Mithin hat B als Nichtberechtigter verfügt.

II. Wirksam gegenüber Berechtigten
Wie bereits geprüft, hat die Bank gutgläubig Eigentum erworben. Damit war die Verfügung gegenüber der Bank als Berechtigter wirksam.

III. Entreicherung
Fraglich ist, ob bei B Entreicherung nach § 818 III BGB vorliegt. Ausweislich des Sachverhalts ist hat B das Geld im Freizeitpark ausgegeben. Grundsätzlich ist damit Entreicherung gem. § 818 III BGB gegeben.
Problematisch ist hier jedoch, dass B die Anfechtbarkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts mit A kannte (s.o.). Nach § 819 I, 818 IV BGB kann sich jedoch derjenige, der den Mangel des rechtlichen Grundes positiv kennt, sich nicht auf Entreicherung berufen. Insoweit ist eine verschärfte Haftung normiert. Damit kann sich der B hier nicht auf eine Entreicherung berufen und haftet somit verschärft.

IV. Ergebnis
Mithin liegt ein Anspruch nach § 816 I 1 BGB vor.

[Anmerkung: § 816 I 1 BGB ist nicht durch das EBV ausgeschlossen, weil die Herausgabe des Erlöses nicht vom EBV umfasst wird.]

E. Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem. §§ 687 II, 681 S. 2, 677 BGB
K könnte weiterhin einen Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung haben gem. §§ 687 II, 681 S.2, 677 BGB.

Die Voraussetzungen der angemaßten Geschäftsführung liegen grundsätzlich vor. Hier weiß der B, dass er als Nichtberechtigter handelt und ein fremdes Geschäft (Geldwechsel) als sein eigenes führt. Es fehlt somit der Fremdgeschäftsführungswille.

Problematisch ist allerdings hier, dass der B minderjährig ist gem. § 106 BGB. Gem. § 682 BGB wird allerdings eine Sperrwirkung entfaltet, sodass § 687 II BGB bei Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen keine Anwendung findet. Der Gesetzgeber hat damit deutlich gemacht, dass der Minderjährigenschutz grundsätzlich vorgeht.

Somit scheidet ein Anspruch gem. §§ 687 II, 681 S.2, 677 BGB aus.

46
Q

MOBILFUNKMAST

Lösungsskizze
[Anmerkung: Haltet immer die systematische Reihenfolge ein! Vertragliche Ansprüche vor gesetzlichen!]

A. Herausgabeanspruch des A gegen B gem. § 546 I BGB

I. Wirksamer Vertragsschluss gem. § 535 I BGB

(P) B-AG und A-AG rechtsfähig nach § 1 I AktG, von wirksamer Stellvertretung auszugehen

  1. Angebot des B im November 2007 durch Textübersendung (-)

(P) Rechtsbindungswille (-), überdies § 150 II BGB

  1. Angebot des A am 9. Dezember durch Rücksendung (+)
  2. Annahme des B am 27. Januar 2008 durch Unterschrift und Rücksendung (+)
    a) (P) Erlöschen des Angebots von A in der Zwischenzeit nach § 146 BGB

(P) Gesetzliche Frist des § 147 II BGB „unter regelmäßigen Umständen erwarten darf“

hier: mind. 45 Tage Überlegungszeit

Dafür: Innerhalb der Weihnachtszeit, Textveränderung durch A, Vertrag hat große wirtschaftliche Bedeutung und beinhaltet lange Vertragslaufzeit

Dagegen: großes Unternehmen, daher hat Weihnachtszeit keine erhebliche Auswirkung; moderne Kommunikationsmittel, nur unbedeutende Änderung des Textes durch A

b) Wohl eher Dagegen. Somit § 147 II BGB (-)  § 146 I BGB (+)

Somit gem. § 150 I BGB neues Angebot der B

  1. Konkludente Annahme der A durch Übergabe der Schlüssel im März 2008 (-)

(P) objektives Erklärungsbewusstsein

BGH: kein objektives Erklärungsbewusstsein, wenn von geschlossenem Vertrags ausgegangen wird (a.A. vertretbar)

  1. Annahme der A durch Schweigen (-)
  2. Zwischenergebnis

Vertragsschluss (-)

II. Korrektur über § 242 BGB

(P) Verneinung von Vertragsschluss missbilligenswert?

Dafür: A zog schon Vorteile, B hat in Genehmigungsverfahren investiert

Dagegen: Wertungen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) bleiben noch, Auch Haftung aus c.i.c. bleibt noch möglich.

Ergebnis: Kein Raum für § 242 BGB (a.A. vertretbar)

[Anmerkung: Wenn Vertragsschluss angenommen wurde, war die Kündigung zu prüfen.]

III. Ergebnis

Kein Herausgabeanspruch aus § 546 I BGB

B. Herausgabeanspruch aus § 985 (+)

C. Anspruch aus § 861 (-)

Keine verbotene Eigenmacht

D. Anspruch aus § 1007 I, II BGB (-)

Gutgläubigkeit des B u. kein Abhandenkommen

E. Anspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 I S. 1 1.Alt. BGB (+)

I. Etwas erlangt (+)

Besitz am Grundstück

II. Durch Leistung (+)

Vermeintlicher Mietvertrag zwischen A und B

III. Ohne Rechtsgrund (+)

kein Vertragsschluss (s.o.)

IV. Ergebnis

A

Gutachten
A. Herausgabeanspruch des A gegen B gem. § 546 I BGB
A könnte gegen B einen vertraglichen Herausgabeanspruch aus § 546 I BGB haben.

I. Wirksamer Vertragsschluss gem. § 535 I BGB
Dafür müsste zwischen der A-AG und der B- AG ein wirksamer Mietvertrag vorliegen. Dieser setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus. Die A-AG und die B- AG müssten überdies rechtsfähig sein. Sie sind nach § 1 I 1 AktG rechtsfähig. Im Übrigen ist mangels anderweitiger Sachverhaltsangaben von einer wirksamen Stellvertretung nach § 164 I BGB auszugehen.

  1. Angebot des B im November 2007 durch Textübersendung
    B könnte ein Angebot abgegeben haben, indem er im November 2007 den Vertragstext abgesendet hat. Unter eine Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt; dieser das Angebot also mit einem einfachen “Ja” annehmen kann. Problematisch ist hier jedoch, dass B noch keine Unterschrift gesetzt hat, sodass es an einem Rechtsbindungswillen fehlen könnte. Überdies wurde der Vertragstext durch B verändert, sodass nach § 150 II BGB dieses Angebot ohnehin erlöschen würde.
  2. Angebot des A am 9. Dezember durch Rücksendung
    Es könnte jedoch ein Angebot des A vorliegen, indem er am 9. Dezember den Vertragstext unterschrieben zurückgesendet hat. Dieser Vertragstext kann mit einem einfachen „Ja“ angenommen werden, da er alle essentialia negotii enthält (Mietsache, Vertragsparteien, Mietzins).
  3. Annahme des B am 27. Januar 2008 durch Unterschrift und Rücksendung
    Die B könnte dieses Angebot am 27. Januar 2008 durch seine Unterschrift und mit der Rücksendung angenommen haben. Annahme ist eine einseitige empfangsbedürftige und vorbehaltlose Willenserklärung, aus der sich der Annahmewille des Angebots unzweifelhaft ergibt. Dies ist hier der Fall, sodass eine Annahme vorliegt.

a. Erlöschen des Angebots von A in der Zwischenzeit nach § 146 BGB
Der Antrag der A könnte jedoch zwischenzeitlich erloschen sein gem. § 146 BGB. Dafür müsste die Annahmefrist des § 147 II BGB nicht eingehalten worden sein. Danach kann ein Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

Fraglich ist, wie „unter regelmäßigen Umständen erwarten darf“ zu verstehen ist. Wegen dem Sinn und Zweck des § 147 BGB muss davon ausgegangen werden, dass zumindest die Zeit für die Übermittlung und eine angemessene Überlegungszeit zu berücksichtigen sind. Dies ist nach allen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.

Hier sind bereits 50 Tage vergangen, sodass eine Überlegungszeit von ca. 45 Tagen verbleibt, soweit man die Übermittlungzeit abzieht (3-5 Tage). Fraglich ist, ob eine Überlegungszeit von 45 Tagen hier angemessen ist.

Dafür spricht hier, dass der Vertragsschluss in die Weihnachtszeit fällt, sodass auch Feiertage mitberücksichtigt werden müssen. Zudem handelt es sich um einen Vertrag mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und einer langen Laufzeit, sodass auch die Überlegenszeit entsprechend lang sein muss. Überdies enthält der Vertrag Abweichungen, die dem A zuzurechnen sind (drei statt 2 Freihandys).

Dagegen spricht jedoch, dass bei solch einem großen Unternehmen auch während der Weihnachtszeit der Betrieb nicht zum Stillstand kommt. In solch einem großen Unternehmen wird regelmäßig mit modernsten Kommunikationsmitteln gearbeitet, sodass keine langen Abstimmungszeiten nötig sind. Überdies enthält der Vertrag keine wesentlichen Abweichungen. Diese sind nur unwesentlich und rechtfertigen daher keine so lange Bedenkzeit.

Insgesamt sprechen die besseren Argumente für eine Ablehnung einer „angemessenen Bedenkzeit“ nach § 147 II BGB.

b. Zwischenergebnis
Somit ist § 147 II BGB zu verneinen. Damit gilt gem. § 146 I BGB, dass der Antrag bereits erloschen ist. Somit liegt gem. § 150 I BGB ein neues Angebot der B vor.

  1. Konkludente Annahme der A durch Übergabe der Schlüssel im März 2008
    Es könnte jedoch eine konkludente Annahme der A durch Übergabe der Schlüssel im März 2008 auf das neue Angebot der B vorliegen. Problematisch ist allerdings, ob das objektive Erklärungsbewusstsein vorliegt. Dies ist der Wille, überhaupt rechtserheblich zu handeln. Fehlt dieser, dann kann eine Willenserklärung nur bejaht werden, wenn der Erklärende die Bedeutung seines Handelns fahrlässig nicht erkannt hat („potentielles Erklärungsbewusstsein“).
    Hier erscheint das Vorliegen eines objektiven Erklärungsbewusstseins jedoch schon deshalb problematisch, da der A schon von einem wirksamen Vertragsschluss ausgegangen ist. (a.A. vertretbar)
  2. Annahme der A durch Schweigen
    Es ist auch keine Annahme der A durch Schweigen gem. § 151 BGB ersichtlich, da auch hier das objektive Erklärungsbewusstsein fehlt (s.o.).
  3. Zwischenergebnis
    Damit liegen keine zwei korrespondierenden Willenserklärungen vor. Somit wurde kein wirksamer Mietvertrag geschlossen.

II. Korrektur über § 242 BGB
Fraglich ist, ob aus Wertungsgründen etwas anderes gelten muss.
Die Verneinung des Vertragsschlusses könnte missbilligenswert sein.
Dafür könnte sprechen, dass A schon Vorteile zog, da er bereits Mietzins bezog und die Freihandys bekam. Zudem hat B bereits Geld und Zeit in das Genehmigungsverfahren investiert
Dagegen spricht jedoch, dass Wertungsfragen eher im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) berücksichtigt werden sollen. Auch bleibt dem B noch der Anspruch aus c.i.c. ( §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB)
Damit bleibt kein Raum für § 242 BGB (a.A. vertretbar)

III. Ergebnis
Damit besteht kein Herausgabeanspruch nach § 546 I BGB.

B. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB
A könnte einen Herausgabeanspruch gegen B gem. § 985 BGB haben. Dafür müsste A Eigentümer und B Besitzerin ohne Recht zum Besitz sein. Ausweislich des Sachverhalts ist A Eigentümerin des Grundstücks und B unmittelbare Besitzerin. Auch liegt kein wirksamer Mietvertrag vor, sodass B kein Recht zum Besitz hat. Damit ist der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu bejahen.

C. Anspruch aus § 861 BGB
A könnte gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 861 BGB haben. Dafür müsste allerdings eine verbotene Eigenmacht des B gem. § 858 BGB I vorliegen. Hier hat B den Besitz am Grundstück jedoch freiwillig von A eingeräumt bekommen, wegen eines vermeintlichen Mietvertrages. Damit scheidet ein Anspruch aus § 861 BGB aus.

D. Anspruch aus § 1007 I, II BGB
Es könnte ein Anspruch aus § 1007 I BGB gegeben sein. Hier war B jedoch gutgläubig in Bezug auf den Besitz. Ein Anspruch aus § 1007 II BGB scheidet ebenfalls aus, da der A den unmittelbaren Besitz nicht unfreiwillig verloren hat, sodass auch kein Abhandenkommen vorliegt.

E. Anspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 I S. 1 1.Alt. BGB
Der A könnte gegen B einen Herausgabeanspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 I S. 1 1. Alt. BGB haben. Dafür müsste er etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt haben.

