8. Territorialstaat und Absolutismus Flashcards
Reformation
• Begriff: Reformation
– reformare: Wiederherstellen
– Zielsetzungen der sog. Reformatoren: „Wiederherstellung“ des Glaubens und der Theologie
Kritik Luther (beginnend 1517, „95 Thesen“):
• Unmittelbare Beziehung zwischen Gott und dem glaubenden Menschen und damit Frage:
Wie die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ausgestaltet ist?
Luther: “Mensch kommt durch sich zu Gott!”
• Keine Mittlerfunktion der Kirche (Verwaltung göttlicher Gnade durch irdische Institution unmöglich)
• Individueller Zugang jedes Gläubigen zu göttlicher Liebe und Gnade möglich
• Autorität allein der Bibel (statt der Kirche)
• Radikale Kritik auch und gerade am «papistischen» Kirchenrecht
Folgen:
• Exkommunikation Luthers (1520) und Reichsacht (1521)(„Wormser Edikt“)
• Aber dennoch Verbreitung von Luthers Lehren im Reich und anderen Ländern, weil Medienrevolution (Buchdruck + wachsender Literarisierungsgrad + Flugblattkultur)
Reformation am Bsp. Zürich
– Ulrich Zwingli (1484-1531), seit 1519 am Grossmünster, zieht 1522/1523 den Rat auf seine Seite (beeinflusst von Luthers Schriften)
– 1523: Rat folgt aufgrund öffentlicher Disputation Zwinglis Lehren, Übergang zum Protestantismus
Konsequenz:
– Entfernung von Kirchenbildern und Kirchenmusik
– Etablierung einer rigorosen Sozialkontrolle
– Säkularisierung kirchlichen Vermögens und Übergang auf Stadt
– 1531: Scheitern des Zürcher Versuchs, Reformation gewaltsam in der Eidgenossenschaft einzuführen
Konfessionalisierung von Recht und Herrschaft
These (!): Infolge der Reformation (und Gegenreformation) kommt es zu einem verfassungsgeschichtlichen Modernisierungsschub
- neuartige, institutionell und räumlich organisierte Sozialkontrolle
- Obrigkeit übernimmt Organisation, Alimentierung, Kontrolle über die Kirche
damit: Grenzen der weltlichen und geistlichen Sphäre verschwimmen und weltliche Macht erhält einen bedeutenden Zuwachs
Konfessionalisierung am Bsp. Zürich
− 1525: Errichtung des Ehegerichts (vorher Kirche dafür zuständig)
• Ehesachen (Ehebruch, Polygamie, Ehehindernisse)
• Seit 1526: „Hurerei“ – Ehegericht = Instanz der Sozialdisziplinierung
• Ehegericht wird zum Vorbild für andere Städte
− 1528: Errichtung des Kirchenparlaments
• Säkularisation des Klosterguts
> Verwaltung durch städtischen „Obmann“
> Zufluss der Gelder in städtische Kassen
> Besoldung der Pfarrer aus städtischen Mitteln
= Weltliche Macht organisiert religiöse Verbandsstrukturen
weitergehende Konfessionalisierung von Recht und Herrschaft
Verbindung der Tendenzen mit dem Gedanken der Policey
- Herkunft aus der aristotelischen Lehre der politeia
- Leitziel: Ordnung des gesamten Gemeinwesens im Interesse des gemeinen Besten (bisweilen mit auch konfessioneller Konnotierung: gottesfürchtiges Leben der Untertanen)
- Beeinflussung auch des Herrscherideals (Herrscher kümmert sich um Untertanen)
Entstehung von Polizeiordnungen (1530, 1698) mit umfassendem Regelungsanspruch:
− Wirtschaft
− Sozialleben
> Luxusverbote
> Kleiderordnungen
Konsequenzen der Polizeiordnungen am Bsp. Zürich
–Ausweitung obrigkeitlicher Herrschaftsintensität und Sozialdisziplinierung der Herrschaftsunterworfenen
–Ausweitung der sog. Gebotsgewalt des Herrschers faktisch zur Gesetzgebungsgewalt
–Vorstufen zu späteren absolutistischen Herrschaftsformen
Grundsätze der Konfessionalisierung (für das Recht)
▪ Reformationen (= Fortschreibungen und Korrekturen) von Landesrecht (Bsp. 1572)
▪ Zürich zeigt:
− Landesherrliche oder städtische Obrigkeit zentral für
Reformation
− Konfessionelle Ausrichtung beeinflusst Normbildung
− Konfessionelle Gegensätze bergen Konfliktpotential
− Verstärkung des Zugriffs auf Herrschaftsunterworfene
▪ «Konfessionalisierung» von Herrschaft und Recht prägt insb. die Zeit bis 1648.
