Kapitel 7: Arten und Entstehung von Schuldverhältnissen Flashcards
Welche Arten von Schuldverhältnissen gibt es?
Man unterscheidet zwischen rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse beruhen auf dem Willen des Schuldners. Zu ihrer Entstehung ist im Regelfall der Abschluss eines Vertrages erforderlich (so auch § 311 Abs. 1 BGB). Gesetzliche Schuldverhältnisse sind dagegen vom Willen des Schuldners unabhängig. Sie entstehen dadurch, dass die im Gesetz normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt werden (Beispiel: § 823 Abs. 1 BGB). Wenn also z. B. Siegfried (S) den Günther (G) versehentlich mit dem Auto „vom Rad geholt„ hat, dann ist er dem G auch dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er dies nicht will. In Betracht kommen in dem Fall etwa der Ersatz der Behandlungskosten, des Verdienstausfalls und des Sachschadens sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Nennen sie Beispiele, in denen ein rechtgeschäftliches Schuldverhältnis nicht durch Vertrag, sondern durch ein einseitiges Rechtsgeschäft begründet wird! Erläutern Sie eines dieser Beispiele näher!
Von dem Grundsatz, dass rechtgeschäftliche Schuldverhältnisse durch Vertrag oder durch Gesetz begründet werden, gibt es einige wenige Ausnahmen. In diesen Fällen genügt zur Begründung eines „Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft„ (§ 311 Abs. 1 BGB) eine einzige Willenserklärung. Fälle, in denen ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis durch ein einseitiges Rechtsgeschäft begründet wird, sind z. B. in § 657 BGB (Auslobung), in § 661a BGB (Gewinnzusage) und in §§ 1939, 2147 ff. BGB (Vermächtnis) geregelt. Während die Auslobung und die Gewinnzusage in der Praxis kaum eine Rolle spielen, ist das Vermächtnis von erheblicher praktischer Bedeutung.
BEISPIEL:
Eduard (E) setzt seine Tochter Thea (T) im Testament zur Alleinerbin ein. Seiner Enkelin Verena (V) vermacht er allerdings seine Bibliothek. Beim Tod des E rückt die T in vollem Umfang in die vermögensrechtliche Stellung des E ein (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB). Ihr gehört alles, was vorher dem E gehört hat, auch die – der V zugedachte – Bibliothek. Aufgrund des Vermächtnisses, einer von E abgebebenen Willenserklärung, ist T aber verpflichtet, der V die Bücher aus der Bibliothek zu übereignen. V als Vermächtnisnehmerin hat also aus dem Vermächtnis einen Anspruch gegen die Alleinerbin T (vgl. § 2174 BGB).
Unter welchen Voraussetzungen entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis?
Die Voraussetzungen, unter denen ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht, sind in § 311 Abs. 2 BGB geregelt. Demnach entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis durch
Nr. 1: die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
Nr. 2: die Anbahnung eines Vertrages oder
Nr. 3: durch ähnliche geschäftliche Kontakte.
Da Vertragsanbahnung auch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit umfasst, hätte man auf § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB eigentlich verzichten können. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist daher der Grundtatbestand.
Welche Arten von Pflichten existieren im vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht?
Im vorvertraglichen Schuldverhältnis gibt es nur Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. § 311 Abs. 2 BGB). Es existieren dort also keine Leistungspflichten, sondern nur Schutzpflichten.
Zwischen welchen Personen entsteht in der Regel ein vorvertragliches Schuldverhältnis?
Ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht regelmäßig zwischen den Personen, die als Parteien des in Aussicht genommenen Vertrages vorgesehen sind. Vertreter oder sonstige Verhandlungsgehilfen sind grundsätzlich nicht in das vorvertragliche Schuldverhältnis einbezogen. Sie sollen nämlich nicht Partner des Vertrages werden, über den verhandelt wird.
Kann ein vorvertragliches Schuldverhältnis auch zu einer Person entstehen, die nicht Partner des intendierten Vertrags werden soll? Nennen Sie ein Beispiel!
Nach § 311 Abs. 3 BGB kann auch zu Personen, die nicht Vertragspartner werden sollen, ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstehen. Dies ist nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB insbesondere dann der Fall, wenn die dritte Person besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Wer lediglich als Vertreter oder Verhandlungsgehilfe für die Partei des in Aussicht genommen Vertrags auftritt und dabei nur „normales Verhandlungsvertrauen„ in Anspruch nimmt, wird daher nicht Partei des vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Vielmehr treffen ihn die vorvertraglichen Pflichten nur dann persönlich, wenn er erhöhtes Vertrauen in Anspruch nimmt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Vertreter die persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernimmt, indem er z. B. erklärt, er wolle sich für die Seriosität des Geschäfts „verbürgen„ (vgl. OLG Hamm WM 1993, 241).