  1. Etwas erlangt
    B müsste etwas erlangt haben. Dies ist jeder vermögenswerte Vorteil. Hier hat B den Besitz am Grundstück erlangt.
  2. Durch Leistung
    Dies müsste er durch Leistung erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, welche sich nach der Sicht des Leistungsempfängers richtet. Hier wollte A aus Sicht des B eine Hauptpflicht aus dem vermeintlichen Mietvertrag nach § 535 I BGB zu erfüllen. Damit liegt das Tatbestandsmerkmal durch Leistung vor.
  3. Ohne Rechtsgrund
    Wie bereits geprüft, liegt kein wirksamer Mietvertrag vor, sodass B etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat.
  4. Ergebnis
    Damit hat A gegen B einen Herausgabeanspruch aus § 812 I 1 1. Alt. BGB.
47
Q

Die Abschlepp-Kosten

Der Fall wurde vom BGH am 05.06. 2009 entschieden. In der Originalentscheidung hatte B bereits die Abschleppkosten gezahlt und wollte die Kosten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurück. Insoweit ist der Fall etwas abgewandelt.Die Abschlepp- Fälle sind nicht nur im öffentlichen Recht von Relevanz. Sie tauchen mit verschiedenen Fragestellungen auch im Examen auf. Hier geht es vornehmlich um die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt der GoA und des Deliktsrechts ein eigener oder ein abgetretener Zahlungsanspruch besteht.

Die Abschlepp-Fälle sind nicht nur im öffentlichen Recht von Relevanz. Sie tauchen mit verschiedenen Fragestellungen auch im Examen auf. Hier geht es vornehmlich um die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt der GoA und des Deliktsrechts ein eigener oder ein abgetretener Zahlungsanspruch besteht.

Lösungsskizze
A. Eigener Zahlungsanspruch des U gegen B

I. Anspruch gem. §§ 683 S. 1, 670 BGB

  1. Geschäft (+)
  2. Fremd (+)
  3. Ohne Auftrag (+)
  4. Fremdgeschäftsführungswille (-)

(P) FGW wird zwar vermutet, aber widerlegbar. Hier eigene Vertragserfüllung gewollt.

II. Keine eigenen Ansprüche, insbesondere nicht aus Deliktsrecht.

B. Ansprüche aus abgetretenem Recht

I. Anspruch aus §§ 683 S.1, 670 BGB

  1. Fremdes Geschäft ohne Auftrag (+)

hier : auch fremdes Geschäft.

  1. Fremdgeschäftsführungswille (-)

(P) Vermutungswirkung bei auch fremden Geschäft

a) BGH / t.d.L: FGW wird vermutet
b) Lit. /BGH in diesem Fall: FGW muss positiv begründet werden
c) Streitentscheid
3. Ergebnis (-)

II. Anspruch aus § 823 I BGB

  1. Anwendbarkeit (+)
    hier: kein EBV
  2. Rechtsgutsverletzung (+)
    a) Eigentum (-)
    b) sonstiges absolutes Recht (+)

hier : berechtigter Besitz

  1. Haftungsbegründende Kausalität (+)
  2. Rechtswidrigkeit (+)
  3. Verschulden (+)
  4. Schaden (+)
  5. Haftungsausfüllende Kausalität (+)

(P) Abschleppkosten durch E verursacht

hier aber : § 859 III BGB, daher Schaden zurechenbar an B

  1. Zwischenergebnis (+)

III. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB

  1. Verletzung eines Schutzgesetzes
    a) Schutzgesetz (+)

(P) § 858 I BGB als Schutzgesetz

b) Verletzung des Schutzgesetzes (+)
2. Verschulden (+)
3. Kausaler Schaden (+)
4. Ergebnis (+)

A

Gutachten
A. Eigener Zahlungsanspruch des U gegen B
U könnte gegen B einen eigenen Zahlungsanspruch haben.

I. Anspruch gem. §§ 683 S. 1, 670 BGB
In Betracht kommt ein Anspruch aus den §§ 683 S. 1, 670 BGB. Dafür müssten die Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen.

  1. Geschäft
    U müsste ein Geschäft besorgt haben. Unter Geschäft i.S.d. § 677 BGB ist jedes Handeln mit wirtschaftlichen Folgen zu verstehen. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst demnach auch reales Handeln. Hier hat der U das Fahrzeug des B abgeschleppt und mithin ein Geschäft besorgt.
  2. Fremd
    Diese Geschäftsbesorgung müsste auch fremd gewesen sein. Fremd ist das Geschäft, wenn es dem Rechts- oder Interessenkreis eines Dritten angehört. Hier hat der U das rechtswidrig geparkte Fahrzeug des B abgeschleppt. Dies ist dem Rechtskreis des B zuzurechnen. Damit war das Geschäft objektiv fremd.
  3. Ohne Auftrag
    Ausweislich des Sachverhalts liegt auch kein Auftrag des B vor.
  4. Fremdgeschäftsführungswille
    U müsste auch mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Grundsätzlich wird der Fremdgeschäftsführungswille beim objektiv fremden Geschäft vermutet. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Dazu müssten besondere Umstände vorliegen, die auf eine Eigengeschäftsführung deuten lassen. Problematisch ist hier, dass der U, aufgrund eines Vertrages mit E, das Fahrzeug abgeschleppt hat. Vordergründig ging es dem U nicht darum ein fremdes Geschäft zu führen, sondern seiner primären vertraglichen Verpflichtung gegenüber E nachzukommen. Etwas anderes würde freilich gelten, wenn von dem rechtswidrig geparkten Fahrzeug eine Gefahr ausgehen würde. Dies ist mangels Angaben im Sachverhalt jedoch nicht der Fall. Damit handelte der U nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen.

II. Damit hat U keinen eigenen Anspruch gegen den B.

B. Ansprüche aus abgetretenem Recht
U könnte jedoch Ansprüche gegen B aus abgetretenem Recht haben. Ausweislich des Sachverhalts hat E alle seine Ersatzansprüche gegen B an U abgetreten. Von der Wirksamkeit dieser Abtretung nach § 398 BGB ist nach dem Bearbeitervermerk auszugehen. Sodann ist danach zu fragen, ob der E Ansprüche gegen B hätte.

I. Anspruch aus §§ 683 S.1, 670 BGB
Es könnte ein Anspruch aus §§ 683 S.2, 670 BGB vorliegen, wenn die Voraussetzungen der berechtigten GoA vorliegen.

  1. Fremdes Geschäft ohne Auftrag
    Wie bereits geprüft, liegt in dem Abschleppen des Fahrzeugs ein fremdes Geschäft ohne Auftrag. Hier wollte E einerseits seine Besitzstörung beseitigen und andererseits im Interesse des B handeln, indem er dessen Störungsbeseitungspflicht erfüllte. Somit liegt zumindest ein auch fremdes Geschäft vor.
  2. Fremdgeschäftsführungswille
    Fraglich ist, ob bei E auch ein Fremdgeschäftsführungswille vorlag. Ob bei einem auch fremden Geschäft der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird, ist umstritten.

a) BGH/ t.d.L.
Nach einer Ansicht soll der Fremdgeschäftsführungswille beim auch fremden Geschäft ebenfalls vermutet werden, sodass hier der Fremdgeschäftsführungswille vorliegen würde.

b) Lit./ BGH in diesem Fall
Nach der Gegenauffassung muss der Fremdgeschäftsführungswille beim auch fremden Geschäft positiv begründet werden. Dies kann vorliegend nicht geschehen, da der E vordergründig sein Besitzrecht durchsetzen wollte, sodass der Fremdgeschäftsführungswille fehlen würde.

c) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden. Für die zweite Auffassung spricht insbesondere, dass derjenige der eigene Verbindlichkeiten erfüllt grundsätzlich im eigenen Interesse tätig wird. Durch die Anwendung der GoA- Regeln entstünde zudem ein Interessenkonflikt, da der Geschäftsführer nunmehr zwei Gläubiger hätte. Es ist daher interessengerechter den Fremdgeschäftsführungswillen positiv zu begründen. Somit handelte E nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen.

  1. Ergebnis
    Damit hätte E keinen Anspruch gegen B aus §§ 683 Abs. 1, 670 BGB, sodass auch U keinen Anspruch aus abgetretenem Recht nach §§ 683 Abs. 1, 670, 398 BGB hat.

II. Anspruch aus § 823 I BGB
E könnte gegen B einen Anspruch aus § 823 I BGB haben.

  1. Anwendbarkeit
    Das Deliktsrecht könnte nach § 993 I a. E. BGB ausgeschlossen sein. Dafür müsste jedoch ein EBV vorliegen. Hier scheidet ein EBV allerdings aus, da der B kein Besitz am ganzen Grundstück erlangt. Damit ist § 823 I BGB anwendbar.
  2. Rechtsgutsverletzung
    Es müsste eine Rechtsgutsverletzung vorliegen.

a) Eigentum
In Betracht kommt die Verletzung des Eigentums. Hier hat der B sein Fahrzeug widderrechtlich auf dem Grundstück des E abgestellt. Dieses Grundstück ist im Eigentum des E. Eine Substanzverletzung scheidet hier vorliegend jedoch aus, da die Substanz an dem Grundstück nicht tangiert wurde.

Fraglich ist, ob eine Nutzungsentziehung vorliegt. Dafür müsste eine auf gewisse Dauer angelegte Besitzstörung vorliegen. Hier liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der E seinen Parkplatz nicht mehr nutzen konnte. Dagegen könnte zwar sprechen, dass jedenfalls der eine Parkplatz nicht genutzt werden konnte, jedoch reicht dies für eine Nutzungsentziehung des gesamten Eigentums nicht aus.

b) Sonstiges absolutes Recht
Es kommt die Verletzung eines sonstigen absoluten Rechts i.S.d. § 823 I BGB in Betracht. Dies muss ein absolutes Recht mit Ausschluss- und Nutzungsfunktion sein, das gegen jedermann wirkt (§ 903 BGB). In Betracht kommt der berechtigte Besitz. Auch dieser hat Ausschluss- und Nutzungsfunktion und wirkt gegen jedermann. Dieser Besitz wurde durch das widerrechtliche Parken des B auch verletzt. Damit liegt die Verletzung eines sonstigen absoluten Rechts vor.

  1. Haftungsbegründende Kausalität
    Es liegt auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung vor.
  2. Rechtswidrigkeit
    Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit tatbestandlich indiziert.
  3. Verschulden
    B müsste dies auch zu verschulden haben gem. § 276 I BGB. Hier handelte E mit Eventualvorsatz. Damit ist das Verschulden zu bejahen.
  4. Schaden
    Dem E ist auch ein Vermögensschaden in Form der Abschleppkosten i.H.v. 200 Euro entstanden.
  5. Haftungsausfüllende Kausalität
    Fraglich ist, ob auch die haftungsausfüllende Kausalität vorliegt. Der Schaden müsste kausal auf der Rechtsgutsverletzung beruhen. Nach der Äquivalenztheorie war die Rechtsgutsverletzung ursächlich für den Schaden. Nach der Adäquanztheorie lag es auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass dieser Schaden eintritt.

Fraglich ist, ob nach dem Schutzzweck der Norm, dieser Schaden dem B auch zugerechnet werden muss. Problematisch ist vorliegen nämlich, dass der Schaden auf dem Handeln des E beruht, da dieser den Abschleppunternehmer U gerufen hat. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der E seinen gestörten Besitz im Wege der Selbsthilfe gem. § 859 BGB beseitigen wollte. Hier lag eine solche Besitzstörung des Grundstücks nach § 859 III BGB vor. Nach der Wertung des § 859 III BGB ist die Selbsthilfe jedoch auch dann erlaubt, wenn diese Kosten verursacht. Diese Kosten sind dem B dann zurechenbar, wenn sie erforderlich waren. Für E gab es kein milderes Mittel, um seine Besitzstörung zu beseitigen. Demnach war das Rufen des U hier erforderlich und ist als Schaden dem B sodann auch zurechenbar.

Mithin liegt auch die haftungsausfüllende Kausalität vor.

  1. Ergebnis
    E hätte damit einen Anspruch gegen B aus § 823 I BGB.
    Damit hat U einen Anspruch aus abgetretenem Recht gegen B aus §§ 823 I, 398 BGB.

III. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB
Es könnte auch ein Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m § 858 I BGB vorliegen.

  1. Verletzung eines Schutzgesetzes
    Dafür müsste zunächst ein Schutzgesetz verletzt worden sein.

a) Schutzgesetz
Es müsste überhaupt ein Schutzgesetz vorliegen. Gesetz im Sinne eines Schutzgesetzes in § 823 II ist jede Rechtsnorm unabhängig von dem Rechtsgebiet, die den Charakter einer Ge- oder Verbotsnorm hat und dem Individualschutz dient. Fraglich ist, ob § 858 I BGB als Schutzgesetz in Betracht kommt.
Nach einer Auffassung dient § 858 I BGB in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens und kommt nicht als Schutzgesetz i.S.d. § 858 I BGB in Betracht.
Nach der Gegenauffassung ist § 858 I BGB als Schutzgesetz einzuordnen. Für die zweite Auffassung spricht insbesondere, dass die Norm bzgl. des berechtigten Besitzes auch den Besitzer vor verbotener Eigenmacht schützen will. Diese Ansicht ist vorzugswürdig. Damit liegt ein Schutzgesetz vor.

b) Verletzung des Schutzgesetzes
Indem der B sein Fahrzeug widerrechtlich auf dem Grundstück des E geparkt hat, hat er eine verbotene Eigenmacht gem. § 858 I BGB vorgenommen, sodass das Schutzgesetz verletzt ist.

