Politische Kultur der gelockerten Bindungen -- Rudzio Flashcards
- 1 Entwicklungsphasen der politischen Kultur
a. 1945–1966: Nachwirkungen älterer Traditionen
Alltagsverständnis von politischer Kultur sei „ein gesittetes
Miteinanderumgehen in der Politik, Fairness, das Einhalten von Spielregeln“
in der Politikwissenschaft:
- kognitive, affektive und wertende Einstellungen gegenüber dem politischen System und politischen Rollen;
- typische Verhaltensmuster in der Politik, von Partizipationsmuster bis zur Elitenrekrutierung und den nicht normativ fixierte, gaben für das politische System charakterisierende Verhaltensweise;
- eine weitere Definition greift auch Lebensstile, Weltbilder und Mentalitäten, orientierende Ideen und Symbole
Deutschland gehört zum Typus der kontinentaleuropäischen politischen Kultur (wie Frankreich und Italien)
-charakterisiert durch „fragmenten political culturers“, unterschiedliche politisch-gesellschaftliche Milieus die nebeneinander existieren
-Kaiserreich: konservative Agrarier, liberales Bürgertum, sozialistische Arbeiterschaft und katholischen Minderheit
-traditionellen Milieus wurden durch das Ende des 2. Weltkriegs und den Besatzungsmächten aufgebrochen j
—heutige politische Kultur nicht mehr als „kontinentaleuropäisch“
1945-1966 Wiederherstellung und Festigung der Demokratie
-Wachstum von demokratischen Einstellungen und Bejahung von Parteienpluralität und Machtstreuung
—nostalgische Erinnerungen an das Kaiserreich, die durch Wahlerfolge der SRP und NPD sichtbar werden, verschafft der Frage wieweit die wieder etablierte Demokratie in den Köpfen der Deutschen wirklich Wurzel hat
Politiksoziologische Publikationen bis in die 60er sehen es skeptisch
-in der BRD „a passive subject orientation“ andauere — mehr an der Output-Seite der Politik interessiert
—„fragility of its cultural roots“ wird der Demokratie in Deutschland bescheinigt
die Politik vermochte erfolgreich den Bedürfnissen nach äußeren Sicherheit und wirtschaftlichem Wiederaufstieg zu entsprechen
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b. 1967-82: Gestärkte Partizipation und Legitimitätszweifel
zweite Phase — Studentenbewegung von 67/68
-Art westlicher Kulturrevolution
Kritik vom „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“ (SDS) die „autoritären“ Verhältnisse in Politik und Gesellschaft
-„oligarchischen“ Verhältnisse innerhalb der Parteien und die „Ordinarienuniversität“ — These, Kapitalismus führe zum Faschismus
-Aktionen reichten von „Umfunktionierungen“ universitärer Lehrveranstaltungen über Demonstrationen, Besetzungen öffentlicher Gebäude und Verkehrsblockaden bis hin zu einzelnen Gewaltakten
—Anfangs „anti-autoritär“-linke Züge später immer mehr auch marxistische Orientierungen bis hin zu dogmatischen Positionen
Wirkung der Bewegung zwiespaltig
-vier Argumentationslinien spielten eine Rolle
1.Linie, Bewusstseinsprägung durch Sozialisation und Medien
-vermitteln kapitalismuskonforme Einstellungen und verstellten den Blick der Menschen im äußerlichen Wohlstand des „Spätkapitalismus“ auf die gesellschaftliche Realität
—naheliegend war daher:
+Folgerung, Wahlentscheidungen könnten eine poltische Herrschaft nicht wahrhaft legitimieren — in der westlichen Demokratie ein Recht auf „Widerstand“ gegeben und eine „demokratische erzieherische Diktatur“ aufgeklärter Minderheiten
+Konsequenz, relevant Veränderungen nicht über das politische System sonder primär von der „Basis“ her, durch Wandlungen von Sozialisaton, Milieus und Wertvorstellungen
2.Linie der Demokratiekritk war von marxistischer „Staatstheorie“ getragen
-nach ihr Kapitalismus und Demokratie - ein zusammengehöriges Gesamtsystem
