Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Flashcards
Quick Facts
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) ist eine der wichtigsten vertraglichen Zielsetzungen der EU:
- soll durch verschiedene politikspezifische Ziele die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und Terrorismus erreichen
- durch die Zusammenarbeit der Justiz- und polizeilichen Behörden u. a. durch die gegenseitige Anerkennung von gerichtlichen und außergerichtlichen Entscheidungen erleichtern
Vertragsgrundlage: Art. 3 Abs. 2 EUV, Titel V AEUV (Art. 67–89)
Ziele:
- Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus,
- Schaffung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik
- und eines Europäischen Asylsystems,
- gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen
Instrumente:
- Europäischer Haftbefehl
- Verordnungen und Richtlinien
- operationelle Zusammenarbeit der Justiz- und Polizeibehörden
Entwicklung der RFSR
erstmals im Vertrag von Amsterdam (1999) begrifflich eingeführt:
- stellte dies Justiz- und Innenpolitik der EU auf eine Basis
- vor 1999 kooperierten die Mitgliedstaaten nur in zwischenstaatlichen Foren (im speziellen Rahmen der Abschaffung der Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen)
Schengener Durchführungsüberienkommen (1990):
-stärkere Kontrolle der Außengrenzen
-einheitliche Visapolitik
-stärkere Bekämpfung von Drogenhandel und internationaler Kriminalität
—für die Realisierung des freien Personenverkehrs
——Vertrag von Amsterdam übernahm die Schengen-Regel in den EU-Rechtsbestand
-Einführung in Zivilsachen — Mitspracherecht der supranationalen EU-Institutionen ausgeweitet und Kontrollbefugnisse des Gerichtshofs verstärkt
———polizeiliche und justizelle Zusammenarbeit in Strafsachen verblieben in der Kompetenz der Mitgliedstaaten
Vertrag von Amsterdam stieß 2 Entwicklungen:
1) neue Integrationsdynamiken
-eine gemeinsame EU-Asyl- und Migrationspolitik
-effizientere Bekämpfung von organisierter Kriminalität
-verabschiedete mehrjährige Arbeitsprogramme mit detaillierten zeitlichen und inhaltliche Vorgaben — erste in 1999 in Tampere übernommen; zweite Den Haag 2004
—Ende des dritten Arbeitsprogramms (2009-14) Entwicklungsphase des RFSR abgeschlossen sei (verstärktes Augenmerk auf Konsolidierung und Implementierung des existierenden EU-Rechtsbestands)
2) differenzierte Integration
-UK, Irland und Dänemark trugen die vertragliche Vertiefung der EU-Justiz- und Innenpolitik nicht mit — spezielle Opt-out-Rechte hinsichtlich der Anwendung von EU-Rechtsakten im Bereich der Justiz und Inneres
-UK, Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Menschenschmuggel eine treibende Kraft der EU
-4 assoziierte Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) dem Schengen-Raum beigetreten
—Eigenheit des RFSR dass einige Nicht-EU-Mitgliedstaaten enger als manche EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Schengen-Besitzstand involviert sind
weitere wichtige Änderung durch Vertrag von Lissabon (2009):
-vollendete Prozess der Vergemeinschaftung der EU-Justiz- und Innenpolitik,
-durch die Einführung des ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der polizeilichen und justizellen Zusammenarbeit in Strafsachen
-wurde in Titel V (Art. 67-89) zusammengefasst
-übergeordnete Zielsetzung in Art. 3 Abs. 2 EUV
—„die Union ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen [bietet], in dem. — in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen der Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität — der freie Personenverkehr gewährleistet ist“
-Grundrechte rechtlich anerkennt
-die EU trat der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei (EMRK)
—diese Schritte, die das Grund- und Menschenrechtsprofil der EU zu stärken versuchten, waren eng mit dem RFSR verbunden