  1. Verschulden
    Es müsste auch das Verschulden vorliegen. Hier ist primär der Verschuldensmaßstab des Schutzgesetzes von Bedeutung. Wie bereits geprüft, handelte B jedoch mit Eventualvorsatz.
  2. Kausaler Schaden
    Es liegt auch ein kausaler Vermögensschaden i.H.v. 200 Euro vor.
  3. Ergebnis
    E hätte gegen B einen Anspruch aus § 823 II i.V.m. § 858 I BGB.

Damit hat U einen Anspruch aus abgetretenem Recht gegen B gem. §§ 823 II, 858 I, 398 BGB.

48
Q

SelbstOPFERUNG IM STRASSENVERKEHR

Der Fall wurde am 27.11.1962 entschieden. Im Original- Fall wich der Kläger vor einer Gruppe minderjähriger Schüler aus, wobei das Problem entstand, ob die Veränderungen des Wortlauts von § 7 II StVG und § 828 II BGB Auswirkungen auf die GoA haben. Die überwiegende Auffassung bejaht mit dieser Veränderung die bewusste gesetzgeberische Entscheidung den Anwendungsbereich für die GoA stark zu begrenzen. In der Regel wird eine Entlastung nach § 7 II StVG damit fast nie möglich sein.

Lösungsskizze
A. Anspruch des F gegen M gem. §§ 683 S.1, 670 BGB

I. Geschäft (+)

II. Fremd (-)

(P) Selbstaufopferung im Straßenverkehr / Wertung des § 7 II StVG

III. Ergebnis (-)

B. Anspruch aus § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung (+)

Hier: Substanzsverletzung des Eigentums.

II. Haftungsbegründende Kausalität (+)

(P) Herausforderungsfall

III. Rechtswidrigkeit (+)

IV. Verschulden (+)

Hier : Fahrlässigkeit gem. § 276 BGB

V. Schaden (+)

VI. Haftungsausfüllende Kausalität (+)

VII. Ergebnis (+)

C. Anspruch aus § 823 II i.V.m. § 303 StGB (-)

§ 303 StGB zwar Schutzgesetz, aber kein Vorsatz bei M.

A

Gutachten
A. Anspruch des F gegen M gem. §§ 683 S.1, 670 BGB
F könnte gegen M einen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 683 S.1, 670 BGB haben. Dafür müssten die Voraussetzungen der berechtigten GoA vorliegen.

I. Geschäft
F müsste ein Geschäft besorgt haben. Unter Geschäft i.S.d. § 677 BGB ist jedes Handeln mit wirtschaftlichen Folgen zu verstehen. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst demnach auch reales Handeln. Hier ist der F dem M ausgewichen. Darin ist eine Geschäftsbesorgung zu sehen.

II. Fremd
Fraglich ist, ob die Geschäftsbesorgung auch fremd war. Fremd ist das Geschäft, wenn es dem Rechts- oder Interessenkreis eines Dritten angehört. Hier hat der F das Lenkrad einerseits herumgerissen, um sich selbst vor Schaden zu bewahren und andererseits, um die Gesundheit des M zu schützen. Insoweit könnte hier ein auch fremdes Geschäft vorliegen.

Zu beachten ist jedoch, dass sich die Beteiligten hier im Straßenverkehr befanden und deshalb die Wertungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zu berücksichtigen sind.

Wegen der Wertung § 7 I StVG ist das fremde Geschäft daher so zu verstehen, dass dieses ausscheidet, wenn es dem Geschäftsführer vornehmlich darum ging, sich bzgl. einer verschuldensunabhängigen Haftung des § 7 I StVG zu befreien. Der Gedanke des § 7 I StVG ist der, dass schon allein für das Führen eines KFZ im Straßenverkehr ein Betriebsrisiko auf sich genommen wird. Insoweit liegt immer ein eigenes Geschäft vor, wenn der Geschäftsführer ausweicht, damit er nicht nach § 7 I StVG verschuldensunabhängig haftet.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschäftsführer sich nach § 7 II StVG entlasten kann. Dann soll eine Fremdgeschäftsführung vorliegen.

Die Entlastung nach § 7 II StVG greift freilich aber nur, wenn höhere Gewalt vorliegt. Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen Dritter herbeigeführtes Ereignis, das unvorhersehbar ist und weder bei größter Sorgfalt, noch wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.

Das plötzliche Ausscheren nach links ist zwar überraschend für F gewesen, allerdings stellt dieses Ausscheren kein von außen dringendes Ereignis dar.

Damit kann sich F nicht nach § 7 II StVG entlasten. Mithin hat er ein eigenes Geschäft geführt. Damit liegt die Tatbestandsvoraussetzung des fremden Geschäfts nicht vor.

[Anmerkung: Damit scheidet die GoA nahezu völlig bei der Selbstaufopferung aus.]

III. Ergebnis
Damit hat F keinen Anspruch gegen M aus §§ 683 S.1, 670 BGB.

B. Anspruch aus § 823 I BGB
F könnte jedoch einen Anspruch nach § 823 I BGB haben.

I. Rechtsgutsverletzung
Dafür müsste zunächst eine Rechtsgutsverletzung vorliegen. In Betracht kommt die Verletzung des Eigentums. Hier wurde der PKW des F erheblich in der Substanz geschädigt, indem der M ausgeschert ist und der F in der Folge ausweichen musste. Damit liegt eine Rechtsgutsverletzung vor.

II. Haftungsbegründende Kausalität
Es müsste auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung vorliegen. Nach der Äquivalenztheorie war das Handeln des M kausal dafür, dass der F ausweichen musste und er in der Folge einen Schaden erlitt. Dies lag auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, sodass auch die Adäquanz bejaht werden kann. Problematisch könnte der Schutzzweck der Norm sein. Hier hat sich nämlich der F vielmehr selbst geschädigt, indem er ausgewichen und in die Leitplanke gefahren ist.

Der § 823 I BGB ist aber vielmehr für den Fall konzipiert, dass eine Fremdschädigung vorliegt. Dies könnte jedoch einen Herausforderungsfall für den F darstellen. Liegt ein solcher vor, dann kann diese Selbstschädigung dem M zugerechnet werden.

Um einen Herausforderungsfall anzunehmen, müsste der F tatsächlich herausgefordert worden sein. Er müsste sich nach den Umständen auch tatsächlich herausgefordert gefühlt haben. Des Weiteren dürfte nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht worden sein.

Hier ist der F durch das Ausscheren des M tatsächlich herausgefordert worden. Er fühlte sich auch tatsächlich herausgefordert, da ihm gar keine andere Möglichkeit blieb, um sich und den M vor einem Personenschaden zu schützen. Die Eigentumsverletzung beruhte auch auf dem gesteigerten Risiko der Herausforderung, sodass kein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht wurde. Damit liegen die Voraussetzungen des Herausforderungsfalls vor. Mithin kann der Schaden dem M zugerechnet werden, sodass die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen ist.

III. Rechtswidrigkeit
Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit tatbestandlich indiziert. Damit ist die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

IV. Verschulden
Es müsste auch Verschulden vorliegen. M müsste vorsätzlich oder fahrlässig nach § 276 BGB gehandelt haben. Für ein vorsätzliches Handeln ist nichts ersichtlich. M könnte jedoch fahrlässig gehandelt haben. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in gebotener Weise nicht beachtet wird. Hier war der M während der Fahrt mit dem Bedienen seines Smartphones beschäftigt. Dies entspricht nicht der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, was auch § 1 StVO normiert. Damit ist das Verschulden zu bejahen.

V. Schaden
Es müsste auch ein Schaden vorliegen. Schäden sind unfreiwillige Vermögensopfer. Hier ist dem F ausweislich ein Vermögensschaden i.H.v. 5000 Euro entstanden.

VI. Haftungsausfüllende Kausalität
Der Schaden beruht auch kausal auf der Rechtsgutsverletzung, sodass die haftungsausfüllende Kausalität zu bejahen ist.

VII. Ergebnis
Damit hat der F gegen M einen Anspruch aus § 823 I BGB.

C. Anspruch aus § 823 II i.V.m. § 303 StGB
F könnte gegen M auch einen Anspruch aus § 823 II i.V.m § 303 StGB haben

Dafür müsste der M ein Schutzgesetz verletzt haben. Gesetz im Sinne eines Schutzgesetzes in § 823 II ist jede Rechtsnorm unabhängig von dem Rechtsgebiet, die den Charakter einer Ge- oder Verbotsnorm hat und dem Individualschutz dient. § 303 StGB dient dem Individualschutz und ist ein Schutzgesetz. Fraglich ist, ob dieses auch verletzt wurde. Maßgeblich ist hier der Verschuldensmaßstab des Schutzgesetzes. Nach §§ 303,15 StGB setzt die Norm jedoch vorsätzliches Verhalten voraus. Hier hat der M jedoch nur fahrlässig gehandelt. Damit scheidet die Verletzung von § 303 StGB aus.

Damit hat F keinen Anspruch gegen M aus § 823 II i.V.m. § 303 StGB.

49
Q

Der Minderjährigenschutz im Bereicherungsrecht

Der Fall behandelt die Problematik des Bereicherungsrechts und veranschaulicht an dem Beispiel der Saldotheorie die Wertungen auf dieser Ebene. Vorliegend muss die Wertung des Minderjährigenrechts berücksichtigt werden.

Merkt Euch:
Das Bereicherungsrecht wird deshalb zum Schluss geprüft, weil hier wertungsmäßige Korrekturen vorgenommen werden können (BGH: „Es verbietet sich jedwede schematische Lösung“). Neben dem klassischen Minderjährigenschutz kann auch die Arglistigkeit des Vertragspartners, die Bewucherung oder die verschärfte Haftung als Wertungsgesichtspunkt in der Klausur auftauchen.

Lösungsskizze
Anspruch des F gegen K auf Herausgabe des Kaufpreises gem. § 812 I 1 1.Alt. BGB

I. Etwas erlangt

II. Durch Leistung

III. Ohne Rechtsgrund

IV. Rechtsfolge, § 818 I BGB

(P) Entreicherung des F gem. § 818 III BGB

  1. Zweikondiktionenlehre
  2. Saldotheorie
  3. Streitentscheid

(P) Saldotheorie und Wertung der §§ 106 ff. BGB

  1. Ausnahme von der Saldotheorie aus Wertungsgesichtspunkten

V. Ergebnis

A

Gutachten
Anspruch des F gegen K auf Herausgabe des Kaufpreises gem. § 812 I 1 1.Alt. BGB

F könnte gegen K einen Herausgabeanspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 I 1 1.Alt. BGB haben. Dafür müsste K etwas durch Leistung des F ohne Rechtsgrund erlangt haben.

I. Etwas erlangt
K müsste etwas erlangt haben. Dies kann jeder vermögenswerte Vorteil sein. Hier könnte K Eigentum und Besitz an dem Geldschein erlangt haben nach §§ 929 S.1, 932 I BGB.

Eine Einigung lag vor. Diese konnte der minderjährige F auch abgeben, da sie lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Der Geldschein gehörte dem Vater des F (neutrales Geschäft). K war auch gutgläubig im Hinblick auf die Eigentümerstellung des F. Das Abhandenkommen schadet auch nicht, da die Vorschrift des § 935 I BGB gem. § 935 II BGB auf Geld keine Anwendung findet. Damit hat K Eigentum und Besitz an dem Geldschein erlangt.

II. Durch Leistung
Diesen müsste er durch Leistung erlangt haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Sie bestimmt sich durch den objektiven Empfängerhorizont. Hier wollte F wegen einer vermeintlichen Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nach § 433 I BGB das Vermögen des K mehren. Damit liegt eine Leistung vor.

III. Ohne Rechtsgrund
Es dürfte auch kein Rechtsgrund bestehen. In Betracht könnte ein Kaufvertrag nach § 433 I BGB kommen. Dieser müsste jedoch wirksam zustande gekommen sein. Hier ist problematisch, dass der F in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist gem. § 106 BGB. Der Kaufvertrag ist als Verpflichtungsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er den F dazu verpflichtet den Kaufpreis zu zahlen. Damit bedurfte er der Zustimmung seiner Eltern nach § 107 BGB. Hier haben die Eltern weder in das Rechtgeschäft eingewilligt, noch genehmigt, sodass der Kaufvertrag gem. § 108 I BGB endgültig unwirksam ist.

