Grundgesetzänderung -- Kapitel 12 (Lektüre) Flashcards

1
Q

Politik mit Zweidrittelmehrheiten: Änderungen des Grundgesetzes

A

Die Gesetzgebung in Deutschland unterliegt einem komplexen Regelwerk

  • hohes Maß an Kooperation
  • Artikel 79 II: „Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln de Stimmen des Bundesrates“
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2
Q
  1. Zweidrittelmehrheiten und die Praxis der Grundgesetzänderungen

Diese Regeln versperren den Weg für Verfassungsänderungen mittels dem Wege einfacher Mehrheitsabstimmungen der gesetzgebenden Körperschaft und stellen hohe Hürden auf, wie allein der Vergleich mit der Weimarer Reichsverfassung lehrt

A

Änderungen benötigten 2/3 des Reichstags Mitglieder und von den zur Zustimmung 2/3 — 4/9 für die Annahme einer Verfassungsänderung

heute: große Koalition oder die Zustimmung eines informellen Bündnisses der Fraktionen der Regierungsparteien und der größten Oppositionspartei
+
2/3 Mehrheit im Bundesrat

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3
Q

1.
formelle Große Koalitionen sind im verfassungspolitischen handeln beschränkt
Verfassungsgeber haben mit Artikel 79 III einige verfassungspolitische Weichenstellungen für unabänderlich erklärt

A
Gliederung des Bundes in Länder
Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung 
Art.1 und 20 niedergelegten Grundsätze der staatlichen Ordnung:
-Menschenwürde
-Rechtsverbindlichkeit
-Demokratie
-Bundesstaat
-Rechtsstaat
-Republik
-Handeln des Staates am sozialen Prinzip

—Innerhalb dieser Schranken sind Verfassungsänderungen möglich

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4
Q

1.
unter welchen Bedingungen und in welchen Aufgabenbereichen finden die Parteien zu einer temporären Supermehrheit zusammen

Analyse der Grundgesetzänderungen

A

beachtliche Anzahl
in der gesamte aktiven Zeit bis Mai 2016 — 60 Änderungsgesetze
146 Artikel + Nettozuwachs von 45 Artikeln
Umfang doppelt so groß im Vergleich zu Urfassung

Änderungen im Text des Grundgesetzes auch beachtlich
von 1949 bis zur Föderalismusreform I (2006) — 247 Änderungen

Föderalismus II (2009) weitere Änderungen:

  • Schuldenbremse
  • Hälfte der Änderungen durch die erste und zweite Große Koalition (66-89, 05-09)
  1. Legislaturperiode (90-94):
    - 52 Änderungen
    - kleine Koaliton

— drei Wahlperioden kamen keine Verfassungsänderungen:

  • zweiten rot-grün Bundesregierung (02-05)
  • 76-80
  • 80-93
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5
Q

1.
Zusammenhänge zwischen der Änderungsintensität des Grundgesetzes und der koalitions- und parteipolitischen Gestalt der Bundesregierungen

A

zwei von drei Großen Koalitionen waren intensive und extensive Verfassungsänderungsperioden

CDU/CSU-geführten kleine Koalitionen durchschnittlich doppelt so viel Verfassungsänderungen als die von der SPD

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6
Q

1.
neueRegelungsbereiche
Wehrverfassung (54 und 56) — verfassungspolitische Grundlage für die Wiederbewaffnung und die Einführung von zivilen und militärischen Dienstpflichten

A

Ende des Traumesq eines „nur den Grundsätzen der Humanität, der sozialen Wohlfahrt und des privaten Glücks lebenden, in den Weltgegensätzen allenfalls ideologisch und innenpolitisch Partei nehmenden, die herkömmlichen Attribute wehrhafter Staatlichkeit aber einem wiedervereinigten Deutschland vorbehaltenden Staates“

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7
Q

1.
Verfassungsänderungen der GroKo 1966-1969
Notstandsverfassung
Finanzverfassung

A

Einbau der Notstandsverfasssung (68)
Neuregelung der bundesstaatlichen Finanzverfassung, einschließlich. der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern

Artikel 23 und Artikel 24 I — Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatlichen Einrichtungen

—explizite Öffnung, aktiven Mitwirkung am Bau eines vereinten Europas, Definition der Bedingungen; erfolgt durch Artikel 23

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8
Q

1.

höchste Änderungshäufigkeit betrifft die „Dauerbaustelle föderaler Kompetenzverteilung“

A

GG-Abschnitt VII normiert die Gesetzgebung des Bundes
Abschnitt X regelt die bundesstaatliche Finanzverfassung
-dort kodifizierte Änderungen des Bund-Länder-Verhältnisses brachten vom „Trennsystem“ über „Mischverwaltung“ hin zum „Verbundsystem“ eines politikverflochtenen „kooperativen Föderalismus“

—Entflechtung durch Föderalismusreform von 2006

wenig oder gar nicht geändert Abschnitte zur Bundesregierung und Bundespräsidenten