—wer den Kapitalismus ablehne, müsse sich auch gegen die „bürgerliche“ Demokratie wenden
- Linie geht auf radikaldemokratische Postion Rousseaus zurück, stieß sich am repräsentativen Charakter westlicher Demokratie
- Verbindung mit utopischen Partizipatiuonsvorstellungen, weit entfernt von wahrer Demokratie
4.Linie Verfassung und Verfassungswirklichkeit als einander widersprechend
derartige Legitimitätszweifel verfingen sich kaum bei der gesamten Bevölkerung jedoch bei jungen und höher Gebildeten
-linksextremistischen Gruppen gewannen starke Positionen in Studentenparlamenten; „tiefgreifende Wertkonflikte“ dürften nicht durch Mehrheitsbeschlüsse entschieden werden
Aufkündigung des demokratischen Regelkonsens sowie die Erosion der Gemeinsamkeit der Demokraten gegenüber dem Linksextremismus signalisierten einen verunsichernden Wandel der politischen Kultur
-Spaltung zwischen Mehrheits- und minoritärer Protestkultur
Demokratisierungsschübe durch die 68er Bewegung
-Abbau von autoritätsbestimmten Beziehungen
—Anwuchs von der institutionalisierten Beteiligung (Wahlbeteiligung 49-72 stieg auf 91,1 bei Bundestagswahlen; Zahl der Parteimitglieder vergrößerte sich; Verbände und Vereinigungen verzeichneten Mitgiederzuwächse)
BRD verzeichnete Partizipationsniveau wie USA, GB und den Niederlanden in den frühen 70er
68er Bewegung nicht alleinige Ursache
-politische Beteiligung nahm bereits vor der Studentenbewegung zu
— Bewegung eher als spektakulären Ausdruck oder Teil eines umfassenderen gesellschaftlichen Wandels zu interpretieren
Ursachen des politischen Kulturwandels nennt Conradt drei anderer Faktoren:
- Nachkriegssozialisation, Verblassen älterer Alternativen zur liberalen Demokratien, effektivere Leistung des politischen Systems
- gesellschaftliche Modernisierung, welche unselbstständige Mittleschichten und Anteile der höher Gebildeten anwachsen ließ
Alles in allem: BRD während jener Jahre in die Normalität westlicher Demokratie hineingewachsen
-Rückblickend: 67-82 von einer stärker partizipatorischen, allerdings auch verunsicherten Demokratie zu sprechen
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c. Seit 1983: Politische Kultur eines abgeschwächten Engagements
Auswirkungen der 68er-Bewegung verebbt
-Faszination radikaler Alternativen hat nachgelassen (Anhänger der Grünen, zunehmend als „sehr“ oder „eher zufrieden“ mit der Demokratie in Deutschland)
—Zufriedenheitsniveau stieg in der alten BRD und lag damit nur noch um 8 Prozent unter dem Durchschnitt
weitere zentrale Veränderung seit der 80er Jahre ist in einem Abflauen politischer Partizipation zu sehen:
- gesunkene und seit Anfang der 90er auf niedrigerem Niveau stabilisierter Parteienidentifikation
- kontinuierlich zurückgehend Mitgliederzahlen der Parteien
- gesunkener Wahlbeteiligung
- austrocknende „neue soziale Bewegungen“
Verstärkung dieser charakteristischen Zug der heutigen politischen Kultur durch die Wiedervereinigung
-in den neuen Bundesländern niedrige Wahlbeteiligung, dünne Parteienmitgliederdichte und kritische Distanz zur Politik
—politisches Engagement gesellschaftlich nicht mehr „in“ (politisches Interesse hält an)
dritten seit Beginn der 90er neuer Wertewandel
-soziologisches Denken nun durch ein ökonomisches abgelöst
—Höflichkeit und ein gutes Benehmen als Erziehungsziel wird 2011 von 77 Prozent und ordentliche und gewissenhafte Arbeit von 89 Prozent vertreten
- 2 Dimensionen politischer Kultur der Gegenwart
a. Politische Gemeinschaft: Wenig Nationalstolz
Zerlegung des Begriffs der politischen Kultur für ein besseres Verständnis:
-Einstellungen zur politischen Gemeinschaft, zum politischen System, Umfang und Formen politischer Beteiligung, politische Entscheidungsmuster und Homogenitätsgrad
(-deutsche Volk als Sprach-, Kultur- und Geschichtsgemeinschaft lässt sich bis 786 n. Chr. zurückverfolgen)
—noch nicht eine Nation im modern-demokratischen sinne aber damit reicht die politische Gemeinschaft der Deutschen weit zurück
nach dem 2. Weltkrieg empfanden die wenigsten Deutschen noch Stolz auf ihr politisches System
-schätzen gering ihre Sozialgesetzgebung, sehr wohl ihre Wirtschaft, Volkseigenschaften und deutsche Wissenschaft/Kunst
—gewisser Stolz war zu erkennen, aber nicht auf die Demokratie bezogen
weitreichender Wandel erkennbar
-Stolz stieg über Jahrzehnte auf das politische System Deutschlands, Stolz auf Nation abnahm — allein bei Wirtschaft und sozialer Sicherheit rangierte die Deutschen im Stolz im oberen Drittel der Staaten
—analoges Bild gespaltenen deutschen Stolzes ergänzt durch durchweg geringerer Stolz im Osten der BRD
Insgesamt besteht wenig Stolz auf die nationale Identität, so dass der Staat in ihm weniger selbstverständlich Rückhalt finden kann als in anderen westlichen Demokratien
Umfragen-Ausreißer gab es 1991, als die Deutschen sich ebenso häufig als patriotisch erklärten wie andere europäische Staaten
noch ältere Akzentuierungen sichtbar
-mehr Nationalstolz, bekunden nämlich weit häufiger Ältere als Jüngere, eher Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad als höher Gebildete
—einst fatalistische Konfrontation zwischen rechts/national einerseits und links/nichtnational andererseits wird hier sichtbar — doch auch in anderen Demokratien zu beobachten und ohne im Politischen Prozess virulent zu sein
emotionale Bindung an den Staat nicht durch historisch-kulturelle Gemeinschaft sondern durch ein „Verfassungspatriotismus“ herzustellen
-eine intellektuelle Idee, ohne Massenresonanz und ohne Antwort auf die Frage, wodurch man sich dann von den Bürgern anderer Demokratien unterscheidet
—was gemeinschaftsbildend sei oder sein sollte ist umstritten
Ursächlich für den Mangel an Nationalstolz vor allem historische Belastungen durch die NS-Verbrechen und die Niederlage im 2. Weltkrieg
-„Vergangenheitsbewältigung“, das Geschichtsbild ist geradezu eine Schwachstelle der politischen Kultur
—durchziehen Gegensätze die Mitte der deutschen Gesellschaft, wie:
+ „Singularität“ der NS-Verbrechen, die jeden Vergleich verbiete
+Erklärung der deutschen Geschichte primär aus einem verfehlten „Sonderweg“ oder aus der schwierigen deutschen „Mittellage“ in Europa
+Deutung des Kriegsende als primär als „Befreiung“ oder als Katastrophe
Neigung, zweitgenannte Positionen in die Nähe von Rechsextremismus zu rücken, steht der Vorwurf „volkspädagogischer Denkmuster“ gegenüber
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b. Politisches System: Akzeptanz westlicher Demokratie
politische Kultur des heutigen Deutschlands wesentlich durch eines bestimmt:
-breite Akzeptanz des Prinzip der Demokratie
Einstellungen zur verfassungsmäßigen Ausgestaltung, d.h. zur „Demokratie des Grundgesetzes“, fallen demgegenüber kritischer aus
-Erklärung für diese Ergebnisse dürften in differierenden Vorstellung von Demokratie zu suchen sein
—große Teile der Bevölkerung Volksabstimmungen und geringere Einkommensunterschiede als unverzichtbare Bestandteile von Demokratie betrachten
Verdunkelt sich bei den Einstellungen zur realen Praxis der Demokratie
-dafür fällt es deutlich besser aus bei der Betrachtung von aktuellen Lage