Möglichkeiten und Beschränkungen
Europol:
-Beamten haben keine Kompetenzen, eine Verhaftung in einem EU-Mitgliedstaat vorzunehmen
-unterstützen nationale Polizeibehörden
-wirken bei gemeinsamen Untersuchungen und Operationen mit
—untersagt, exekutive Handlungen wie eine Verhaftung vorzunehmen
behutsame Abwägen von unterschiedlichen Interessen im RFSR:
-EU-Mitgliedstaaten nur zögerlich bereit, ihren nationalen Handlungsspielraum in der Justiz- und Innenpolitik einzuschränken
—wichtiger Grund für Ab- oder Wiederwahl von Regierungen (wie Fragen der inneren Sicherheit oder Migration umgehen)
-Ausnahmeregeln, „Notbremsen“ und Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit gibt es daher nach wie vor in einem höheren Ausmaß im RFSR als in anderen Politikfeldern
-funktionale Gründe für mehr Integration und gemeinsame EU-Politiken
-Europa ohne Personenkontrollen, kann nur funktionieren, wenn es auch eine europäische Koordinierung und Harmonisierung hinsichtlich der Fragen der Migrations-, Asyl- und Außengrenzschutzpolitik gibt
Kompetenzen der EU im RFSR:
-Art. 67 Abs. 1 AEUV, verdeutlich dass die Rechtsstraditionen und -ordnungen der Mitgliedstaaten nicht vereinheitlich, sondern vielmehr kompatibler werden sollen
-Zivil- und Strafrechts arbeitet die EU daher mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennnung von gerichtlichen und außergerichtlichen Entscheidungen
-wichtigste Instrument— Europäischer Haftbefehl (Auslieferung eines Straftäters bzw. Verdächtigten ansucht, wird die Rechtsmäßigkeit dieses Ansuchens nicht mehr überprüft)
-Eurojust, europäische Agentur zur Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Justizbehörden, unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Europäischen Haftbefehls und anderen Strafverfolgungsmaßnahmen
-Frontex, Eurojust und Europol — bekannteste Agenturen im RFSR
—weitere Agenturen: Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht (eu-LISA), Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL), Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA)
weitreichendste Kompetenz, Migrationsfrage:
-laut Vertrag, soll die EU sicherstellen, „dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden, und entwickelt eine gemeinsame Politik in den Bereichen Asyl, Einwanderung und Kontrollen an den Außengrenzen, die sich auf die Solidarität der Mitgliedstaaten gründet und gegenüber Drittstaatsangehörigen angemessen ist“ (Art. 67 Abs. 2 AEUV)
—damit hat die EU versucht ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) aufzubauen
-Kernpfeiler der Asylpolititk — Dublin-System (legt fest, welcher Staat für die Abwicklung eines Asylverfahrens zuständig ist, i.d.R. erster Mitgliedstaat, mit dem der Asylsuchende in Kontakt kommt)
-Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) (Sitz in Valletta), praktische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten durch Maßnahmen wie eine bessere Koordinierung und gemeinsames Training zu erleichtern
-Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex seit 2016) am schnellsten wachsende Agentur (immer wichtigere Rolle bei der Verwaltung der EU-Außengrenzen und der Rückführung von abgelehnten Asylsuchenden und irregulären Einwanderern)
EU-Einwanderungpolitik, Einwanderungsbedingungen für bestimmte Gruppen wie hochqualifizierte Arbeitskräfte, Saisonarbeiter oder Studenten zu vereinheitlichen:
-Letzentscheidung, wie viele Einwanderer in ein Land kommen dürfen, verbleibt bei den einzelnen Mitgliedstaaten
-EU-Gesetze dienen primär, Einwanderungsprozesse in der EU anzugleichen und Europa in einem globalen Wettbewerb um die talentiertesten Köpfe besser zu positionieren
-EU hat Hochqualifizierten-Richtlinien verabschiedet, gemeinsame Aufenthaltstitle auf EU-Ebene einführt („Blaue Karte EU“)