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9
Q
  1. Bewertungen der Verfassungsänderungen

wird unterschiedlich bewertet

A

eine Schule — „Funktionstüchtigkeit und Zukunftsfähigkeit“

andere Schule — voranschreitende Ausdifferenzierung eines ohnehin zur Überregulierung neigenden GG

—wer eine gute Verfassung nur in einer kurzen und allgemein gehaltenen Urkunde sieht, wird GG von heute zu umfangreich und detailliert halten

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10
Q

2.

gesellschaftskritische Verfassung von Vertretern in den 60er und 70er

A

die Verfassungsänderungen hätten „die demokratischen Verfassungspositionen nicht weiterentwickelt, sondern einseitig in Richtung auf Machtzuwachs des Bundes und der Bundesexekutive ausgehöhlt“

1949 kontroverse „Wehrverfassung“ und 1968 umkämpfte Notstandsgesetzgebung sowie Änderungen des Artikels 10 (Beschränkung des Post- und des Fernmeldegeheimnisse zulässt)

—ähnliche Richtung Kritik an der Reform der bis dahin uneingeschränkten Asylrechts (1994) und der Möglichkeit der akustischen Überwachung von Wohnräumen 1998 („Lauschangriff“)

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11
Q

2.

gesellschaftskritische Sichtweisen auf die Verfassungsänderungen wurde allerdings heftig widersprochen

A

Einäugigkeit und normativen Verfassungsidealismus hielt man den Kritikern vor

—GG sei auf eine grundrechtsbasierte freiheitliche Verfassung zugeschnitten und auf eine „Sperre für den Sozialismus“ und gegen den autoritären Staat angelegt

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12
Q

2.

zitierte Kritik an den GG-Änderungen zu kurz

A

zahlreiche Verfassungsänderungen zum Schutz von Grundrechten

Erweiterungen des GG-Schutz und Chance der politischen Beteiligung:

  • Verankerung der Verfassungsbeschwerde im Grundgesetz (Artikel 93 I Ziff. 4b)
  • Bedenken gegen die Notstandsgesetzgebung
  • 1970 Sekung des Wahlalters auf 18 (Artikel 38 II)
  • Einrichtung des Wehrbeauftragten (Artikel 45b)
  • Notparlament im Rahmen der Notstandsverfassung (Artiekl 53a)

—zudem, neue regelungsbedürftige Aufgaben auf die Verfassungspolitik; zu dem Rückwirkungen gehört, dass die Europäisierung des Grundrechtsschutzes „in Teilen eine Absenkung, im Übrigen zumindest Risiken einer Absenkung des bisherigen grundrechtlichen Schutzniveaus“

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13
Q
  1. Die Politik der Verfassungsänderungen

Änderungen bedürfen 2/3 Mehrheit der Bundestagesmitglieder und 2/3 der Stimmen des Bundesrates

A

von einer Großen Koalition überwindbar
oder alleinregierenden Partei einer Zweidrittelmehrheit im Parlament und in der Länderkammer

Regierung Adenauer konnte es mehrfach überwinden

2.Deutschen Bundestag (53-57) unter Führung der CDU/CSU und erweitert durch Stimmen des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), konnten sie die Weiche für die Aufrüstung Deutschland gegen die SPD stellen

—Schließung einer Lücke die der Parlamentarische Rat aufgrund der nationalen und internationalen Machtverhältnisse offen gelassen hatte

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14
Q

3.

1.Große Koalition (66-69) ändert die Verfassung einschneidend

A

Einvernehmen CDU/CSU und SPD
drei Verfassungsänderungen:
-Notstandsverfassung und Wehrverfassung
-Finanzverfassung (Gemeinschaftsaufgaben und Investitionshilfen des Bundes an die Länder sollen die Politik zwischen Bund und Länder besser koordinieren und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sorgen)
-verfassungspolitische Öffnung des Weges zum Stabilitätsgesetz (1966) (größere Befugnisse zur Abwehr konjunktureller und struktureller Wirtschaftskrisen dem Bund geben)

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15
Q

3.

Notstandverfassung

A

notwendige verfassungsrechtliche Vorkehrung für die Notstandsgesetze
Chance Sicherheitsvorbehalte der Alliierten nach Artikel 5 Absatz 2 des Deutschlandsvertrages abzulösen

—Kritiker: Notstandsgesetzgebung schaffe neue Verfassung, schränkt die Schutzfunktionen von Grundrechten ein, schwäche demokratische Funktionen entscheidend und weiche föderalistische Struktur auf

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16
Q

3.