Gewaltexzesse um 1600
▪ Gewaltexzesse vor allem im Zuge der Konfessionskriege
▪ Konfessionelle Gegensätze werden im 16. und 17. Jahrhundert in Europa zu Anlässen gewalttätiger Konflikte
Bartholomäusnacht 1572, Ermordung Heinrichs IV. 1610, 30-jähriger Krieg (5-6 Mio. Tote)
= Paradigma sind massive Gewalterfahrungen
Konsequenzen der Gewaltexzesse um 1600
Erfahrungen von kriegerischer Gewalt
-Bevölkerung durch Erfahrungen “verstört”
-Delegitimierung von Religion als Grundlage von Herrschaft
-Neubestimmung der Funktion von Recht: Sicherung auch und gerade des religiösen Friedens
Inhalte absolutistischer Herrschaft
• Absolutismus, absolvere = loslösen
• Inhalte absolutistischer Herrschaft
– Unabhängigkeit des Landesherrn von ständischer Mitwirkung
– Umfassende Herrschaftsbefugnis in Normsetzung, Verwaltung, Rechtsprechung
– Zentrum des Staates
• Hof des Herrschers
• Kabinett des Herrschers
– Wirtschaft des Landes wird strikt dem Staatsinteresse
(= steigende Einnahmen) untergeordnet: Merkantilismus
Grundlagen absolutistischer Herrschaft
▪ Grundlage der Macht: Administration
– Beamte als Staatsdieners, jederzeit absetzbar
– Ausbau des Beamtenapparates auf zentraler und regionaler Ebene
– Aufbau einer funktionsfähigen Finanz- und Steuerverwaltung (Verbrauchsteuern als zentrale Grundlage steigender Staatseinnahmen)
– Stehendes Heer
– Einbindung des Adels in den Hof und in die Verwaltung (sozialer Herrschaftskompromiss zwischen Herrscher und Adel: insb. Grundherrschaftsrechte und Privilegien werden garantiert, Adel im Gegenzug loyal gegenüber Herrscher)
Entstehungsbedingungen absolutistischer Macht
– Aufstieg der Obrigkeit seit der Reformation (Polizeiordnungen, Sozialdisziplinierung)
– Konfessionskriege lassen Sehnsucht nach starker Herrschaft wachsen
Konsequenzen abolutistischer Herrschaft
− Verdrängung der Stände von der Teilhabe an der zentralstaatlichen Herrschaft
− Umfassende Normsetzungsbefugnis des Herrschers und weiträumige Gesetzgebung
− Monopolisierung richterlicher Gewalt beim Herrscher mit starker Zentralisierung
Legitimation und Motivation der herrscherlichen Macht
Neubestimmung der Legitimation hoheitlicher Herrschaft
- durch konfessionelle Bürgerkriege wendet sich politisches Denken von christlichen Legitimationsmustern ab
- Staatlichkeit durch menschlichen Staatsgründungsakt: Vertrag
- neue Funktion des Staates: Garant von Sicherheit
Neubestimmung der Reichweite von hoheitlicher Herrschaft
> Ausweitung herrscherlicher Kompetenzen
> Omnipotenter Staat wird zum zentralen Thema
Absolutismus Bodin
− Entfaltung des Gedankens der Souveränität
− Umfassende höchste Herrschaftsmacht, aber: göttliche Gesetze
− Souveränität als VSS für Staatlichkeit