Parlamentarismus Flashcards

1
Q
  1. Ein parlamentarisches Regierungssystem der republikanischen Form — mit Parteiendominanz
A

Abberufbarkeit, hierzulande durch das konstruktive Misstrauensvotum nach Artikel 67 des GG geregelt:

  • Regierung nur auf konstruktivem Wege abrufbar
  • Wahl eines Nachfolgers des amtierenden Bundeskanzlers mit der Kanzlermehrheit (Mehrheit der Mitglieder des BT)
  • Abberufbarkeit der Regierung und zweiköpfige Spitze der Exekutive — BRD, parlamentarisches Regierungssystem der republikanische Form

politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozess des parlamentarischen Regierungssystems spielt das Parlament eine zentrale Rolle:
-BT — staatsrechtlich — Vertretung des Volkes und die „Entscheidungsmitte“ der repräsentativen Demokratie
-autonome oberste Staatsorgan
-Gesetzgeber
-Hoheit über den Bundeshaushalt
-wählt den Bundeskanzler
zuständig über die Kontrolle der Bundesregierung und der ihr zugeordneten Verwaltung
-BT und BR wählen die BVerf-Richter
-BT hat das Recht der Präsidentenanklage vor dem BVerfG
—wenn der BT beim Zusammentreten verhindert ist, stellt er 2/3 der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses (im Verteidigungsfall unter bestimmten Umständen viele Befugnisse des Parlaments übernimmt)

besondere Parlamentsrechte schützen den Bundestag beim er Wahrnehmung seiner Aufgaben:
-Immunität und Indemnität der Bundestagsabgeordneten
—besondere Schutz vor Strafverfolgung und die Gewährleistung strafrechtlicher Verantwortungsfreiheit für Abstimmungsverhalten und Äußerungen der Abgeordneten im Parlament und in Parlamentsausschüssen
zusätzlich die hohen Hürden des GG schützen den BT gegen vorzeitige Parlamentsauflösungen (nur Bundespräsident kann den BT innerhalb von 21 Tagen auflösen, wenn die Vertrauensfrage des Kanzlers fehlschlug)

Wird nicht von einer monarchischen Exekutiven in Schach gehalten, wie Reichstag oder vom „Führerstaat“ zum Akklamaitonsorgan degradiert:
-Kompetenzen nach zu urteilen ist der BT ein vollwertiges Parlament

vollwertiges Parlament bedeutet nicht vollständiges Parlamentssouveränität wie im Westminster-Modell:
-BT wirkt vielmehr in einem Kräftefeld mit einflussreichen „Mitregenten“ (BR, BVerfG und die EU)
-„parlamentarische Parteiregierung“ auf der Grundlage des Mit- und Gegeneinanders dreier Hauptakteure: Regierung, Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien und Fraktionen der parlamentarischen Opposition
-Trennung von Exekutive und Legislative
—Parteienwettbewerb prägt das parlamentarische Regierungssystem; Legislative in ein „Fraktionenparlament“ (statt autonomer Repräsentanten, „Honoratioren oder Abgeordnetenparlament)

Vollwertigkeit, Ergebnisse der jüngeren politischen Geschichte Deutschlands:
-Max Weber Diagnose (1917/18): Parlamentarisierung, also auch Entmachtung des monarchischen Staatsoberhauptes, Demokratisierung des Wahlrechts und Dirketwahl des Reichspräsidenten. „Plebiszitäre Führerdemokratie“ mit einem starkem Parlament — Erfolgsrezept
-Parlamentarismus der Weimarer Republik war fragil
—wurde durch den starken plebiszitär gewählten Reichspräsidenten und der Möglichkeit des Plebiszits über Sachfragen, bedrängt
-Blüte des Parlamentarismus durch die BRD
—„negativer“ zum „positiven Parlamentarismus“ — um Max Webers Diagnose der „negativen Politik“ anzuschließen

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2
Q
  1. soziale und parteipolitischen Zusammensetzung des Deutschen Bundestags