—Das politische System findet im Westen breitere Unterstützung als in den neuen Bundesländern. In beiden Teilen Deutschlands wird es von Anhängern der jeweiligen Regierung am meisten unterstützt, gefolgt von denen der oppositionellen Parteien
Vertrauen zu einzelnen politischen Institutionen, vier allgemeine Feststellungen:
- Institutionen bzw. Organisationen die in den politischen Auseinandersetzung verwickelt sind, wird im Allgemeinen weniger Vertraeun entgegengebracht
- im Trend haben sämtliche Institutionen seit den 80er an Vertrauen verloren
bei Politikern noch zugespitzter
-Ansehen ist seit den 80er gesunken (ganz am Ende von Berufen mit 6 Prozent)
—sozial als wertvoll empfundene Berufe stehen oben, öffentlich ausgeübte un dMacht verleihende eher unten
kritisches Bild von Politikern besteh unabhängig von kurzeitigeren Schwankungen
-43 Prozent: „die Politiker kümmern sich nicht viel darum, was Leute wie ch denken“
-34 Prozent: „Leute wie du und ich haben so oder so keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut“
—erstgenannte Meinung hat seit den 70er zugenommen
Allgemein wird also ein umso höherer Grad an Zufriedenheit bzw. Bejahung sichtbar, je abstrakter der Gegenstand ist (am höchsten beim Prinzip der Demokratie)
-andere westliche Demokratien leben mit viel Unzufriedenheit über ihre Praxis
—die institutionelle Gestalt der Demokratien vor allem das parlamentarische Regierungssystem, weder allgemein verstanden noch durchgängig gewünscht, ohne dass dies zu beachtlichen Demokratieaversionen führt
Mangel der deutschen Demokratie and Symbolen, Traditionen, historischen Mythen and die sie sich emotional anknüpfen könnte
-Berufungen auf demokratische Bestrebungen im 19. Jahrhundert bleiben blass, die tragische Weimarer Republik scheint als Vorbild nicht zu genügen
-die Nationalhymne erweckt per Saldo nur wenig Empfindungen des Stolzes, ein bewegender Gedanke fehlt
—es scheint das die Geschichte der deutschen Demokratie, zu sehr von Niederlagen gewesen, deren positiven Seiten (frühe Massenparteien, frühes allgemeines Wahlrecht und hohe Wahlbeteiligungen, Rechtsstaats- und Föderalismustradition) als unbeachtete gelten müssen
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c. Schlagseiten politischer Partizipation
politische Partizipation — freiwillige Aktivitäten der Bürger um politische Entscheidungen zu beeinflussen
-zielgerichteter Charakter ist gewöhnlich mit politischem Interesse gepaart
—im Vergleich stehen die Deutschen mit ihrem Anteil der politischen Interessierten an fünfter Stelle
Umfang mit dem politische Partizipation in Deutschland ausgeübt werden kann
-Partizipationsformen Sache von Minderheiten sind und das deutsche Repertoire von Handlungsformen dem durchschnittlichen westeuropäischen ähnelt
—deutsche Partizipation im Vergleich normal
niedrige Wahlbeteiligung in den neuen Bundesländer ist typisch für alle nachsozialistischen Gesellschaften
Unterscheidung zwischen „konventioneller“ und „unkonventioneller“ Partizipation so unterscheidet letzteres in ihren legalen Formen eine beachtliche Rolle — wer beteiligt sich
-konventionelle Partizipation: überdurchschnittlich Deutsche mit höherem Bildungsgrad; Altersstreuung umgedrehtes U
—ähnliche Schlagseite auch in anderen westlichen Demokratien
Politische Soziologie erklärt es aus ungleich verteilten Partizipationsressourcen unterschiedlicher politischer Sozialisation und unterschiedlichem Glauben an eigene Wirkungschancen
-untere soziale Schichten, durch politisches Engagement könne man nichts erreichen — Nichtwähleranteil 2013 stieg mit sinkendem Einkommensfünftel
—deutsche Demokratie trägt inzwischen sozial exklusive Züge, die sie in der Vergangenheit nicht aufwies
Schlagseite auch bei unkonventionelle Partizipationsformen
