Kapitel 5: Stellvertretung Flashcards
Was ist unter Stellvertretung zu verstehen und wo ist sie geregelt?
Stellvertretung bedeutet, dass jemand für einen anderen handelt, indem er ihn durch seine Willenserklärung berechtigt und verpflichtet. Gesetzlich geregelt ist sie in den §§ 164 ff. BGB. Nach der Grundnorm des § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
Was ist der Unterschied zwischen der Aktiv- und der Passivvertretung?
Aktivvertretung liegt vor, wenn der Stellvertreter eine Willenserklärung für den Vertretenen abgibt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Um Passivvertretung handelt es sich dagegen, wenn der Stellvertreter eine Willenserklärung für den Vertretenen entgegennimmt (§ 164 Abs. 3 BGB).
Wie unterscheiden sich die rechtsgeschäftliche und die gesetzliche Stellvertretung?
Diese Formen der Stellvertretung unterscheiden sich in Bezug auf ihren Entstehungsgrund. Die rechtsgeschäftliche oder gewillkürte Stellvertretung beruht auf einem Rechtsgeschäft, der Bevollmächtigung (§ 167 BGB). Die so erteilte Vertretungsmacht bezeichnet das Gesetz in der Legaldefinition des § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB als Vollmacht. Bei der gesetzlichen Stellvertretung resultiert die Vertretungsmacht dagegen aus dem Gesetz. Die wichtigsten Beispiele sind die gesetzlichen Vertreter von nicht voll geschäftsfähigen Menschen und von juristischen Personen.
Sind die §§ 164 ff. BGB auf die sog. mittelbare Stellvertretung anwendbar?
Nein, weil mittelbare Stellvertreter im Unterschied zu „echten„ Stellvertretern im eigenen Namen und nur auf Rechnung des anderen handeln. Mittelbare Stellvertreter sind z. B. Kommissionäre (§ 383 Abs. 1 HGB) und Treuhänder.
Nennen Sie bitte die Voraussetzungen der Stellvertretung. Aus welcher Norm ergeben sie sich?
Zunächst muss eine Stellvertretung zulässig sein; daran fehlt es etwa bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften wie der Eheschließung oder der Errichtung eines Testaments. Dann müssen die drei weiteren Voraussetzungen erfüllt sein, die sich aus § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben. Danach muss der Vertreter erstens eine eigene Willenserklärung abgegeben haben, er muss zweitens im Namen des Vertretenen gehandelt haben, und er muss sich drittens innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehalten haben.
Was ist der Unterschied zwischen einem Boten und einem Stellvertreter?
Der Bote überbringt lediglich eine fremde Willenserklärung, während der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung abgibt. Die Abgrenzung richtet sich danach, ob der Handelnde bezüglich der Willenserklärung einen eigenen Entscheidungsspielraum hat. Im Schriftverkehr bedeutet der Zusatz „i. A.„ (= im Auftrag), dass nur Botenschaft vorliegt. Stellvertreter ist der Unterzeichner dagegen, wenn er mit dem Zusatz „i. V.„ (= in Vertretung) unterschrieben hat.
Welche Bedeutung hat die Unterscheidung zwischen Botenschaft und Stellvertretung?
Da der Bote keine eigene Willenserklärung abgibt, finden die §§ 164 ff. BGB keine Anwendung. Aus diesem Grund kann der Bote auch geschäftsunfähig sein, während der Stellvertreter gem. § 165 BGB mindestens beschränkt geschäftsfähig sein muss. Soweit die abzugebende Willenserklärung einer Form bedarf, bezieht sich das Formerfordernis bei der Botenschaft auf die Erklärung des Geschäftsherrn, weil der Bote diese fremde Willenserklärung übermittelt, wohingegen bei der Stellvertretung die Erklärung des Stellvertreters der Form genügen muss, weil dieser eine eigene Willenserklärung abgibt. Schließlich hat die Unterscheidung noch Bedeutung, wenn bei der Übermittlung der Willenserklärung Fehler auftreten. Übermittelt ein Bote eine Erklärung fehlerhaft, ist der Geschäftsherr an die Erklärung gebunden, kann sie aber gem. § 120 BGB anfechten. Dem gegenüber kommt es bei der Stellvertretung gem. § 166 Abs. 1 BGB darauf an, ob sich der Vertreter bei der Abgabe seiner Willenserklärung geirrt hat. Danach kann der Vertretene die Willenserklärung, die ihn gem. § 164 Abs. 1 BGB bindet, gem. § 166 Abs. 1 BGB i. V. mit §§ 119 ff. BGB (nur) dann anfechten, wenn der Vertreter sich geirrt hat, getäuscht oder bedroht worden ist.
