9. Teil Lernen (OLAT) Flashcards

1
Q

Der Verlust religiöser Selbstgewissheit beförderte zwei neuartige Weltdeutungen im 17. Jahrhundert. Nennen Sie diese und beschreiben Sie ihre Inhalte. Welches wurde im Zuge dessen zur neuen Leitwissenschaft?

A

– Rationalismus und Empirismus: Deutung und Erkenntnis der Welt mit den Instrumenten der Deduktion und der Beobachtung
– Leitwissenschaft: Mathematik

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2
Q

Im 17./18. Jahrhundert entstand die Aufklärung. Welches galt für sie als das zentrale Instrument zur Erschliessung der Welt?

Dessen Konsequenzen?

A

– Vernunft als Instrument autonomer Deutung der Welt, unabhängig von externen Autoritäten: cogito, ergo sum (Descartes)

– Konsequenzen im Politischen Denken:
-Legitimationsverlust überkommener Herrschaftsordnungen
- Bedeutungsgewinn des Individuums: Gedanke universaler Menschenrechte als Konsequenz rationaler Analyse des Menschen
-Politische Herrschaft muss als vernünftige Herrschaft am Gemeinwohl orientiert und rational organisiert sein

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3
Q

Die Aufklärung beeinflusste auch das Rechtsdenken. Nennen sie 4 Beispiele dafür.

A
  • theonome Grundlage brüchig -> andere Ansätze

– Natur-, später Vernunftrecht wird zur zentralen normativen Ordnung

– Instrument juristischer Hermeneutik: mos geometricus

–Kategorie der Herrschaftsbegründung: Naturzustand als Instrument zur rationalen Erklärung für Entstehung von Herrschaft

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4
Q

Das Naturrecht ist demgegenüber ein schon älterer Teil der europäischen Rechtstradition. Wie könnte man seine Charakteristika in Antike, Mittelalter und Neuzeit prägnant beschreiben?

A

Naturrecht: Vorstellung von einem überpositiven Recht, sei es in Natur, Kosmos oder Menschennatur begründet

– seit jeher präsent in der europäischen Rechtstradition

– Antike (begründet insbesondere durch Stoa): Gesetzmässigkeiten des Kosmos

– Mittelalter: Naturrecht (lex naturalis) als Verbindungsglied zwischen Menschen und Gott (Naturrechtssätze als dem Menschen erkennbare überpositive Normen, die auf Gott zurückgehen)

– In die Neuzeit vermittelt durch die sog. Spanische Spätscholastik 16. Jahrhundert)

– Anknüpfung bei Thomas von Aquin

– Intensive Beschäftigung mit Fragen des Völker- und des Strafrechts

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5
Q

Hugo Grotius, Thomas Hobbes, Samuel Pufendorf, Christian Thomasius und Christian Wolff waren wichtige Repräsentanten vernunftrechtlichen Denkens im 17. und 18. Jahrhundert. Können Sie gemeinsame Kennzeichen ihrer Vernunftrechtskonzeptionen benennen?

A

– Mos geomtricus als Grundlage

– Naturzustands-Argumentation

– Individualrechte (unterschiedlich stark und mit unterschiedlichen Folgen)

– Herrschaftsvertrags-Konzeption

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6
Q

Können Sie, schlagwortartig und beispielhaft, je ein Merkmal benennen, mit dem die eben genannten Denker zugleich einzeln besonders hervortraten?

Hugo Grotius, Thomas Hobbes, Samuel Pufendorf, Christian Thomasius und Christian Wolff

A

– Hugo Grotius (1583-1645): einflussreiche naturrechtliche Begründung des Völkerrechts

– Thomas Hobbes (1588-1679): naturrechtlich verankerte Legitimation einer weitreichenden staatlichen Herrschaftsmacht

– Samuel Pufendorf (1632-1694): Ausgang an der sozialen Natur des Menschen (socialitas) und seine würdeorientierte Freiheitstheorie

– Christian Thomasius (1655-1728): auffallende konzeptionelle Abtrennung der Ethik vom Recht

– Christian Wolff (1679-1754): Mensch bereits mit angeborenen, wenngleich veräusserlichen, Rechten ausgestattet (iura connata)

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7
Q

Welche Wandlungen des überkommenden Rechtswissens, die das Vernunftrecht auslöste, sind bis heute wirksam?

