Mitspieler in der institutionellen Architektur der Europäischen Union Flashcards

1
Q

1 Eckpunkte — Vielzahl und Vielfalt relevanter Akteursgruppen: Von der Zivilgesellschaft bis zu den Agenturen

A

Kreis der politisch relevanten Gruppen der Zivilgesellschaft, Parteien, Verbände und Interessengruppen wird angesichts der beobachtbaren Phänomene im EU-System bewusst weit gezogen

Vertreter eines breiten Spektrums an Mitspielern beteiligten sich in einer Vielzahl von Politikfeldern and der Vorbereitung, Verabschiedung, Durchführung und Kontrolle von verbindlichen Rechtsakten:
-Aktivitätsprofil dieser Akteursgruppen zeigen erhebliche Variationen an (in-)formale Einflussnahme mit starken und schwachen Formen der Beteiligung an der Politikgestaltung

Vertrag formuliert, „offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog“
zum Untersuchungsfeld der politischen Architektur gehören:
-vertraglich verankert „beratenden Ausschüsse“ (WSA und AdR)
-Europäische Parteien
-Regionen
-Kommunen
-Unterschiedliche Typen von Agenturen
-Wirtschaftliche Interessengruppen (Verbände, Kammern, Gewerkschaften)
-gemeinnützige Interessenvertretung (NGOs)
-Medien, Presseagenturen, Medienvertretung
-Kirchen und Religionsgemeinschaften
-Bürgerinitiativen oder Bürgerbegehren
-Thinktanks und Einrichtung der Politikberatung
-Delegationen
-Bürger(-innen), die durch öffentliche Meinung direkt oder indirekt auf dem politischen Entscheidungen wirken

EU-Organe selbst suchen Kontakte zu einer Vielzahl dieser Akteure, um Informationen zu gewinnen und eigene Positionen zu stärken:
-erhebliche Zunahme an Verfahren, mit denen sich diese formell oder informell am Politikzyklus beteiligen

Frage der Wirkung dieser Akteursgruppierungen auf die Entwicklung der EU:

  • Formen der Beteiligung von Parteien und Medien sowie von Gruppierungen der Zivilgesellschaft vergleichbar mit denen auf nationaler Ebene?
  • Wie „stark“ oder „schwach“ sind sie?
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

1

Dokument 1, Dialog der Unionsorgane

A

Art. 11 EUV

(1) Die Organe geben den Bürgerinnen und Bürgen und den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen.
(2) Die Organe pflegen einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbände und der Zivilgesellschaft.
(3) Um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt die Europäische Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

2 Zahl und Beteiligung von Akteuren der Zivilgesellschaft

2.1 Wachstum und Differenzierung der Akteurslandschaft: Horizontaler und vertikaler Pluralismus

A

grobe Übersicht über die Zahl und Herkunft von Organisationen, die sich als „europäisch“verstehen und in Brüssel angesiedelt haben:
-lässt auf ein zunehmendes Interesse einer beträchtlichen Vielfalt von Akteure schließen (die ein dauerhaften Zugang zu den EU-Institutionen)

Daten aus horizontalem Pluralismus:
-Vertretungen der Akteursgruppen sind nicht auf wenige Sektoren begrenzt,
-decken weite Bereiche öffentlicher Politik ab
-innerhalb einzelner Themengebiete gibt es keine eindeutige hierarschische Struktur
—eher ein vertikaler Pluralismus festzustellen — Repräsentanten aus mehreren Ebenen gleichzeitig um die Aufmerksamkeit von Akteuren in den Institutionen sich bemühen

Traditionelle Interessengruppen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) haben sich bereits früh in Brüssel engagiert
Sozialorganisationen, Kirchen und NGOs widmen dem Brüsseler Geschehen zunehmend Aufmerksamkeit 

Dachverbände („Europäische Gewerkschaftsbund“ [EGB], „Bussinesseurope und Agrarlobby [COPA]):

  • haben nationale Verbände
  • eigene Büros in Brüssel, teilweise besser personell ausgestattet
  • zusätzliche Formen der Politikbeeinflussung durch, Zahl an Beratungsfirmen, Anwaltskanzleien und Thinktanks
  • Präsenz in Brüssel, asymmetrisch zugunsten der Arbeitgeber- bzw. Unternehmerseite, zulasten der Vertretungen der Arbeitnehmer durch Gewerkschaften (relativ kleine Anzahl von Gewerkschaftsbüros, jedoch intensive Aktivität)

diplomatische Vertretungen von Drittstaaten (Delegationen), internationale Organisationen und Verbände aus Nicht-EU-Ländern:
-Entscheidungen der EU-Organe zu beeinflussen, die ihre Interessen berühren

Formen der Zusammenarbeit innerhalb dieser Akteursgruppen sind vielfältig, jedoch Grundmuster zu erkennen:
-typische Entwicklungen von unverbindlicheren zu festeren Formen der gruppeninternen Kooperation sind zu beobachten:
+Varianten unverbindlichen Informationsaustausches ohne feste Strukturen um einen ,runden Tisch‘
+zielgerichtete gemeinsame Lobbyaktivitäten in spezifischen Sektoren bzw. konkreten Legislativevorhaben
+europäisch ausgeschilderte Zusammenschlüsse von Verbände oder Partieen (für ein breiteres Themenspektrum)
+supranational angelegte Spitzenorganisationen mit einer starken Spitze in Brüssel