Verfassungsänderungen 1953-1957 und 1966-1969 gab es NICHT während der SPD-FDP-Regierung noch unter dem Kabinetten Kohls

A

Polarisierung zwischen CDU/CSU und SPD ließen fundamentale Verfassungsänderungen bis zur Zeitenwende 89/90 nicht zu

52 Änderungen in der 12.Wahlperiode (90-94)

verfassungspolitische Anpassungen an die staatsrechtliche Wiedervereinigung

—stark europäische Ausrichtung des GG: Artikel 23 (EU), Artikel 88 (Preisstabilitätspolitik), Artikel 28 I (in Deutschland ansässige Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen einWahlrecht bei Wahlen in Kommunen und Kreisen)

—jüngsten Höhepunkte der GG-Änderungen war die Große Koalition verantwortlich: Föderalismusreformen I und II (2006 und 2009)

17
Q
  1. Verfassungsänderungen im internationalen Vergleich

nach manchen Kritikern sei die Verfassung der BRD verstaubt, schwerfällig und eher eine Barriere für Reformen

A

nach 17-Länder-Studie von Donald Lutz:
-BRD nach der relativen Häufigkeit von Verfassungsänderungen (bis 1992) auf Platz 5 (hinter Neuseeland, Österreich, Portugal und Schweden)

—spricht auf den ersten Blick für, „relativ einfach zu ändern“

18
Q

4.

Hürden für Verfassungsänderungen in etlichen Ländern höher

A

in den meisten Demokratien ist eine Zustimmung des Volkes abhängig

—in etlichen Staaten ist eine Vefassungsänderung zudem mit Parlamentsauflösung, Ausschreibung von Neuwahlen und Abstimmung über die Verfassungsänderung in dem neugewählten Parlament mit 2/3-Mehrheit vorgeschrieben (Niederlande)

19
Q

4.

weniger höhe Hürden für Abänderungen in den USA

A

Verfassungsänderungen in den USA erfordern zweistufiges Verfahren
eingeleitet entweder durch Kongress, mit jeweils 2/3-Mehrheit der beiden Häuser oder der Kongress auf Ansuchen der Parlamente von 2/3 der Bundesstaaten einen Konvent einberufen

—Verfassungsänderung erlangt Rechtskraft wenn, Parlamente oder Konventen in 3/4 der Mitgliedstaaten der USA ratifiziert an

20
Q

4.

Hürden in Deutschland niedriger

A

Änderung des GG eine spezielle zweifache Supermajorität voraussetzt: 2/3-Mehrheit im Parlament und 2/3-Mehrheit im Bundesrat

erzeugt schwer überwindbare Barrieren für reformorientierte kleine Koalitonen

—Regierung Kohl in den 80er bei ihrem Streben nach einer „Wende“ in der Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt sowie rot-grüne Regierung Schröder seit der Wahlniederlage der SPD bei der Landtagswahl in Hessen 02.1999 bis Ende ihrer Regierungszeit 2005, und nachfolgende Regierungen musste diese überwinden

21
Q
  1. Zeitverzögerungen und Nichtentscheidungen

Verfassungsänderungen sind allerdings unter Berücksichtigung von Zeitverzögung und von Nichtentscheidungen zu würdigen

A

zudem Hintergrund der jeweiligen Problemlast:

  • gesellschaftlich
  • Wirtschaft
  • Politik

Zeitverzögerungen können unterschiedlich sein:

  • wenige Jahre — Wehrverfassung (zwei Legislaturperioden)
  • viele Jahre — Notstandsverfassung (19 Jahre), Umweltschutzpolitik, haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung
  • noch länger — Reformen im Bund-Länder-Gefüge (rund vier Jahrzehnten)

—mitunter braucht es Jahrzehnte bis ein Reformvorhaben wirklich Gesetzeskraft erlangt

22
Q

5.

verfassungspolitische Nichtentscheidungen

A

Entflechtung von Bund und Länder und Einbau der Schuldenbremse klammerte die Große Koalition in der 16. Wahlperiode übrige Fragen der bundesstaatlichen Finanzverfassung aus

—die Föderalismusreform II blieb eine moderate Regelung, weniger Finanzverteilung als bei den Verschuldungsgrenzen angesetzt

23
Q

5.

Nichtentscheidungen in der Verfassungspolitik — Sozialstaatsfinanzierung und Militärpolitik

A

fehlt die Anpassung des GG an die veränderte Militärpolitik
auch außerhalb des Gebietes der NATO-Mitgliedsstaaten

Verfassungsgeber bislang großer Bogen um das Verlangen nach mehr Demokratie:
-Direktdemokratie im Bund (Teil der Kontinuitäten der Verfassungpolitik in DE)

—diese Reformen erfordern die systematische Schwächung der Machtposition von den Exekutiven in Bund und Ländern (Parteien)

24
Q

5.

NIchtentscheidungen durch Unfähigkeit bei lösungbedürftigen Problemen

A

wenn Interessen der Akteure extrem auseinander liegen:

  • Interessen der Bundesregierung und Bundestagsopposition
  • Koalitionspartner
  • finanzstarken und finanzschwachen Länder
  • sowie CDU-,CSU-,SPD- oder Grün-dominierten Bundesländer

solche Interessendivergenzen kommen grundlegende Weichenstellungen nicht mehr zustande

häufig bei „harten“ Politikthemen und nicht bei „weichen“ wie Sozial-, Umwelt- oder Friedenspolitik oder Vergangenheitsbewältigung:
-innere Sicherheit
-Terrorismusbekämpfung
-militärpolitische Angelegenheiten
-migrationspolitische Fragen
(Neigung zur Nichtbefassung)