Föderalismus Flashcards
Bundesländer
BRD — halbsouveräner Staat:
-GG Art. 79 III sogenannte Ewigkeitsgarantie:
—Änderung des GG unzulässig, durch welche „die Gliederung des Bundes in Länder“ und „die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung (…) berührt werden“
in DE sind 17 Regierungen am Werke:
- eine im Bund 16 in den Ländern
- jedes Bundesland Attribut der Staatlichkeit (eigenständige Regierung mit landeseigener Verwaltung, Landesparlament, Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit)
- jedes Bundesland unterliegt dem Homogenitätsgebot des GG-Art. 28 (Landesverfassungen den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des GG entsprechen)
Unterschiede:
- klein wie groß
- schwache wie starke Gliedstaaten (CDU wie SPD geführte)
- stärkeren und schwächeren direktdemokratischen Instrumenten
- Gliedstaaten mit eher mehrheitsdemokratisch oder eher konsensusdemokratisch verfasst
- wirtschafts- oder finanzschwachen Ländern mit hohen Arbeitslosenquoten
- strukturstarke Gliedstaaten (seit Jahr und Tag Geberländer im Finanzausgleich)
- erhebliche Unterschiede weiterhin zwischen Ost- und Westdeutschen Ländern
- kulturelle (Norden protestantisch, Süden gemischt und katholisch, Osten konfessionslos)
parteipolitische Unterschiede in den Zusammensetzung der Landesregierungen (2016):
-SPD mit 30 Stimmen im BR
-18 auf die Große Koalition
-11 auf Union
-6 auf rot-grün und seit Mai 2016 grün-schwarz
-4 linke, spd, grünen in Thüringen
—Grünen im 18. BT mit 10% der Mandate eine schwache Position aber im BR dank seiner Präsenz als Vetospieler
—durchschnittlichen Kabinettssitzanteile der Parteien seit 49 eine tendenzielle Nord-Süd-Spaltung (Union Süden, SPD Norden)
- Polyzentrismus, Fragmentierung und Politikverflechtung
Föderalismus hat zur Aufteilung politischer Macht in DE beigetragen und einen ausgeprägten Polyzentrismus hervorgebracht:
-zeugt Existenz einer Bundesregierung und 16 Landesregierungen sowie die Delegation vieler öffentlicher Aufgaben an Verbände und nicht zuletzt die regionale Streuung der Standorte wichtiger politischer Institutionen
—Berlin: Hauptstadt, Sitz des Berliners Senats + 15 weitere Standorte mit Regierungssitz
-verteilte wichtige Organe: BVerfG — Karlsruhe, Bundesgerichtshof — Karlsruhe, Bundesarbeitsgericht — Erfurt, Bundesfinanzhof — München, Bundessozialgericht — Kassel, Bundesveraltungsgericht — Leipzig, deutsche Bundesbank und EZB — Frankfurt, Bundesagentur für Arbeit — Nürnberg
——ergänzt die geprägte horizontale Fragmentierung in einer vertikalen Richtung (vergrößert Koordinationsbedarf)
Exekutive in der föderalen Struktur:
- horizontal wie vertikal fragmentiert
- Innen-, Finanz-, Justiz-, Sozial-, Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium gibt es auf Bundes wie Länderebene
Fragmentierung erzeugt Dezentralisierungsprobleme:
-bedürfen Überbruckung durch Verknüpfung der voneinander getrennten Entscheidungseinheiten
—geschieht durch Politikverflechtung
-horizontal Verknüpfung der Entscheidungsstrukturen der Länder + der Exekutive (gleiches gilt für EU, Bund, Länder)
-erstreckt sich auf: Gesetzgebung, Planung und Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern
Verflechtung von Finanzen:
-Steuergesetzgebung, Aufteilung der Steuern und Staatsausgaben
-wichtige Steuern — Gesetzgebungskompetenz beim Bund