Parteipolitische Zusammensetzung

A

Parteienmitgliedschaft der Abgeordneten ein besonderes Gewicht:

  • der reinen Theorie nach: Abgeordnete nur bei Abstimmungen im Parlament unabhängig und ihrem Gewissen verpflichtet
  • Verfassungswirklichkeit: dominieren des partei- und des fraktionenpolitischen Moments

seit 1949 nahezu alle Abgeordneten des BT waren Parteimitglieder:

  • hängt die weitere Karriere in der Politik von der langjährigen Bewährung in ihrer Partei und Parlamentsfraktion von ab
  • meist nur, bei grundlegenden Fragen ethisch-moralischer Art aufgehoben
  • Abstimmungen im Parlament, Willensbildung in ihrer Parlamentsfraktionen (und Fraktionsdisziplin)

bis auf Bundestagswahl von 1957 hat keine Partei die Mehrheit der Parlamentssitze erreicht:

  • 1957 gewann die CDU/CSU mit 278 der 519 Mandate
  • Kanzlermehrheit benötigte bislang eine Koalition zwischen min. zwei Parteien

Stärkste Fraktion:
-15 von 18 Bundestagswahlen die CDU/CSU
-3 mal die SPD (1972/98/2002)
-Amt des Bundestagspräsidenten in den meisten Legislaturperiode der Unionsparteien zu
-in allen Wahlperioden außer der dritten ermöglichte die Verteilung der Mandate im BT einen Regierungswechsel während der Legislaturperiode (zweimal genutzt: 1966, 1982)
—1969 lösten die SPD und die FDP die Große Koalitionen ab, 1998 SPD/Grünen die rot-grüne Koalition, 2005 2. Großen Koalition, 2009 schwarz-gelb 2013 rot-schwarz

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3
Q

soziale Zusammensetzung des Deutschen Bundestages

A

Wandel des Parlament:

  • männerdominiertes Parlament seit der 1. Legislaturperiode
  • Anteil der weiblichen Abgeordneten seit den späten 1980er Jahren größer geworden

Alterstruktur:

  • wenig geändert
  • Durchschnittsalter von 49 auf 50

Mehrheit der Abgeordneten, Jahrgänge 1950+ — Personen die in der BRD oder der DDR sozialisiert wurden:
-BT vor 1990, politische Generationen gaben Ton an, die durch Kriegs- und Nachkriegsjahre, NS-Staat, Weimarer Republik oder das Deutsche Reich vor 1918 politisch sozialisiert worden waren

Bildungsexpansion — Ausbildungsabschlüsse der BT-Abgeordneten:

  • Universitätsabschlüsse, mittlerweile ein Markenzeichen der meisten Parlamentarier
  • Abstand zu den Ausbildungsabschlüssen der Wähler sehr groß
  • 22% der Wähler von ihnen haben einen Hauptschulabschluss

Wandel von Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft + Bildungsexpansion, hinterließen tiefe Stufe in der sozialen Zusammensetzung:
-Wachstum des Staatssektors: Beginn 18. Legislaturperiode Anteil der Abgeordneten mit Beamtenstatus 32%;
-politischen und gesellschaftlichen Organisationen und Wirtschaft 34,4%;
-Selbstständige 7,7%;
-Freiberufler 13,8%
—Kluft zwischen der politischen Führungsgruppen und der Masse der Bevölkerung groß

religiös-konfessionelle Konfliktlinie, abgeschwächt im BT:
-katholisch 29%
-protestantisch 27%
-keine Angabe 40%
-konfessionslos 3%
—Katholiken 77% in der CSU und 41% CDU; 17% SPD; 14% Linken; 10% Grünen

