Kapitel 2: Das Rechtsgeschäft Flashcards
Was ist ein Rechtsgeschäft, was ist eine Willenserklärung, und wie verhalten sich die beiden zueinander?
Unter einem Rechtsgeschäft versteht man einen Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolgs knüpft. Eine Willenserklärung ist eine nach außen gerichtete, private Erklärung, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist. Etwas kürzer wird die Willenserklärung auch definiert als eine private Willensäußerung, die auf die Erzielung einer Rechtsfolge gerichtet ist.
Das Rechtsgeschäft ist demnach der Oberbegriff, weil es mindestens eine Willenserklärung voraussetzt. Es kann bestehen aus nur einer Willenserklärung (z. B. Anfechtung, Kündigung, Testament), aus mehreren Willenserklärungen (vor allem zwei- oder mehrseitiger Vertrag) oder aus Willenserklärung und tatsächlichen Elementen (z. B. Übereignung einer beweglichen Sache gem. § 929 Satz 1 BGB: Einigung über den Eigentumsübergang als Vertrag und Übergabe der Sache als tatsächliches Element).
Aus welchen beiden Elementen besteht eine Willenserklärung?
Eine Willenserklärung besteht aus zwei Elementen, dem inneren Willen und der Erklärung dieses Willens nach außen hin. Wille und Erklärung bilden als Willensäußerung eine Einheit.
Wie lässt sich die Willenserklärung gegenüber Realakten und geschäftsähnlichen Handlungen abgrenzen?
Ein Realakt ist eine rein tatsächliche menschliche Handlung, an welche die Rechtsordnung unabhängig vom Willen des Handelnden bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Der wesentliche Unterschied zur Willenserklärung besteht darin, dass die Rechtsfolgen hier unabhängig vom Willen des Handelnden eintreten.
Eine geschäftsähnliche Handlung ist eine bewusste Willenskundgabe, an die das Gesetz unmittelbar und stets Rechtsfolgen knüpft, und zwar unabhängig davon, ob der Handelnde diese Rechtsfolgen gewollt hat. Anders als bei der Willenserklärung treten die Rechtsfolgen also auch hier unabhängig vom Willen des Handelnden ein. Da die geschäftsähnlichen Handlungen aber eine bewusste Kundgabe eines Willens enthalten, stehen sie den Willenserklärungen so nahe, dass die Vorschriften über Rechtsgeschäfte analoge Anwendung finden, soweit das ihr Sinn und Zweck erfordern. Danach setzt beispielsweise eine wirksame Mahnung in analoger Anwendung des § 130 Abs. 1 BGB den Zugang beim Schuldner voraus.
In welche Unterelemente lässt sich der innere Wille als subjektiver Tatbestand der Willenserklärung aufgliedern?
Der innere Wille wird herkömmlicherweise in die drei Unterelemente Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille aufgegliedert. Der Handlungswille meint das Bewusstsein, überhaupt zu handeln; er fehlt bei unbewussten Handlungen und unmittelbarem körperlichem Zwang, der sog. vis absoluta. Unter dem Erklärungsbewusstsein oder dem Erklärungswillen versteht man das Bewusstsein, rechtsgeschäftlich zu handeln. Dieser Wille bezieht sich speziell darauf, dass das gewollte Handeln rechtserheblich, nämlich auf die Erzielung von Rechtsfolgen gerichtet ist. Der Geschäftswille, auch Rechtsfolgewille genannt, bezeichnet schließlich den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Im Unterschied zum Erklärungsbewusstsein zielt er nicht bloß darauf, überhaupt irgendeine Rechtsfolge auszulösen, sondern er bezieht sich auf die Herbeiführung eines ganz bestimmten, konkreten rechtlichen Erfolgs.
Welche Rechtsfolgen hat es, wenn eines der drei Willenselemente fehlt? Geben Sie dazu bitte jeweils ein Beispiel.