——durch diese Vielzahl kann sich der EU-Bürger durch diese Gruppen mehrfach repräsentiert sehen

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

2

2.2 Herrschaft der Lobbyisten? Kategorien der Enflussnahme

A

„Herrschaft der Verbände“ oder „Lobbyismus als Schattenpolitik“ bzw. EU-spezifisch eine „Herrschaft der Lobbyisten in der Europäischen Union“, oder ein „europäischer Tripartismus“:
-„Korporatismus“ und „Pluralismus“ wird für eine entsprechende Analyse des EU-Systems genutzt
-zentrale Unterscheidungsmerkmale in den Möglichkeiten des Zugangs zur institutionellen Architektur:
+korporatistischen Mustern würden der Wirtschafts- und Sozialausschuss und einige wenige ausgewählte europäische Dachverbände als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft in den Politikzyklus einbezogen
+ in einem pluralistischen Muster — Vielzahl von Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen nationaler Politik — werden zu Mitspielern — haben untereinander einen Wettbewerb um eine Einflussnahme
—Struktur der Interessenvermittlung in der EU, hinsichtlich einer Asymmetrie zwischen ,starken‘ und ,schwachen‘ Akteuren

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

2

2.3 Formen der Beteiligung in der Praxis: Varianten formalisierter und informeller Einflussnahme

A

Formen der Einflussnahme sind vielfältig:
mehrere Zugangsmöglichkeiten zur institutionellen Architektur wurden gleichzeitig ausgebaut und werden teilweise parallel bei der Politikgestaltung genutzt:
-Informelle Kontakte: Politiknetzwerke (Akteure zwischen mehreren Institutionen und Interessengruppen)
-quasi-formalisierte Interaktionsstränge
-vertraglich ermöglichte Beteiligung an formalisierten Entscheidungsverfahren im Politikzyklus
-Mitwirkung durch beratende Ausschüsse und Gremien (WSA und AdR)

wichtigster Ansprechpartner, Kommission:

  • Kommission selber fördert eine „Politik des offenen Dialogs“
  • verfolgt einen doppelten Zweck: „technische Sachverständige“ und „Koalitionspartner“ gegenüber nationalen Regierungen und dem EP

typisch erwarteter Interaktionen:

  • Soziale Anlässe (Empfänge und Essen)
  • Konferenzen, Foren und wissenschaftliche Tagungen
  • Treffen in kleinerem Kreis
  • Kommissionsmitglieder sind häufig Gast der Präsidien, Lenkungs- oder Exekutivausschüsse wichtiger Dachverbände
  • einige Generaldirektionen stehen mit den betroffenen Verbänden im engem Kontakt („Verbandsherzogtum der Gewerkschaften“)

beratende Auschüsse, Sachverständigen- und Expertengruppen — hohe Dichte und Nutzungsintensität:
-2017 996 permanente und temporäre Expertengruppen
-353 im Bereich der Zivilgesellschaft
—allerdings immer wieder die überproportional Vertretung ökonomischer gegenüber nicht-ökonomischer Interessen

Beziehungen zu anderen Organen und Gremien:
-Ministerrat jedoch weniger das Ziel ist
-entscheidende Minister werden über nationale Verbände angesprochen
-Ebene der Mitgliedstaaten gilt weiterhin als zentral
—Mitspieler als „professionals“ und „Scharnierfunktion“ im Mehrebenensystem und „Übersetzungsleistung“ zwischen europäischer und nationaler Ebene identifiziert

Kontakt zu Fraktionen und Ausschüsse des EP:
-Zunahme an Rechtsetzungsbefugnissen des EP beträchtlich an Intensität gewonnen
-Lobbyisten gehen dabei informelle Koalitionen ein — jeweilige Einflussmöglichkeiten zu optimieren
-Abgeordnete suchen insbesondere Informationen — Verbandsvertreter um politische Unterstützung
-im EP „innere Lobby“
-weiter formalisierte Beteiligungsformen in Verwaltungsräten von Agenturen der EU („Europäische Zentrum für Forderung der Beruflichen Bildung“ (CEDEFOP); „europäische Stiftung für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen“ (Eurofond))
-halb-offiziellen europäischen Standardisierungsausschüsse (spezifische Form)
—mit „Dreierkonferenzen“ der 70er-Jahre und im „sozialen Dialog“ seit Mitte der 80er-Jahre versuchen Vertreter der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Kommission in Arbeitsgruppen und Ausschüssen wesentliche ökonomische und soziale Probleme zu behandeln

neue Arten, „Tripartismus“ (Vertrag von Maastricht):
-bei spezifischen Gestaltungsaufgaben der Sozialpolitik eine umfassende und mehrstufige Beteiligung der Sozialpartner in der Vorbereitungsphase durch die Kommission vorgeschrieben

viele Verbände haben ihre Vorstellungen zu den vertragsändernden Regierungskonferenzen und zur Arbeit des Konvents formuliert:
-Vertreter der Zivilgesellschaft plädieren für weitergehende föderalistische Ziele mit entsprechenden institutionellen Leitideen

Akteure aus intermediären Gruppierungen sind häufig de facto oder teilweise de jure an mehrere Phasen der Bearbeitung beteiligt, von denen sie betroffenen sind:

  • zunächst nur Mitspieler die über ausreichende Ressourcen für Teilnahmemöglichkeiten in Brüssel und in den nationalen Hauptstädte verfügen
  • EU-Instutionen berücksichtigen diffuse Interessen erheblich weniger
  • Kommission fördert die Arbeit europäischer Netzwerke mit schwacher finanzieller Ausstattung auf vielfache Art und Weise

—Herausbildung einer Aggregation verschiedener Interessen aufn einem „politischen Meinungsmarkt“ oder auch „Spielwiese der Lobbyisten“, die die institutionellen Architektur nachhaltig und umfassend beeinflussen können

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

3 Der Wirtschafts- und Sozialausschuss: Brücke zwischen EU und der organisierten Zivilgesellschaft

3.1 Aufgaben und vertragliche (Beteiligungs-)Rechte: Buchstaben und Praxis

A

Wirtschafts und Sozialausschuss bildet eine institutionalisierte Form der Einflussnahme der „organisierten Zivilgesellschaft“

Gründungsverträge hatten bereits einen beratenden Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) vorgesehen:

  • Stellung als „Ausschuss mit beratender Aufgabe“
  • mit mehreren Beteiligungsrechte

Der WSA:

  • wird vom EP, vom Rat oder der Kommission gehört, Befassung ist obligatorisch (wie in vielen Kernbereichen)
  • kann gehört werden, in Fällen in denen diese es für zweckmäßig erachtet (Befassung ist fakultativ) (wird in 40% der Fälle vom EP betrieben)
  • kann von sich aus Stellungnahme in den Fällen abgeben in denen er die für zweckmäßig erachtet (Selsbtbefassungsrecht)

Beratungen und Stellungnahmen erstrecken sich über weite Bereiche der EU-Agenda (Wirtschafts-, Finanz- und Sozialfragen sowie Themen der inneren Sicherheit):

  • Agrarpolitik
  • Freier Personen- und Dienstleistungsverkehr
  • Transportpolitik
  • Harmonisierung indirekter Steuern
  • Harmonisierung der Gesetze
  • Beschäftigungspolitik
  • Sozialpolitik
  • Bildung und Jugend
  • Gesundheit
  • Verbraucherschutz
  • Transeuropäische Netzwerke
  • Industriepolitik
  • ökonomische, soziale und territoriale Kohäsion
  • Entwicklung der Wissenschaft sowie Umwelt
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

3
3.1
Institutioneller Steckbrief: Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss

A

Aufgaben:

  • institutionalisierte Vertretung der organisierten Zivilgesellschaft
  • Beratung der Organe der EU
  • teils obligatorische, teils fakultative Anhörungsrechte
  • Selbstbefassungsrecht
  • Stellungnahmen und Initiativberichten

Benennung:

  • Präsident und Präsidium für zweieinhalb Jahre vom Plenum
  • Mitglieder auf Vorschlag des Rates und nach Anhörung der Kommission für fünf Jahre

Aufbau:

  • Präsident
  • Präsidium
  • Plenum
  • Fachgruppen
  • Generalsekretariat
  • Sitz in Brüssel

Beschlussverfahren:

  • einfache Mehrheit auf Grundlage von Berichten der Fachgruppen
  • Bemühungen um Konsens
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

3

3.2 Benennung, Beschlussverfahren und Aufbau

A

setzt sich aus 350 „Vertretern der Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie anderen Vertretern der Zivilgesellschaft, insbesondere aus dem sozialen und wirtschaftlichen, dem staatsbürgerlichen, dem beruflichen und dem kulturellen Bereich“ zusammen

deutschen Mitglieder setzen sich verschiedenen Herkunftsorganisationen, wie z.B. der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Lufthansa Group oder suchten Elternverein Baden-Württemberg e.V., zusammen

Der WSA hat sechs Fachgruppen eingerichtet, wobei ein Mitglied mehrerer Fachgruppen mitwirken kann

Das Plenum des WSA kann mit einfacher Mehrheit auf der Grundlage von Berichten, die in den Fachgruppen vorbereitet werden, Stellungnahmen verabschieden, Konsens ist jedoch ein prägendes Merkmal der Entscheidungsfindung
-tagt neunmal jährlich

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

3

3.3 Charakterisierung: keine korporatistische Vertretung sondern einer unter mehreren Zugägen

A

beratender Charakter mit einer heterogenen Zusammensetzung:

  • gemeinsame Positionen für die Durchsetzung der häufig gegensätzlichen Interessen verschiedener wirtschaftlicher und sozialer Gruppen nur begrenzt wirksam
  • nimmt für sich selber in Anspruch dass etwa 2/3 seiner Vorschläge von Kommission, EP und Rat berücksichtigt werden

reale Einfluss auf die Organe eher schwach, trotz der Ausweitung der formellen Beteiligungsrechte

Interessengruppen suchen meist am WSA vorbei den Weg des direkten Einflusses auf die Europäische Kommission, die nationale Regierungen und das EP:

  • in der Praxis der Politikgestaltung: keine Exklusivität als Institution effektiver Lobbyarbeit beanspruchbar
  • nicht als Symbol und Träger eines korporatistischen Modells der Interessenvermittlung
  • versteht sich zunehmend selbst als Dialogpartner, der als Gesprächsforum, Mediator sowie als „Mentor für partizipative Demokratie“ und „Ort der Begegnungen“ wirkt (veranstaltete 2016/17 „Going Local, Being Local“-Kampagne, die achte Jugendplenartagung und den „Tag der Europäischen Bürgerintitiative“)