Trend zur Professionalisierung:
-wachsender Anteil der Abgeordneten betreibt Politik als Beruf und lebt größtenteils von ihr
-etliche Parlamentarier erzielen auch hohe Einkünfte aus Tätigkeiten außerhalb des BT
-Beruf des Politiker eher als „ein prekäres Beschäftigungsverhältnis, nicht aber als Profession“ charakterisiert
-Beruf des Politikers; „ungesichert, episodisch, unscharf in der Bestimmung des Berfusfeldes, der qualifikatorischen Vorraussetzungen und des Karriereverlaufs“
—heutigen Abgeordnete unabhängiger

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4
Q
  1. Abstimmungsregeln — Parteienpolitik zwischen Mehrheitsdemokratie und Großer Koalition
A

Abstimmungen im BT gelten nach dem Mehrheitsprinzip:
-allerdings unterschiedliche Merhheitsschwellen
-Verfassungsänderungen: 2/3-Mehrheit im BT und BR
-Wahl des Bundeskanzlers: Kanzlermehrheit (gesetzliche Mitglieder des Parlaments — nicht nur die Anwesenden)
-Vertrauensfrage des Bundeskanzlers: Kanzlermehrheit
-Misstrauensvotum: Kanzlermehrheit
-Gesetzgebung: Hürden niedriger; 2. Lesung eines Gesetzesentwurf oder Schlussabstimmung: Mehrheit der abgegeben Stimmen
will BT eine Mehrheit im BR gegen ein Einspruchsgesetz überstimmen (nichtzustimmungspflichtiges Gesetz): Mehrheit der Stimmen

2/3-Mehrheit zudem für parlamentarischen Entscheidungen zur Anklage des Bundespräsidenten für willentliche. Verletzung des GG oder eines anderen Bundesgesetzes (2/3 der Stimmen im Bundesrat)

Abstimmungsregeln im Bundestag wahren Minoritätsrechte

Abstimmungsregeln un die Art der Mehrheitsschwellen machen politisch einen großen Unterschied:
-Abstimmenden oder Kanzlermehrheit kann eine kleine Regierungskoalition aus eigener Kraft erreichen
-2/3 mehr erforderlich: erfordert Kooperation der Regierungsparteien und der wichtigsten Oppositionspartei
-Verfassungsänderung: Kooperation von Regierung und Opposition sowie die des BR
-2/3-Mehrheit — konkordanzdemokratisches Element (verhandlungsdemokratisches Moment)
—auch bei Einfachgesetzgebung können konkordanzdemokratische Zwänge wirken, Gesetze die die Zustimmung der Mehrheit des BR bedürfen

Abstimmungsregeln im BT setzten einen folgenreichen Mechanismus in Gang:
-einerseits, herrschen Parteienwettbewerb die Regel der absoluten oder relativen Mehrheit
-andererseits, erfordern die meisten wichtigen Gesetzgebungen, soweit sie zustimmungspflichtigen sind, eine formelle oder informelle große Koalition
—insoweit, BRD „Staat der Großen Koalitionen“, wenn das Land nicht aus einem Bündnis von Union und SPD regiert wird

institutionelle Kern der „Großen Koalition“ abhängig von der Beschaffung der Koalition:
-formelle, ist der Kern in der koalitionsinternen Willensbildung zu suche
-bei keiner regierenden, und die Streitparteien gegenüber stehen, oder gravierende Bund-Länder-Gegensätze zu überbrücken sind, liegt der Kern im Vermittlungsausschuss
-Vermittlungsausschuss soll Konflikte lösen, zwischen Bundestagsmehrheit und der Bundesregierung, und der Mehrheit des BR in der Gesetzgebung
—faktisch, Vermittlungsausschuss eine höchst einflussreiche Instanz der Kompromisssuche

Institutionen und Praxis des Vermittlungsausschusses:

  • besonders wichtige Rolle in der 1. Legislaturperiode (49-53)
  • ferner Perioden der rivalisierenden Mehrheiten im BT und BR
  • Bedeutung des Vermittlungsauschusses, wenn die Mehrheiten im BT und BR in parteipolitischer Hinsicht übereinstimmen

in den meisten Fällen, Rolle als Vermittler und Kompromisssuchers erfolgreich:
-typisch, Sicherheitsventilfunktion des Ausschusses im Falle schwerer Konflikte zwischen Parlament und BR
-mitunter bis zu später Nachtstunde das Schmieden von gesetzgebungstechnisch defizitären Kompromissen einschloss
—Erfolgsbilanz, 90 von 100 Vorschlägen wurden von BT und BR akzeptiert

verweist auf einen größeren, für den politischen Betrieb in der BRD charakteristischen Zusammenhang:

  • Parteienwettbewerb trennt die Streitparteien
  • verleitet sie zu dichotomisierender und dramatisierender Darstellung
  • konkordanz- bzw. verhandlungsdemokratischen Abstimmungsregeln im Parlament und zwischen BT und BR zwingen die auseinanderstrebenden Streitparteien wieder zusammen
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5
Q
  1. Funktionen des Deutschen Bundestages
A

GG verleiht dem BT eine zentrale Position im politischen Betrieb des Landes:

  • Verfassung und Verfassungswirklichkeit allerdings nicht deckungsgleich
  • Inwieweit meistert oder verfehlt er seine Aufgaben?
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6
Q

4.1 Wahlfunktion

A

viele Erwartungen von der Wahlfunktion des Parlaments:

  • seitens der Befürworter der Parlamentarisierung und Demokratisierung
  • Max Weber, erhoffte sich ein starkes Parlament als Auslesestätte für kompetente politische Führungskräfte und für die Wahl von verantwortungsbewussten Regierungen
  • Parlamentarisierung bringt nicht automatisch fachkundige politische Führungskräfte hervor

Wahlfunktion des BT weithin positiv:

  • Wahl einer handlungsfähigen Regierung, bislang zuverlässig und meitens zügig
  • brachte bislang stabile, auf die parlamentarische Mehrheit gestützte Regierungen zustande
  • durchschnittliche Dauer ca. 30 Tage
  • ferner, in der Regel aus Krisen Auswege findet

meisten Wahlfunktionen bewältigt er einigermaßen effektiv und effizient:
-Mitwirkung seiner Abgeordneten beim er Wahl des Bundespräsidenten in der Bundesversammlung
-Wahl der Repräsentanten im Vermittlungsausschuss
-Wahl der Vertreter des BT im Gemeinsamen Ausschuss gemäß Art. 53a GG (Reserverparlament im Notstandsfall)
—Kooperation bei der Wahl der Richter des BVerfG gelingt zumindest leidlich (parteipolitisches Taktieren immer wieder vorkommt)

Nachkommen des BT in seiner Wahlfunktion auch dem Parteiensystem zu verdanken:
-bislang überwiegend Parteien mit beachtlichem Kooperationspotenzial
-Wahlfunktion des BT nicht nur integrative, sonder mitunter auch polarisierende Effekte
-Parteizugehörigkeit polarisiert die Wählerschaft und die Abgeordneten in Gewinner und Verlierer, in Regierung und Opposition
—parteipolitische Schlagseiten im Prozess der Kandidatensuche und -auswahl selbst dort wirkmächtig, wo Überparteilichkeit geboten ist (Wahl des Bundespräsidenten oder Richter des BVerfG)

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7
Q

4.2 Gesetzgebung

A

Fleiß des BT gute Noten:
-prominente Rolle und der hohe Aktivitätsgrad des Parlaments in der Gesetzgebung an vorderster Stelle

Engagement in der Gesetzgebung zeugen auch seine innere Struktur und seine Funktionsweise:
-BT, Mischform aus „Arbeitsparlament“ und „Redeparlament“
-Arbeitsparlament, betont Ausschussarbeit, Gesetzgebung und Kontrolle der Exektuvien
-Redeparlament, betont Profilierung in der parlamentarischen Debatte (expressiven Funktionen des Parlaments zentral)
-überwiegend Arbeitsparlament (Bedeutung der Ausschüsse ist groß)
-hohe Arbeitszeiten der Abgeordneten (Sitzungen der Bundestagsausschüsse weitaus größeren Teil)
—Vorrang des Arbeitsparlament erkennbar daran dass das Plenum des BT meist nur als Notar oder als Verkünder von Beschlüssen wirkt die vorberaten wurden

