6. Entstehung von Rechtswissenschaft Flashcards
Vorstufen wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit Rechtstexten
▪ Institutioneller Rahmen für Ausbildung und Beschäftigung mit Normtexten v. a. seit Karolingerzeit: Kloster und damit Klerus
▪ Behandlung von Normtexten (bis etwa 11./12.Jh)
– Sammlung und dadurch Verbreitung
– Systematisierung
– Vereinzelt bereits Glossierung (Erläuternde Randbemerkungen) – Schwerpunkt liegt eher beim kirchlichen Recht
– typisch etwa:
• Collectio Dionysiana: Um 500 in Rom entstanden, in verschiedenen Versionen in ganz Europa verbreitet
• Sammlungen des Bischofs Ivo von Chartres († 1116), 11./12. Jahrhundert
Aufstieg der Universitäten
▪ Analytische Beschäftigung mit theologischen und normativen Texten nimmt etwa seit der Epoche des Investiturstreits an Intensität zu:
– Oberitalien:
• Schwerpunkte in Pavia (langobardisches Recht)
• Kontinuität römischrechtlicher Texte und dann seit etwa 11./12. Jh. Verbreitung der sog. Littera Florentina (Abschrift der Digesten) von Süditalien her
• Entstehung von institutionalisiertem Rechtsunterricht in Bologna nach 1116 (Irnerius Begründer der Rechtsschule)
– Paris, Oxford:
• Stätten intensivierter Auseinandersetzung mit v. a. theologischen (und kirchenrechtlichen) Texten
• Institutionalisierung von Unterrichtsformen im Lauf des späten 12. Jahrhunderts
▪ Aufstieg von Hohen Schulen (v. a. für Rechtswissenschaft und Theologie) seit 12. Jh.
Uniformität der Lehre (standardisierter Bildungskatalog)
- Körperschaftlich vielfach verselbständigt insb. eigene Gerichtsbarkeit
– Organisationsform am Bsp. Bologna
- Studierende (gegliedert in nationes)
- Rektor, von Studierenden gewählt
- Magistri eher als Angestellte
• Ebenfalls belegt (Cambridge 1209): Magistri, Scholaren als Mitglieder
• Zunächst selten, später häufiger: Herrscherliche oder päpstliche Gründungen:
- Neapel, 1224 (Friedrich II.)
- Rom (heute: La Sapienza), 1303 (Bonifatius VIII.)
Erfolg der Scholastik
▪ Universitäten bilden einen institutionellen Rahmen für die vertiefte Beschäftigung mit Rechtstexten…
− Siegeszug der Scholastik als zentrale Methode der Theologie
− Vernunft als Instrument auch des Glaubens anerkannt
(Höhepunkt: Thomas von Aquin (1225-1274))
… und damit methodologische Voraussetzungen für Analyse auch von Rechtstexten
− Auffinden des Inhalts
− Problementfaltung
− Ausgleich mit widersprüchlichen Textstellen
(gleiches Vorgehen in der Lehre)
Das gelehrte Recht
▪ an mittelalterlichen Universitäten entsteht so ein spezifischer, gelehrter Umgang mit Rechtsregeln
▪ Instrument der Normanalyse ist die scholastische Methode:
− Besondere Bedeutung der Unterscheidung von
• Fällen
• Regelungsebenen
• Begrifflichkeiten
• Argumenten
− Selten dagegen: (Explizite) Argumentation aus Prinzipien und Wertungen
▪ Instrument der Bearbeitung von Rechtstexten = Glosse
– Zunehmende Verbindlichkeit für die gerichtliche Praxis
▪ Im 14. Jahrhundert Änderung der Bearbeitung von Rechtswissen
– Zusammenstellung von Lehrmeinungen etwa bei Bartolus (1357)
– wachsende Bedeutung von Autorität im wissenschaftlichen Diskurs
Dabei:
2 Teilrechtswissenschaften des römischen Rechts
> Disziplin, die sich mit dem c.i.c. auseinandersetzt (Legistik)
> Wissenschaft die sich mit den kirchlichen Normen auseinandersetzt (Kanonistik)
Diese beiden Gebiete kommunizieren auch miteinander (werden zu einer gemeinsamen Rechtsmasse, die gegenwärtige Jurisprudenz wäre undenkbar ohne die Entstehung von Legistik und Kanonistik
▪ Übernahme römischrechtlicher Normen in vielen weltlichen Bereichen (Städte, Territorialherren)
▪ Entstehung einer europaweit angewendeten Rechtsschicht – ius commune ([all-]gemeines Recht).
▪ Entstehung eines zunehmend wachsenden Marktes für gelehrte Juristen
▪ Studium wird damit zur Möglichkeit sozialen Aufstiegs
▪ Wachstum der Universitäten
Recht jenseits der Universitäten
▪ Jenseits des kirchlichen und römischen Rechts seit etwa dem 13. Jahrhundert auch intensive Beschäftigung mit lokalem Recht
▪ Überlieferung lokaler Rechte ursprünglich oral oder nur in Einzelformen (Aufzeichnungen, Bearbeitung einzelner Rechtsakte in Offnungen/Weistümern)
▪ Methode des gelehrten Rechts und dessen enorme Verbreitung inspirieren zu Aufzeichnung auch regionaler Rechte, etwa
− Sachsenspiegel (ca. 1230)
− Schwabenspiegel (ca. 1275)
− Bracton’s De legibus et consuetudinibus Anglia (1220- 1250)
Bspl. Sachsenspiegel
Verfasser: Eike von Repgow (1180-ca. 1233) um 1230
Bündelung des sächsischen Land- und Lehensrechts (damit auch des Verfassungsrechts)
- Geltung wie eine institutionell gesetzte Norm
- Gegenstand selbständiger Glossierung (sog. Buch‘sche Glosse)
Glossierung, Kommentierung, systematische Gesamtdarstellung als Techniken die heute noch - in einem gewissen Mass - praktiziert werden
Was ist der Gegenstand der Kanonistik?
Kanonistik befasst sich mit der Geschichte des römisch-katholischen Kirchenrechts, vor allem der sog. canones (von der Kirche gesetzter Normen).
- Auf welche Normbildungen richtet sich die Germanistik aus?
- Auf welche Rechtsgebiete konzentriert sich die Germanistik und mit welchen steht sie in enger Verbindung?
Ausrichtung auf Normbildungen im sog. germanischen/altdeutschen Rechtskreis
• Konzentration damit auf
– Lokale Rechte insbesondere in Mitteleuropa
– Strafrechtsgeschichte
– Geschichte des Öffentlichen Rechts (Verfassungsgeschichte)
• Enge Verbindung mit
– Staatsrecht
– Handels- und Wirtschaftsrecht