Kapitel 8: Der Inhalt der Schuldverhältnisse Flashcards

1
Q

Erläutern Sie die Begriffe Primär- und Sekundärleistungspflicht! In welchem Verhältnis stehen diese Pflichten zueinander?

A

Die Primärleistungspflicht gibt an, welche Leistung der Schuldner ursprünglich erbringen muss. Diese Leistungspflicht ergibt sich aus einem Rechtsgeschäft oder aus dem Gesetz – je nachdem, ob es sich um ein rechtsgeschäftliches oder ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt. Die Primärleistungspflichten des Käufers bestehen z. B. in der Zahlung des Kaufpreises und der Abnahme der Sache. Die primäre Leistungspflicht des Deliktstäters ist auf den Ersatz des von ihm angerichteten Schadens gerichtet.
Wenn die Primärleistungspflicht gestört ist, tritt ggf. eine Sekundärleistungspflicht an ihre Stelle oder neben sie. Eine Sekundärleistungspflicht ist meist auf die Leistung von Geld gerichtet.

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2
Q

Welche beiden Arten von Nebenpflichten kennen Sie? Inwiefern unterscheiden sich diese Pflichten im Hinblick auf ihre Klagbarkeit?

A

Die Nebenpflichten können eingeteilt werden in leistungsbezogene Nebenpflichten (= Nebenleistungspflichten; meist Anzeige-, Auskunfts- und Rechenschaftspflichten) und Schutzpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB (meist Schutz-, Obhuts- und Fürsorgepflichten sowie Aufklärungspflichten). Nebenleistungspflichten können selbständig eingeklagt werden. Schutzpflichten sind zwar nicht selbständig klagbar; ihre Verletzung löst aber Schadensersatzansprüche aus.

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3
Q

Was versteht man unter dem Begriff „Störung der Geschäftsgrundlage„? Wo ist dieses Rechtsinstitut geregelt?

A

Wenn sich die dem Vertrag zugrunde liegenden äußeren Umstände verändert haben oder wenn die Vertragsparteien von vornherein unrichtige Vorstellungen über diese Umstände gehabt haben, dann kommt eine Anpassung des Vertrags nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Regelmäßig geht es dabei um die Anpassung von länger laufenden Verträgen. Hauptanwendungsfall der Lehre von der Geschäftsgrundlage ist die sog. Äquivalenzstörung, wo sich im Laufe der Zeit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung so stark verändert hat, dass einer der Parteien ein Festhalten an dem Vertrag zu unveränderten Bedingungen nicht mehr zumutbar ist.

Die Störung der Geschäftsgrundlage ist in § 313 BGB geregelt. Dort wird zwischen dem Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage (Abs. 1) und dem Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage (Abs. 2) unterschieden. Ferner bestimmt § 313 Abs. 3 BGB, dass in den Fällen der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung an deren Stelle die Vertragsauflösung tritt.

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4
Q

Erklären Sie die Begriffe „Stückschuld„ und „Gattungsschuld„ und geben Sie jeweils ein Beispiel für eine Stück- und für eine Gattungsschuld.

A

Die Stückschuld ist dadurch gekennzeichnet, dass der Gegenstand der Leistung durch individuelle Merkmale konkret bestimmt ist. Eine Stückschuld liegt z. B. vor beim Kauf eines gebrauchten Kfz, das nach Marke, Baujahr und Fahrzeugidentifikationsnummer individualisiert ist.

Bei einer Gattungsschuld ist dagegen lediglich festgelegt, dass der Schuldner aus einer durch bestimmte Merkmale festgelegten Gattung zu leisten verpflichtet ist. Welche Merkmale dies sind, bestimmen die Parteien des Vertrags. Wenn z. B. zwölf Flaschen chilenischer Rotwein, Los Vascos, Cabernet Sauvignon, Jahrgang 2010, verkauft sind, dann ist der Verkäufer verpflichtet, aus der so beschriebenen Gattung zwölf Flaschen zu liefern. Welche zwölf Flaschen aus dieser Gattung der Käufer dann konkret bekommt, steht zurzeit des Vertragsschlusses noch nicht fest.

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5
Q

Welche wichtigen Folgen hat die Vereinbarung einer Gattungsschuld für den Schuldner?

A

Nach § 243 Abs. 1 BGB ist der Schuldner einer nur der Gattung nach bestimmten Sache verpflichtet, eine Sache „von mittlerer Art und Güte„ zu leisten. Der Schuldner darf bestimmen, mit welchen Gegenständen er seine vertragliche Verpflichtung erfüllt. Er ist in seiner Wahl jedoch nicht frei, denn er muss mindestens Sachen mittlerer Art und Güte leisten. Der Obstlieferant muss daher nicht die schönsten und größten Früchte, sondern nur durchschnittliche Früchte liefern. Er ist allerdings frei, dem Abnehmer bessere Früchte auszuhändigen und zu übereignen.

