Kapitel 10: Störungen im Schuldverhältnis Flashcards
Welche Arten von allgemeinen Leistungsstörungen kann man unterscheiden?
Unmöglichkeit der Leistung;
Verzögerung der Leistung;
Schlechtleistung;
Verletzung von Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB;
Verzug des Gläubigers.
Welche Vorschrift gehört fast immer zur Anspruchsgrundlage, wenn Schadensersatz wegen der Verletzung einer schuldrechtlichen Pflicht verlangt wird? In welchem Sonderfall gehört diese Vorschrift nicht zur Anspruchsgrundlage?
§ 280 Abs. 1 BGB ist die zentrale Anspruchsgrundlage, wenn der Gläubiger vom Schuldner Schadensersatz wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis verlangt.
Wenn der Gläubiger im Falle der anfänglichen Unmöglichkeit vom Schuldner Schadensersatz statt der Leistung verlangt, dann gehört § 280 Abs. 1 BGB nicht zur Anspruchsgrundlage. Anspruchsgrundlage ist in diesem Fall vielmehr § 311a Abs. 2 BGB.
In welchen Fällen ist die zentrale Vorschrift für Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzungen als alleinige Anspruchsgrundlage nicht ausreichend? Welche Bestimmungen kommen in diesen Fällen hinzu?
Diese Frage ist in § 280 Abs. 2 und 3 BGB beantwortet. Demnach ist § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage nicht ausreichend,
wenn der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung verlangt. Anspruchsgrundlage sind in diesem Fall §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.
wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Anspruchsgrundlage sind in diesem Fall § 280 Abs. 1 und 3 BGB in Verbindung mit § 281 BGB, in Verbindung mit § 282 BGB oder in Verbindung mit § 283 BGB.
In welchem Zusammenhang kommt es auf Frage an, was der Schuldner zu vertreten hat?
Diese Frage ist für das Bestehen von Schadensersatzansprüchen von Bedeutung. Den Schuldner, der eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, trifft nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Ersatzpflicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Ebenso entfällt in den Fällen der anfänglichen Unmöglichkeit die Ersatzpflicht aus § 311a Abs. 2 BGB, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss weder kannte noch kennen musste (§ 311a Abs. 2 Satz 2 BGB).
Für welche beiden Verschuldensformen haftet der Schuldner grundsätzlich? Wie werden diese Verschuldensformen definiert?
Grundsätzlich hat der Schuldner gemäß § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Vorsätzlich handelt der Schuldner dann, wenn er um den Erfolg weiß und diesen auch will und wenn er sich der Widerrechtlichkeit seines Handelns bewusst ist. Fahrlässigkeit wird in § 276 Abs. 2 BGB als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt definiert.
Nennen Sie einige Vorschriften, in denen eine mildere Haftung bestimmt ist! In welchem Fall gilt ein strengerer Haftungsmaßstab?
Nach §§ 521 und 599 BGB haften der Schenker und der Verleiher nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ferner hat der Schuldner während des Annahmeverzugs nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, § 300 Abs. 1 BGB. Nur für die Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, haftet z. B. derjenige, der eine Sache unentgeltlich in Verwahrung nimmt, § 690 BGB.
Während des Verzugs haftet der Schuldner wegen der Leistung gem. § 287 Satz 2 BGB auch für Zufall.
Wird der Schuldner einer Geldschuld von seiner Verpflichtung frei, wenn er unverschuldet in Not geraten ist und daher nicht bezahlen kann?
Nach allgemeiner Auffassung befreit auch unverschuldetes Unvermögen den Schuldner einer Geldschuld nicht von seiner Zahlungspflicht. Es gilt der Grundsatz: „Geld muss man haben.„ Man sagt, für den Schuldner einer Geldschuld ergebe sich aus dem „sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses„ (so der Wortlaut des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine im Vergleich zur sonst üblichen Verschuldenshaftung strengere Haftung. Der Schuldner einer Geldschuld wird also auf eine Klage hin auch dann zur Zahlung verurteilt, wenn er unverschuldet in Not geraten ist. Die Rechtsordnung berücksichtigt im Falle von Geldschulden das Unvermögen zur Leistung nämlich erst dann, wenn es zur Zwangsvollstreckung kommt: Das, was der Schuldner zum Leben braucht, ist dem Vollstreckungszugriff entzogen.