WSA hat versucht an systemgestaltenden Debatten des „Europäischen Konvents zur Zukunft Europas“ mitzuwirken

kann, aufgrund seiner vielfältigen und differenzierten Strategien von Repräsentanten der organisierten Zivilgesellschaft und der nicht im WSA vertretenen Gruppierungen, nicht als untentbehrliches Schlüsselgremium in der Vermittlung ökonomischer und sozialer Interessen zu verstehen:
-bildet eher mehrere Zugänge zu den Institutionen in der EU-Architektur

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

4 Der Ausschuss der Regionen (AdR)

A

subnationale Einheiten organisieren sich in Brüssel, da sie die Wahrnehmung ihrer eigenen Aufgaben und Kompetenzen bedroht sahen und sehen

  • 199 „halb-öffentliche“ Vertretungen von Regionen der EU
  • besondere Relevanz für die deutschen Bundesländer: Auswirkungen auf ihre ausschließlichen, im GG garantierten Zuständigkeiten im Bereich der Bildungs- und Kulturpolitik

konstitutionelle Legitimation durch den Lissabonner Vertrag bestätigt

Beteiligung im Zeichen der Dynamik im EU-Mehrebenensystem:
-dritte Ebene, die sich als „bürgernah“ sowie als Initiator und Träger eines dynamischen Mehrebenensystems darstellt

Maastrichter Vertrag, Vertretung in Brüssel ausgebaut:
-aktive Interessenpolitik in allen Phasen des Politikzyklus
-im EU-Mehrebenensystem, zunehmend Bemühungen der Kommunen um Beteiligung am Politikzyklus zu beobachten
-Beschlüsse der EU direkt finanziell, funktional und administrativ betroffen
-Kommunen sind Adressaten des Gemeinschaftsrechts, Vollzugsbehörde von EU-Rechtsakten und potenzielle Nutznießer von vielfältigen Förderprogrammen
—Unterschied zu den Ländern, Kommunen können begrenzt Einfluss in Brüssel ausüben (jedoch vertraglich in den Bestimmungen zum AdR formalisiert)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

4

Dokument 2, Konstitutionelle Legetimation von Regionen und Kommunen

A

Art. 4 (2) EUV
Die Union achtet […] jeweilige nationale Identität (der Mitgliedstaaten), die in ihrer grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

4

4.1 Der AdR: Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU

A

die „Herren der Verträge“ haben im Maastrichter Vertrag auf Drängen den Ausschuss der Regionen gegründet, der sich aus Vertretern „regionaler und kommunaler Gebietskörperschaften“ zusammensetzt:
-Rolle als „Botschafter Europas in den Regionen, Städten, Gemeinden und deren Sprachrohr in der europäischen Debatte (damit besonders Bürgernah)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

4

4.2 Aufgaben und vertragliche (Beteiligungs-)Rechte: Buchstaben und Praxis

A

Lissabonner Vertrag hat dem AdR in der institutionellen Architektur der EU (ebenso dem WSA) eine Stellung als „Ausschuss mit beratender Aufgabe“ zugeschrieben

Er:

  • wird vom EP, Rat oder der Kommission angehört (obligatorische Anhörung) in Kernbereichen des wirtschaftspolitischen Regierens, z.B Bildung und Kultur, Gesundheitswesen, transeuropäische Netze und Industrie
  • Befassung ist fakultativ; wird angehört wenn eines der Organe es für zweckmäßig erachtet (besonders grenzüberschreitende Zusammenarbeit)
  • Selbstbefassungsrecht, kann von sich aus eine Stellungnahme abgeben

Aufgaben erstrecken sich auf mehrere Politikbereiche:

  • Transport
  • Beschäftigungspolitik
  • Sozialpolitik
  • Bildung
  • Jugend und Sport
  • Kultur
  • Gesundheit
  • Transeuropäische Netzwerke, ökonomische, soziale und territoriale Kohäsion
  • Umwelt und Klimawandel sowie Energie

AdR kann im Gegensatz zum WSA, durch formalisiertes Recht, den GEU anrufen wenn er das Prinzip der Subsidarität verletzt sieht

für die fünfjährige Mandatsperiode 2015–2020 legte der AdR fünf Prioritäten fest:
1) stärkere Einbeziehung der regionalen Gebietskörperschaften in die europäische Wirtschaft
2) Politikgestaltung
3) Untersuchung der Auswirkungen der EU-Rechtsvorschriften vor Ort
4) Intensivierung des Engagements bei der Östlichen Partnerschaft der EU
5) Verbesserung des Dialogs zwischen den EU-Bürgern sowie den EU-Institutionen
—Tagesordnung einer Plenarsitzung dokumentiert die thematische Breite der Arbeit des AdR

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

4
4.2
institutioneller Steckbrief: Ausschuss der Regionen (AdR)

A

Aufgaben:

  • Institutionalisierte Vertretung von Regionen und Kommunen
  • Beratung der Organe der EU
  • Teils obligatorische, teils fakultative Anhörungsrechte
  • Selbstbefassungsrechte
  • Klagerecht vor dem GEU
  • Stellungnahme und Initiativberichte

Benennung:

  • Präsident und Präsidium für zweieinhalb Jahre vom Plenum
  • Plenum: nach nationalstaatliche Regelungen auf fünf Jahre

Aufbau:

  • Präsident
  • Präsidium
  • Plenum
  • Fachkommissionen
  • Generalsekretariat
  • Sitz: Brüssel

