Parteien in BRD Flashcards
1.1 CDU/CSU
erfolgreichste Parteienformation der BRD:
- vielschichtige Volksparteien auf klassen-, milieu- und konfessionsübergreifender Grundlage
- politisch-ideologische Flexibilität
- Pragmatismus als „Machterwerbsunternehmen“
- mehr Rücksicht auf den Zeitgeist, als viele ihrer Genger glauben
-„Zeitgeistpartei“:
+Entschärfung etlicher großer gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland mitgewirkt
+Abbau der Spannungslinien zwischen Katholiken und Protestanten in der Bildungspolitik
+Kapital und Arbeit in der Sozialpolitik
+Gegner und Befürworter der Kernenergie
++Grenze bei der Distanz zu Kollektivismus, Antiklerikalismus und permissiv-libertäre Einstellungen und Werten
-Norbert Blühm (Bundesarbeitsminister, 1982–1998) sagte:
+Konservativ sei die CDU, weil sie an Bewährten festhalte,
+liberal, weil sie die Macht des Staates mit Skepsis begegne und sich gegen das Umkippen des Sozialstaates in den Versorgungsstaat stemme,
+christlich-sozial, weil sei für die Schwachen Partei ergreife
CDU-Mitglieder in vier größere Gruppen gegliedert: liberale, traditionsorientierten, marktwirtschaftlichen und christlich-sozialen Anhängern
Orientierung an „Traditionsströmen“ als elastisch:
-befürworten christlichen Werten und Normen geformte Gesellschaftsordnung (ohne religiös untermauerte Sendungsbewusstsein, wie Republikaner in den USA)
-halten Familie hoch
-Parteien der Marktwirtschaft, „Soziale Marktwirtschaft“ seit den 1990er mit Umweltschutzpolitik
-offen für allerlei staatsfreundliche, marktkorrigierende Wandlungen („Sozialer Kapitalismus“)
-in gesellschaftspolitischen Fragen: Pflicht- und Akzeptanzwerte viel stärker als Selbstentfaltungswerte
——Grenze bei Gewerkschaften (distanziertes Verhältnis)
Partei der Mitte, Volkspartei, die möglichst viele gesellschaftliche Gruppen ansprechen und gewinnen wollen:
- Koalitionsbündnisse insbesondere mit den Liberalen (SPD, seltener Grünen)
- befürworten den Bundesstaat
- Europäer die einen „offenen Staat“ befürworten
Wählerschaft („Allerweltspartei“):
-aus allen Wählersegmenten (wie die SPD)
-Landwirte, Selbstständige und Unternehmer wie Arbeiter, Angestellte und Beamte
-religiös gebundene Wähler, katholischer und protestantischer Konfession zur Kernbasis
-min. 60-Jährigen mit 35%, die größte Gruppe
—ferner ein beträchtlicher Teil der Sozialstaatsklientel
Organisatorisch gewandelt:
-zuvor Honorationspartei als bloßer Kanzlerwahlverein — Ära Adenauer
-Wandel zur modernen Partie mit leistungsfähigem hauptamtlichen Apparat — Opposition von 69 bis 82
-politisch-ideologische Spannweite wurde größer — vom nationalistischen Flügel bis zu einem in der katholischen Soziallehre verankerten Arbeitnehmerflügel; und von konservativen bis zu einer liberal-progressiven Familien- und Frauenpolitik
-intellektuell typische Enge für eine Allerweltspartei
—Hans-Peter Schwarz, „habituell unintellektuelle Parteien …, ziemlich unfähig, funkelnde Ideen zu generieren, unwillig, die eigenen Prinzipien mit langem Atem zu vertreten, und unlustig, sich in der öffentlichen Dauerdiskussion zu exponieren“
1.2 SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) älteste politische Partei Deutschlands:
-ursprünglich sozialistische Weltanschauungspartei, „Befreiung nicht nur des Proletariats, sondern des gesamten Menschengeschlechts“ (Erfurter Programm 1891)
-hat den Gedanken der Befreiung aller Mühseligen und Beladenen und den der Einbindung aller „Ausgegrenzten“ und „Nichtintegrierten“ nie aufgegeben, sowie „Abgrund zwischen Besitzenden und Besitzlosen“ zu schließen
-seit 1950er Jahre, sozialreformischen, demokratischen Mitte-links-Partei, mit ausgebauten Sozialstaat, der tief in die Arbeits- und Lebenswelt hineinregiert — streben nach „sozialer Gerechtigkeit“
——Chancen- und Ergebnisgerechtigkeit, zugunsten der „kleinen Leute“ und der „gesellschaftlich Schwächeren“, liebäugelt mit der Rolle als „Kümmererpartei“
Staat als Haupträger der „sozialen und ökologischen Modernisierung der Industriegesellschaft“
—traut dem Staat die erforderlichen Steuerungsfähigkeit zu und unterstellt, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft steuerbar seien.