Damit liegt kein Rechtsgrund vor.

IV. Rechtsfolge, § 818 I BGB
Fraglich ist, welche Rechtsfolge eintritt. F könnte von K grds. den Geldschein herausverlangen gem. § 818 I BGB. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Geldschein mit dem Kassenbestand vermengt hat, § 947 I BGB. F könnte daher Wertersatz nach § 818 II BGB verlangen.

Problematisch ist hier allerdings, dass F im Gegenzug das Stück Torte schon aufgegessen hat. Damit ist F nach § 818 III BGB entreichert, sodass grds. bei F kein Vermögenswert mehr verbleibt, der abgeschöpft werden kann.

Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass mit dem Kaufvertrag hier ein synallagmatischer (gegenseitiger) Vertrag vorliegt.

Fraglich ist daher, wie der zwischenzeitlich eingetretene Minderwert der Leistung im Bereicherungsausgleich zu berücksichtigen ist. Dies ist umstritten.

  1. Zweikondiktionenlehre
    Nach der Zweikondiktionenlehre stehen sich beide Ansprüche unabhängig voneinander gegenüber. Es findet demnach keine Aufrechnung der beiden Positionen statt. Danach kann F hier Wertersatz bzgl. des Geldscheins verlangen. K geht wegen der Entreicherung des F hingegen leer aus.
  2. Saldotheorie
    Nach der Saldotheorie werden die beiden bereicherungsrechtlichen Ansprüche miteinander saldiert. Es tritt eine Art Aufrechnung kraft Gesetzes ein. Es verbleibt damit letztlich nur ein einziger bereicherungsrechtlicher Anspruch. Der Wert des eigenen Vermögensverlustes wird somit zum Abzugsposten des eigenen Bereicherungsanspruchs. Damit müsste sich der F hier den Wertverlust des K anrechnen lassen, sodass er im Ergebnis keinen Wertersatzanspruch hätte.
  3. Streitentscheid
    Gegen die Zweikondiktionenlehre spricht insbesondere das unbillige Ergebnis, dass sich der Inhaber einer Sachforderung immer der Entreicherung entgegengesetzt sehen muss, wobei der Inhaber einer Geldforderung dies wegen dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“ nicht tun kann.

Für die Saldotheorie spricht, dass dadurch das Synallagma des Verpflichtungsgeschäfts auf die bereicherungsrechtliche Ebene übertragen werden kann, sodass ein wertungsgerechtes Ergebnis erlangt wird.

Damit ist die Saldotheorie grds. vorzugswürdig.

  1. Ausnahme von der Saldotheorie aus Wertungsgesichtspunkten
    Fraglich ist jedoch, ob hier aus Wertungsgesichtspunkten etwas anderes gelten muss. Da die Saldotheorie selbst eine Ausnahme zum Gesetzestext darstellt, kann sie freilich nicht uneingeschränkt zur Geltung kommen, wenn höhere Wertungen des BGB diese überlagern. Vorliegend wurde bis jetzt nämlich nicht berücksichtigt, dass F minderjährig ist. Hier müssen somit die Wertungen der §§ 106 ff. BGB Berücksichtigung finden. Insofern kollidiert an dieser Stelle das Synallagma mit dem Minderjährigenschutz. Da der Minderjährigenschutz einen besonders hohen Stellenwert genießt und F sich bei der Anwendung der Saldotheorie einem „vertragsähnlichem Gefüge“ ausgesetzt sähe, ist der Minderjährigenschutz hier vorrangig.

Daher ist die Saldotheorie nicht bei Minderjährigen anwendbar.

V. Ergebnis

Damit hat F gegen K einen Herausgabeanspruch aus § 812 I 1 1.Alt. BGB.

50
Q
  1. Zweikondiktionenlehre
    Nach der Zweikondiktionenlehre stehen sich beide Ansprüche unabhängig voneinander gegenüber. Es findet demnach keine Aufrechnung der beiden Positionen statt. Danach kann F hier Wertersatz bzgl. des Geldscheins verlangen. K geht wegen der Entreicherung des F hingegen leer aus.
  2. Saldotheorie
    Nach der Saldotheorie werden die beiden bereicherungsrechtlichen Ansprüche miteinander saldiert. Es tritt eine Art Aufrechnung kraft Gesetzes ein. Es verbleibt damit letztlich nur ein einziger bereicherungsrechtlicher Anspruch. Der Wert des eigenen Vermögensverlustes wird somit zum Abzugsposten des eigenen Bereicherungsanspruchs. Damit müsste sich der F hier den Wertverlust des K anrechnen lassen, sodass er im Ergebnis keinen Wertersatzanspruch hätte.
  3. Streitentscheid
    Gegen die Zweikondiktionenlehre spricht insbesondere das unbillige Ergebnis, dass sich der Inhaber einer Sachforderung immer der Entreicherung entgegengesetzt sehen muss, wobei der Inhaber einer Geldforderung dies wegen dem Grundsatz „Geld hat man zu haben“ nicht tun kann.

Für die Saldotheorie spricht, dass dadurch das Synallagma des Verpflichtungsgeschäfts auf die bereicherungsrechtliche Ebene übertragen werden kann, sodass ein wertungsgerechtes Ergebnis erlangt wird.

Damit ist die Saldotheorie grds. vorzugswürdig.

  1. Ausnahme von der Saldotheorie aus Wertungsgesichtspunkten
    Fraglich ist jedoch, ob hier aus Wertungsgesichtspunkten etwas anderes gelten muss. Da die Saldotheorie selbst eine Ausnahme zum Gesetzestext darstellt, kann sie freilich nicht uneingeschränkt zur Geltung kommen, wenn höhere Wertungen des BGB diese überlagern. Vorliegend wurde bis jetzt nämlich nicht berücksichtigt, dass F minderjährig ist. Hier müssen somit die Wertungen der §§ 106 ff. BGB Berücksichtigung finden. Insofern kollidiert an dieser Stelle das Synallagma mit dem Minderjährigenschutz. Da der Minderjährigenschutz einen besonders hohen Stellenwert genießt und F sich bei der Anwendung der Saldotheorie einem „vertragsähnlichem Gefüge“ ausgesetzt sähe, ist der Minderjährigenschutz hier vorrangig.
A

Rechtsfolge, § 818 I BGB
Fraglich ist, welche Rechtsfolge eintritt. F könnte von K grds. den Geldschein herausverlangen gem. § 818 I BGB. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Geldschein mit dem Kassenbestand vermengt hat, § 947 I BGB. F könnte daher Wertersatz nach § 818 II BGB verlangen.

Problematisch ist hier allerdings, dass F im Gegenzug das Stück Torte schon aufgegessen hat. Damit ist F nach § 818 III BGB entreichert, sodass grds. bei F kein Vermögenswert mehr verbleibt, der abgeschöpft werden kann.

Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass mit dem Kaufvertrag hier ein synallagmatischer (gegenseitiger) Vertrag vorliegt.

Fraglich ist daher, wie der zwischenzeitlich eingetretene Minderwert der Leistung im Bereicherungsausgleich zu berücksichtigen ist. Dies ist umstritten.

51
Q

Die Globalsicherungsabtretung

Der Fall behandelt das klassische Problem der Kollision von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt. Innerhalb der bereicherungsrechtlichen Prüfung wird sodann die „Vertragsbruchstheorie“ des BGH dargestellt.

Lösungsskizze
Anspruch aus § 816 II BGB
I. Leistung an einen Nichtberechtigten (+)
(P) X = Nichtberechtigte ?
(P) mehrfache Abtretung im Voraus
P1: Vorausabtretung möglich (sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz)
P2: Grds. „Prioritätsprinzip“
P3: Abtretung wirksam?
à BGH :§ 138 BGB Verleitung zum „Vertragsbruch“ (+)
a.A. (Medicus): § 138 BGB (-)
Damit Unwirksamkeit der Globalzession
II. Wirksam gegenüber Berechtigten
1. Wirksamkeit gem. § 408 I BGB direkt (-)
aber: planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage, damit analog § 408 I BGB (+)
2. Wirksamkeit nach § 185 BGB (+)
konkludente Genehmigung der Leistung
III. Ergebnis
Anspruch aus § 816 II BGB (+)

A

Gutachten
Anspruch aus § 816 II BGB
H könnte einen Herausgabeanspruch gegen die X- Bank gem. § 816 II BGB haben. Dafür müsste P an X als Nichtberechtigte geleistet haben. Diese Leistung müsste H gegenüber auch wirksam gewesen sein.

I. Leistung an einen Nichtberechtigten
P müsste hier zunächst an X als Nichtberechtigte geleistet haben. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier hat der P das Vermögen der X durch die Zahlung bewusst und zweckgerichtet gemehrt und damit geleistet.

Fraglich ist allerdings, ob die X auch Nichtberechtigte war. Nichtberechtigt ist derjenige, dem die Forderung nicht zusteht und der auch nicht zu ihrer Einziehung ermächtigt ist.

Problematisch ist hier, dass die Forderung des B gegen P zweimal abgetreten wurde. Zunächst an die X- Bank und später dann an den Kunden H.

  1. Problem der Vorausabtretung
    Zunächst ist fraglich, ob die erste Abtretung an die X wirksam ist. Sie könnte nichtig sein, wenn sie gegen den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstößt. Hier hat der B nämlich seine Forderungen an X im Voraus abgetreten. Dies ist jedoch nur dann problematisch, wenn nicht klar abgegrenzt und bestimmt werden kann, welche Forderungen abgetreten werden sollen. Ausweislich des Sachverhalts sollten „künftige Forderungen aus Geschäften“ abgetreten werden. Dabei kann hinreichend bestimmt werden, was unter die abzutretenden Forderungen fällt. Somit genügt diese Vorausabtretung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Gleiches gilt für die Abtretung zwischen B und H.
  2. Prioritätsgrundsatz
    Fraglich ist also, welche der zwei wirksamen Abtretungen gelten. Grundsätzlich gilt der Prioritätsgrundsatz, dh. die frühere Abtretung geht der älteren vor. Danach wäre die Abtretung an X wirksam, die ggü. H ginge ins Leere. Somit hätte B an einen Berechtigten (X- Bank) geleistet.
  3. Unwirksamkeit der Abtretung gem. § 138 I BGB
    Die Abtretung könnte allerdings aus anderen Gründen unwirksam sein. In Betracht kommt die Unwirksamkeit nach § 138 I BGB. Dafür müsste ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Zudem müsste der Begünstigte in besonders verwerflicher Gesinnung gehandelt haben. In Betracht kommt ein Fall der Übersicherung.
    Problematisch ist nämlich, dass die Globalabtretung häufig deshalb nichtig wird, weil sie den Abtretenden (B) zum Vertragsbruch gegenüber seinem Lieferanten (H) verleitet („Vertragsbruchstheorie“). Für diese Auffassung spricht, dass der Eigentumsvorbehalt im geschäftlichen Verkehr den Normalfall darstellt. Ohne diese Vereinbarung bleibt dem Händler regelmäßig keine andere Möglichkeit neue Waren zu bestellen, um so einen Umsatz zu erzielen. Eine Alternative bietet sich dem Abtretenden nur, wenn er seinen Lieferanten vortäuschen würde, dass die zweite Abtretung Erfolg habe. Diesen Umstand kennt die Bank auch regelmäßig. Den Abtretenden zu solch einem Verhalten zu veranlassen, spricht jedoch für eine verwerfliche Gesinnung der Bank und rechtfertigt daher die Annahme einer Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB.

Gegen eine Unwirksamkeit nach § 138 I BGB kann jedoch hervorgebracht werden, dass die generelle Bevorzugung des Warengläubigers gegen den Finanzierungsgläubiger (hier: die X) nicht gerechtfertigt werden kann, da die Bank keine Pflicht dazu hat, den Abtretenden vor Vertragsverletzungen mit dritten Geschäftspartnern zu schützen.
Gegen die Auffassung spricht jedoch wiederum, dass der Finanzierungsgeber in der Regel dem Warengläubiger faktisch überlegen ist, da dem Warengläubiger in der Regel keine anderen Mittel bleiben, um weitere Waren zu bestellen. Wenn diese überlegene Stellung jedoch zum Nachteil des Warengläubigers ausgenutzt wird, um ihn zum Vertragsbruch zu verleiten, so gebietet die Wertung des § 138 I BGB diese Abtretung für unwirksam zu erachten.
[Anmerkung: Die Sittenwidrigkeit lässt sich nach dem BGH nur durch eine „dingliche Teilverzichtsklausel“ vermeiden (BGH Az.: VII ZR 54/77). Diese ist hier jedoch nicht ersichtlich]
Somit ist die Globalzession unwirksam.
Damit war die X- Bank Nichtberechtigte.

II. Wirksam gegenüber Berechtigten
Die Leistung müsste gegenüber dem Berechtigten auch wirksam gewesen sein. Wie bereits geprüft, ist hier der H Berechtigter. Die Leistung müsste also ihm gegenüber wirksam gewesen sein.