Gesetzgebung selbst weist den BT als ein produktives Parlament aus:
-Gesamtzahl eingebrachter Gesetzesvorhaben: 11.665
-6156 Regierungsvorlagen (1/3 von Mitgliedern des BT, 9% vom BR)
-7590 wurden beschlossen (Schnitt: 446 pro Wahlperiode)
-vergleichsweise zügige Gesetzgebung zeugt von tatkräftige und leistungsfähige Legislative hin
-durchnummerierte Parlamentsdrucksachen: insgesamt 114.189
-von der 3. Wahlperiode bis zur 17. lagen 29.395 EU-Vorlagen vor (Mehrzahl Ratsdokumente, 1/10 Entschließungen des EP, ein sehr kleiner Teil auf im Plenum debattierte Beschlussempfehlungen zu Unionsvorlagen
-Zahl der besonders wichtigen Gesetze (GG-Änderungen) überschaubar: 60
—reparierten Schäden früherer Gesetzgebungen
—wegweisende: Gesetzgebung zum Wiederaufbau des kriegszerstörten landes in den 50er oder zur Integration Deutschlands in die europäische Staatengemeinschaft
—Gesetzgebung zum Auf- und Ausbau des Sozialstaates auch (allerdings folgenreich)
-Politik zur deutschen Einheit verlangte eine Gesetzgebung, die in zeitlicher und sachlicher Hinsicht höchste Ansprüchen genügen musste
—BT und BR fanden sich in einer Ratifikationslage wieder, Wahl zwischen Zustimmung zur gesamten Gesetzgebung zur Einheit Deutschlands oder Ablehnung des ganzen Werkes

Gesetzgeber im BT auch Fehlsteuerungen:
-vielfach überhöht angesehener Regelungsbestand im Steuer- und Sozialrecht (ferner Subventionspolitik)
-Staatsverschuldung von 71% des Sozialproduktes (2015) wovon 2/3 auf den Bund fallen — finanziell unsoliden Praxis der Gesetzgebungsmehrheiten im BT
—besonders rasch wuchs die Staatsverschuldung in der zweiten Hälfte der 70er unter SPD-FPD geführten Regierung; schwarz-gelb in den 90er; 2. Große Koalition, schwarz-gelb von 2009-2013

Prägung durch den Parteienwettbewerb:

  • Gesetzgebung kann unter das Räderwerk parteipolitischer Polarisierung geraten
  • schwere Konflikte prägten das Verhältnis von Regierung und Opposition
  • 80er Jahre schrumpften der Anteil einstimmig verabschiedeter Gesetze im BT sehr stark

Opposition vielfach bei besonders wichtigen Gesetzen zustimmten:
-meist nach langem Tauziehen
-Mitwirkung am Auf- und Ausbau der europäischen Staatengemeinschaft
-Auf- und Ausbau des deutschen Sozialstaates
-„kooperativer Parlamentarismus“: bedeutet Regierung und Opposition meist im Kooperationszwang beugen (durch Zustimmungspflichtigkeit von Gesetzen oder 2/3-Mehrheit)
-Mitregentschaft der Opposition wurzelt in dem institutionell erzeugten Kooperationszwang, den der Bundesstaat und die Spielregeln für Verfassungsänderungen hervorbringen
—greifbarer Anteil der Ausschussvorsitzenden fällt auf die Oppositionsparteien