A
  • Säkularisierung des Rechts in der Zeit der europ. Glaubensspaltung

– Naturrecht erringt eine grds. eigenständige, von der Theologie unabhängige Rechtsbegründung

  • Systematisierung des Rechtsdenkens

– Recht wird immer weitergehend als kohärentes Normensystem mit hierarchischer Struktur entworfen (insb., aber nicht nur, durch Pufendorf oder Wolff)

  • Nationalisierung der Rechtsdiskurse in Europa

– Fokussierung auf nationale Rechte einzelner Länder, unabh. vom europaübergreifenden ius commune

– Übersetzungen juristischer Werke in die eigene Landessprache tauchen auf, denn Latein wird als juristische Gelehrtensprache abgelöst von den Nationalsprachen

  • Aufstieg des neuzeitlichen Menschenrechtsdenkens:

– Betonung der Natur des Menschen und seiner unentziehbar angeborenen Individualrechte (Bspl. Wolff: iura connata)

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8
Q

Was versteht man unter aufgeklärtem Absolutismus?

A

– Verbindung von weitreichender, rationalisierter Herrschaft (Staat als Uhrwerk/Maschine) und dem Gedanken vernunftgemässer Ordnung von Gesellschaft und Recht (daher auch Bezeichnung Reformabsolutismus)

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9
Q

Definieren Sie den Begriff der Kodifikation.

A

– Systematische Ordnung eines Rechtsgebietes durch Gesetzgeber mit Anspruch auf Ausschliesslichkeit

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10
Q

Wann kam die Kodifikationsidee in der Frühen Neuzeit auf? Welche Idee von Herrschaftsmacht drückte sich in ihr aus?

A

– (Neu-)Entstehung der Kodifikationsidee im ausgehenden 16. Jahrhundert (mos gallicus)

– Ausdruck für Anspruch des gesetzgebenden Herrschers,

– Recht nach vorgegebenen Ordnungsvorstellungen zu gestalten

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11
Q

Welches war, ganz allgemein, das Ziel der vernunftrechtlichen Kodifikationen, und wodurch waren ihre Ordnungsprinzipien erkennbar geprägt?

A

– Recht abschliessend festzulegen und gegenüber Rechtsprechung und Gewohnheitsrechtsbildung abzuschotten

– Ordnungsprinzipien durch Vernunftrecht und entsprechende Systembildung geprägt

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12
Q

Nennen Sie die vier berühmtesten Kodifikationen der Vernunftrechtsepoche, geben Sie jeweils an, wer sie veranlasst und wann sie in Kraft traten.

A
  • Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (mit Tendenz zur Kompilation)

– In Kraft getreten 1756

  • Das Allgemeine Landrecht für die Königlich Preussischen Staaten (Preussen)

– Veranlasst durch Friedrich II. (1740-1786) 1780

– In Kraft getreten 1794

  • Code Civil (Frankreich)

– Veranlasst durch Napoleon Bonaparte

– In Kraft getreten 1804

  • Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich)

– Verbindung von römischem und regionalem Recht

– Veranlasst durch Maria Theresia (1740-1780)

– In Kraft getreten 1812

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13
Q

Was kennzeichnete die Entwicklung des Strafrechts in der Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert?

A

– Seit 16. Jahrhundert: Aufstieg von Vergeltungsgedanken (Beispiel: Constitutio Criminalis Carolina, 1532): Aus lieb der Gerechtigkeit

– Öffentliche Inszenierung von Körper- und Todesstrafen

– Markante Zunahme von Hexenprozessen

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14
Q

Wie wandelte sich das Strafrecht seit der Aufklärungszeit?

A

– Neubestimmung der Strafzwecke, s. etwa Thomasius: Bestrafung von Straftätern soviel es zum Nutzen der Allgemeinheit erforderlich ist

– Kritik an der Todesstrafe bei Cesare Beccaria (1738-1794)

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15
Q

Inwiefern werden Strafrecht, Strafverfahren und Strafvollzug seit der Aufklärungszeit humanisiert?

A

– Ende der Hexenprozesse (1782: Hinrichtung von Anna Göldi, Glarus)

– Abschaffung der Folter (z. B. Preussen: 1740/1754, Zürich: 1798)

– Rückgang der Todesstrafe und Ausweitung der Freiheitsstrafe

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