  1. Wirksamkeit gem. § 408 I BGB direkt
    In Betracht kommt zunächst eine Wirksamkeit nach § 408 I BGB. Problematisch ist allerdings, dass der § 408 I BGB nach dessen Wortlaut die Wirksamkeit gegenüber dem Zweitzessionar umfasst. Vorliegend wird jedoch an einen Ersatzzessionar geleistet.
    Es kommt jedoch eine analoge Anwendung in Betracht. Dafür müssten eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Der Gesetzgeber scheint den vorliegenden Fall unbewusst nicht geregelt zu haben. Es besteht auch eine vergleichbare Interessenlage, da es keinen Unterschied machen kann, ob an einen Zweitzessionar oder einen Ersatzzessionar geleistet wird. Analog § 408 I BGB war die Leistung des B gegenüber H somit wirksam.
  2. Wirksamkeit gem. § 185 BGB
    Überdies kommt auch eine Wirksamkeit gem. § 185 BGB in Betracht. Ausweislich des Sachverhalts fordert der H die 500 € von X heraus. Darin kann eine konkludente Genehmigung der Leistung gesehen werden.

III. Ergebnis
Mithin hat H gegen X einen Herausgabeanspruch gem. § 816 II BGB.

52
Q

Die unachtsame Reinigungskraft

Lösungsskizze
A. Anspruch aus §§ 280 I, 611 I BGB

I. Schuldverhältnis (+)

Hier: Arbeitsvertrag

II. Pflichtverletzung (+)

Drücken des Schalters „Stop magnet“ als Nebenpflichtverletzung nach § 241 II BGB

III. Vertretenmüssen (+)

(P) Beweistlastumkehr nach § 619 a BGB

ausweislich des SV waren Knöpfe hinreichend beschriftet, P wusste, dass sie keine hinreichende Qualifikation hat MRT zu bedienen. Wohl grobe Fahrlässigkeit (a.A. vertretbar).

IV. Kausaler Schaden (+)

Reparaturkosten i.H.v. 30.000 Euro

V. Anspruchskürzung nach Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs analog § 254 BGB

  1. Anwendbarkeit (P)

(P) betrieblich veranlasste Tätigkeit

  1. Haftungsquotelung nach BAG

„leichte“ Fahrlässigkeit = keine Haftung des AN

normale Fahrlässigkeit = Haftungsquotelung (str., ob auf 3 Bruttomonatsgehälter reduziert)

grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz = grds. volle Haftung, in Ausnahmefällen aber Quotelung nicht ausgeschlossen

Hier: grds. grobe Fahrlässigkeit, aber Abwägung der Gesamtumstände (Gefahrgeneigtheit, Gehaltshöhe, Versicherbarkeit des Schadens, Stellung des AN im Betrieb etc.)

Vertretbar: Haftungsbeschränkung auf ein Jahresgehalt, aufgrund des niedrigen Verdienstes i.H.v. 4800 €.

VI. Ergebnis

B. Anspruch aus § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung (+)

II. Verletzungshandlung (+)

III. Haftungsbegründende Kausalität ( +)

IV. Rechtswidrigkeit (+)

V. Verschulden (+)

Grobe Fahrlässigkeit (s.o.)

VI. Schaden (+)

VII. Haftungsausfüllende Kausalität (+)

VIII. Anspruchskürzung analog § 254 BGB (s.o.) und Ergebnis (+)

Wertungen aus §§ 280 I, 611 I BGB gelten auch hier.

A

Gutachten
A. Anspruch aus §§ 280 I, 611 I BGB
K könnte gegen P einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 611 I BGB haben.

I. Schuldverhältnis
Ein Schuldverhältnis in Form eines Arbeitsvertrages liegt ausweislich des Sachverhalts vor.

II. Pflichtverletzung
P müsste eine vertragliche Pflicht verletzt haben. In Betracht kommt das Falsche Bedienen des MRT und das Drücken des „ magnet Stop“ Knopfes. Problematisch ist allerdings, dass die P keine Hauptleistung verletzt hat. Die Bedienung des MRT gehörte nicht in ihren Aufgabenbereich. P war zuständig für Reinigungsarbeiten. Sie könnte vielmehr eine Nebenpflicht nach § 241 II BGB verletzt haben.

Nach dem Arbeitsvertrag besteht die Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen und Rücksicht auf dessen Rechte und Rechtsgüter zu nehmen.

Durch das fälschliche Betätigen des „magnet stop“ Knopfes hat P diese Pflicht verletzt.

III. Vertretenmüssen
Dies müsste P auch zu vertreten haben. Nach dem Wortlaut des § 280 I 2 BGB wird das Vertretenmüssen i.d.R. vermutete. Etwas anderes ergibt sich hier jedoch aus § 619a BGB. Danach trägt der Arbeitgeber die Beweislast für Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers.

Überdies gilt die arbeitsrechtliche Besonderheit, dass sich das Verschuldensmaß nicht nur bzgl. der Verletzungshandlung, sondern auch bzgl. des Schadens ermittelt werden muss.

Hier bringt der K jedoch glaubhaft vor, dass die P den Knopf fälschlich betätigt hat.

Fraglich ist, welchen Verschuldensgrad die P zu vertreten hat. P könnte grob fahrlässig gehandelt haben. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im groben Maße missachtet.

Ausweislich des Sachverhalts handelt es sich bei dem MRT um ein sehr teures Gerät, welches sich ohne spezielle Qualifikation nicht gefahrlos bedienen lässt. Dies war der P auch bewusst.

Zudem hätte P bemerken müssen, dass der Knopf besonders durch ein Plexiglas gesichert war. Zudem war ein Zettel angebracht, indem stand „nicht drücken, es wird teuer“. Ein wahlloses Betätigen des Knopfes trotz dieser Vorkehrungen stellt hingegen eine besonders grobe Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar. Auch war P bewusst, dass es sich um ein äußerst wertvolles Gerät handelt, an dem durch falsche Bedienung ein großer Schaden entstehen kann.

Somit handelte P insgesamt grob fahrlässig (a.A. vertretbar).

IV. Kausaler Schaden
Es entstand auch ein kausaler Schaden in Form von Reparaturkosten i.H.v. 30.000 Euro.

V. Anspruchskürzung nach Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs analog § 254 BGB
Fraglich ist, ob der Anspruch nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs analog § 254 BGB gekürzt werden kann.

Dieses Konstitut wurde mit dem Gedanken entwickelt, dass der Arbeitnehmer in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist, strukturell dem Arbeitgeber unterlegen ist und überdies kein Mensch 100 % fehlerlos eine Arbeit verrichten kann.

Abgeleitet wird die Kürzung aus § 254 BGB analog. Nach einer anderen Ansicht solle vielmehr § 276 I BGB einschlägig sein. Ein Streitentscheid ist aufgrund der fehlenden Relevanz hier jedoch entbehrlich.

Liegen die Voraussetzungen vor, wird eine Haftungsquotelungen nach Grad des Verschuldensmaßstabs vorgenommen.

  1. Anwendbarkeit
    Fraglich ist, ob die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs hier überhaupt anwendbar sind. Die P müsste dafür eine betrieblich veranlasste Tätigkeit ausgeführt haben.

Als betrieblich veranlasst gelten in Anlehnung an § 105 I SGB VII solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehören. Ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird.

Eine betriebliche Veranlassung liegt zudem auch dann vor, wenn das Verhalten des Schädigers nach dem objektiven Verkehrshorizont sich nicht als untypisch darstellt und aus Sicht des Schädigers das Handeln im Interesse des Arbeitgebers geboten war.

Problematisch ist hier, dass die P den MRT während eines privaten Besuches bei B bedient hat, da sie vorher Alarmgeräusche wahrgenommen hat. Nach Sicht des P wollte sie jedoch nur, dass das MRT diesen verdächtigen Ton nicht mehr von sich gibt und eventuell Nachbarn im Interesse des K nicht belästigt. Fraglich könnte die betrieblich veranlasste Tätigkeit jedoch dadurch sein, dass P hier grob fahrlässig gehandelt hat (s.o.).

Bei der Bestimmung der betrieblich veranlassten Tätigkeit steht jedoch vielmehr der Charakter der Handlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Vordergrund. Ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln lässt den Gesamtcharakter als betrieblich veranlasste Tätigkeit daher nicht entfallen.

Wie bereits dargelegt ist hier davon auszugehen, dass die P im Interesse des K den Alarmton des MRT ausschalten wollte. Damit liegt eine betrieblich veranlasste Tätigkeit vor.

Somit sind auch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anwendbar.

  1. Haftungsquotelung nach BAG
    Es könnte hier eine Haftungsquotelung vorgenommen werden. Nach den Grundsätzen des BAG unterteilt sich die Quotelung grob in drei Gruppen. Dabei ist besonders, dass der Verschuldensmaßstab der Fahrlässigkeit selbst wiederum in zwei Gruppen unterteilt wird. Bei „leichter“ Fahrlässigkeit entfällt die Haftung des Arbeitnehmers komplett. Bei normaler Fahrlässigkeit wird eine angemessene Quotelung vorgenommen. Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich voll, allerdings wird aus Billigkeitsgründen auch eine Quotelung in Einzelfällen vorgenommen. Dies bestimmt sich nach den Gesamtumständen im Einzelfall.

Wie bereits geprüft, handelte die P hier grob fahrlässig. Grundsätzlich müsste die P hier voll haften. Es könnte sich jedoch etwas anderes aus den Gesamtumständen ergeben.

Berücksichtigung muss vorliegen finden, ob die Tätigkeit besonders Gefahrgeneigt ist, ob der Schaden versicherbar ist und wie hoch das Arbeitsentgelt der P ist.

Die Bedienung eines MRT ist grds. keine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit für die P. Auch ist zu berücksichtigen, dass P hier aufgrund der besonderen Vorrichtung des Knopfes hätte erkennen müssen, dass sie den Knopf nicht wahllos drücken darf. Für eine Quotelung spricht jedoch, dass der Schaden grds. für den K versicherbar ist und er insoweit ein gewisses Betriebsrisiko trägt.

Dafür spricht insbesondere auch das niedrige Gehalt der P von monatlich 400 Euro. Eine Haftung i.H.v. 30.000 Euro wäre nicht zumutbar.

Mithin ist daher eine Quotelung erforderlich. Zumutbar ist eine Quotelung i.H.v. einem Jahresgehalt von 4800 Euro.

VI. Ergebnis

K hat gegen P einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 4800 Euro aus §§ 280 I, 611 I BGB.

B. Anspruch aus § 823 I BGB
K könnte gegen P auch einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB haben.

I. Rechtsgutsverletzung
Das Rechtsgut Eigentum ist betroffen.

II. Verletzungshandlung
Dieses Recht hat P durch das Betätigen des Knopfes auch durch aktives Tun verletzt.

III. Haftungsbegründende Kausalität
Es liegt auch Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutsverletzung vor.

IV. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird nach der Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert.

V. Verschulden
Ein Verschulden in Form von grober Fahrlässigkeit liegt vor (s.o.)

VI. Schaden
Es liegt auch ein Schaden i.H.v. 30.000 Euro vor.

VII. Haftungsausfüllende Kausalität
Die Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden ist ebenfalls zu bejahen.

VIII. Anspruchskürzung analog § 254 BGB (s.o.) und Ergebnis
Die Wertungen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches analog § 254 BGB schlagen auch ins Deliktsrecht durch, sodass auch hier der Anspruch auf ein Jahresgehalt beschränkt wird.

Damit hat K gegen P auch einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 4800 Euro gem. § 823 I BGB.

53
Q

Der Mauerschäden-Fall

Lösungsskizze
A. Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB i.V.m nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis

I. Schuldverhältnis (P)

e.A.: Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis (+)

BGH: Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis (-)

II. Ergebnis (-)

B. Anspruch aus § 14 NachbarG NRW

I. Nachbarwand i.S.d § 7 NachbarG NRW

Hier: vielmehr Grenzwand i.S.d. § 19 NachbarG NRW, damit keine Nachbarwand

II. Ergebnis (-)

C. Anspruch aus § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung

Hier Eigentum (+)

II. Verletzungshandlung

(P) Keine unmittelbare Verursachung durch B, aber Abrissunternehmen beauftragt

III. Haftungsbegründende Kausalität

IV. Rechtswidrigkeit

V. Verschulden

VI. Schaden

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

VIII. Ergebnis (+)

D. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 922 S. 3 BGB

I. Schutzgesetz (+)

II. Verletzung des Schutzgesetzes

(P) Hauswand keine Grenzanlage i.S.d. § 921 BGB

III. Ergebnis (-)

E. Anspruch aus § 831 I BGB

(P) Verrichtungsgehilfe (-)

F. Anspruch aus § 906 II 2 BGB

(P) Duldungspflicht des K (-)

G. Anspruch aus § 906 II 2 BGB analog

(-), da subsidiär zu § 823 I BGB

A

Gutachten
A. Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB i.V.m nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis
K könnte gegen B einen vertraglichen Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB haben.