Ferner trifft den Schuldner einer Gattungsschuld eine Beschaffungspflicht. Wenn also z. B. die von ihm für den Gläubiger vorgesehenen Gegenstände vernichtet worden sind, dann bleibt er zur Leistung verpflichtet. Der Schuldner wird erst dann von seiner Verpflichtung frei, wenn die gesamte Gattung, aus der nach dem Vertrag die Leistung zu erbringen ist, untergeht.

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6
Q

Wodurch wird eine Gattungsschuld zu einer Stückschuld?

A

Hierfür bedarf es der Konkretisierung. Diese setzt nach § 243 Abs. 2 BGB voraus, dass der Schuldner das „seinerseits Erforderliche„ (gemeint ist das zur Leistung einer Gattungssache von mittlerer Art und Güte Erforderliche) getan hat. Im Gesetz findet sich keine Aussage zu der Frage, was im Einzelfall das „seinerseits Erforderliche„ ist. Maßgeblich ist insoweit der Leistungsort. Es kommt also darauf an, ob die Parteien eine Holschuld, eine Bringschuld oder eine Schickschuld vereinbart haben (siehe unten Frage 9).

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7
Q

Welche Orte kann man unterscheiden, wenn man vom „Ort der Leistung„ spricht? Wonach bestimmt sich der Erfüllungsort?

A

Der Erfüllungsort (auch Leistungsort) ist der Ort, an dem der Schuldner seine Leistungshandlung vornehmen muss. Wo der Leistungsort liegt, hängt nach § 269 Abs. 1 BGB in erster Linie von der Vereinbarung der Parteien ab. In zweiter Linie kommt es auf die Umstände an (z. B. Tapezieren in der Wohnung des Auftraggebers). Sofern sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen entnehmen lässt, hat der Schuldner an seinem Wohnsitz die Leistungshandlung vorzunehmen. Leistungsort ist nach dem gesetzlichen Regelfall also der Wohnsitz des Schuldners.

Von dem Leistungsort zu unterscheiden ist der Erfolgsort. Dies ist der Ort, an dem der Leistungserfolg eintritt. Nicht selten fallen der Leistungsort und der Erfolgsort zusammen.

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8
Q

Erläutern Sie die Begriffe Holschuld, Bringschuld und Schickschuld!

A

Von einer Holschuld spricht man, wenn der Leistungsort und der Erfolgsort beim Schuldner liegen. Der Schuldner hat seine Leistungshandlung an seinem Wohnsitz vorzunehmen; dort tritt auch der Leistungserfolg ein. Die Holschuld ist der gesetzliche Regelfall. Sie ist gegeben, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben und sich auch nichts anderes aus den Umständen ergibt (vgl. § 269 Abs. 1 BGB).

Bei der Bringschuld liegen dagegen sowohl der Leistungs- als auch der Erfolgsort beim Gläubiger. Der Schuldner muss beim Gläubiger die Leistungshandlung vornehmen; dort tritt auch der Leistungserfolg ein. Bringschulden sind die Ausnahme (vgl. § 269 Abs. 3 BGB).

Zwischen der Hol- und der Bringschuld liegt die Schickschuld. Hier nimmt der Schuldner an seinem Wohnsitz die Leistungshandlung vor, indem er die Ware versendet. Der Leistungserfolg tritt aber erst beim Gläubiger ein, wenn die Ware eintrifft.

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9
Q

Was muss der Schuldner einer nur der Gattung nach bestimmten Sache tun, um den Vorteil der Konkretisierung zu erlangen, wenn

eine Holschuld vereinbart ist,

eine Schickschuld vereinbart ist,

eine Bringschuld vereinbart ist?

A

Bei der Holschuld muss der Schuldner Gegenstände „mittlerer Art und Güte” aus der Gattung auswählen und absondern sowie dem Gläubiger mitteilen, dass er die Ware abholen kann.

Bei der Schickschuld muss der Schuldner erfüllungstaugliche Gegenstände (also solche „mittlerer Art und Güte„) zur Versendung bringen (z. B. durch Übergabe an ein Transportunternehmen).

Bei der Bringschuld muss der Schuldner erfüllungstaugliche Ware zum Gläubiger bringen und ihm dort tatsächlich anbieten.

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10
Q

Inwiefern ist es für den Eintritt von Gläubiger- und Schuldnerverzug von Bedeutung, wenn der Schuldner seine Leistungshandlung nicht am richtigen Ort vornimmt?

A

Der Gläubiger gerät nicht in Annahmeverzug, wenn ihm der Schuldner die Leistung nicht am richtigen Ort anbietet, also z. B. im Falle einer Bringschuld erklärt, die Sache stehe bei ihm zur Abholung bereit. Umgekehrt verhindert die am falschen Ort vorgenommene Leistungshandlung den Eintritt des Schuldnerverzugs nicht.