Bei welcher Art von Schuld wird regelmäßig davon ausgegangen, dass den Schuldner eine Beschaffungspflicht trifft und dieser ein Beschaffungsrisiko übernimmt? Erläutern Sie anhand eines Beispiels die Reichweite der Risikoübernahme!
Den Schuldner einer Gattungsschuld trifft die Verpflichtung, sich ggf. erfüllungstaugliche Stücke aus der Gattung zu beschaffen, damit er seine Leistung erbringen kann. Darüber hinaus übernimmt der Schuldner einer Gattungsschuld ein Beschaffungsrisiko, indem er dafür garantiert, dass er typische Beschaffungshindernisse überwindet. Für das Auftreten von außergewöhnlichen, atypischen Beschaffungshindernissen muss der Schuldner aber nicht einstehen. Wenn also der Gattungsschuldner nicht liefern kann, weil er seinerseits von seinem Lieferanten im Stich gelassen worden ist, dann haftet er. Dagegen ist der Schuldner nicht verantwortlich, wenn er infolge eines plötzlich ausgebrochenen Bürgerkrieges nicht zur Leistung imstande ist.
Für das Verschulden welcher Personen muss der Schuldner wie für eigenes Verschulden einstehen?
Gemäß § 278 BGB hat der Schuldner das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie seiner Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zu vertreten.
Definieren Sie den Begriff „Erfüllungsgehilfe„!
Erfüllungsgehilfe ist derjenige, der mit Wissen und Willen des Schuldners in die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners eingeschaltet ist.
Welche Arten der Unmöglichkeit können unterschieden werden?
Nach dem Zeitpunkt, zu dem das Leistungshindernis eintritt, wird unterschieden zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit. Ist die Leistung schon bei Abschluss des Vertrags unmöglich, dann spricht man von anfänglicher oder ursprünglicher Unmöglichkeit. Tritt die Unmöglichkeit erst später ein, dann ist nachträgliche Unmöglichkeit gegeben.
Des Weiteren kann unterschieden werden zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit. Abgrenzungskriterium ist die Frage, für wen die Leistung unmöglich geworden ist. Wenn niemand in der Lage ist die Leistung zu erbringen, liegt objektive Unmöglichkeit vor. Kann dagegen eine dritte Person die Leistung erbringen, der Schuldner aber nicht, dann spricht man von subjektiver Unmöglichkeit oder Unvermögen.
Darüber hinaus ist zwischen vollständiger, teilweiser und qualitativer Unmöglichkeit zu differenzieren. Die teilweise und die qualitative Unmöglichkeit haben gemeinsam, dass der Schuldner die Leistung nicht vollständig erbringen kann. Eine teilweise Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner einer teilbaren Leistung seiner Verpflichtung nur teilweise nachkommen kann (von den letzten zehn Flaschen des seltenen Weines sind fünf zu Bruch gegangen). Eine qualitative Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der versprochenen Qualität leisten kann (der verkaufte Gebrauchtwagen ist entgegen der Vereinbarung ein Unfallwagen).
Schließlich kann man danach unterscheiden, ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht. Dementsprechend gibt es eine vom Schuldner zu vertretende und eine vom Schuldner nicht zu vertretende Unmöglichkeit. Bisweilen kommt es auch vor, dass der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten hat.
Wodurch unterscheidet sich die objektive Unmöglichkeit von den in § 275 Abs. 2 und 3 BGB geregelten Leistungsverweigerungsrechten?
Während bei der objektiven Unmöglichkeit die Leistung nicht mehr erbracht werden kann, ist sie in den unter § 275 Abs. 2 und 3 BGB fallenden Sachverhalten noch möglich. Der Schuldner ist allerdings berechtigt, die Leistung zu verweigern, weil sie entweder „einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht„ (§ 275 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder wenn der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat „und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann„ (§ 275 Abs. 3 BGB). Die Behebung des Leistungshindernisses ist zwar theoretisch möglich, kann aber von einem vernünftigen Gläubiger nicht erwartet werden.