I. Schuldverhältnis
Fraglich ist jedoch, ob ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB vorliegt. In Betracht könnte ein nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis kommen. Der Gedanke des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses beruht auf der besonderen nachbarlichen Nähebeziehung, aus der sich besondere Rücksichtspflichten ergeben können. Umstritten ist, ob dieses Konstrukt so weit geht, dass es schadensersatzrechtliche Ansprüche begründen soll.

Nach einer Ansicht soll das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis soweit gehen, dass auch ein Schuldverhältnis nach § 280 I BGB entstehen soll.

Die Gegenansicht verneint dies und vertritt, dass das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis nur Duldungspflichten begründen soll.

Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden.

Gegen die erste Ansicht spricht, dass das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis auf dem Gedanken des § 242 BGB beruht und als eine Art „ Schicksalsgemeinschaft“ lediglich dafür entwickelt wurde, um dem besonderen Näheverhältnis rechtlich Ausdruck zu verleihen. Diese wurde insbesondere mit Blick auf Duldungspflichten entwickelt.

Eine Ausweitung als Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB würde viel zu weit gehen und eine Ausuferung des Schadensersatzrechts bedeuten. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb ein bloßer (teils unumgänglicher) Umzug in eine Nachbarschaft vertragliche Pflichten begründen soll. Aufgrund dieser Wertung soll das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis daher nur in ganz besonderen Ausnahmefällen ein Schuldverhältnis begründen.

II. Ergebnis
Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I BGB i.V.m dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis aus.

B. Anspruch aus § 14 NachbG NRW

[Anmerkung: Unbekannte Normen sind im Examen äußerst beliebt. Aber mit Blick ins Gesetz kein Grund, um sich zu fürchten.]

K könnte einen Anspruch aus § 14 NachbG NRW haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

I. Nachbarwand i.S.d § 7 NachbG NRW
Es müsste eine Nachbarwand i.S.d. § 7 NachbG NRW vorliegen.

Danach ist eine Nachbarwand die auf der Grenze zweier Grundstücke errichtete Wand, die den auf diesen Grundstücken errichteten oder zu errichtenden baulichen Anlagen als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Aussteifung dient oder dienen soll.

Ausweislich des Sachverhalts liegt die Wand jedoch unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück, sodass keine Nachbarwand i.S.d. § 7 NachbG vorliegt. Vielmehr liegt eine Grenzwand i.S.d. § 19 NachbG NRW vor.

II. Ergebnis
Damit scheidet ein Anspruch aus § 14 NachbG NRW aus.

C. Anspruch aus § 823 I BGB
K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB haben.

I. Rechtsgutsverletzung
Zunächst müsste ein von § 823 I geschütztes Rechtsgut verletzt worden sein. Hier liegt eine Substanzverletzung am Eigentum des K vor.

II. Verletzungshandlung
Fraglich ist, durch welche Handlung diese Rechtsgutsverletzung eingetreten ist. Problematisch ist nämlich, dass die Abrissarbeiten durch ein Unternehmen durchgeführt wurden.

Die Abrissarbeiten wurden jedoch von B in Auftrag gegeben, sodass diese Beauftragung eine hinreichende Verletzungshandlung darstellt.

III. Haftungsbegründende Kausalität
Fraglich ist jedoch, ob auch die haftungsbegründende Kausalität vorliegt.

Es müsste die Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und dem Verletzungserfolg vorliegen.

Nach der Äqivalenztheorie war die Beauftragung der Abrissarbeiten ursächlich dafür, dass das Eigentum des K in seiner Substanz verletzt wurde. Nach der Adäquanztheorie dürfte dies auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegen. Es ist jedoch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass durch von Abrissarbeiten Schäden am Hauseigentum entstehen.

Zudem ist diese Verletzungshandlung auch vom Schutzzweck der Norm erfasst, sodass die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen ist.

VI. Rechtswidrigkeit
Es müsste auch die Rechtswidrigkeit vorliegen. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Es könnte ein Rechtfertigungsgrund nach § 903 BGB in Betracht kommen. Dafür müsste die Wirkung des § 903 BGB soweit gehen, dass er auch Eigentumsverletzungen gestattet. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Damit liegt die Rechtswidrigkeit vor.

V. Verschulden
Die Eheleute B müsste auch ein Verschulden treffen nach § 276 BGB. Hier könnten die Eheleute B zumindest fahrlässig gehandelt haben, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet haben. Hier hätten die B, aufgrund der baulichen Verbindung, erkennen können, dass durch einen derartigen Abriss, die dargelegten Mauerschäden entstehen können. Damit ist ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit zu bejahen.

VI. Schaden
Es müsste auch ein Schaden vorliegen. Ausweislich des Sachverhalts sind hier Putz- und Mauerschäden entstanden.

VII. Haftungsausfüllende Kausalität
Es liegt auch Kausalität zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem Schaden vor.

VIII. Ergebnis
Damit hat K gegen B einen Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB.

D. Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 922 S. 3 BGB
K könnte einen Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 922 S. 3 BGB haben. Dafür müsste die Verletzung eines Schutzgesetzes vorliegen.

I. Schutzgesetz
Zunächst müsste ein Schutzgesetz vorliegen. Ein Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen.

In Betracht kommt § 922 S. 3 BGB. Dieser regelt die Mitbenutzung an Grenzanlagen und schützt damit auch den Einzelnen gegen die Verletzung eines Rechtsguts. Somit liegt ein Schutzgesetz vor.

II. Verletzung des Schutzgesetzes
Fraglich ist, ob dieses Schutzgesetz auch verletzt wurde. Dafür müsste eine Grenzanlage i.S.d. § 921 BGB vorliegen. Eine Grenzanlage liegt vor, wenn sich die Anlage zumindest teilweise über die Grenze zweier Grundstücke erstreckt und funktionell beiden Grundstücken dient. Eine grenzscheidende Wirkung braucht der Anlage nicht zuzukommen.

Hier liegt eine Substanzverletzung der Hauswand des K vor. Die Hauswand erstreckt sich jedoch nicht über die Grenzer zweier Grundstücke, sodass schon keine Grenzanlage vorliegt.

III. Ergebnis
Damit scheidet ein Anspruch nach § 823 II BGB i.V.m. § 922 S. 3 BGB aus.

E. Anspruch aus § 831 I BGB
K könnte gegen B einen Anspruch aus § 831 I BGB haben. Dafür müsste das Abriss unternehmen Verrichtungsgehilfe sein. Verrichtungsgehilfe ist, wer vom Geschäftsherrn in dessen Interesse eine Tätigkeit verrichtet den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig ist.

Zwischen B und dem Abrissunternehmen besteht jedoch keine Weisungsabhängigkeit, sodass schon kein Verrichtungsgehilfe vorliegt.

Damit scheidet ein Anspruch aus § 831 I BGB aus.

F. Anspruch aus § 906 II 2 BGB
K könnte gegen B einen Ausgleichsanspruch gem. § 906 II 2 BGB haben. Ein solcher Anspruch besteht, wenn der Anspruchssteller eine Einwirkung i.S.d. § 906 II 1 BGB zu dulden hat. Hier scheitert der Anspruch an der fehlenden Duldungspflicht des K für Substanzverletzungen.

G. Anspruch aus § 906 II 2 BGB analog
Es könnte ein Anspruch analog § 906 II 2 BGB in Betracht kommen. Unabhängig vom Vorliegen der Verletzungen ist dieser Anspruch jedoch subsidiär zu verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen. Hier wurde bereits § 823 I BGB bejaht (s.o.).

54
Q

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben

Lösungsskizze
A. Anspruch aus Kaufvertrag gem. § 433 II BGB (-)

Kein Vertrag über 30 PC- Kühler

B. Anspruch aus § 433 II BGB i.V.m. den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens

I. Rechtsgrundlage

§ 346 HGB oder Gewohnheitsrecht (kann dahinstehen)

II. Voraussetzungen

  1. Persönlicher Anwendungsbereich
    a) Empfänger ist Kaufmann
    b) Absender ist zumindest geschäftserfahren (streitig)
  2. Sachlicher Anwendungsbereich
    a) Handelsgeschäft i.S.d. § 343 I HGB
    b) Vorausgegangene mündliche Vertragsverhandlungen
    c) Vermeintlicher Vertragsabschluss aus Sicht des Absenders
    d) Zeitliche Unmittelbarkeit
    e) keine wesentliche Abweichung

(P) Stückzahl von 10 Ersatzteilen mehr wesentliche Abweichung?

f) Redlichkeit des Absenders

(P) Bewusste Abweichung von H

III. Ergebnis (-)

A

Gutachten
A. Anspruch aus Kaufvertrag gem. § 433 II BGB
H könnte einen Zahlungsanspruch aus Kaufvertrag haben gem. § 433 II BGB. Dafür müsste jedoch ein Kaufvertrag über 30 PC- Kühler zu je 15 Euro entstanden sein. Ausweislich des Sachverhalts einigten sich K und H jedoch auf die Lieferung von lediglich 20 PC- Kühlern. Damit ist kein Kaufvertrag über 30 PC kühler zustande gekommen. H kann lediglich Zahlung von 300 Euro verlangen.

B. Anspruch aus § 433 II BGB i.V.m. den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens
H könnte gegen K einen Zahlungsanspruch aus § 433 II BGB i.V.m den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens haben. Läge ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben vor, auf das der K nicht geantwortet hat, müsste er gegen sich gelten lassen, dass der Inhalt des KBS als vereinbart gilt.

I. Rechtsgrundlage
Fraglich ist zunächst, aus welcher Rechtsgrundlage sich das kaufmännische Bestätigungsschreiben ergibt. Dies ist umstritten. Nach einer Ansicht handelt es sich um einen Handelsbrauch, der seine Rechtsgrundlage in § 346 HGB findet. Nach einer anderen Ansicht sind die Grundsätze über das KBS gewohnheitsrechtlich anerkannt. Damit kann der Streit dahinstehen.

II. Voraussetzungen
Es müssten auch die Voraussetzungen vorliegen, damit das Schweigen ausnahmsweise einer Willenserklärung gleichkommen kann.

  1. Persönlicher Anwendungsbereich
    Zunächst müsste der persönliche Anwendungsbereich eröffnet sein.

a) Empfänger ist Kaufmann
K ist ausweislich des Sachverhalts Kaufmann und Empfänger des Schreibens.

b) Absender ist zumindest geschäftserfahren
H müsste zumindest geschäftserfahren sein. Eine Gegenansicht fordert, dass auch der Absender Kaufmann sein muss. Da der H hier jedoch auch Kaufmann ist, kann der Streit dahinstehen.

  1. Sachlicher Anwendungsbereich
    Es müsste auch der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein.

a) Handelsgeschäft i.S.d. § 343 I HGB
Es müsste zunächst ein Handelsgeschäft i.S.d. § 343 I HGB vorliegen. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Hier kaufen und verkaufen die Parteien gerade für ihren Handelsbetrieb, sodass ein Handelsgeschäft vorliegt.

b) Vorausgegangene mündliche Vertragsverhandlungen
Es müssten auch mündliche Vertragsverhandlungen dem Schreiben vorausgegangen sein. Ausweislich des Sachverhalts verhandelten H und K über den Verkauf von PC- Kühlern, sodass mündliche Vertragsverhandlungen vorausgegangen sind.

c) Vermeintlicher Vertragsabschluss aus Sicht des Absenders
Aus Sicht des Absenders H müsste ein vermeintlicher Vertragsabschluss vorliegen. Dem Absender muss es subjektiv nur noch darauf ankommen, das bereits Verhandelte schriftlich zu fixieren und so zum letzten Abschluss zu bringen. Wird bereits bei den Verhandlungen der Vertragsschluss unmittelbar herbeigeführt, so entfällt die konstitutive Wirkung des KBS und es verbleibt nur noch eine rein deklaratorische Wirkung. Hier ist das KBS von der Auftragsbestätigung abzugrenzen. Liegt aus Sicht des Absenders bereits ein Vertragsschluss vor, so will er diesen nur noch bestätigen.

Hier liegt aus Sicht des H ein „vermeintlicher Vertragsabschluss“ vor.

d) Zeitliche Unmittelbarkeit
Das Schreiben müsste den Vertragsverhandlungen auch zeitlich unmittelbar folgen. Fehlt diese zeitliche Unmittelbarkeit, ist das Schweigen auf ein KBS nicht mehr ausreichend, um eine Willenserklärung zu fingieren. Dies ist anhand des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt des Vertragsgegenstandes zu ermitteln.

Hier erfolgte das Schreiben 3 Tage nach den Vertragsverhandlungen, sodass eine zeitliche Unmittelbarkeit bejaht werden kann.

e) keine wesentliche Abweichung
Der Inhalt des Schreibens dürfte keine wesentlichen Abweichungen enthalten. Der Bestätigende müsste noch verständigerweise damit rechnen können, dass der Empfänger mit dem Inhalt einverstanden ist.

