Bereicherungsrecht (Zweipersonenverhältnisse) Flashcards
Dogmatische Grundierung: Trennungs- vs. Einheitslehre der condictio(nes)
- Trennungslehre (hM): Unterscheidung von Leistungs- und Nichtleistungskondiktion(en)
pro: wesentlichen Unterschieden der Kondiktionen vor dem Hintergrund des Billigkeitsgedankens der condictio kann Rechnung getragen werden
-> Leistungskondiktion: nichtige Verträge oder sonst fehlgeschlagene Leistungen: Nähe zu Rechtsgeschäften
-> Nichtleistungskondiktion: Eingriff in den Rechts(guts)bereich des Bereicherungsgläubigers: Nähe zum Deliktsrecht
=> daraus ergeben sich unterschiedliche Maßstäbe für die Bestimmung des rechtlichen Grundes bzw. für das Fehlen desselben - Einheitslehre (mM, hist. hM): Einheitlicher Kondiktionstatbestand
pro: einheitliches Ziel einer Rückgänigmachung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen
Systematik der Leistungskondiktion(en)
- condictio indebiti: Fehlender Rechtsgrund, § 812 I 1 Alt. 1
- > Sonderfall der Erfüllung trotz Einrede, § 813 S. 1
- condictio ob causam finitam: Wegfall des rechtlichen Grundes, § 812 I 2 Alt. 1
- condictio ob rem: Fortfall des Zwecks, § 812 I 2 Alt. 2
- condictio ob turpem vel iniustam causam: § 817 S. 1
Etwas erlangt
jeder (vermögenswerte) Vorteil
- > konkrete Rechtspositionen (nicht Sache, sondern Besitz oder Eigentum an der Sache)
- > auch: Befreiung von einer Verbindlichkeit
P: Bestimmung des Bereicherungsgegenstands bei
Gebrauchsvorteilen und Dienstleistungen
- BGH: Bereichungerungsschuldner hat Ersparnis von Aufwendungen erhalten (§ 818 II)
- > Konstellation, dass eigentlich keine Aufwendungen erspart wurden, da Bereicherungsschuldner die Leistung normalerweise nicht in Anspruch genommen hätte
- -> eA (BGH): schon bei der Prüfung des Bereicherungsgegenstandes (nach BGH: Ersparnis der Aufwendungen) ist mögliche Entreicherung zu prüfen (§ 818 III)
con: gem. der Systematik ist § 818 III auf Ebene des Umfangs des Bereicherungsanspruches zu prüfen - -> aA (Lit): Bereicherungsgegenstand sind die Gebrauchsvorteile oder Dienstleistungen als solche
pro: systemkonform
pro: Prüfung etwaiger Entreicherung (Luxusaufwendung) erst bei Umfang und Inhalt des Bereicherungsanspruchs
Leistung
- bewusst und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens
- > zentral für modernen Leistungsbegriff: Zweckbindung als notwendige Verbindung von Leistung und rechtlichem Grund
- > bei Auseinanderfallen der Zweckvorstellungen der Parteien: objektive Betrachtung aus Sicht des Empfängers (Auslegungsregeln der WE (analog) anwendbar, da Zweckbestimmung (Tilgungsbestimmung) als zumindest rechtsgeschäftsähnliche Handlung)
Bestimmung der Parteien der Leistungskondiktion durch den modernen Leistungsbegriff (Zweckbindung entscheidend)
- wenn Zuwendender gegenüber dem Empfänger der Leistung keinen eigenen Zweck verfolgt, kann er nicht Gläubiger des Bereicherungsanspruches sein (bspw. Banküberweisung)
con: bei komplizierten Mehrpersonenverhältnissen kommt es mitunter zu unsachgemäßen Lösungen
pro: sachgemäße Lösungen in Zweipersonenverhältnissen
pro: Ausgangspunkt für Überlegungen in Mehrpersonenverhältnissen
Ohne rechtlichen Grund: objektive vs. subjektive Rechtsgrundtheorie
- objektiv (hM): rechtlicher Grund besteht bei der allgemeinen Leistungskondiktion in der Existenz eines wirksamen Schuldverhältnisses, aufgrund dessen der Empfänger die Leistung behalten darf
pro: etablierte Rechtspraxis - subjektiv (neuere Lit): rechtlicher Grund besteht nicht, wenn der Leistende den damit verfolgten Zweck nicht erreicht hat
pro: einheitliche Beurteilung des rechtlichen Grundes bei allen Leistungskondiktionen
con: bei § 812 I 1 Alt. 1: führt zu (unnötig) doppelter Prüfung, da für eine (subjektive) Zweckverfehlung das objektive Fehlen der zugrundeliegenden causa vorausgesetzt wird
§ 813 S. 1 als eigene AGL
- Sonderfall zur condictio indebiti
- statt “ohne rechtlichen Grund”: “zur Erfüllung eines Anspruches, dessen Geltendmachung aufgrund einer Einrede dauernd ausgeschlossen ist”
- > Einrede der Bereicherung (§ 821)
- > Arglisteinrede (§ 853)
- > Einreden des Erben (§§ 1973, 1975, 1990)
- > § 242
- > nicht: Verjährungseinrede (§ 813 I 2 iVm 241 II) (würde Ziel der Verjährung konterkarieren, gerade in zweifelhaften Fällen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen)
Ausschlüssgründe: § 814
- restriktiv auszulegen: positive Kenntnis der Nichtschuld bzw. Existenz der dauerhaften Einrede (Kenntnis der Umstände, die diese konstituieren, nicht ausreichend)
- > gilt nur für § 812 I 1 Alt. 1 und § 813 I S. 1
Konstellationen der condictio ob causam finitam