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8
Q

4.3 Kontrolle und Opposition

A

Kontrollfunktionen des BT werden vom Parteienwettbewerb bestimmt:
-Front zwischen Regierung und Opposition
-Eigeninteresse an einer handlungsfähigen Regierung veranlasst die parlamentarische Mehrheit, das Kontrollpotenzial des Parlaments gegen die Regierung nur in homöopathischer Dosierung zu nutzen
-Kontrollfunktion wird häufiger benutzt je:
+größer die politisch-ideologische Distanz zur Regierung
+größer die Zahl ihrer Mandate
+größer ihre politisch-ideologische Kohäsion ist
-besonders wirksam wirkt das Kontrollrecht im Falle eines absoluten Vetos
Kontrollinstrumente:
+Große Anfrage, gemeinsame Interpellation von mind. 5% der Abgeordneten voraussetzt
+Kleine Anfrage, Anfrage im Parlament, die von einer Fraktion oder von 5% der Mitglieder des BT vorgebracht werden kann
+ferner, Mündliche Anfrage
+Schriftliche Anfrage (besonders rege genutzt)
—zudem konstruktive Misstrauensvotum
(manche Kontrollinstrumente werden extensiv genutzt, wie die Interpellation)

Qualität eines demokratischen Parlaments zeigen auch seine Spielräume und Beteiligungsmöglichkeiten die die Opposition gibt:
-BT gute Noten
-BT verkörpert Fall einer „parlamentszentrierten Opposition mit starken Mitwirkungsrecht- und Vetorechten“
—Unterschied zu GB (Opposition ohne größere Mitwirkungs- und Vetorechte; Frankreich semipräsidentielles Oppositionsmodell; USA Dualismus zwischen Legislative und Exekutive; Schweiz direktdemokratisch)

Mitwirkungschancen und Vetorechte der Opposition nicht nur im Redeparlament:

  • mannigfaltigen Mitwirkungschancen im Arbeitsparlament
  • Möglichkeit eines 1/4 der Abgeordneten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen (verfassungsrechtlich verbrieftes Oppositionsrecht (Art. 44 I GG))
  • uneingeschränkte Gesetzesinitiativsrecht
  • proporzmäßige Berücksichtigung bei der Vergabe des Vorsitzes in den ständigen Bundestagsauschüssen und den Vetoposition (aus 2/3-Mehrheit bei der GG-Änderung erwächst)

Oppositionsparteien auf Bundesebene außerhalb des BT Einwirkungschancen:
-Recht der Opposition auf Anrufung des BVerfG
-Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die Verfassungskonformität von Gesetzen überprüfen lassen
—hat sie weniger als ein Viertel der Sitze im Parlament auf ihrer Seite, ist der Weg der Opposition versperrt

profitiert überdies vom Bundesstaat:
-sofern sie 1/3 bzw. Mehrheit der BR-Stimmen auf ihre Seite bringt, kann sie GG-Änderungen bzw. zustimmungspflichtigen Gesetze blockieren
-Recht von Mitgliedern des BR, im BT sprechen zu dürfen und dort jederzeit gehört zu werden (profitiert die Opposition sofern sie im BR vertreten ist)
-ferner, alltägliche Oppositionsarbeit der Ressortsorientierung der Ausschüsse im BT
-spiegelbildliche Ausrichtung der BT-Ausschüsse auf die Bundesministerien verschafft den Ausschussmitgliedern die „Chance der längerfristigen fachlichen Spezialisierung“
—erzeugt ein Klima der Kooperation zwischen den Fachleuten von Regierung und Opposition, das „eine Annäherung in Sachpositionen zwischen Ausschussmitgliedern beider Seiten potenziell begünstigt“

-Opposition mitunter sogar als politische „innovative Kraft“

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9
Q

4.4 Interessenartikulation und Kommunikation

A

Beitrag des BT wird weniger gut betont:
-Noten sind umso schlechter, je mehr Notengeber sein Ideal im debattenfreudigen und von rhetorisch glänzenden Rednern bestückten Redeparlament
-Roger Willemsen: BT „Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee“
-Fachwissenschaftler hatten Probleme mit den Gepflogenheiten des BT im Arbeitsparlament
-„der deutsche Parlamentarismus findet nur in Ausnahmefällen öffentlich statt“ (J.J. Hesse)
-Kampf um Aufmerksamkeit der Massenmedien geformten Öffentlichkeit hat der BT keine guten Karten (Grund, widersprüchlichen Rollen der BT-Abgeordneten)
—Qualifikationen, die dem Abgeordneten zur Nominierung als Kandidat und zum Mandatserwerb verhelfen (häufige Präsenz in den Medien und das nimmermüde Händeschütteln) prädestinieren nicht automatisch zu gediegener parlamentarischer Arbeit

zwei Rahmenbedingungen:

  • Abgeordnete nicht nur Volksvertreter, auch Mitglieder einer politischen Partei und Fraktion
  • nicht nur Repräsentanten des ganzen Volkes, und ihrem Gewissen unterworfen, sondern auch teil einer parteipolitischen Maschinerie mit harter Fraktionsdisziplin (Verletzungen werden empfindlich sanktioniert; Entzug der Wiederwahlchancen)
  • widersprüchliche Erfordernisse zudem aus der dualen Struktur des BT
  • Arbeitsparlamentscharakter verlangt qualifizierte Experten
  • Redeparlamentscharakter verlangt rhetorische Qualifikationen, geschickte Inszenierung und Befähigung zu medienwirksamer „Darstellungspolitik“
  • Machtstreben der Parteien und Abdruck der parteipolitischen Kommunikation verleitet Abgeordnete dazu, komplexe Sachverhalte zu simplifizieren, zu dichotomisiern, zu moralisieren und die Schuld für Mängel immer beim Gegner zu suchen
  • für das Publikum der aufgeladene parlamentarische Streit oft öde
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10
Q

4.5 Repräsentation und Repräsentationslücken

A

BT versteht sich als Vertretung des ganzen deutschen Volkes und als herz der repräsentativen Demokratie:

  • einerseits, BT einzige Staatsorgan, das aufgrund der Wahl seiner Abgeordneten sich unmittelbar demokratischer Legitimation rühmen darf
  • andererseits, Repräsentationslücken unübersehbar (Nichtwähler, „vergeudete Wählerstimmen“ durch die 5%-Hürde)

Minimierung von Repräsentationslücken lange eine Stärke des BT:
-bis in die 80er blieb die Wahlbeteiligung sehr hoch
-mittlerweile aber Messlatten der Wahlbeteiligung und der „vergeudeten Stimmen“ schwierige Zeiten
-Trend nach, wächst der Anteil der Nichtwähler
-Repräsentationslücken bis in die 80er deutlich unter 20% der Wahlberechtigten
-18. Wahlperiode rund 40%
—besteht die Repräsentationslücken weiterhin oder wird größer, hat der BNT ein großes Legitimationsproblem vor sich

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11
Q
  1. Das mächtigste Parlament auf dem Kontinent?
A

BT steht im Zentrum des politischen Geschehens und ist die wichtigste politische Arena im Land:

  • skeptische These vom „machtlosen Parlament“ (Karl Loewenstein) in den 50er Jahren wurde bereits mit dem ersten Bundeskanzler und durch die institutionelle Dominanz des Amtes des Regierungschefs hat sich damit nicht bewahrheitet
  • BT auch heute weder das Anhängsel des Kanzlers noch ein „hinkendes Parlament“

in mancher Hinsicht gestärkt worden:
-verbesserte Ausstattung des Parlaments mit personellen und sachlichen Ressourcen hat seine Gestaltungskraft vergrößert
-zunehmende Professionalisierung der Abgeordneten
-Aufwertung des BT in der Außen- und Sicherheitspolitik
-BVerfG stärke wiederholt den Rücken
—Urteil vom 30.6.2009 zum Vertrag von Lissabon, die Mitwirkungschancen des BT (BT und BR müssten stärker als bislang an europapolitischen Entscheidungen beteiligt werden: insbesondere Informations-, Unterrichtungs- und Vetorechte)
——allerdings, BT müsste seinen Rechten in der Europapolitik selbstbewusster und in größerem Umfang Gebrauch machen und gegebenenfalls der EU Einhalt gebieten (wenn diese etwa gegen das Prinzip der limitierten Einzelermächtigung verstoße, [EU Befugnisse im europäischen Vertragswerk genannten Politikfelder beschränkt])