Hier weicht das Schreiben in der zu liefernden Stückzahl von 10 PC- Kühlern ab. Fraglich ist, ob dies eine wesentliche Abweichung darstellt. Dagegen spricht, dass eine geringe Abweichung der Stückzahl im Handelsverkehr nicht unüblich ist und der Absender in der Regel darauf vertraut, dass der Empfänger seine Meinung bzgl. dieser einfachen Abweichungen geändert haben kann. Dies wird auch dem Grundsatz der Schnelligkeit des Handelsverkehrs gerecht. Damit liegt keine wesentliche Abweichung vor.

f) Redlichkeit des Absenders
Der H müsste auch redlich sein. Dies ist hier problematisch. Redlichkeit liegt vor, wenn aus der Sicht des Absenders, der Inhalt des Schreibens der Vereinbarung entspricht oder nur solche Abweichungen enthält, die der Empfänger als solches billigt.

Hier wusste der H, dass der K nicht an einer größeren Menge an Ersatzteilen interessiert war. Die Abweichung nahm H jedoch trotzdem vor, weil er arglistig darauf vertraute, dass der K die Abweichung überliest oder ihr nachgibt.

Somit fehlt es an der Redlichkeit des H.

III. Ergebnis
Mithin liegen die Voraussetzungen des KBS nicht vor.

Damit hat der H keinen Zahlungsanspruch i.H.v. 450 Euro aus § 433 II BGB i.V.m den Grundsätzen des kaufmännisches Bestätigungsschreibens gegen K. Er kann lediglich Zahlung von 300 Euro verlangen.

55
Q

Sachlicher Anwendungsbereich

Es müsste auch der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein.

A

a) Handelsgeschäft i.S.d. § 343 I HGB
Es müsste zunächst ein Handelsgeschäft i.S.d. § 343 I HGB vorliegen. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Hier kaufen und verkaufen die Parteien gerade für ihren Handelsbetrieb, sodass ein Handelsgeschäft vorliegt.

b) Vorausgegangene mündliche Vertragsverhandlungen
Es müssten auch mündliche Vertragsverhandlungen dem Schreiben vorausgegangen sein. Ausweislich des Sachverhalts verhandelten H und K über den Verkauf von PC- Kühlern, sodass mündliche Vertragsverhandlungen vorausgegangen sind.

c) Vermeintlicher Vertragsabschluss aus Sicht des Absenders
Aus Sicht des Absenders H müsste ein vermeintlicher Vertragsabschluss vorliegen. Dem Absender muss es subjektiv nur noch darauf ankommen, das bereits Verhandelte schriftlich zu fixieren und so zum letzten Abschluss zu bringen. Wird bereits bei den Verhandlungen der Vertragsschluss unmittelbar herbeigeführt, so entfällt die konstitutive Wirkung des KBS und es verbleibt nur noch eine rein deklaratorische Wirkung. Hier ist das KBS von der Auftragsbestätigung abzugrenzen. Liegt aus Sicht des Absenders bereits ein Vertragsschluss vor, so will er diesen nur noch bestätigen.

Hier liegt aus Sicht des H ein „vermeintlicher Vertragsabschluss“ vor.

d) Zeitliche Unmittelbarkeit
Das Schreiben müsste den Vertragsverhandlungen auch zeitlich unmittelbar folgen. Fehlt diese zeitliche Unmittelbarkeit, ist das Schweigen auf ein KBS nicht mehr ausreichend, um eine Willenserklärung zu fingieren. Dies ist anhand des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt des Vertragsgegenstandes zu ermitteln.

Hier erfolgte das Schreiben 3 Tage nach den Vertragsverhandlungen, sodass eine zeitliche Unmittelbarkeit bejaht werden kann.

e) keine wesentliche Abweichung
Der Inhalt des Schreibens dürfte keine wesentlichen Abweichungen enthalten. Der Bestätigende müsste noch verständigerweise damit rechnen können, dass der Empfänger mit dem Inhalt einverstanden ist.

Hier weicht das Schreiben in der zu liefernden Stückzahl von 10 PC- Kühlern ab. Fraglich ist, ob dies eine wesentliche Abweichung darstellt. Dagegen spricht, dass eine geringe Abweichung der Stückzahl im Handelsverkehr nicht unüblich ist und der Absender in der Regel darauf vertraut, dass der Empfänger seine Meinung bzgl. dieser einfachen Abweichungen geändert haben kann. Dies wird auch dem Grundsatz der Schnelligkeit des Handelsverkehrs gerecht. Damit liegt keine wesentliche Abweichung vor.

f) Redlichkeit des Absenders
Der H müsste auch redlich sein. Dies ist hier problematisch. Redlichkeit liegt vor, wenn aus der Sicht des Absenders, der Inhalt des Schreibens der Vereinbarung entspricht oder nur solche Abweichungen enthält, die der Empfänger als solches billigt.

Hier wusste der H, dass der K nicht an einer größeren Menge an Ersatzteilen interessiert war. Die Abweichung nahm H jedoch trotzdem vor, weil er arglistig darauf vertraute, dass der K die Abweichung überliest oder ihr nachgibt.

Somit fehlt es an der Redlichkeit des H.

56
Q

Der Fall Emmely wurde am 10. Juni 2010 vom BAG entschieden und schlug mediale Wellen.

Das BAG entschied, dass die Kündigung der E unwirksam war, da es an einem wichtigen Grund gem. § 626 I BGB fehlte.

Bemerkenswert an diesem Urteil war, dass das BAG ausführte, es läge nur eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit“ vor, die für eine außerordentliche Kündigung nicht ausreiche. Es hätte wegen der ultima ratio einer Kündigung zunächst einer Abmahnung bedurft.

Die E sei seit 31 Jahren beschäftigt und hätte sich so ein gewisses „Vertrauenskonto“ geschaffen, das mit einer einmaligen Pflichtverletzung nicht „aufgezehrt“ werden kann.

Lösungsskizze
Begründetheit der Kündigungsschutzklage

(Spezialfall der Feststellungsklage; sog. „punktueller Streitgegenstandsbegriff“)

Begründet, wenn Arbeitsverhältnis nicht zum 23. Februar 2008, hilfsweise zum 30. September 2008 beendet wurde.

A. Wirksames Arbeitsverhältnis (+)

I. Beendigung durch außerordentliche Kündigung gem. § 626 I BGB

1) Wirksame Kündigungserklärung (+)

Schriftform, Zugang (+)

2) Ausschluss der Präklusion gem. §§ 626 II BGB,4, 5, 7 KSchG (+)
3) Kündigungsfrist gem. § 622 BGB (+)
4) Allgemeine Unwirksamkeitsgründe und Kündigungsverbote (-)
5) Betriebsratsanhörung gem. § 102 I 1 BetrVG (+)
6) Wichtiger Grund i.S.d. § 626 I BGB (P)
a) Vorliegen eines Sachverhalts, der generell geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben (+)
hier: vermeintliche Unterschlagung von Pfandbons
b) Umfassende Interessenabwägung im Einzelfall/ Ultima- Ratio- Prinzip/ Prognose-Prinzip (-)

pro wichtiger Grund: Vertrauensbruch ggü. Arbeitgeber, mögliche Straftat (§ 246 I StGB), auf den Bonwert kommt es somit nicht an.

contra wichtiger Grund: Bagatelldelikt, E seit 31 Jahren angestellt und nur eine Pflichtverletzung, keine Pflichtverletzung einer Kerntätigkeit, § 246 I StGB scheidet aus, da Beklagte nicht Eigentümer der Pfandbons geworden ist, „Ultima-ratio- Prinzip“ verletzt, da keine Abmahnung erfolgte.

Zwischenergebnis: Es hätte einer Abmahnung bedurft, damit wichtiger Grund (-)

7) Ergebnis

Außerordentliche Kündigung (-)

II. Ordentliche Kündigung (-)

Auch hier gilt Ultima- Ratio- Prinzip bei verhaltensbedingter Kündigung. Auch Prognoseprinzip erhält hier größeres Gewicht als bei der außerordentlichen Kündigung.

B. Endergebnis

Damit wurde Arbeitsverhältnis nicht zum 23. Februar 2008, hilfsweise zum 30. September 2008 beendet.

A

Gutachten
Begründetheit der Kündigungsschutzklage
Die Kündigungsschutzklage müsste begründet sein.
Die Kündigungsschutzklage stellt einen Spezialfall der Feststellungsklage dar (sog. „punktueller Streitgegenstandsbegriff“).
Die Kündigungsschutzklage ist daher begründet, wenn das Arbeitsverhältnis nicht zum 23. Februar 2008 oder hilfsweise zum 30. September 2008 beendet wurde.

A. Wirksames Arbeitsverhältnis
Ausweislich des Sachverhalts bestand seit 1977 ein wirksames Arbeitsverhältnis zwischen E und der Beklagten.

I. Beendigung durch außerordentliche Kündigung gem. § 626 I BGB
Das Arbeitsverhältnis könnte durch eine außerordentliche Kündigung beendet worden sein. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen.

1) Wirksame Kündigungserklärung
Eine wirksame Kündigungserklärung liegt vor. Mangels anderweitiger Sachverhaltsangaben ist auch von der Einhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) auszugehen. Es liegt auch der Zugang (§130 BGB) vor.

2) Ausschluss der Präklusion gem. §§ 626 II BGB,4, 5, 7 KSchG
Auch von der Einhaltung der Klagefrist von 3 Wochen ist auszugehen.

3) Kündigungsfrist gem. § 622 BGB
Die Kündigungsfrist nach § 622 BGB wurde eingehalten.

4) Allgemeine Unwirksamkeitsgründe und Kündigungsverbote
Allgemeine Unwirksamkeitsgründe (z.B. aus § 138 BGB) und Kündigungsverbote sind nicht ersichtlich.

5) Betriebsratsanhörung gem. § 102 I 1 BetrVG
Ausweislich des Sachverhalts wurde der Betriebsrat ordnungsgemäß gem. § 102 I 1 BetrVG angehört.

6) Wichtiger Grund i.S.d. § 626 I BGB
Fraglich ist allerdings, ob auch ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 I BGB vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der generell geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben und eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall stattgefunden hat, die ua. das Ultima- Ratio- Prinzip berücksichtigt hat.

a) Vorliegen eines Sachverhalts, der generell geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben
Hier hat E vermeintlich zwei Pfandbons mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro unterschlagen. Solche Pfandbons müssen jedoch als „Fehlbons“ registriert werden. E soll diese jedoch entgegen der Anweisung privat verwendet haben. Dies stellt eine Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages und damit auch einen Sachverhalt dar, der generell geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen.

b) Umfassende Interessenabwägung im Einzelfall/ Ultima- Ratio- Prinzip/ Prognose-Prinzip
Es müsste jedoch auch eine umfassende Interessenabwägung stattgefunden haben. Eine Kündigung muss immer das letzte Mittel darstellen („Ultima- Ratio- Prinzip“). Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist daher grds. eine vorherige Abmahnung erforderlich, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit bekommt sein Verhalten in Zukunft einzustellen.

Nur wenn die Pflichtverletzung von solch erheblichen Maße ist, dass ein besonderer Vertrauensbruch vorliegt oder der Arbeitnehmer womöglich in Zukunft wieder solch eine Pflichtverletzung begehen wird, kann der Arbeitgeber davon absehen und sofort kündigen (sog. „Prognoseprinzip“).

Um diesen Prinzipien gerecht zu werden, ist eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.

Für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung könnte sprechen, dass E durch die Unterschlagung der Pfandbons das Vertrauen ihres Arbeitgebers unwiderruflich zerstört hat. Dabei ist der Wert der Bons unerheblich. Eine Wertung, wie die von § 248a StGB, dass bei geringfügigen Sachen der Staat nur bei Vorliegen eines Strafantrags Ermittlungen anstrengt, ist dem Schuldrecht fremd. Im Schuldrecht geht es nur um einen störungsfreien Austausch von Leistungsinteressen. Es käme freilich nur darauf an, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist auch in Zukunft ein auf Vertrauen basiertes Arbeitsverhältnis mit E aufrecht zu erhalten.

Dagegen sprechen jedoch zahlreiche Argumente. Insbesondere ist schon fraglich, ob E eine Straftat i.S.d. § 246 I StGB begangen hat. Dieser kann nur verwirklicht werden, wenn die Pfandbons im Eigentum des Beklagten standen. Ausweislich des Sachverhalts hat jedoch eine Kundin diese dort vergessen, was noch keine Herrenlosigkeit der Pfandbons begründet (siehe dazu den interessanten Beitrag von Dr. Schlösser in: Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht, S. 509–515, Heft 11/2009).