Fehlte dem Erklärenden der Handlungswille, liegt gar keine Willenserklärung vor. Das ist etwa der Fall, wenn der geldgierige Erbe seiner körperlich schwachen Erbtante bei der Abfassung des Testaments, in dem sie ihn zum Alleinerben einsetzt, die Hand führt (vis absoluta).
Fehlte ihm das Erklärungsbewusstsein, kommt es darauf an, ob der Handelnde bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und ob der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat. Danach liegt regelmäßig zunächst eine wirksame Willenserklärung vor, die der Handelnde dann durch eine Anfechtung wieder beseitigen kann. Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung wird in solchen Fällen also wie eine anfechtbare Willenserklärung behandelt. Das Schulbeispiel ist der sog. Trierer Weinversteigerungsfall. Dort betritt ein Ortsfremder ein Lokal, in dem eine Weinversteigerung stattfindet, und winkt dort seinem Bekannten zu, ohne zu wissen, dass das Heben der Hand die Abgabe eines um 50 € höheren Gebotes bedeutet. Da diese Bedeutung ortsüblich ist, hat der Ortsfremde den Wein ersteigert, kann die Erklärung aber wegen eines Erklärungsirrtums gem. § 119 Abs. 1, 2. Fall BGB anfechten, weil er keine Willenserklärung dieses Inhalts abgeben wollte.
Fehlte dem Erklärenden der Geschäftswille, hat er eine wirksame Willenserklärung abgegeben. Da sie aber nicht mit dem Geschäftswillen des Handelnden übereinstimmt, kann er sie nach den Vorschriften der §§ 119 ff. BGB anfechten und so gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend beseitigen. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn der Verkäufer sich bei seinem Angebot verschreibt, vertippt oder verspricht und der Kaufvertrag durch die Annahme des Käufers deshalb zu einem niedrigeren als dem gewollten Kaufpreis zustande kommt.
Was versteht man unter einer konkludenten Willenserklärung?
Unter einer konkludenten Willenserklärung versteht man ein Verhalten, das unmittelbar einen anderen Zweck verfolgt, mittelbar aber einen bestimmten Geschäftswillen zum Ausdruck bringt. Ob es sich um eine Willenserklärung handelt und welchen Inhalt sie hat, ist durch Auslegung zu bestimmen. Man spricht auch von schlüssigen oder stillschweigenden Willenserklärungen.
Ist das Schweigen eine konkludente Willenserklärung?
Nein, das bloße Nichtstun oder Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Wer nichts tut und wer nichts sagt, der erklärt auch nichts. Allerdings kann dem Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise die Bedeutung einer schlüssigen Willenserklärung zukommen. Diese Ausnahmen müssen gesetzlich angeordnet oder von den Parteien vereinbart sein, oder der Schweigende muss ausnahmsweise nach Treu und Glauben zur Erklärung verpflichtet sein.
Muss der Empfänger einer unaufgefordert zugesandten Ware sie bezahlen, oder muss er sie zumindest sorgfältig aufbewahren und auf Verlangen wieder zurückschicken?
Sendet ein Unternehmer (§ 14 BGB) einem Verbraucher (§ 13 BGB) unbestellte Waren zu, bestätigt § 241a BGB zunächst, dass durch Schweigen auf die Lieferung unbestellter Sachen hin kein Vertrag zustande kommt. Darüber hinaus regelt § 241a Abs. 1 BGB, dass ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet wird. Demnach hat der Unternehmer in diesen Fällen nicht einmal einen gesetzlichen Anspruch gegen den Verbraucher auf die Rückgabe der Sache. Der Empfänger darf die Sache also behalten, ohne sie bezahlen zu müssen.
Welche Rechtsfolgen hat das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben?
Widerspricht ein Kaufmann der schriftlichen Bestätigung eines Vertragsschlusses nicht unverzüglich, wenn es vom mündlich Vereinbarten abweicht, muss er den Inhalt des Schreibens gegen sich gelten lassen. Sein Schweigen gilt als Zustimmung zum Inhalt des Schreibens. Dazu müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Der Empfänger des Schreibens muss Kaufmann sein.