-überdurchschnittlich jüngere und höher Gebildete
—oberen zwei Einkommensfünftel sind din Deutschland an Initiativen, Unterschriften, Demonstrationen, öffentliche Diskussionen, Online-Protesten und Kaufboykotts überdurchschnittlich beteiligt
Partizipationsschwäche bei Menschen mit Migrationshintergrund
-politisches Interesse über zehn Prozent unter dem der übrigen Bevölkerung —Herkunft aus autoritär regierten Staaten mit geringerer Beteiligung verbunden
—Einwohner mit Migrationshintergrund in den Räten deutscher Großstädte wie auch im Bundestag unterrepräsentiert
Praxis unkonventioneller Partizipation in Westdeutschland lässt sich nicht ohne die 68er-Bewegung verstehen
-Ausweitung des partizipativen Handlungsrepertoire — Überschreiten der Grenzen argumentativer Auseinandersetzung
staatsbürgerliche Aktivität unter dem Stichwort „Bürgergesellschaft“ hat für Aufmerksamkeit erregt
-Bürger ihr Leben selbstverantwortlich ihr Leben gestalten, sich aber auch mit Gemeinsinn um das Ganze kümmern und soziale Aktivitäten entwickeln; Gruppe die allgemeine Interessen vertreten („public interest groups“); ehrenamtlich-gesellschaftliches Bürgerengagement als Ausdruck von Bürgergesellschaft
-„Bürger“ da das Engagement deutlich mit steigendem Einkommen und höherer Bildung korreliert
—auch wenn Selbsttätigkeit der Gesellschaft nicht darauf abzielt politische Entscheidung zu beeinflussen, wirkt sie reduzierend auf den Aufgabenbereich des Staates
Grundproblem der Partizipation: soziale Schieflage, je aufwändiger die Beteiligung, desto sozial ungleicher wird sie ausgeübt
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d. Entscheidungsmuster: Zwischen Mehrheitsentscheidung und Verhandlung
politische Entscheidungsprozess in Deutschland oszilliert zwischen Mehrheits- und Verhandlungsentscheid
-parlamentarische Regierungssystem eher als Konkurrenzdemokratie, Vetospieler deutliche Züge einer Verhandlungsdemokratie; große Parteien um die Mitte
-Kehrseite vielfach Konflikte, Durchschnittsbürger haben durch Politikverflechtung und Kompromisse in einem Vier-Ebenen-System Schwierigkeiten, konkreter Entscheidungen bestimmte Parteien zuzuordnen
—bei allen Vorteilen, „Stagnation durch Übermaß an Konkordanz“ in Deutschland geraten könnte
zweites Charakteristikum, Rolle der öffentlichen Meinung im Sinne herrschender Meinung zu werten wo vielfach ein öffentlicher Konsens besteht, der sich aus vorherrschendem Medientor und Überzeugungen der politischen Elite ergibt
-Regierungen schwimmen auf den Wellen der öffentlichen Meinung
drittens, typisch ein legalisierter Stil, die Neigung, politische Streitfragen als juristisch zu begreifen und vor Gericht auszutragen
bringen das Problem einer „Vergatterung des Gesetzgebers bzw. der legislativen Mehrheit zum Verfassungsvollzug“, bei welcher legitimer Entscheidungsspielraum verloren geht
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e. Grenzen der Homogenität: Regionale Sonderkultur im Osten
Gegensätze im ganzen Land, kaum irgendwo politische Sonderkultur
doch unterscheidet sich im Osten die dortige Kultur von der er alten Bundesrepublik in 5 Punkten:
1) Demokratie prinzipiell bejaht, konkrete Gestaltung der bundesdeutschen Demokratie weniger Zustimmung
-weniger wie im Westen eine Vorstellung von liberalen Grundrechten und pluralistischem Parteienwettbewerb
—Nationalstolz im Osten bezieht sich weniger auf das Grundgesetz
2) Wertpräferenzen weichen von denen im Westen ab
-Wirtschaftliches Wachstum, technischer Fortschritt und öffentliche Sicherheit haben einen höheren Stellenwert — mehr staatliche Versorgung wird erwartet