Beschlussverfahren:

  • einfache Mehrheit auf Grundlage von Berichten der Fachgruppen
  • Bemühungen um Konsens
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

4

4.3 Benennung, Beschlussverfahren und Aufbau

A

setzt sich aus 350 Repräsentanten der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und einer gleichen Zahl von Stellvertretern zusammen:
-die auf Vorschlag eines Mitgliedstaates vom Rat mit qualifzierter Mehrheit für fünf Jahre ernannt werden

Unterschied zum WSA, Benennung:

  • AdR, ausschließlich aus „Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften
  • Vertretern, haben ein Mandat entweder aus einer regionalen oder lokalen Wahl einer Gebietskörperschaft oder sie sind einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich

deutschen Mitglieder haben unmittelbar nach seiner Gründung Spitzenpolitiker von Ländern und Kommunen, wie: Ministerpräsidenten, Länderminister, Staatssekretäre, Landtagsabgeordnete und Bürgermeister

Sitzverteilung:

  • wurde teils in mehreren Mitgliedstaaten eine kontroverse und zum Teil heftige Auseinandersetzung geführt
  • Deutschland, 3 Spitzenverbände der Landkreise, Städte und Gemeinde — je 1 Mitglied, restlichen 21 Sitze werden auf die Bundesländer verteilt

differenziertes Regelwerk für seine interne Arbeit:

  • wählt aus der Mitte seinen Präsidenten und das Präsidium für zweieinhalb Jahre — wird durch das Generalsekretariat unterstützt
  • Willensbildung in Fachkommissionen, im Rahmen von Fraktionen

weitere spezifische politische Trennlinien bei den Beratungen:

  • nord- und südeuropäische Regionen
  • Vertretern der Kommunen und Regionen
  • Vertretern von „kompetenzstarken“ Regionen mit legislativen Kompetenzen (deutsche Länder)
  • Vertretern von „kompetenzschwächeren“ Gebietskörperschaften
  • nationale Delegationen
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

4

4.4 Charakterisierung: Ein Europa „mit“ Regionen auf dem Weg zur Mehrebenenfusion

A

Einfluss des AdR auf Politik- und Systemgestaltung gilt als diffus und schwach:
-Vertreter der Regionen in Brüssel verfolgen differenzierte Strategien innerhalb und außerhalb des AdR
-richten sich gleichzeitig an mehrere Akteure auf jeder Ebene des EU-Systems
-Länderregierungen und -verwaltungen nutzen den Bundesrat und dessen Rechte —Durchführungsphase intervenieren sie auch direkt für einzelne Projekte bei der Kommission und der Bundesregierung
—Weg von der Landeshauptstadt geht nicht direkt nach Brüssel, sonder auch gleichzeitig über die nationale Hauptstadt

insgesamt, auf europäischer und teilweise nationaler Ebene zu aktiven Mitspielern im EU-Mehrebenensystem geworden, aber Rolle noch nicht zu einem Veto-Akteur ausgebaut:
-Charakterisiert als, ein „Europa mit Regionen“, nicht „Europa der Regionen“
-Europa ,der‘ Regionen würde den substaatlichen Akteuren eine zentrale Position bei der Politik- und Systemgestaltung einräumen
—Rolle des AdR kann vielmehr als ein potenzieller „subsidarity watchdog“ beschrieben werden

Gesamtbild der unterschiedlichen Formen von Beteiligung der Regionen und Kommunen über nationale als auch europäische Verfahren und Zugänge kann als eine komplexe Mehrebenenfusion charakterisiert werden

17
Q

5 Europäische Parteien

5.1 Aufgaben und Vertragsbestimmungen: Geschichte und Praxis

A

eher allgemeine Funktionen zugeschrieben (Lissabonner Vertrag)

auch Verfahren zur Regelung der Struktur der Finanzen:
-Verordnung Nr. 1141/2014
—Parteienfinanzierung wurde über die Jahre hinweg ausgebaut

Entscheidungen im EU-System werden immer wieder durch parteipolitische Erwägungen mitbestimmt
-zentrale Mitspieler jedoch nationale Parteien

Zusammenschlüsse von Parteien haben sich seit Beginn der Integrationskonstruktion herausgebildet:
-wesentlicher Schub, erste Direktwahl 1979
-lange Zeit organisatorisch , finanziell und personell „Kinder“ der entsprechenden Fraktion im EP
-Vertrag über die EU, haben die „Parteifamilien“ zu Beginn der 90er-Jahre Europäische Parteien gegründet — heute, unverzichtbar für die Europäische Demokratie
—2017, 16 politische Parteien auf europäische Ebene formal anerkannt

Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), Europäische Volkspartei (EVP), Europäische Liberale, Demokratische und Reform Partei (ELDR), Europäische Föderation Grüner Parteien (EFGP), Partei der Europäischen Linken (EL), Demokratische Partei der Völker Europas — Freie Europäische Allianz (DPVE-FEA):