Der Absender muss Kaufmann sein oder in größerem Umfang am Geschäftsverkehr teilnehmen.
Dem Schreiben müssen Vertragsverhandlungen vorausgegangen sein, die mit Unsicherheiten belastet sind.
Das Schreiben muss unmittelbar nach den Verhandlungen abgeschickt werden.
Das Schreiben muss den früheren Vertragsschluss unter Wiedergabe des Vertragsinhalts bestätigen.
Der Absender muss redlich sein und glauben, dass der Inhalt des Schreibens der Vereinbarung entspricht oder nur solche Abweichungen enthält, die der Empfänger vermutlich billigt.
Der Empfänger darf nicht unverzüglich widersprochen haben.
Was sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte?
Ein Verpflichtungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, durch das die Verpflichtung zu einer Leistung begründet wird. Es verschafft dem Begünstigten einen Anspruch, also gem. § 194 Abs. 1 BGB das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Erfüllung dieses Anspruchs, die Leistung (vgl. § 362 Abs. 1 BGB), bewirkt das Verpflichtungsgeschäft gerade noch nicht.
Ein Verfügungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar (also ohne weitere Durchführungsgeschäfte) übertragen, belastet, inhaltlich geändert oder aufgehoben wird. Im Gegensatz zum Verpflichtungsgeschäft gestaltet es unmittelbar die Rechtslage.
Erläutern Sie bitte den Trennungs- und Abstraktionsgrundsatz abstrakt und anhand eines Beispiels.
Der Trennungsgrundsatz besagt, dass zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft getrennt werden muss und dass es sich um zwei verschiedene Rechtsgeschäfte handelt. Der Abstraktionsgrundsatz baut auf dem Trennungsgrundsatz auf. Danach sind die Wirksamkeit des (kausalen) Verpflichtungsgeschäfts und diejenige des (abstrakten) Verfügungsgeschäfts grundsätzlich voneinander unabhängig zu beurteilen. Die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts führt als solche ebenso wenig zur Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts wie umgekehrt. Deshalb muss die Wirksamkeit beider Geschäfte jeweils getrennt geprüft werden.
Verkauft beispielsweise Verkäufer V dem Käufer K sein gebrauchtes Notebook zum Preis von 500 €, begründet der Kaufvertrag die beiderseitigen Pflichten. V hat gem. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht, K das Notebook zu übergeben und zu übereignen. K hat gem. § 433 Abs. 2 BGB die Pflicht, V den Kaufpreis von 500 € zu zahlen. Das ist das Verpflichtungsgeschäft.
Diese beiden gegenseitigen Pflichten werden durch zwei Verfügungsgeschäfte erfüllt. V erfüllt seine Pflicht zur Lieferung des Notebooks durch eine Übereignung gem. § 929 Satz 1 BGB, also durch die Einigung mit K, dass das Eigentum am Notebook auf K übergehen soll, und durch die Übertragung des Besitzes, nämlich der tatsächlichen Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB), auf K. Im Gegenzug erfüllt K seine Zahlungspflicht durch die Übereignung eines 500 €-Scheins gem. § 929 Satz 1 BGB.
Die Wirksamkeit aller drei Geschäfte ist voneinander unabhängig. Ist der Kaufvertrag unwirksam, z. B. wegen einer Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB, können die Verfügungen (Übereignung des Notebooks und des Geldes) über die Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB rückabgewickelt werden, weil der jeweilige Rechtsgrund fehlt, nämlich die Verpflichtungen aus § 433 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB. Ist eines der Verfügungsgeschäfte unwirksam, behält der jeweilige Gläubiger seinen Anspruch auf Lieferung der Sache aus § 433 Abs. 1 Satz 1 oder auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB, weil er noch nicht gem. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden ist.
Was ist ein Vertrag?