- hM: Anfechtung mit ex tunc-Wirkung gem. § 142 I führt zu condictio indebiti (gegen den historischen Willen des Gesetzgebers)
- Eintritt der auflösenden Bedingung (§ 158 II)
- Eintritt der auflösenden Befristung (§ 163 iVm § 158 II)
- Schenkungswiderruf (§ 530)
- § 817 S. 2 gilt analog, § 814 gilt nicht
condictio ob rem: Anwendungsbereich
- Zweck der Leistung darf nicht in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen (-> § 812 I 1 Alt. 1)
- in Aussicht genommenes Verhalten kein tauglicher Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Bindung (Bsp: Abwendung einer Strafanzeige; Freikauf von Prostitution)
- Erbeinsetzung als mit der Leistung bezwecktes Verhalten
- Erbringen der Leistung bei einem nichtigen Vertrag trotz Kenntnis der Nichtigkeit (Notarfälle): Zweck darin, den anderen zum Erbringen der Gegenleistung zu veranlassen
- > § 814 greift nicht
- str.: wenn der Bereicherungsgläubiger bei einem wirksamen Vertrag einen über diesen hinausgehenden Zweck erreichen wollte (Grundstücksverkauf zu niedrigerem Preis an Gemeinde für Kindergartenbau, das jedoch an Unternehmen verkauft wird)
- > eA (Rspr): condictio ob rem
- > aA (hL): § 313 (mit Anpassung des Kaufpreises)
- Rückabwicklung neLG (mit § 313)
- Rückabwicklung von Schenkungen der Schwiegereltern an Schwiegerkind, wenn Schenkung zum Zweck der Ehe des eigenen Kindes erfolgte
condictio ob rem: Zweckvereinbarung
- ausdrückliche oder konkludente Einigung über den Zweck erforderlich
- > jedoch: keine Einigung iSe rechtsgeschäftlichen Bindung, da die Leistung dann doch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit erbracht würde (-> § 812 I 1 Alt 1)
§ 817 S. 1
- regelmäßig ist bei rechts- oder sittenwidrigem Empfang das Grundgeschäft bereits nach §§ 134, 138 nichtig (-> § 812 I 1 Alt 1)
- > Auffangtatbestand, wenn ausnahmsweise der Vertrag nicht unwirksam ist (bspw. wenn nur Empfänger gegen ein gesetzliches Verbot verstößt)
- § 817 S. 1 und § 812 I 1 Alt. 1 nebeneinander anwendbar
- § 814 gilt nicht für § 817 S. 1 (jedoch ist auch hier ein eigenständiger Anwendungsbereich des § 817 S. 1 fraglich, da bei rechts- oder sittenwidrigem Verstoß sich der Bereicherungsgläubiger nach Treu und Glauben nicht auf § 814 wird berufen können)
- condictio ob rem und § 817 S. 1: nebeneinander anwendbar, wobei § 817 S. 1 auch bei Zweckverwirklichung eingreift, solange der Zweck rechts- oder sittenwidrig ist (bspw. Schweigegeld kann auch zurückgefordert werden, wenn geschwiegen wurde)
- objektiver Gesetzes- oder Sittenverstoß reicht aus (kein subjektives Element erforderlich, da Bereicherungsrecht auf die Regelung der materiell richtigen Güterzuordnung abzielt)
§ 817 S. 2: Voraussetzungen
- subjektives Element wegen der einschneidenden Wirkung des § 817 S. 2 erforderlich (Bewusstsein der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit oder leichtfertiges Verschließen vor dieser Einsicht)
§ 817 S. 2: Ausweitungen
- “Gleichfalls”: nach Sinn und Zweck erst recht anzuwenden, wenn nur Leistendem ein Rechts- oder Sittenverstoß vorzuwerfen ist
- gilt für alle Leistungskondiktionen (da causa regelmäßig nach §§ 134, 138 nichtig ist, würde § 817 S. 2 leerlaufen, wenn er nicht auf den parallel anwendbaren § 812 I 1 Alt. 1 angewendet würde)
- § 985 ?
- > eA (Rspr): (-), genauso wie bei GoA und Delikt (§ 826)
pro: restriktive Auslegung des § 817 S. 2 als Ausnahme - > aA (Lit): (+), wenn nicht nur das Kausalgeschäft, sondern auch das dingliche Geschäft nach §§ 134, 138 nichtig ist
pro: Leistende soll bei einem solchen schwereren Mangel nicht besser stehen als bei der bloßen Nichtigkeit des Kausalgeschäfts
pro: Charakter des Ausnahmetatbestandes weniger wichtig als die Frage, ob die ratio der Vorschrift zutrifft
§ 817 S. 2: Einschränkungen
- bzgl. Leistungsbegriff: bei vorübergehender Überlassung der Sache schließt § 817 S. 2 nicht die Rückforderung als solche, sondern nur die vorzeitige Rückforderung aus
- bzgl. Schutzzweck der verletzten Gesetzes- oder Sittennorm:
- > nach neuem SchwarzArbG ist § 817 S. 2 auf Unternehmer anzuwenden (Bekämpfung der Schwarzarbeit -> kein Wertersatzanspruch für Schwarzlohn)
- > auch für den Besteller bei einem Werkvertrag, der gegen eine Gesetzes- oder Sittennorm verstößt
Allgemeine Eingriffskondiktion: Anwendungsbereich
- Grds: der Bereicherungsschuldner nutzt eine geschützte Rechtsposition des Gläubigers ohne Erlaubnis zu eigenen Zwecken und vermehrt hierdurch sein Vermögen auf dessen Kosten (oft Gebrauch, Verwertung oder Verbrauch einer fremden Sache oder eines anderen fremden Vermögensguts)
- > Vermögensverschiebung durch Verhalten des Bereicherungsgläubigers selbst: Verwendungskondiktion