—beim Konflikt zwischen Freiheit und sozialer Gleichheit wird im Osten zweites präferiert
3) parteienbezogene politische Partizipation ist deutlich schwächer
4) die Linke als dritte große Partei im Osten, unterscheidet sich das Parteiensystem trotz Angleichungstendenzen
- Linksverschiebung bei der Selbsteinordnung der Bevölkerung
5) Mediennutzung unterscheidet sich
- mediale Welt, Printmedien, partiell getrennt von der übrigen BRD
diese Züge der politische Kultur erlauben es , von einer regionalen Sonderkultur zu sprechen
16.3 Der schwierige Umgang mit politischen Extremismus
Akzeptanz der Demokratie dominiert
-Alternative die legitim oder akzeptiert werden könnte — Technokratie
—gute Ergebnisse sind wichtiger als uneingeschränkte demokratische Mitwirkung
irritierend, akzeptieret Einschränkungen von Grundrechten (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit)
-„Antirechtsextremismus gehört zum Konsens, Antilinksextremismus nicht“
—Partizipationsrechte sind staatlich geschützt, aber vom Volk nur mit „Exklusivität“ akzeptiert
Bestätigt sich bei anderer Herangehensweise:
-wie weit reicht die tatsächliche Toleranz, die im politischen Meinungsbildungsprozess herrscht — Mehrheit, sozialer Druck wenn man zu bestimmten Themen sich äußert
-Tabuisierung im Zeichen politischer Correctness wurde auch in der Vergangenheit konstatiert, etwa bei Themen wie Nation, Zuwanderung, Bevölkerungspolitik, Lage im Osten Deutschlands
—die liberaldemokratische Decke wirkt hier und da dünn, zumindest wenn es gegen Extremismus von rechts geht oder zu gehen scheint
Bild der extremistischen Bedrohung
-von links einst Grundsatzkritik(1968), vielfach irrlichternd und begleitet von manchen Rechtsbrüchen, ohne mehrheitlich einen antidemokratischen Extremismus zu vertreten
—in der Öffentlichkeit auf Ablehnung stoßend, ziehen sie meist nur vorübergehend Aufmerksamkeit auf sich
tut sich schwer mit dem Erbe des deutschen Kommunismus
-Nochfolgepartei der SED, die Linke, weist ein ambivalentes Erscheinungsbild auf: reformerisch links und teils extremistisch
—Kritische Distanz oder Koalitionsbereitschaft gegenüber der Linkspartei ist jedoch eine kontrovers beantwortete Frage geblieben
Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Strömungen aufgegeben
-erscheint heute gering
-wird meist mit „fremdenfeindlich“ orientiert
-Rechtsaußen-Parteien schaffen es hin und wieder über die fünf-Prozenthürde — mehrheitlich eher Protestwahl
—ähnliche Rolle die AfD
dritte Strömung, „Islamismus“
-salafistischen Bestrebungen; ursprünglich strenggläubigen Islam orientierten und mit einer offenen, freiheitlichen-demokratischen Ordnung unvereinbar
Generell: Extremismus heute weniger eindeutig und fassbar geworden
-zunehmend treten schwerer greifbare Bewegungen oder Szene wie die „Autonomen“ von links oder örtliche „Kameradschaften“ von rechts auf — Grauzonen wachsen
—Organisations- wie Parteienverbote vermögen weniger bewirken wie einst
Kräfte des Extremismus quantitativ keine Bedrohung
-links: abgeebbte Dynamik linker Bewegungen und der Kollaps des europäischen Kommunismus nach
-rechts: Erinnerungen an die NS-Diktatur und öffentliche Isolierung (NPD zu geringe Gefahr für ein Verbot)
—trotzdem Möglichkeit in Krisenzeiten antidemokratische Dynamiken sich entfalten können. Dementgegen wirken jedoch wirtschaftliche-soziale Verhältnisse
Unverkennbar Problem der wehrhaften Demokratie, teils nur noch gegen Rechts
-Trend zu „einem einseitigen stigmatisierenden ‚Republikanismus‘ mit antifaschistischer und linkslibertärer Stoßrichtung“ scheint sich auszubreiten
—Attraktivität liberaler Demokratie, droht dabei verloren zu gehen