BT weder omnipräsent noch omnipotent:
-vielmehr mit Mitregenten und Vetospielern zu tun als alle andere Parlamente in Europa (außer Schweiz)
-gehören vor allem: Koalitionspartner, BR, Länderregierungen, EZB, Verfassungsgerichtsbarkeit, Delegationen von Staatsaufgaben an gesellschaftlichen Asssoziationen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen mit starken Selbstverwaltungstendenzen
-alle engen den Spielraum des BT ein
-Parlament mit Souveränitätsbeschränkungen
-bis zum Deutschlandvertrag 1955 begrenzte das Besatzungsstatut das Parlament
-bis 1990 Vorbehaltsrechte der Siegermächte
-Souveränitätstransfer an zwischenstaatliche Organisationen (europäische Recht wirkt auf die nationale Gesetzgebung ein)
-Fachleute sprechen von einem „neuen“, einem „europäisierten Regierungssystem“ in Deutschland
-1987 20% der Gesetze, Transferformationen europäischen Rechts
-gleiches gilt für die Legislativfähigkeit des BR
—mittlerweile, Anteil der EU-Impulse laut Schätzungen bei 40%

starke Stellung der Judikative und die große, tendenziell zunehmende Bedeutung der Ministerialbürokratie in der Gesetzgebung:
-spiegelt die stärkeren staatlichen Eingriff in die Gesellschaft und die Wirtschaft sei die größere Komplexität der meisten Politikmaterien wider
-BR schränkt den Manövrierraum in der Gesetzgebung beträchtlich ein
-viele fachbruderschaftsartige Bund-Länder-Gremine begrenzen die Autonomie und Souveränität ein
-Ratifikationslage, infolge von politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene und Kompromisse zwischen Bund und Länder geriet
(Ratifikationslage: Parlament nur noch vollständiger Annahme oder Ablehnung der ausgehandelten Kompromissen wählen kann)
-ferner, globalisierungsbedingte Herausforderung
—Beispiele: milliardenschweren Bankenrettungsmaßnahmen 2007, sowie etliche Schlüsselentscheidungen zur Euro-Rettung und zur Rettung der von Refinanzierungslasten überforderten EU-Staaten

Finanzmärkte als „zweiter Souverän“:
-gewählte Regierungen müssen, nicht mehr nur einem Herrn dienen, dem Volk, sondern auch des zweiten und dessen Ansprüche konkurrieren mit dem Ersten
—Wechselspiel zwischen Regierungen, Finanzmärkten und Bürgern

ökonomische Schranken verengen den Spielraum des BT stärker als der Wandel von „negativer Politik“ zu „positiven Politik“ annahm:
-These das der BT „das Herzstück unserer Demokratie“ sei einen kritischen Unterton
-Begrenzungen verleiten zur These der BT sei von einer Stätte der „transparenten und verantwortlichen Gesetzesproduktion“ zu einer intransparenten „Regulierungs- und Abstimmungsmaschinerie“ mutiert
—jedoch wie „Niedergang des Parlaments“ zu scharf kritisiert

in Wirklichkeit nach wie vor die Arena, in der gesamtgesellschaftliche verbindliche Entscheidungen über die Verteilung begehrter Güter entschieden wird:
-Monopol auf Herstellung gesamtstaatlicher bindender Entscheidungen kann der BT nicht länger beanspruche (wie andere Parlamente in der Moderne)
-dennoch Hauptort der demokratischen Legitimation
—„symbolische Inkarnation des institutionellen Sitzes der Volkssouveränität“

verbleibender Spielraum spricht gegen die These der Bundestag sei der mächtigste Gesetzgeber in Europa (dafür das einflussreichste Parlament deutscher Geschichte)

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