Bürgschaftsvertrag, Vergleich, Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis Flashcards
Abgrenzungen (Bürgschaftsvertrag): Schuldbeitritt
- Beitretender übernimmt eigene Schuld
- Gesamtschuldnerische Haftung, §§ 421 ff
- Indiz: wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der Tilgung der Hauptschuld (bspw. Gesellschafter übernimmt Verbindlichkeit der GmbH, um Insolvenz zu vermeiden)
- § 766 analog (-)
Abgrenzungen (Bürgschaftsvertrag): Garantievertrag
- gesetzlich nicht geregelt
- nicht-akzessorisch: unabhängig vom Bestehen und Umfang der Hauptschuld ( Bürgschaft)
- keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern nur, wenn Garantiefall eintritt
- starkes wirtschaftliches Eigeninteresser erforderlich (weitreichende Garantiehaftung!)
- § 766 analog (-) -> im Zweifel ist daher von Bürgschaft auszugehen
Abgrenzungen (Bürgschaftsvertrag): Kreditauftrag, § 778
- Charakter des Auftrages bzw. der entgeltlichen Geschäftsbesorgung
- Bürgenhaftung des Auftraggebers, § 778 aE
- > Verpflichtungswille des Auftraggebers erforderlich, dass er das Risiko der Kreditgewährung des Beauftragten an einen Dritten absichern will
- -> Indiz: oft eigentliches wirtschaftliches Interesse
- > Unterschied zur Bürgschaft: Gläubiger (Beauftragter) übernimmt gegenüber Auftraggeber (Bürgen) eine Verpflichtung zur Gewährung des Darlehens an den Dritten
- § 766 analog (-), da Auftraggeber oft mit wirtschaftlichen Eigeninteresse insoweit nicht schutzwürdig
Abgrenzungen (Bürgschaftsvertrag): Patronatserklärung
- insbes. bei Konzernverhältnissen (Mutter- und Tochtergesellschaft)
- weiche Patronatserklärung: rechtlich unverbindlich, keine SEA-Pflicht des Patrons
- harte Patronatserklärung: rechtlich verbindlich, idR keine unmittelbare Zahlungspflicht an den Gläubiger des Protegés, aber Verpflichtung, diesen mit ausreichenden Mitteln auszustatten
- > SEA-pflichtig, wenn (harte) Patronatserklärung verletzt wird
- > akzessorische Sicherheit
Form des Bürgschaftsversprechens, § 766
- alle Umstände, die für die Bürgschaft wesentlich sind (Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere Umschreibung der gesicherten Hauptschuld und Verbürgungswille)
- ältere Rspr: Blankobürgschaft möglich
- > neue Rspr: unzulässig, wenn nicht Ermächtigung zur Vervollständigung der Blankobürgschaft das Erfordernis des § 766 wahrt
- Vollmacht zur Abgabe einer Bürgschafterklärung
- > hM: teleologische Reduktion des § 167 II
Sittenwidrigkeit der Bürgschaft
- insbesondere bei persönlicher Verbundenheit (psychische Zwangslage) des Bürgen und den Hauptschuldners: grds. vom Bürgen darzulegenden Umstände der Sittenwidrigkeit werden widerleglich vermutet, wenn (BGH)
1. besonderes persönliches Näheverhältnis (Eltern-Kind; Eheleute; neLG)
2. durch die übernommenen Verpflichtungen finanziell erheblich überfordert - > wenn zwischen dem Umfang der Verpflichtung und der Leistungsfähigkeit des Bürgen ein grobes Missverhältnis besteht, insbesondere wenn der Bürge aus seinem pfändbaren Vermögen oder Einkommen voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen zahlen kann; entscheidend: Prognose über die zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Bürgen)
- bei eigenem wirtschaftlichem Interesse des Bürgen: Sittenwidrigkeitsvermutung widerlegt -> allgemeine Beweisregeln für den Bürgen
Formularmäßige Vereinbarung von Globalbürgschaften
- Bürge haftet für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Gläubigers gegen den (Haupt-)Schuldner aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung
- Verstoß gegen Bestimmtheitsgrundsatz (-), da Haftung für Bürgen festgelegt (aber dennoch zu diskutieren)
- Verstoß gegen § 307 II Nr. 1 iVm Rechtsgedanken des § 767 S. 3 (keine Erweiterung der Bürgenverpflichtung durch späteres RG des Hauptschuldners); zudem oft überraschende Klausel (§ 305c)
- > BGH: Bürgschaftsvertrag beschränkt sich auf die Forderungen, die Anlass für den Bürgschaftsvertrag waren
P: Anwendbarkeit der Widerrufsrechte für Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b iVm § 312g)
- hM: (+)
pro: Schutz vor Überrumpelung besonders wichtig bei Bürgschaftserklärungen außerhalb von Geschäftsräumen - > entgeltliche Leistung als Erfordernis des § 312 I: Rspr. des EuGH zu § 312 aF: Entgelt ist Gewährung des Darlehens durch den Gläubiger an den Hauptschuldner
- > Anwendungsbereich “Verbraucher”:
- -> EuGH: nicht nur Bürge muss Verbraucher sein, sondern auch Absicherung einer Verpflichtung eines Verbrauchers (erstreckt sich nicht auf Geschäftskredite)
- -> BGH: auch wenn durch Verbraucherrechte-RL eine Vollharmonisierung angestrebt werden soll, kann nationale Rspr./Gesetzgeber die Sachmaterie (Geschäftskredit), die laut EuGH aus dem Anwendungsbereich der RL herausfällt, in gleicher Weise wie das Verbraucherrecht regeln
Anwendbarkeit der Widerrufsrechte für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen (§ 312c iVm
§ 312g)
- aF: Wortlaut beschränkt auf Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen
- > Bürgschaften (-)
- nF: ohne Beschränkung im Wortlaut
-> (-), solange der Vertragsschluss im Rahmen eines für
den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt (§ 312 c I)
Anwendbarkeit der Widerrufsrechte für Verbraucher bei Verbraucherdarlehensverträgen (§ 495 I)
ganz hM: (-), da Bürge nicht selbst Kreditnehmer ist
- auch analog (-), da keine planwidrige Regelungslücke: EU-Gesetzgeber wollte Bürgschaft von Verbraucherrechte-RL nicht erfassen (EuGH)
P: Absicherung eines bereicherungsrechtlichen Anspruches anstelle der Hauptforderung?