-meisten Steuergesetze (Regulierung der ertragreichsten Steuern) erfordern Zustimmung des BR
-Steuerreformen erfordern Einvernehmen zwischen Bund und Ländern
-Aufteilung der Steuereinnahmen; einträglichsten Steuern werden Bund und Ländern nach einem Verbundsystem mit einem Verteilungsschlüssel zugewiesen
-wenige wichtige nach Trennsystem separat
—erschwert außerordentlich steuerpolitische Alleingänge
Ausgabenseite:
- vielschichtige Finanzausgleichssysteme
- besonders eng Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben und der Finanzhilfen für Investitionen
Verschränkungen von Bund und Ländern entstand ein schwer durchschaubarer, Verantwortlichkeiten verwischender „Verbundföderalismus“
-wird komplizierter durch die europäische Ebene
- Hoher Kooperationsbedarf und Dauerwahlkampf
Gliederung in Bund und Länder und die Verschränkung der Exekutive des Bundes und der Gliedstaaten erschweren Alleingänge der Bundesregierung und der einzelnen Länder:
-bei größeren Gesetzesvorhaben, wichtigen Finanzfragen sitzen beide gemeinsam im Boot — erfordert Zusammenstehen und Kooperieren
Bund und Länder sind in vielfältige Interessenkonflikte verstrickt:
-Kampf um Befugnisse
-parteipolitische Differenzen
-Wirtschafts- und Finanzkraft
-unterschiedlichen Problemkonstellationen
-divergierenden politisch-kulturellen Gegebenheiten
-unterschiedlicher Betroffenheit durch die EU
—sind durch die Vertiefung und Erweiterung der EU seit den 80ern größer geworden (aufgrund der größeren Zahl der Aktereuen im Bund-Länder-Geflecht und in der EU schwieriger zu handhaben)
—erschwerend, Wirtschaft wächst seit den 90ern nur langsam
—Staatsfinanzen infolge der Staatsverschuldung in eine Schieflage geraten sind
—Streit über die Verteilung der Kosten, durch die Massenzuwanderung 2015
—ferner, Parteienwettbewerb
——im „Parteienbundesstaat“ zählen nicht vorrangig die sachgerechte Kooperation und Arbeitsteilung, sondern Stimmenwerbung, Machtstreben, Gestalten und Profilierung auf Kosten der Konkurrenz
gerät in Konflikt mit dem Koordinations- und Kooperationsbedarf im Verbundföderalismus:
-wird verstärkt durch die Dauerwahlkampfatmosphäre
-jede Landtagswahl ein bundespolitische wichtiges Ereignis
—jedes Landtagswahlergebnis wirkt such auf die Stimmverteilung im BR und auf die Verteilung von Macht und Prestige zwischen Parteien aus
——bewirkt dadurch die Mitgestaltungschancen der Länder bei der Bundesgesetzgebung und die Mitgestaltungschancen der Opposition
-Dauerwahlkampf versetzt das Gemeinwesen in einen Zustand fieberhafter Erregung
—verkürzt den ohnehin schon kurzen Zeittakt der Demokratie
—Zeittakt, fördert die Neigung zu kurzfristiger Politik und verleitet dazu, langfristige Vorhaben mit größerem Verteilungs- und Umverteilungsgehalt hintenanzustellen
——verschachtelte Architektur des deutschen Föderalismus als, Zusammenspiel von Parteienwettbewerb und Bundesstaat als Reformbremse verdächtigt wird
-langwierige Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, Neigung zu Trippelschrittreformen
—viele Einigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner der Beteiligten
—(Hängen und Würgen bei der Durchsetzung der „Energiewende“)
——andererseits, Parteienwettbewerb und der Bundesstaat auch für größere Kursänderungen als durchlässig erwiesen (Zustimmung zum Aufbau der europäischen Staatengemeinschaft)