Der Schuldner wird, anders als in den Fällen des § 275 Abs. 1 BGB, nicht durch Gesetz von seiner Primärleistungsverpflichtung frei. Vielmehr entfällt diese Verpflichtung erst, wenn sich der Schuldner auf das Leistungsverweigerungsrecht beruft.
V liefert dem K Branntwein zu einem festgesetzten Preis. Während der Laufzeit des Vertrags wird die Branntweinsteuer derart erhöht, dass V von dem Kaufpreis nicht einmal mehr die Steuer bezahlen kann. Erläutern Sie, warum es sich bei diesem Fall nicht um einen Fall der „faktischen Unmöglichkeit„ i. S. des § 275 Abs. 2 BGB handelt! Wie werden derartige Fälle gelöst?
Ein Fall des § 275 Abs. 2 BGB liegt aus dem folgenden Grund nicht vor: Wenn die Branntweinsteuer z. B. um 10 € pro Liter erhöht worden ist, dann muss der Verkäufer für die Leistung je eines Liters des verkauften Branntweins einen um 10 € erhöhten Aufwand erbringen. Dies führt aber nicht dazu, dass der Aufwand des Verkäufers (= Schuldners) in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Käufers (= Gläubigers) steht: Denn das Leistungsinteresse des Käufers erhöht sich genau um die 10 € je Liter, die der Verkäufer in den Branntwein unfreiwillig investiert hat.
Da der Vertrag für den Verkäufer nunmehr völlig uninteressant ist, werden derartige Fälle auch als Fälle der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit„ bezeichnet. Diese fallen in den Anwendungsbereich des § 313 BGB, sind also nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage zu behandeln.
Was bedeutet der Begriff „Gegenleistungsgefahr”? Welche Vorschrift im BGB enthält die allgemeine Regelung der Gegenleistungsgefahr? Nennen Sie die Vorschrift, in der die Gefahrtragung abweichend hiervon geregelt ist.
Mit Gegenleistungsgefahr (= Preisgefahr) ist das Risiko gemeint, die geschuldete Gegenleistung erbringen zu müssen, obwohl die Leistung infolge eines „Zufalls„ nicht mehr erbracht werden muss. Mit „Zufall„ ist ein Umstand gemeint, den weder der Schuldner noch der Gläubiger zu vertreten haben. Die allgemeine Regelung findet sich in § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB: Wenn der Schuldner gem. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, dann entfällt sein Anspruch auf die Gegenleistung. Weil der Gläubiger der gestörten Leistung also die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringen muss, trägt nach der allgemeinen Vorschrift des § 326 der Schuldner der gestörten Leistung die Gegenleistungsgefahr. Eine Ausnahme hiervon ist z. B. in § 447 Abs. 1 BGB geregelt: Wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen, muss der Käufer (= Gläubiger der gestörten Leistung) den (vollen) Kaufpreis bezahlen, auch wenn die Sache während des Transports zerstört oder beschädigt wird. Eine weitere Ausnahme bildet § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB.
Welche Rechtsfolgen zieht die Unmöglichkeit der Leistung nach sich?
Soweit die Leistung unmöglich ist, ist der Schuldner von seiner primären Leistungspflicht befreit, § 275 Abs. 1 BGB.
Der Gläubiger der unmöglichen Leistungen ist in den Fällen der vollständigen und teilweisen Unmöglichkeit gem. 326 Abs. 1 Satz 1 BGB von seiner Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit (anders bei der qualitativen Unmöglichkeit, § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Unter den Voraussetzungen des § 285 BGB kann der Gläubiger das „stellvertretende commodum„ verlangen.
Der Gläubiger kann gem. § 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten.
Unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB bzw. des § 311a Abs. 2 BGB kann der Gläubiger vom Schuldner Schadensersatz statt der Leistung verlangen.
Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger gem. § 284 BGB Aufwendungsersatz verlangen.