  • Dachorganisationen, die von nationalen Parteien aus ähnlichen programmatischen „Familien“ getragen werden
  • in ihnen häufig Parteien unterschiedlicher nationaler Traditionen, interner Strukturen und europapolitischer Ausrichtung zusammen
  • Parteien stellen Zusammenschlüsse dar

im Hinblick auf ihre wahrgenommenen Funktionen ähnliche Grundmuster:
1)Aktivitäten sind breit gestreut
-Gremien der Parteien nützliche Foren für die Meinungsbildung unter den beteiligten nationalen Mitgliedern (im „Europäischer Konvent zur Zukunft Europas“ haben Europäische Parteien Europaabgeordnete und nationale Parlamentarier zusammengeführt)
2)Verabschiedung eines gemeinsamen Manifests oder Programms für die EP-Wahlen
-diese Dokumente werden häufig nur nach schwierigen Verhandlungen mit allgemein gehaltener Formeln erstellt
-in nationalen Wahlen keine oder nur eine untergeordnete Rolle
—angesichts unterschiedlicher Traditionen und Kulturen ist eine interne Positionsbestimmung zu zentralen Fragen der Politik- und Systemgestaltung häufig schwierig
3) Installierung von Spitzenkandidaten als ein neues Verfahren seit 2014
-große Fraktionen im EP einigten sich vorab darauf, den relativen Gewinner der Wahlen zum EP gegenüber dem Europäischen Rat als Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten durchzusetzen
(-35,3% EVP, relativ stärkste Partei im EP — ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker)
—hat die Bedeutung der Europäischen Parteien gestärkt (Personalisierung des Wettbewerbs reichte nicht um Wahlanteil zu steigern)
4) sind bei der Aufstellung der Kandidaten für die Wahlen zum EP nicht beteiligt (Vergabe wichtiger Ämter in der Kommission oder im EP spielen als solche ebenfalls keine ausgeprägte Rolle)

18
Q

5

5.2 Strukturen, Verfahren und Aufbau

A

einige typische Formen für die Mitgliedschaft und ihre gemeinsame Aktivität, besonders ausgerichtet auf engen Kontakt mit:
-Parteien mehrerer Ebenen
-Mitgliedern der Parteien in EU-Organen, so z.B. in der Kommission und im EP
-nahestehende Verbände
—weisen in der Mehrzahl ähnliche Organisationsform- und Binnenstrukturen auf

zentrales Gremium, der Kongress, in den die nationale Mitgliedsparteien ihre Delegierten schicken:
-soll über das politische Programm befinden
-wählt den Vorsitzenden/Präsidenten und einen Vorstand für das Tagesgeschäft
-tagt in der Regel mehrfach im Jahr
-der Präsident: häufig erfahrener, angesehener Politiker einer Mitgliedspartei der national nicht mehr im Rampenlicht steht
-interne Kommunikation: organisatorische Tagesgeschäft übernehmen der Generalsekretär und die Geschäftsstelle
—Anlehnung an nationale Parteien haben europäische Parteien auch transnationale Vereinigungen für bestimmte Gruppen von Mitgliedern (Jugendliche und Frauen) und Europäische Parteienstiftungen

Konferenz der Partei- und Regierungschefs übernimmt eine wichtige Vorklärungs- und Abstimmungsfunktion für programmatische und personelle Entscheidungen (insbesondere für Beratungen im Europäischen Rat)
-Kommunikation zwischen nationaler und europäischer Ebene häufig schwach ausgebildet

19
Q

5
5.1
Dokument 3, Europäische Parteien — Vertragliche Bestimmungen

A

Art. 10 EUV (4)
Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei.

Art. 224 AEUV
Das Europäische Parlament und der Rat legen gemäß dem ordentlich Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene nach Artikel 10 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union und insbesondere die Vorschriften über ihre Finanzierung fest.

20
Q

5

5.3 Charakterisierung: Eine institutionelle Architektur ohne eigenständiges Parteiensystem

A

in der Praxis, Rolle der Europäischen Parteien bei der Politik- und Systemgestaltung schwach, auch für die Aktivitäten „ihrer“ Fraktionen im EP kaum von Bedeutung

heterogene Zusammenstellung und die Schwerfälligkeit der parteiinternen Verfahren erlauben es selten, eine gemeinsame Politik innerhalb der EU mit tragfähiger Klarheit und in angemessene Zeitraum festzulegen:
-Abgeordnete des EP benötigen die Parteien weder für ihre parlamentarische Alltagsarbeit, noch für ihre erneute Aufstellung als Kandidat
—zentrale Verfahren zur (Aus-)Wahl und Rekrutierung des politischen Führungspersonals, haben nationale Parteien auch für das EP nicht abgegeben

die „parteien-unfreundliche Struktur der EU“ bietet und er institutionellen Architektur zu wenig Anreize, ein Parteiensystem herauszubilden, das bekannte Formen und Funktionen nationaler Systeme entspräche:
-vorgeschlagen, „Europäische Parteien als föderative Vereinigungen von nationalen Parteien“ zu definieren

haben durch das Verfahren eines Spitzenkandidaten 2014 an Bedeutung gewonnen:
-gemeinsamer Kandidat, einer europäischen Identifikationsfigur — beim ersten Anlauf nur begrenzt als realitätsnah
-andere Leitideen erwarten von der Einführung transnationaler Listen bei den Wahlen zum EP einen Einflusszuwachs europäischer Parteien
—eine ausgeprägte Rolle wird Parteien auch für die als notwendig erachtete „Politisierung“ der Debatte um die Politik- und Systemgestaltung der EU zugesprochen

21
Q

6 Medien

6.1 Aktivitätsprofile

A

Rolle von Medien bei der Politik- und Systemgestaltung:

  • besonderem Interesse, ob und wie sei als „(wichtige) Multiplikatoren von europäischer Öffentlichkeit“ wirken, zur „Überwindung der Legitimitätsdilemmata der EU“ betragen können oder als „Beschleuniger einer europäischen Öffentlichkeit“ wirken
  • Medienvertreter in Brüssel als eine Gruppe von Akteure in der politischen Praxis der EU-Architektur zu verstehen

bis auf Skandale, ist im Wesentlichen die Qualitätspresse zu einem Berichterstatter, Vermittler und Kommentator geworden

Zentralredaktion räumen Berichten und Analysen aus dem EU-System eine zunehmende Priorität ein:
-Wettbewerb um frühzeitige Informationen hat sich dabei erheblich verschärft
-Veränderung der Rollenwahrnehmung, „Verlautbarungs“ — zu einem „Investigationsjournalismus“ — insbesondere in Fällen von Missmanagement und Korruption
—Hinblick auf Politikgestaltung, Rolle als Kontrollfunktion gegenüber Akteuren der Organe

weniger ausgeweitet Berichterstattung im Massenmedium Fernsehen

Informationsangebot seitens der EU-Organe ist vielfältig:

  • Möglichkeiten zur Nachfrage werden durch regelmäßige Pressekonferenzen umfassend angeboten
  • Politiker geben ihre Interessenlage jeweils in eigenen Darstellungen und Interpretationen wieder

insbesondere soziale Medien werden immer mehr von EU-Organe und Abgeordnete als Instrument:
-geografische Entgrenzung von politischen Inhalten, kreiert eine „digitale europäische Öffentlichkeit“ — führt zur einer Beschleunigung des politischen Prozesses und der Interessenvermittlung

besondere Informationsdienste (wie z.B. Agence Europe, EurActive, Politico, EUobserver) und einige englischsprachige Zeitungen, stellen eine europäische Öffentlichkeit dar (aber auf einen kleinen Kreis von Experten und Beteiligten begrenzt)

europäische Öffentlichkeit die einer nationalen Öffentlichkeit wie in einem Mitgliedstaat ähnelt, ist trotz Entwicklungen nicht zu beobachten
-transnationale Erfahrungs- und Erinnerungszusammenhänge können zwar bereits beobachtet werden, aber auch die Grenzen eines „Wir in Europa“ werden deutlich

22
Q

6

6.2 Charakterisierung: Abbau eines öffentlichkeitsfreien Raums

A

insgesamt, europäische Medien noch nicht umfassend jene Funktion im EU-System übernommen:

  • öffentlichkeitsfreier Raum für die EU-Institutionen abgebaut wurde abgebaut
  • Organe stehen durchaus im Scheinwerferlicht der Medien
  • darüber hinaus, Trend dass sich die EU-Organe und -Politiker in den sozialen Medien selbst darstellen

Befund zur Medienlandschaft, Aufmerksamkeitszuwachs des EU-Geschehens:
-wissenschaftliche Analyse umstritten, ob und wie öffentliche Debatte zur Politik- und Systemgestaltung auf Beiträge zum jeweiligen nationalen Diskurs begrenzt bleiben

in der wissenschaftlichen Diskussion umstritten, ob das Mehrebenensystem der EU die Vorraussetzungen für das Entstehen einer „homogenen supranationalen und horizontalen“ Europäischen Öffentlichkeit umfasst:
-unterschiedliche Sprachen und Kulturen als Hindernis

zu EU-Themen kein vertieftes Verständnis von einem gemeinsam wahrgenommenen EU-System und einer gemeinsamen EU-Identität erkennen:
-Miteinander-Argumentieren über Grenzen hinweg im Vergleich zu nationalen Debatten unterentwickelt
-Entwurf des Verfassungsvertrags, im Konvent zur Zukunft Europas als fundamentales Projekt zur Selbstverständigung, löste nur in Ansätze eine gemeinsame, europaweit geführte Debatte aus
—nachhaltige Wirkungen einer umfassend transnationalen europäischen Debatte auf die Gestaltung wesentlicher Grundlagen des EU-Systems sind so nur selten zu beobachten

23
Q

7 Öffentliche Meinungen: Vom Konsens zu Dissens?

A

Politik in Demokratien ist abhängig von einer zumindest grundsätzlichen Zustimmung der Bürger:

  • handelnde (Spitzen-)Politiker sind im (Parteien-)Wettbewerb immer umstritten
  • konstitutionelle und institutionelle Architektur kann Gegenstand öffentlicher Kontroversen sein

zu diskutieren, welche öffentliche Meinungen welche Rolle als (Hintergrunds-)Faktor für die untersuchten Verfahren der System- und Politikgestaltung spielen könnten:

  • Wahlen als Verfahren des Machterwerbs oder Machterhalts
  • handelnde Personen in den Institutionen die Frage nach den Spielräumen
  • Grenzen für Entscheidungen zur Gestaltung des EU-System

Grundannahme, Bürger können direkt oder indirekt auf die politischen Entscheidungen durch Wahlen wirken und Politiker ihre Handlungen mit Blick auf die geartete öffentliche Meinung ausrichten:
-angebrachte Ausgangsthese, nationale und europäische Führungspersönlichkeiten über lange Perioden der Unions-Entwicklungen von einer breiten, wenn auch diffusen Unterstützung zumindest in der überwiegenden Zahl der EU-Mitgliedstaaten auszugehen — so über einen weit gesteckten Spielraum verfügen
-permissive consensus
-demgegenüber; mit Beginn der Entwicklung zur Währungsunion, zunehmende Euroskepsis
—Blick auf die Studien von Historikern, wesentliche Entscheidungen in der öffentlichen Debatte immer kontrovers waren