Bsp: S schließt mit der G-Bank einen Darlehensvertrag. B verbürgt sich für die Darlehensforderung der G. Nach der Auszahlung des Kredits stellt sich heraus, dass der Darlehensvertrag nach § 138 I nichtig ist. Wegen Insolvenz des S möchte G den B aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen
- > grds. durch Auslegung des Bürgschaftsvertrages zu ermitteln
- eA (hM): im Zweifel erstreckt sich Vertrag auch auf bereicherungsrechtlichen Anspruch
- aA (BGH): Differenziert nach privatem und geschäftlich agierendem Bürgen - geschäftlicher Bürge, der eigenes wirtschaftliches Interesse hat, bürgt im Zweifel auch für 812er-Anspruch
pro: interessensgerecht - wA (mM Lit): im Zweifel nicht abgedeckt
P: Analoge Anwendung des § 770 I auf die Situation, dass nur dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit zusteht (§ 770 II dann nicht einschlägig)
- eA: (+)
pro: Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft - aA: (-)
pro: kein rechtlicher Mangel der Hauptschuld (wie in § 770 I bei Anfechtbarkeit) -> vergleichbare Interessenlage (-)
pro: Entscheidung des Gesetzgebers, § 770 II auf Gläubigersaufrechnungsmöglichkeit zu beschränken, soll nicht unterlaufen werden
Bürgschaft auf erstes Anfordern
- Bürge muss sofort zahlen - keine Einwendungen und Einreden aus dem Verhältnis Hauptschuldner-Gläubiger möglich
- > aber: Schutz durch Verbot des Rechtsmissbrauches gem. § 242 dahingehend, dass Gläubiger nicht sofortige Zahlung verlangen kann, wenn sich die Einreden des Bürgen als offensichtlich zutreffend darstellen
- Verstoß gegen § 307 II Nr. 1, wenn Bürge kein Kreditinstitut ist
- Verstoß gegen § 307 II Nr. 2, wenn formularmäßig auf Einreden aus §§ 768, 770 verzichtet wird
Anspruchsschema: Gläubiger gegen Bürge, § 765 I
I. Wirksamer Bürgschaftsvertrag
- Abgrenzung zu anderen Verträgen (bei Zweifeln)
- Form (§ 766, 125, beachte aber auch § 350 HGB)
- Materielle Unwirksamkeitsgründe (zB § 138)
- Kein wirksamer Widerruf
II. Existenz der gesicherten Hauptforderung (§ 767)
III. Durchsetzbarkeit der Bürgschaftsschuld
- Eintritt des Sicherungsfalles
- Gegenrechte aus dem Verhältnis Bürge – Gläubiger
a) Einwendungen und Einreden aus dem Bürgschaftsvertrag
b) Einrede der Vorausklage (§ 771) - Gegenrechte aus dem Verhältnis Schuldner – Gläubiger
a) Einreden nach § 768
b) Einreden nach § 770 I, II
IV. Kein Erlöschen der Bürgschaft (zB nach §§ 776f.)
Rückgriff des Bürgen
I. Aus zugrundeliegendem Rechtsverhältnis
- Auftrag (§§ 662ff.), entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 I), berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff.)
- > AGL: § 670 ggf. über § 675 I oder § 683
- > bei § 670 (+) stünde Bürgen ein Befreiungsanspruch nach § 257 zu (Zahlung der Hauptschuld durch Hauptschuldner) -> da dies dem Zweck der Bürgschaft zuwiderläuft, modifiziert dies § 775
II. Cessio legis, § 774
- § 412 (Anwendung der Vorschriften über Forderungsübergang)
- > insbes. gehen gem. § 401 akzessorische Sicherheiten auf den Bürgen mit über
- > aber: Schuldner kann gem. §§ 412, 404 dem Bürgen die Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die er ggü seinem Gläubiger hatte
- nicht akzessorische Sicherheiten gehen nicht gesetzlich mit über, jedoch besteht ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Gläubiger auf Übertragung der Sicherheiten in gem. §§ 774, 412, 401 analog