SPD als „Partei der Gängelei“:
- Ergebnisgerechtigkeit durch umfängliche staatliche Regulierungen
- durch ihren Hand zu zentralistischen Lösungen befürworten eine unitarische Lösung, in Deutschland wie in der EU
- Neigung, Abgabenerhöhung zwecks Staatsfinanzierung zu befürworten — gestörtes Verhältnis zum privatem Eigentum
uneinheitliche Regierungspraxis:
- variiert nach Wettbewerbslage im Parteiensystem, politisch-institutionellen und sozioökonomischen Bedingungen und schwankt zwischen drei Linien:
1) traditionalistischer Kurs mit betonter sozialstaats- und gewerkschaftsfreundlicher Politik (Ära Brandt 1964–1974, rot-grüne Regierung Schröder 1998–2002, Sozialpolitik seit 2013)
2) Übernahme der vom parteipolitischen Gegner geerbten Politik oder allenfalls eine marginale Korrektur der früheren Weichenstellung
3) Modernisierungspolitik, mit „aktivierenden Staat“ der fördert und fordert
Organisation:
- nicht mehr hierarchisch wie eins
- „lose verkoppelte Anarchie“
- dezentralisierte, fragmentierte und flexible Koalition aus vielerlei Gruppierungen auf lokaler, landespolitischer und bundespolitische Ebene
- Programmatik, vielgestaltig wie die Organisations- und Sozialstruktur
- Streit zwischen „Traditionalisten“ und „Modernisierern“
- Markenkern, Sozialstaat fördern
Wählerschaft:
1960er Jahre bis 2005, eine „Volkspartei“
-erhielt wie die CDU/CSU bis dahin Stimmen als allen Wählersegmenten
-Ausnahmen: Rentner, Gewerkschaftsmitglieder, Wähler mit Hauptschulabschluss, Protestanten und Konfessionslose (überrepräsentiert); Katholiken, Selbstständige und Landwirte (unterrepräsentiert)
—CDU/CSU und SPD stellen mit Absolventen mit Hauptschulabschluss oder mittlere Reife jeweils knapp einem Drittel die Mehrheit der Wähler
1.3 FDP
seit 1949 drittstärkste Partei:
-programmatisch als „wirtschafts-, rechtsstaats- und kulturliberale Partei“
Dreiparteiensystem der 60er und 70er:
- verkörpern die wählbare Alternative gegen die wertkonservative CDU/CSU und gewerkschaftsfreundlich und egalisierungssüchtigen SPD
- bis 1990er Jahre „Zünglein an der Waage“ für die Regierungsbildung
Risiko der FDP, als eine „Ein-Thema-Partei“ mit Schwerpunkt Wirtschaftsliberalismus oder als „Fortsetzung der Arbeitgeberverbände mit anderen Mitteln“:
-Wirtschaftsliberalismus „weitgehend unbeliebt“ in der Sozialstaatsgesellschaft
-programmatische „Marktvertrauen und programmatische Staatsskepsis finden wenig Widerhall in der Bevölkerung
—wird das Programm der FDP als Regierungspartei nicht umgesetzt, und bleibt von seinem Kern — „Privat vor Staat“ — nichts Greifbares übrig verlieren sie auch bei ihren Wählern
Wählerschaft:
- „Erwerbstätigenpartei“
- Großteil im Beruf
- Anhänger der Marktwirtschaft (in der FDP wichtiger als in anderen Parteien)
weiterer Unterschied:
- Maxime der Gerechtigkeit
- Chancengerechtigkeit — „Jedem die gleichen Startchancen“
1.4 Bündnis 90/Die Grünen
hauptsächlich im Westen:
-Produkt des Wertewandels von Materialismus zum Postmaterialismus
-Ergebnis neuer sozialer Bewegung der 1970er und 1980er Jahre, insbesondere der Ökologie-, der Antiatomkraft- und der Friedensbewegung
-linksorientierte, postmaterialistische Wähler mit relativ hohem Ausbildungsstand
-Personal auch aus dem Kreis von bürgerlichen und konservativen Persönlichkeiten (insbesondere aus der Umweltbewegung und dem Naturschutz)