———über Reformfähigkeit oder Reformstau entscheiden am Ende die Akteure die sich ihrer bedienen (kommen den Regierungs- und Oppositionsparteien einer herausragende Bedeutung zu — insbesondere ihrer Kooperationsbereitschaft oder -unwilligkeit)
- Sozialstaatsföderalismus
Deutschlands Föderalismus in mancherlei Hinsicht einem Sonderfall nahe:
- „unitarische Bundesstaat“
- Koexistenz von Föderalismus und weit ausgebautem Sozialstaat
liberale Theoretiker haben sich erhofft, dass der Föderalismus die Staasgewalten zügeln und dem Staatsinterventionismus Einhalt gebieten würde
-in etlichen föderalistischen Staaten wird die Staatstätigkeit stärker gebremst als in Einheitsstaaten
-Staatstätigkeit in DE, anderer Weg: weit ausgebauter Sozialstaat mit „sozialen Bundesstaates“ — Sozialstaatsföderalismus mit ausgeprägter interregionaler Umverteilung
-Umverteilung transferiert Finanzmittel von den wirtschafts- und finanzkräftigeren Gliedstaaten und vom Bund auf die wirtschafts- und finanzschwächeren Länder
—wird durch interregionale Umverteilungswirkungen der sozialen Sicherungssysteme ergänzt (überdurchschnittlicher hoher Teil der Sozialleistungen bspw. Sozialhilfe oder das Arbeitslosengeld entfällt auf die wirtschafts- und finanzschwachen Länder)
- Föderalismusreform I und II
Föderalismusreform I 2006 von der 2. Großen Koalition und dem BR beschlossen worden, wird unterschiedlich bewertete:
- Träger als insgesamt erfolgreiche Reform (gemessen an dem Ziel der Entflechtung)
- andere, weitgehend als misslungen (gemessen am Ziel einer substanziellen Vergrößerung des Handlungsspielraums von Bund und Ländern)
Vielschichtigkeit der Föderalismusreform I:
-hat einen Teil der engen Verflechtung von Bund und Ländern in der Gesetzgebung, der Planung und Politikdurchführung rückgängig gemacht
-löste Rahmengesetzgebung des Bundes auf
-ordnete den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung neu
-verkleinerte den Anwendungsbereich der „Erforderlichkeitsklausel“ in Art. 72 des GG
-Länder erhielten in bestimmten Politikfeldern das Recht auf eine Abweichungsgesetzgebung (ist Strafvollzug, Hochschulrecht, Teile der Umweltpolitik, Besoldung und Versorgung der Landesbeamten und Richter betroffen) — Länder alleine zuständig
—Länder haben Befugnisse hinzugewonnen und der Bund an Einfluss verloren
im Gegenzug wurden aber Kompetenzen auf den Bund verlagert:
- insbesondere in den Bereichen Terrorismusabwehr und Kernenergie
- Korrekturen der Finanzverantwortung (haben den Ländern größere Lasten abverlangt)
- Abbau eines Teils der Mischfinanzierung
- Einführung eines nationalen Stabilitätspaktes, der auch die Länder in Pflicht nimmt (wie stark Bund und Länder für Verstöße gegen den Europäischen Stabilitäs- und Wachstumspakt und bei der Verletzung supranationaler und völkerrechtlicher Verfplichtungen im GG haften) — Verhältnis von 65 zu 35
hat schließlich die Mitwirkungsrechte des BR neu geordnet:
- durch Abbau der Zustimmungsrechte des BR nach Art. 84 Abs. 1
- dafür Gesetze zustimmungsbedürftig werden — Länder mit erheblichen Kostenfolgen belasten
——soll insgesamt den Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze senken:
-Fachleute erhofften sich in der 14. und 15. Wahlperiode einen Abbau von 50-55% (25% tatsächlich)
-17. Wahlperiode 38%
-Länder nutzten neue Spielräume für eigenständige Regelungen