Auch arbeitet E seit mehr als 31 Jahren in dem Unternehmen der Beklagten. In dieser Zeit hat sie durch ein tadelloses Verhalten soviel Vertrauen erworben, dass dieses durch eine einmalige Pflichtverletzung nicht ausgezehrt werden darf. Dies gilt umso mehr, als dass der Wert der Pfandbons an der Grenze zur Bagatelle anzusetzen ist.

Es wurde auch überhaupt nicht berücksichtigt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass E diese Pflichtverletzung in Zukunft wiederholen wird („Prognoseprinzip“).

Damit war es dem Beklagten durchaus zumutbar vorher eine Abmahnung auszusprechen, bevor er die Kündigung erklärt.

Mithin ist ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 I BGB zu verneinen.

7) Ergebnis
Damit wurde das Arbeitsverhältnis nicht durch eine außerordentliche Kündigung beendet.

II. Ordentliche Kündigung
Auch eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Auch hier gilt das Ultima- Ratio- Prinzip gleichermaßen bei verhaltensbedingter Kündigung. Zudem erhält das Prognoseprinzip hier größeres Gewicht als bei der außerordentlichen Kündigung

B. Endergebnis
Damit wurde Arbeitsverhältnis nicht zum 23. Februar 2008 oder zum 30. September 2008 beendet.

Die Kündigungsschutzklage ist mithin begründet.

57
Q

Lösungsskizze
A. Anspruch aus § 539 I BGB (-)

Vertrag nach §§ 311b I S. 1, 125 S. 1, 139 BGB unwirksam.

B. Anspruch aus §§ 677, 683 S.1, 670 BGB (-)

Kein Fremdgeschäftsführungswille (a.A. nicht mit Willen des Geschäftsherrn).

C. Anspruch aus §§ 1001 S. 1, 996 BGB

I. Vorliegen eines EBV (+)

B Eigentümer und M Besitzer. Auch kein Recht zum Besitz, da Vertrag formunwirksam.

II. Verwendungen

(P) Verwendungen auch bei grundlegender Änderung der Sache?

„Enger Verwendungsbegriff“ (-)

Hier: Villenanlage wird grundlegend verändert, daher keine Verwendung.

III. Ergebnis (-)

D. Anspruch auf Verwendungsersatz nach §§ 951 I S. 1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB

I. Anwendbarkeit (P)

Sperrwirkung des EBV? (Str.)

1) BGH: „Theorie der absoluten Sperrwirkung“

 §§ 994 ff. schließen Anwendung des Bereicherungsrechts vollständig aus

2) h.L.: Ersatz von Aufwendungen besteht
3) Streitentscheid (+)

Pro: - Sperrwirkung des EBV setzt voraus, dass Verwendungen überhaupt in den Anwendungsbereich fallen. Hier Aufwendungen tatbestandlich schon nicht erfasst wegen engem Verwendungsbegriff

  • besitzender Verwender, bei dem EBV vorliegt, wird schlechter gestellt
  • gerechtere Lösung durch Grundsatz der aufgedrängten Bereicherung

Contra: - Bösgläubiger Besitzer könnte Verwendungsersatz fordern

  • Wertung der §§ 994 ff. würde umgangen

II. Rechtsgrundverweis des § 951 I S. 1 BGB

1) Voraussetzungen des § 951 I S.1 BGB und des § 812 I S.1 2.Alt. BGB (+)
2) Vorliegen einer Verwendung (+)

hier gerade kein enger Verwendungsbegriff

3) auf Kosten des M (+)
4) ohne Rechtsgrund (+)
hier: Vertrag formunwirksam

III. Ergebnis (+)

A

Gutachten
M könnte zunächst einen vertraglichen Anspruch aus § 539 I BGB haben. Dafür müsste der Vertrag jedoch wirksam sein. Ausweislich des Sachverhalts wurde der Mietvertrag inkl. des Ankaufsrechts nicht notariell beurkundet. Da dieser einem Kaufvertrag über ein Grundstück ähnelt, muss dieser jedoch zwingend beurkundet werden. Somit ist der Vertrag gem. §§ 311b I S. 1, 125 S. 1, 139 BGB unwirksam. Ein vertraglicher Anspruch scheidet aus.

A. Anspruch aus § 539 I BGB

B. Anspruch aus §§ 677, 683 S.1, 670 BGB (-)
M könnte einen Anspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S.1, 670 BGB haben. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen. Ein Geschäft liegt in Form eines realen Handelns, nämlich der Sanierung, vor. Allerdings saniert der M die Villenanlage mit Blick auf sein zukünftiges Ankaufsrecht, sodass es hier zumindest am Fremdgeschäftsführungswillen fehlt (a.A. ohne Willen des Geschäftsherren).

Mithin scheidet auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus.

C. Anspruch aus §§ 1001 S. 1, 996 BGB
M könnte gegen B einen Anspruch aus §§ 1001 S.1, 996 BGB haben. Dafür müssten ein EBV und Verwendungen vorliegen.

I. Vorliegen eines EBV
Es müsste zunächst ein EBV vorliegen. B ist Eigentümer und M ist Besitzer. M dürfte jedoch kein Recht zum Besitz haben. In Betracht kommt zunächst der geschlossene Mietvertrag. Dieser ist jedoch, wie bereits erörtert, formunwirksam, sodass M auch kein Recht zum Besitz hatte. Damit ist ein EBV zu bejahen.

II. Verwendungen
Fraglich ist, ob auch Verwendungen vorliegen. Verwendungen sind willentliche Vermögensaufwendungen, die zumindest einer Sache zugute kommen, indem sie sie wiederherstellen, erhalten oder verbessern. Hier nahm der M freiwillige Vermögensaufwendungen für die Sanierung vor, um die Villenanlage zu verbessern und zu erhalten. Problematisch ist allerdings, dass der M die Villenanlage durch die Grunderneuerung der Außenanlage und der aufwendigen Sanierung grundlegend verändert hat. Nach dem engen Verwendungsbegriff liegt jedoch durch eine grundlegende Veränderung der Sache schon keine Verwendung vor, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Aufwendungen ersetzt werden sollen, die die Sache in ihrem Bestand nicht verändern.

Somit liegen keine Verwendungen i.S.d §§ 994 ff. BGB vor.

III. Ergebnis
Damit hat M keinen Anspruch aus §§ 1001 S.1, 996 BGB gegen B.

D. Anspruch auf Verwendungsersatz nach §§ 951 I S. 1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB
Fraglich ist jedoch, ob M gegen B einen Verwendungsersatzanspruch nach den §§ 951 I S.1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB hat.

I. Anwendbarkeit
Problematisch ist, dass hier ein EBV vorliegt, sodass der Anspruch gesperrt sein könnte. Ob dies vorliegend der Fall ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

1) BGH: „Theorie der absoluten Sperrwirkung“
Nach der Theorie der absoluten Sperrwirkung (BGH) schließen die §§ 994 ff. BGB die Anwendung des Bereicherungsrechts auch aus, wenn tatbestandlich keine Verwendungen vorliegen (s.o.). Damit wäre hier der Anwendungsbereich bereits wegen der Sperrwirkung nicht eröffnet.

2) h.L.: Ersatz von Aufwendungen besteht
Nach der Gegenansicht sollen in solchen Fällen die Aufwendungen ersetzt werden können, sodass hier der Anwendungsbereich entgegen der Rechtsprechung bejaht werden könnte.

3) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden. Für die Theorie der absoluten Sperrwirkung spricht zunächst die Wertung der §§ 994 ff. BGB. Durch die Eröffnung des Anwendungsbereiches würde das abgestufte Ausgleichssystem aus §§ 994, 996 BGB unterlaufen werden. Auch bestünde die Gefahr, dass der bösgläubige Besitzer Verwendungsersatz fordern könnte.

Dagegen lässt sich jedoch hervorbringen, dass schon tatbestandlich keine Verwendungen vorliegen, was freilich eine Sperrwirkung nicht rechtfertigen könnte. Die Sperrwirkung des EBV setzt vielmehr voraus, dass die Verwendungen überhaupt tatbestandlich vorliegen, was aufgrund des engen Verwendungsbegriffs nicht gegeben ist.

Überdies würde der besitzende Verwender, bei dem ein EBV vorliegt, schlechter gestellt sein, wofür auch keine Rechtfertigung ersichtlich ist. Eine Lösung über den Grundsatz der aufgedrängten Bereicherung scheint daher flexibler und gerechter.

Da die besseren Argumente für die zweite Ansicht sprechen, ist diese vorzugswürdig, sodass der Anwendungsbereich eröffnet ist.

II. Rechtsgrundverweis des § 951 I S. 1 BGB
Es müssten auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein. Der § 951 I S. 1 BGB stellt einen Rechtsgrundverweis dar, sodass zunächst die Voraussetzungen des § 951 I S.1 BGB und die Voraussetzungen der Verwendungskondiktion gegeben sein müssen.

1) Voraussetzungen des § 951 I S.1 BGB und des § 812 I S.1 2. Alt. BGB
B müsste das Eigentum an der sanierten Villenanlage erlangt haben. Durch die aufwendige Sanierung der Außenfassade hat B das Eigentum gem. §§ 946, 93 ff. BGB erlangt, was auch einen vermögenswerten Vorteil darstellt.

2) Vorliegen einer Verwendung
Es müssten auch Verwendungen vorliegen. Verwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Hier gilt der enge Verwendungsbegriff, anders als in § 994 ff. BGB, gerade nicht, sodass auch die Verwendung in Form der getätigten Sanierung zu bejahen ist.

3) auf Kosten des M
Dies geschah auch auf Kosten des M.

4) ohne Rechtsgrund
Wie bereits geschildert, war der der Mietvertrag auch formunwirksam, sodass kein Rechtsgrund bestand.

III. Ergebnis
Mithin hat M gegen B einen Verwendungsersatzanspruch gem. §§ 951 I S.1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB.

58
Q

Verwendungen
Fraglich ist, ob auch Verwendungen vorliegen. Verwendungen sind willentliche Vermögensaufwendungen, die zumindest einer Sache zugute kommen, indem sie sie wiederherstellen, erhalten oder verbessern.

A

Hier nahm der M freiwillige Vermögensaufwendungen für die Sanierung vor, um die Villenanlage zu verbessern und zu erhalten. Problematisch ist allerdings, dass der M die Villenanlage durch die Grunderneuerung der Außenanlage und der aufwendigen Sanierung grundlegend verändert hat. Nach dem engen Verwendungsbegriff liegt jedoch durch eine grundlegende Veränderung der Sache schon keine Verwendung vor, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Aufwendungen ersetzt werden sollen, die die Sache in ihrem Bestand nicht verändern.

Somit liegen keine Verwendungen i.S.d §§ 994 ff. BGB vor.

59
Q

§§ 951 I S. 1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB
Fraglich ist jedoch, ob M gegen B einen Verwendungsersatzanspruch nach den §§ 951 I S.1, 812 I S.1 Alt. 2, 818 II BGB hat.

I. Anwendbarkeit
Problematisch ist, dass hier ein EBV vorliegt, sodass der Anspruch gesperrt sein könnte. Ob dies vorliegend der Fall ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

A

1) BGH: „Theorie der absoluten Sperrwirkung“
Nach der Theorie der absoluten Sperrwirkung (BGH) schließen die §§ 994 ff. BGB die Anwendung des Bereicherungsrechts auch aus, wenn tatbestandlich keine Verwendungen vorliegen (s.o.). Damit wäre hier der Anwendungsbereich bereits wegen der Sperrwirkung nicht eröffnet.

2) h.L.: Ersatz von Aufwendungen besteht
Nach der Gegenansicht sollen in solchen Fällen die Aufwendungen ersetzt werden können, sodass hier der Anwendungsbereich entgegen der Rechtsprechung bejaht werden könnte.

3) Streitentscheid
Da die Ansichten zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist der Streit zu entscheiden. Für die Theorie der absoluten Sperrwirkung spricht zunächst die Wertung der §§ 994 ff. BGB. Durch die Eröffnung des Anwendungsbereiches würde das abgestufte Ausgleichssystem aus §§ 994, 996 BGB unterlaufen werden. Auch bestünde die Gefahr, dass der bösgläubige Besitzer Verwendungsersatz fordern könnte.

Dagegen lässt sich jedoch hervorbringen, dass schon tatbestandlich keine Verwendungen vorliegen, was freilich eine Sperrwirkung nicht rechtfertigen könnte. Die Sperrwirkung des EBV setzt vielmehr voraus, dass die Verwendungen überhaupt tatbestandlich vorliegen, was aufgrund des engen Verwendungsbegriffs nicht gegeben ist.

Überdies würde der besitzende Verwender, bei dem ein EBV vorliegt, schlechter gestellt sein, wofür auch keine Rechtfertigung ersichtlich ist. Eine Lösung über den Grundsatz der aufgedrängten Bereicherung scheint daher flexibler und gerechter.

Da die besseren Argumente für die zweite Ansicht sprechen, ist diese vorzugswürdig, sodass der Anwendungsbereich eröffnet ist.