-Mitgliedstaaten haben jedoch nicht den gesamten EU-Arbeitsmarkt für Inhaber der „Blauen Karten EU“ geöffnet
-„Blaue Karte EU“ wird unterschiedlich genutzt
—mehr als 2/3 dieser Aufenthaltstitel werden allein von DE vergeben
Aktuelle Herausforderungen
RFSR nach dem Vertrag von Amsterdam mit Verve und Optimismus entwickelt wurde, steht er mittlerweile im Zentrum polarisierenden Debatten:
- EU ringt im Speziellen mit 3 Herausforderungen
- Terrorismusgefahr
- Migrationsfrage
- Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn
seit Attentat in Madrid 2006, gab es mehr als 30 Terroranschläge mit über 600 Todesopfern:
-2015/16 besonders blutige in Paris, Brüssel und Berlin
-Eu erklärte daraufhin Schutz der europäischen Bürger vor solche Anschlägen zu einer der wichtigsten Prioritäten
-9.16, eigener Kommissar (Julian King) betreut einer EU-Sicherheitsunion voranzutreiben
-Reaktion auf den Terroranschlag auf die Konzerthalle „Bataclan“ wurde auch die gegenseitige Verteidigungsklausel aktiviert (Art. 42 Abs. 7 EUV)
—damit symbolisierte die EU Unterstützung für Frankreich im Kampf gegen den Terrorismus
Maßnahmen haben Zustimmung und kritische Reflexion hervorgerufen:
- inwieweit Grund- und Freiheitsrechte (wie das Recht auf Datenschutz) eingeschränkt werden können, um mehr Sicherheit zu erlangen
- Umgang mit persönlichen Daten, ist zu einem Politikum geworden
- zum einen EU stärkte Datenschutz (DSGVO), zum anderen können Polizei- und Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten verstärkt auf Daten zugreifen und sie systematisch auswerten
politische Auseinandersetzung hinsichtlich EU-Asyl- und Migrationsfragen:
-Streitpunkt Dublin-System
-weist den Staaten an den Außengrenzen besondere Rolle zu
-9.15 Notverteilungsregelung innerhalb der EU umzuverteilen
-winkten Migranten durch
-Notverteilungsregelung (+Errichtung einer Reihe von „Hotspots“ an den EU-Außengrenzen an denen Migranten registriert und zuerst verbleiben sollen) sollte eine Rückkehr zu einer geregelteren EU-Asylpolitik und dem Dublin-System ermöglichen
-Kommission schlug weiteres vereinheitlichen und Dublin-System um ein permanentes Quotensystem für eine gleichmäßigere Verteilung von Asylsuchenden in Europa zu erweitern vor
—starker Widerspruch (Osteuropa)
-Ablehnung der Verpflichtigung zur Aufnehmung von Asylsuchenden Kernthema der politischen Mobilisierung von rechtspopulistischen Akteuren
-EU droht hinsichtlich der internen Dimension der Asylpolitik in verschiedenen Gruppierungen zu zerfallen
—externe Dimension, herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass eine intensivere europäische Kooperation mit den Transit- und Herkunftsländern dazu führen kann den Migrationsdruck zu senken
Ungarn und Polen stießen aufgrund ihres Umgangs mit rechtsstaatlichen Normen und demokratischen Prinzipien in Kritik:
-umstrittene Justizreformen
-Einschränkungen der Arbeit von Journalisten, Oppositionellen, Akademikern und zivilgesellschaftlichen Akteuren
—systematische Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit
-Polen, Rechtsstaatsverfahren nach Art. 7 Abs.1 EUV (kann zu einer Suspendierung der EU-Mitgliedschaft führen)
-Ungarn, EP stimmte für Beginn des selben Verfahrens
—ungewiss ob die Verfahren zu einem Stimmrechtsentzug im Rat der EU führen werden (Bedarf es der Einstimmigkeit der Staats- und Regierungschefs der EU)
Umgang der EU mit den Herausforderungen gehört zu den wichtigsten Forschungsperspektiven hinsichtlich des RFSR:
- Welcher Einfluss werden Allianzen von migrationskritischen Staaten auf die Weiterentwicklung des RFSR ausüben?
- Wie werden nationale Gerichte und der Gerichtshof der EU mit der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen weiter umgehen?
- wird es z.B. schwieriger werden, Instrumente wie den Europäischen Haftbefehl anzuwenden