Bild der öffentlichen Meinung ist vielfältig:

  • Mangelnde Kenntnisse zur institutionellen Architektur
  • weitverbreitete Skepsis
  • zunehmende Stärkung nationalistischer und euroskeptische Parteien in Meinungsumfragen und Wahlen
  • unterschiedliche Erzählungen zu Europa
  • Veränderungen in Zustimmungsraten zur europäischen Integration
  • weiterhin mehrheitliche Zustimmung gegen einen Austritt aus der EU
  • Zunahme der Zustimmungsrate bei der jüngeren Generation
  • stärkeres Vertrauen in die EU-Institutionen

nimmt man die Forderungen zu einem Ausscheiden aus der EU als signifikanten Indikator, so war Brexit eine Ausnahme:
-selbst euroskeptische Parteien fordern nur weniger Europa aber keinen Austritt

24
Q

8 Die Europäische Bügerinitiative: Ein Verfahren zum Einstieg in die direkte Demokratie

A

direkter Zugang für die Bürger hat der Lissabonner Vertrag durch die Einführung eines Regelwerks für ein Bürgerbegehren geschaffen:

  • dieses Verfahren partizipativer Demokratie stellt nicht nur weitreichende Bedingungen, die nicht einfach zu erfüllen sind, sondern bedeutet auch eine nur schwache Form der Beteiligung
  • ist ein langwieriger Prozess: kann bis zu 18 Monate dauern, bis die Initiative die Kommission erreicht
  • muss mindestens 1 Million Unionsbürger aus 7 Mitgliedstaaten repräsentieren
  • seit der Schaffung 2012, 18 Initiativen wegen mangelnder Unterstützung eingestellt; 14 zurückgezogen
  • 2017 liefen 10 Initiativen
  • bisher waren 3 Anträge erfolgreich( „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware“, insgesamt, 1.659.543 Stimmen)
25
Q

8

Dokument 4, Europäische Bürgerinitiative

A

Art. 11 (4) EUV
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsaktes der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.

26
Q

9 Zusammenfassung: Pluralistischer Differenzierung einer Infrastruktur

A

Befund zu Akteuren außerhalb der EU-Organe belegt eine umfassende Engagement und eine nachhaltige Beteiligung von politischen und wirtschaftlichen Gruppierungen an der Politikgestaltung:
-schlagen sich in entsprechenden Zugängen und Beteiligungsmöglichkeiten an den Verfahren zur Vorbereitung, Verabschiedung, Durchführung und Kontrolle von Rechtsakten nieder
-Repräsentanten vielfacher Herkunft drängen ins Brüsseler Geschehen
-EU-Organe selbst fordern und fördern enge Kontakte (push und pull-Effekte)
—viele dieser Mitspieler bemühen sich gleichzeitig auf Politiker der Mitgliedstaaten und Institutionen der EU einzuwirken — agieren somit auf mehreren Ebenen

historische Sicht auf die Entwicklung:

  • umfassender Ausbau einer politischen Infrastruktur als Teil der institutionellen Architektur
  • Formen eines horizontalen und vertikalen Pluralismus lassen einen offenen und vielstimmigen Meinungsmarkt entstehen

konventionelle Kategorien zur Erfassung und Erklärung derartiger Phänomene lassen sich dabei nicht einfach auf das EU-System übertragen:
-starke als auch schwache Formen der Beteiligung sind erkennbar
-WSA und der AdR in einer schwachen Position am Rande des europäischen Legislaturprozesses
—Herausforderung für die Ausschüsse, gegen die große Anzahl an Gruppen der Zivilgesellschaft auf dem „politischen Meinungsmarkt durchzusetzen

Interessenvertretungen erfolgt weder im AdR nach föderalen Vorstellungen eines „Europas der Regionen“ noch im WSA nach einem (neo-)korporatistischen Muster:

  • Parteien- und Mediensystem haben sich noch nicht nach üblichen Grundmustern parlamentarische Demokratien entwickelt
  • Muster der öffentlichen Meinung lassen nur begrenzt nachhaltige Entwicklungen hin zu einem belastbaren Grundkonsens für eine Union erkennen

bei den meisten Gruppen sind Prozesse hin zu einem Zusammenwirken von nationalen und europäischen Akteuren zu beobachten:

  • bei einigen Interessenverbänden, starke Entwicklungen zu einr vertikalen Fusion von Zuständigkeiten und Verfahren zu beobachten (bei den meisten Parteien eher schwache)
  • Gestaltung der Infrastruktur, immer wieder Vorschläge; Transparenz von Interessengruppen und zum Statut europäischer Parteien
  • Lissabonner Vertrag: hat einige institutionelle und prozedurale Regelwerk bestätigt (WSA und AdR); Art. 10 und 11 EUV und das Verfahren zur europäischen Bürgerinitative
  • Ausbau des Engagements von relevanten Mitspielern notwendig, für die Tragfähigkeit und Legetimität der Union
  • Vorschläge, die Institutionen für eine stärke Beteiligung zu öffnen, zeigen erhebliche Bandbreite

Rollenwahrnehmung von Mitspielern ind er institutionellen Architektur und die damit verbundene „Logik der Interessenvertretung“ bleiben spannend für weitere Untersuchungen