-ferner Ausweitung der Mitwirkungsrechte des BR bei Gesetzen mit erheblichen Kostenfolgen zu bedenken
——etliche Beobachter befürchten, einen größer werdenden Flickenteppich und mehr Intransparenz
Ergebnis — nach Beseitigung der „Politikverflechtungsfalle“, Herstellung weitreichender autonomer Spielräume für Bund und Länder oder Herbeiführung einer flexibleren Form der Politikverflechtung — nicht überzeugend:
-selbe für Bildungspolitik und Bildungsfinanzierung — führte zu einer erneuten Reform 2014 in eine Sackgasse
unter bestimmten Bedingungen und in manchen Politikfeldern die „Politikverflechtungfalle“ geöffnet, mitunter auch umgangen werden kann:
- im Lichte der „Reformstau“-These oder Lehre vom strukturellen Immobilismus des deutschen Föderalismus war es zu erwarten
- laboriert an Schwäche — langer Anlauf war notwendig
- hat nur einen Teil des Reformbedarfs abgearbeitet und die Finanzverfassung ausgeklammert und die Länderneugliederung
Föderalismusreform II 2009:
-einige Finanzverfassungfragen wurden geregelt
-Kern, Einrichtung einer Schuldenbremse für die Staatsverschuldung von Bund und Ländern
-Länder nach 2020 grundsätzlich nicht mehr verschulden
-Kreditaufnahme des Bundes ab 2016 auf maximal 0,35% des BIP begrenzt
—allerdings, bei konjunkturbedingte Haushaltsdefizite größere Ordnung möglich
—Abweichung von der Schuldenbremse im Falle von Naturkatastrophen und außerordentlichen Notlagen möglich (sofern ein verbindlicher Tilgungsplan zugrunde liegt)
Effekte der „Föderalismusreform III“ 2019 abzuwarten:
- Solidarpakt II und Regelung des Finanzausgleichs enden
- Übergangsfristen der Mischfinanzierung und der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und Hochschulklinikbau auslaufen werden
Deutschland Bundesstaat im Vergleich
unterscheidet sich markant von anderen Bundesstaaten
vom Lehrbuchföderalismus trennen ihn:
- sein quasi-unitarischer Charakter
- weit vorangeschrittene Politikverflechtung
- Verbundföderalismus
- Exekutivlastigkeit
- ungewöhnlich weitreichende interregionale Umverteilungsmechanismus des „sozialen Bundesstaates“
vom Trennföderalismus und dualen Föderalismus:
-Bund und Gliedstaaten in den meisten Politikfeldern jeweils eigene Zuständigkeiten mit separaten Verwaltungsunterbauten haben
—höhere Unitarisierungs- und Verflechtungsgrad eng begrenzte Spielräume für eine autonome Politik de Länder zu Folge
vom amerikanischen und schweizerischen Bundesstaat:
-durch das Bundesratsprinzip statt des Senatsprinzip
—und zum österreichischen Bundesstaat, größere Machtteilhabe der Länder an der Gesetzgebung und der Staatsverwaltung
hohe Spannung zwischen Kooperationsbedarf und Dauerwahlkampfatmosphäre ein weiteres Kennzeichen:
-häufige Wahlen und ihre einhergehende Dauerwahlmobilisierung der Wähler
-Dynamisierung hoher Erwartungen an die Politik
—bringen das politische System in Stress
-weiterer Stressfaktor der Parteienwettbewerb (durch Kampf, Vorteilserlangung, Machterwerb und Machterhalt)
——wirken daran mit eine besonders aufwändige, zeitraubende Tätigkeit das Regieren in Deutschland ist — nicht selten verzögern sich dadurch die Wahrnehmnug und die Behandlung politischer Probleme
Theorie des „dynamischen Föderalismus“ und Studien weisen nach dass der deutsche Bundesstaat reformfähiger ist, als es die Politikverflechtungstheorie prognostiziert