Ein Vertrag ist ein Rechtsgeschäft, das aus inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen besteht. Diese Willenserklärungen sind das Vertragsangebot (der Antrag) und die Annahme.
Welche Arten von Verträgen kann man unterscheiden?
Zunächst lassen sich schuldrechtliche Verträge und Verträge aus anderen Rechtsgebieten unterscheiden. Der schuldrechtliche Vertrag ist das zentrale Mittel, um gem. § 311 Abs. 1 BGB Schuldverhältnisse zu begründen und zu ändern. Seltener sind Verträge aus anderen Rechtsgebieten wie dem Sachenrecht (dingliche Verträge, z. B. das Einigsein bei der Übereignung gem. §§ 873 Abs. 1, 925 und 929 Satz 1 BGB), dem Familienrecht (z. B. Ehevertrag) und dem Erbrecht (z. B. Erbvertrag).
Eine weitere Unterscheidung lässt sich aus der Art der aus dem Vertrag resultierenden Pflichten gewinnen. In einem einseitig verpflichtenden Vertrag verpflichtet sich nur ein Vertragspartner zu einer Leistung. Der andere Vertragspartner wird aus dem Vertrag lediglich berechtigt, ohne seinerseits eine Verpflichtung zu übernehmen. Bei einem unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Vertrag trägt eine Partei die Hauptlast des Vertrags. Ihre Verpflichtung bestimmt den maßgeblichen Vertragsinhalt. Für die andere Vertragspartei begründet ein solcher Vertrag nicht von vornherein, sondern erst unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Verpflichtung. Die wichtigsten Verträge sind die gegenseitigen oder vollkommen zweiseitig verpflichtenden Verträge. In einem gegenseitigen Vertrag begründen beide Partner Leistungspflichten, die rechtlich gleichwertig sind und gegenseitig voneinander abhängen.
Was ist das Besondere an einem gegenseitigen Vertrag?
Das Besondere an einem gegenseitigen Vertrag ist die Verknüpfung der Hauptleistungspflichten. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis der Hauptleistungen bezeichnet man mit dem lateinischen Begriff des „do ut des„: ich gebe, damit du gibst. Eine andere, aus dem Griechischen stammende Bezeichnung ist das Synallagma; man spricht von der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Nur für solche gegenseitigen Pflichten gelten im Recht der Leistungsstörungen die Sondervorschriften der §§ 320 ff. BGB.
Welche Fallgestaltungen müssen in Bezug auf das Wirksamwerden von Willenserklärungen unterschieden werden?
Aus § 130 Abs. 1 BGB ist zu entnehmen, dass zwischen der Abgabe und dem Zugang einer Willenserklärung zu differenzieren ist. Deshalb müssen die folgenden drei Fallgestaltungen unterschieden werden: das Wirksamwerden nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen, das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen unter Abwesenden und das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen unter Anwesenden.
Was ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, und wie wird sie wirksam?
Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen sind Ausnahmefälle, weil sie nicht an eine Person gerichtet sind. Sie werden mit ihrer Abgabe wirksam, weil es keinen Empfänger gibt, dessen Interessen berücksichtigt werden müssen. Hier genügt die Vollendung der Willenserklärung. Hauptbeispiel ist das Testament. Das eigenhändige Testament wird wirksam, sobald der Erblasser es verfasst und unterschrieben hat (vgl. § 2247 BGB).
Was ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, und wie wird sie wirksam?
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind der Regelfall, weil sie einem anderen gegenüber abzugeben sind (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie haben einen bestimmten Adressaten. Deshalb genügt nicht bloß ihre Vollendung, sondern sie müssen in Richtung des Empfängers abgegeben (entäußert) werden, und sie müssen dem Empfänger auch gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen. Hinsichtlich des Zugangs muss danach unterschieden werden, ob der Empfänger an- oder abwesend ist. Beispiele für empfangsbedürftige Willenserklärungen sind etwa Angebot und Annahme, aber auch Anfechtungs- oder Kündigungserklärung.