Was versteht man unter dem Begriff der Offenkundigkeit?
Offenkundigkeit bezeichnet die in § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB festgelegte Voraussetzung, dass der Stellvertreter im Namen des Vertretenen handeln muss. Die Offenkundigkeit kann sich auch aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Welche Ausnahmen vom Prinzip der Offenkundigkeit kennen Sie?
Eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip ist das „Geschäft für den, den es angeht„. Macht der Vertreter bei Bargeschäften des täglichen Lebens, die sofort abgewickelt werden und bei denen die Person des Geschäftspartners unerheblich ist, nicht klar, dass er für den Vertretenen handelt, wird dieser trotzdem unmittelbar berechtigt und verpflichtet.
Eine weitere wichtige Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips findet sich im Eherecht. Nach § 1357 Abs. 1 BGB vertritt ein Ehegatte den anderen bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs kraft Gesetzes. Das ist die sog. Schlüsselgewalt.
Was ist eine Vollmacht?
Nach der Legaldefinition des § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Vollmacht die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht.
Wie kann eine Vollmacht erteilt werden?
Eine Vollmacht kann entweder gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder gegenüber dem Dritten erteilt werden, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. Im ersten Fall liegt eine Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1, 1. Fall BGB) und im zweiten Fall eine Außenvollmacht vor (§ 167 Abs. 1, 2. Fall BGB).
Bedarf die Erteilung der Vollmacht einer Form?
Nein, gem. § 167 Abs. 2 BGB kann die Vollmacht sogar dann formfrei erteilt werden, wenn das Rechtsgeschäft, das der Stellvertreter abschließen soll, einer Form bedarf. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind entweder gesetzlich vorgesehen oder ergeben sich aus dem Sinn und Zweck der Formvorschrift, die für das vom Vertreter vorzunehmende Rechtsgeschäft gilt.
Wonach bestimmt sich der Umfang der Vollmacht?
Grundsätzlich bestimmt der Vertretene, in welchem Umfang er dem Vertreter Vollmacht erteilt. In einigen Fällen wird der Umfang einer Vollmacht aber bereits vom Gesetz zwingend festgelegt. Das gilt etwa für die handelsrechtliche Prokura (§ 48 Abs. 1 HGB). Wer eine Prokura erteilt, kann den Umfang der darin enthaltenen Vollmacht nach außen hin nicht wirksam beschränken. Weitere handelsrechtliche Vollmachten sind die Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) und Ladenvollmacht (§ 56 HGB).
Worauf bezieht sich die Unterscheidung zwischen Vollmacht und Grundverhältnis?
Die Vollmacht betrifft das Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung erfolgt, also das Außenverhältnis. Nach der Vollmacht und ihrem Umfang beurteilt sich die Frage, was der Vertreter nach außen hin tun kann. Man spricht vom rechtlichen Können.
Dem gegenüber betrifft das Grundverhältnis die Beziehungen zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter, also das Innenverhältnis. Es geht um die Frage, was der Vertreter gegenüber dem Vertretenen zu tun berechtigt ist, was er tun darf. Man spricht vom rechtlichen Dürfen. Einer Vollmacht kann als Grundverhältnis z. B. eine Auftrag oder ein Arbeitsvertrag zugrunde liegen.
In welchem Verhältnis stehen Vollmacht und Grundverhältnis zueinander?
Die Vollmacht ist in ihrer Entstehung unabhängig (abstrakt) vom Grundverhältnis. Im Fortbestehen ist die Vollmacht hingegen abhängig vom Grundverhältnis. Dieses Verhältnis wird als beschränkte Abstraktheit der Vollmacht bezeichnet.