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11
Q

Im Hinblick auf die Leistungszeit kann man zwei Zeitpunkte unterscheiden. Wie werden diese Zeitpunkte genannt? Welche Vorschrift regelt, wonach sich die Leistungszeit bestimmt?

A

Hinsichtlich der Leistungszeit wird zwischen Fälligkeit und Erfüllbarkeit unterschieden. Bei Fälligkeit muss der Schuldner leisten; ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit kann der Gläubiger die Leistung fordern. Mit Erfüllbarkeit ist der Zeitpunkt gemeint, zu dem der Schuldner (frühestens) leisten darf. Es ist ja denkbar, dass der Gläubiger gar kein Interesse an einer sofortigen Leistung hat, z. B. weil ihm dann – bei einem verzinslichen Darlehen – Zinsen entgehen.

Nach § 271 Abs. 1 BGB richtet sich die Leistungszeit grundsätzlich nach der Parteivereinbarung. Ist eine solche nicht getroffen und lässt sich die Leistungszeit auch nicht aus den Umständen entnehmen, treten Fälligkeit und Erfüllbarkeit sofort ein. Im Hinblick auf die Erfüllbarkeit enthält § 271 Abs. 2 BGB eine Auslegungsregel.

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12
Q

Erläutern Sie die Begriffe „absolutes Fixgeschäft„ und „relatives Fixgeschäft„ und nennen Sie die Vorschrift aus dem BGB, in der das relative Fixgeschäft angesprochen ist!

A

Bei absoluten Fixgeschäften kann die vereinbarte Leistung sinnvollerweise nur zu (oder bis zu) einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden. Wird die Leistungszeit nicht eingehalten, dann begründet dies die Unmöglichkeit der Leistung. Schulbeispiele sind der Brautstrauß zur Hochzeit, die Trauermusik zur Beerdigung und das Taxi zum Flughafen.

Von einem relativen Fixgeschäft spricht man, wenn nach dem Willen der Parteien die Leistungszeit so wesentlich ist, dass das Geschäft mit ihrer Einhaltung „stehen und fallen” soll. Für die Annahme eines relativen Fixgeschäfts reicht es nicht aus, dass eine bestimmte Zeit für die Leistung vereinbart worden ist. Vielmehr muss zwischen den Parteien klar sein, dass der Gläubiger nach Ablauf der vereinbarten Zeit kein Interesse mehr an der Leistung hat (ob­wohl diese – anders als beim absoluten Fixgeschäft – nicht vollkommen sinnlos wäre). Als Beispiele für relative Fixgeschäfte können Kaufverträge über Saisonwaren angeführt werden, z. B. über Badekleidung, Weihnachtsmänner oder Kalender (zur Jahreswende). Im Gesetz ist das relative Fixgeschäft in § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB angesprochen. Dort ist davon die Rede, dass „der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat„.

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13
Q

Muss der Schuldner stets in Person leisten?

A

Nein, eine Leistung in Person ist in der Regel nicht erforderlich. Nach § 267 Abs. 1 BGB kann auch ein Dritter die Leistung bewirken, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. In Person zu leisten hat im Zweifel z. B. der Schuldner einer Dienstleistung (§ 631 Satz 1 BGB).

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14
Q

Unter welchen Voraussetzungen kann der Schuldner die in § 320 BGB geregelte Einrede erheben?

A

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags kann der Schuldner erheben, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

Es muss ein gegenseitiger Vertrag gegeben sein.

Im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflichten (d. h. Hauptleistungspflichten) aus diesem Vertrag stehen einander gegenüber.

Die dem Schuldner gegen den Gläubiger zustehende Forderung ist bereits fällig.

Die Einrede ist nicht ausgeschlossen, weil der Schuldner zur Vorleistung verpflichtet ist.

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15
Q

Unter welchen Voraussetzungen kann der Schuldner seine Leistung nach § 273 BGB zurückbehalten?

A

Die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB sind die folgenden:

Zwei Personen haben Ansprüche gegeneinander.

Der Anspruch des – das Zurückbehaltungsrecht ausübenden – Schuldners muss durchsetzbar sein.

Die gegenseitigen Ansprüche müssen auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen (sogenannte Konnexität). Dabei genügt es, wenn die Ansprüche auf einem einheitlichen Lebensverhältnis beruhen und zwischen ihnen ein natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der es rechtfertigt, dass der eine Anspruch nicht unabhängig vom anderen durchgesetzt werden kann.

Kein Anschluss des Zurückbehaltungsrechts.

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16
Q

Wird die Klage abgewiesen, wenn der Schuldner im Prozess die Einrede aus § 320 BGB erhebt oder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ausübt?

A

Nein, die Geltendmachung der in §§ 320 und 273 BGB geregelten Einreden führt lediglich dazu, dass der Schuldner zur Leistung Zug um Zug gegen Empfang der ihm gebührenden Gegenleistung verurteilt wird (§§ 322 Abs. 1, 274 Abs. 1 BGB).