-programmatisch: Ökologie, Bürgerrechte und eine libertäre Internationalismus + Akzeptanz eines elastischen Pazifismus
—Präsenz in den Parlamenten und die Beteiligung an der Regierung Schröder (1998–2005) und verschiedenen Landesregierungen
Wählerschaft:
-Anteil älterer Wähler und Rentner erheblich niedriger als bei anderen Parteien
-Schwerpunkt neuen Mittelschicht, insbesondere aus dem Bildungswesen, Humandienstleistungen und ökologieorientierten technischen Berufen
-Berufstätige und Selbstständige überdurchschnittlich
-Arbeiter unterdurchschnittlich
-Unterschicht geringfügig
erheblich größer Anteil von Wähler mit hohem Ausbildungsstand
—haben der FDP im deutschen Parteiensystem Stimmen abgezogen
radikaler Flügel bei der Bundestagswahl 2013:
-Dekonstruktion familienpolitscher Programme und paternalistische Ernährungspolitik (Vegetariertag pro Woche)
-„besserwisserische Bevormundungspartei“
—dagegen populäre moderate Spitzenkandidaten; baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann
1.5 Die Linke
Vereinigung von Die Linkspartei.PDS (SED Nachfolgerpartei) und der WASG:
-ganz linksaußen
-Übermaß an Wohlfahrtspolitik und die Wirtschaftsfremdheit der SED
—wird von Beobachter als, Kampfverband der Ewiggestrigen mit hoffnungslos veraltetem Wohlfahrtsstaatsdenken nach Art der DDR
Selbstverständnis:
-sozialistische Partei mit radikaldemokratischer Ausrichtung
-Parteienforschung unterschiedlich eingestuft:
+postkommunistische Partie mit einem „weichen Linksextremismus“
+antiwestliche Orientierung der Linkspartei, Gegnerschaft der NATO/EU;
Quellen der Wählerschaft:
-die vereinigungsbedingte Unzufriedenheit
-Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland
-hohe Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie im Lande
-verbreitete Präferenz für ein als besser erachtetes sozialistisches Alternativmodell politischer Herrschaft
-überdurchschnittlich starke Verankerung in den neuen Bundesländern
-ostdeutsche Protestpartei
durch die Erweiterung mit Allianzpartnern aus den westdeutschen Bundesländern zu erheblichen innerparteiliche Unterschiede — ein Teil der Wähler „Fleisch vom Fleische“ der SPD und anderer Teil, Verstaatlichungsbefürworter
geliebäugelt mit dem Stalinismus:
- lieber heute als morgen „die Systemfrage“ stellen und baldmöglichst den Sturz der Politik- und Wirtschaftsordnung einleiten würden
- ist janusköpfig: zwischen Demokratie und Extremismus hin- und hergerissen
- politisch-programmatischen Besonderheiten spiegeln Schwerpunkte ihrer Wählerschaft wider
Wählerschaft:
- Arbeiter und Arbeitslosen
- Konfessionslose
- Mitglieder einer Gewerkschaft
- unterdurchschnittlich, Anteil der mindestens 60-Jährigen
1.6 AfD
neue Partei seit 2013:
-Wirtschaftsliberal fundierte Euro-Skepsis und Kritik an der Eurozone als einer hochgradig suboptimalen Währungsunion (mit Euro-Rettungspolitik und dessen Haftungskosten für BRD) zunächst Hauptanliegen der Partei
-mittlerweile, migrationskritsche, teils nationale-konservative, teils rechtspopulistische Ausrichtung stärker geworden
-Sammelbecken des Protestes gegen die etablierten Parteien
-Positionierung gegen die etablierten Parteien und ihre Flüchtlingspolitik, hauptursächlich für die ungewöhnlich hohen Stimmenanteile
(überraschend hohe Zuspruch bei den Arbeitslosen und den gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft, die die Kernbasis der SPD ist)